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Kapitel 7

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Elizabeth arbeitete noch spät. Alle anderen waren bereits gegangen.

Gerade wog sie für sich ab, ob sie noch ein paar Stunden dranhängen und dann die Nacht hier in der Etage darunter verbringen sollte. Sie lehnte sich in ihrem Bürosessel zurück und betrachtete das Foto ihres Vaters auf dem Schreibtisch. Sie vermisste ihn, sein bestimmtes Auftreten und seine Fähigkeit, jedem Problem auf den Grund gehen zu können. Mehr noch aber seine Fähigkeit, besonders bis zum Kern ihrer Probleme vorzudringen.

Ihr Vater war Richter in Colorado gewesen, zu einer Zeit, als Richter in ihren Entscheidungen noch sehr viel freier gewesen waren. Das hatte sich in seinen letzten Dienstjahren geändert, als die Politik immer mehr Einfluss auf die Gerichtsbarkeit nahm. Die zunehmende Härte bei den Urteilen und das fließbandartige Vorgehen in Prozessen und bei Freisprüchen gehörten zu den wenigen Dingen, über die sie ihn je hatte klagen hören.

Als ihr direkter Telefonanschluss einen eingehenden Anruf anzeigte, ahnte sie, dass es sich um schlechte Nachrichten handeln würde. Niemand rief einen um diese Zeit an, es sei denn, es war etwas passiert.

»Harker«, meldete sie sich.

»Direktorin, hier spricht Agent Price vom Secret Service. Ich rufe Sie aus dem Walter-Reed-Krankenhaus an. Präsident Rice hatte einen Herzinfarkt. Er möchte Sie sprechen.«

Ihr Herz machte einen Satz. Sie wusste, dass er an diesem Abend eine wichtige Rede gehalten hatte, wollte sich diese aber erst später zuhause ansehen. Die Stimme am anderen Ende fuhr fort. »Ein Hubschrauber ist bereits auf dem Weg. Er dürfte in zehn Minuten bei Ihnen sein. Halten Sie sich bitte bereit.«

»Wie geht es ihm?«

»Nicht gut. Zehn Minuten, Direktorin.«

Elizabeth stand auf und stopfte ihr Handy in die Handtasche. Wenn sie einen Hubschrauber schickten, lag Rice wahrscheinlich bereits im Sterben. Sie betete, dass das nicht der Fall sein würde. Rice war einer der wenigen Menschen, die Elizabeth bewunderte. Wenn er starb, würde die Welt ein gefährlicherer Ort werden.

Sie schaltete das Licht in ihrem Büro aus, trat aus dem Gebäude und lief zu der Hubschrauber-Landeplattform, um dort zu warten. Nach ein paar Minuten hörte sie bereits das vertraute Wupp-Wupp-Wupp der Rotoren. Sie sah zu, wie der Helikopter in einem weiten Bogen auf das Grundstück einschwenkte. Der Pilot brachte den Hubschrauber über die Landeplattform und ließ ihn für einen Moment darüber schweben, bevor er ihn landete. Der Hubschrauber war komplett schwarz und unauffällig. Seine Rotoren drehten sich weiter.

Seltsam, dachte sie bei sich. Ich kann mich nicht erinnern, ein solches Modell schon einmal gesehen zu haben. Für gewöhnlich schicken sie eine Einheit der Marines.

Ein Mann in einem schwarzen Anzug stieg aus dem Hubschrauber. Er war etwa einen Meter achtzig groß, mit dunkler Haut und längerem Haar. Außerdem hätte er eine Rasur gebrauchen können. Aus irgendeinem Grund war Elizabeth beunruhigt, auch wenn sie nicht genau wusste, wieso.

»Direktorin Harker? Ich bin Agent Williams. Ich helfe Ihnen hinein.«

Er kam auf sie zu. Elizabeth bemerkte seinen Ohrhörer mit dem dünnen Kabel, etwas, das offenbar alle Agenten des Secret Service gemein hatten. Er trug die offizielle Kleidung des Secret Service – einen dunklen Anzug und Krawatte. Am Tag hätte er dazu wahrscheinlich noch eine Sonnenbrille getragen. Das alles entsprach den Vorschriften. Doch dann bemerkte sie seine Schuhe. Der Mann trug braune Halbschuhe.

Ihr Gespür schlug Alarm. Kein Agent hätte sich mit braunen oder andersfarbigen Halbschuhen erwischen lassen, schon gar nicht das Sicherheitspersonal aus dem Weißen Haus. Sein Haar war zu lang und ihr war auch noch nie ein unrasierter Agent des Secret Service untergekommen.

Etwas an ihrem Blick musste sie verraten haben. Der Gesichtsausdruck des Mannes verfinsterte sich. Er griff unter seine Anzugjacke. Der Pilot sah ihnen von hinter den gewölbten Glasscheiben aus zu.

Elizabeth war in ihrem Leben nicht so weit gekommen, weil sie dumm war. Ihr Verstand hatte all die Anzeichen bereits verarbeitet, während der Mann noch auf sie zugekommen war. Die Haare, die schlechte Rasur, die Schuhe. Das alles bedeutete Ärger. Sie traf eine Entscheidung. Sie zog im selben Augenblick ihre Pistole aus dem Holster an ihrem Gürtel, wie Williams seine Waffe unter seiner Jacke hervor beförderte. Sie feuerte drei schnelle Schüsse ab. Der Mann schoss in den Boden, die Kugel prallte vom Beton ab, dann fiel er nach hinten auf die Landefläche.

Mit einem lauten Dröhnen hob der Hubschrauber wieder von der Plattform ab und begann in die Höhe zu steigen.

Elizabeth war nun wütend. Sie hob ihre Waffe mit beiden Händen und leerte den Rest des Magazins in den Helikopter. Funken stoben an dem metallenen Rumpf auf. Einige der Hohlmantelgeschosse hatten den Motor getroffen. Der Schlitten ihrer leer geschossenen Pistole blieb zurückgezogen stecken. Der Hubschrauber gewann weiter an Höhe.

Dann hallte das plötzliche, schrille Kreischen von Metall durch die Nacht, als der Motor mitten in der Luft den Geist aufgab. Eine dicke, ölig-schwarze Rauchwolke stieg aus dem hinteren Teil des Hubschraubers auf. Das Fluggerät neigte sich etwas zur Seite und schwenkte auf sie zu. Durch das Cockpit konnte sie das schreckensverzerrte Gesicht des Piloten sehen, als die Maschine außer Kontrolle geriet. Elizabeth stürmte die Landeplattform hinunter und warf sich ins Gras. Der Hubschrauber fegte über sie hinweg und bohrte sich direkt in den Boden. Die drehenden Rotoren gruben sich ins Erdreich. Der Motor heulte laut auf und explodierte dann in einer orangefarbenen Stichflamme. Der Donner grollte wie ein Gewitter über das ländliche Virginia und verhallte schließlich.

Elizabeth hob ihren Kopf und sah zu dem brennenden Wrack. Dann blickte sie zu dem Mann zurück, den sie getötet hatte. Er lag auf dem Rücken. Sein Hemd war blutgetränkt und unter seinem Körper hatte sich bereits eine kleine Lache gebildet. Die Spitzen seiner braunen Halbschuhe ragten in den Himmel.

Elizabeth richtete sich auf. Ihre Hände zitterten.

Sie schob ein frisches Magazin in ihre Pistole, brachte den Schlitten in die Ausgangsposition zurück, sicherte die Waffe und steckte sie ins Holster zurück.

Der Absturz war sicher nicht unbemerkt geblieben. Sie konnte es sich nicht leisten, dass sich die örtliche Polizei, die Verkehrsbehörde und alle anderen an der Absturzstelle herumtreiben würden. Nicht, bevor sie herausgefunden hatte, wer diesen Hubschrauber geschickt hatte. Nicht, bevor sie mehr Informationen besaß. Sie würde ein paar Gefallen einfordern und die nationale Sicherheit einbeziehen müssen. Das würde unschön werden, aber auf diese Weise konnte sie die Sache lange genug unter Verschluss halten, um herauszufinden, was passiert war. Wenn sie Herr der Lage bleiben wollte, blieb ihr keine andere Wahl.

Sie zog ihr Handy hervor und rief Clarence Hood unter seiner privaten, abhörsicheren Nummer an. Hood war der Leiter der CIA und ein Verbündeter, auf den Elizabeth zählen konnte. Dafür gab es auch einen guten Grund. Wären Elizabeth und ihr Team nicht gewesen, säße Hood jetzt in einem Bundesgefängnis, anstatt im siebten Stockwerk in Langley.

»Clarence, hier ist Elizabeth. Ich brauche Ihre Hilfe.«

»Elizabeth. Haben Sie schon von dem Präsidenten gehört?«

»Ja. Wie ist sein Status?«

»Ungewiss. Er befindet sich gerade auf der Intensivstation des Walter-Reed-Krankenhauses.«

»Hier ist etwas passiert«, sagte Elizabeth. Sie erzählte ihm von dem Anruf und dem Hubschrauber. Während sie ihm davon berichtete, sah sie zu dem Wrack auf ihrem Rasen.

»Er brennt immer noch«, sagte sie. »Die Explosion wird jemandem aufgefallen sein. Die Polizei und alle anderen werden in wenigen Minuten hier sein. Sie müssen sie aufhalten.«

»Dieser Mann, der sich selbst als Agent des Secret Service ausgab, sagte, dass der Präsident ihn geschickt hätte?«

»Ja. Ich frage mich, ob es etwas mit dem zu tun hat, was Rice widerfahren ist.«

»Denken Sie an einen Mordversuch?«

Das Einzige, was Hoods zunehmende Anspannung erkennen ließ, war der leichte Südstaatenakzent, der sich wieder in seine Stimme schlich.

»Es scheint mir ein zu großer Zufall zu sein, und ich glaube nicht an Zufälle«, erklärte Elizabeth. »Ich denke, Sie sollten sicherheitshalber Rices Wachpersonal verstärken.«

»In fünfzehn Minuten ist ein Team bei Ihnen«, versprach Hood. »Falls vorher jemand bei Ihnen auftaucht, dann halten Sie ihn so lange hin. Rufen Sie mich morgen an, dann besprechen wir alles Weitere.«

»Das werde ich«, sagte Elizabeth und beendete das Gespräch.

Die Flammen des brennenden Hubschraubers erhellten die Nacht. Auf der Veranda vor ihrem Büro sah sie die Katze liegen, die ungerührt das Feuer beobachtete.

DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7)

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