Читать книгу DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7) - Alex Lukeman - Страница 15
Kapitel 10
ОглавлениеAm nächsten Morgen fuhren Nick und Selena nach ihrem morgendlichen Briefing in Virginia zurück nach Washington. Der Verkehr auf der 66 war dicht. Selena hatte geschwiegen, seit sie das Hauptquartier des PROJECTs verlassen hatten.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
»Ganz okay. Ich denke viel über diese Akte nach.« Selena trat aufs Gas und schoss an einem Lieferwagen vorüber.
»He, Vorsicht!«, rief Nick.
»Was ist?«
»Du hättest beinahe den Außenspiegel eingebüßt.« Er warf einen Blick auf den Tacho. Sie fuhren beinahe einhundertdreißig Kilometer pro Stunde.
»Er ist aber noch da, oder nicht?« Ihre Stimme klang ernst.
Nick wollte etwas erwidern, entschied sich aber dagegen.
»Die ganze Sache stinkt gewaltig«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«
»Die Akte lässt Dad wie einen Verräter aussehen. Aber er hätte nie jemanden verraten, weder seine Familie noch sein Land. Langley wusste, dass er Informationen nach Moskau schleuste. Wieso haben sie ihn nicht aufgehalten? Wenn man so etwas erst einmal herausgefunden hat, lässt man die Leute doch nicht einfach weiter Geheimnisse ausplaudern. Er muss den Segen des Direktors gehabt haben.«
»Du glaubst also, er war ein Doppelagent für uns?«
»Ja. Ich denke, Langley hat ihn benutzt, um den Sowjets Falschinformationen unterzujubeln.«
»Wieso sollte die Akte dann das Gegenteil behaupten?«, fragte Nick.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht beging jemand einen Fehler und wollte es vertuschen. Vielleicht gab es wirklich einen Verräter, jemanden, der den Russen einen Tipp gab und meinen Vater als den Schuldigen zu brandmarken versuchte. Ich werde vielleicht nie herausfinden, was sich genau zutrug, aber ich weiß, dass der KGB ihn umgebracht hat. Wenn die Person, die dafür verantwortlich ist, noch am Leben ist, wird sie dafür büßen. Ich werde sie zwingen, mir die Wahrheit zu erzählen.«
»Wer immer ihn getötet hat, war ein Auftragskiller des KGB. Wie willst du ihn finden?«
»Ich weiß es noch nicht, aber das werde ich.«
Nick sah sie an und war sich einer Sache sicher: Wenn der Mörder ihrer Familie noch am Leben war, würde Selena ihn aufspüren. Und er vermutete, dass seine Tage gezählt sein würden, wenn sie ihn fand.
»Eine Sache muss ich loswerden«, sagte Nick.
»Was?«
»Ich muss wissen, dass dein Urteilsvermögen nicht von den Dingen getrübt ist, die du über deinen Vater herausgefunden hast.«
»Wie meinst du das?«
»Es ist verständlich, dass du nicht gut auf die Russen zu sprechen bist. Das nehme ich dir nicht übel, aber wir werden vielleicht mit Vysotsky zusammenarbeiten müssen.«
»Wir dürfen ihm nicht vertrauen.«
»Die Leute, die deinen Vater getötet haben, sind nicht die gleichen, mit denen wir es jetzt zu tun haben.«
»Das kannst du nicht wissen«, sagte sie. »Der SVR ist der Nachfolger des KGB. Einige Leute, die damals für die nationale Sicherheit arbeiteten, sind noch immer dort beschäftigt. Vysotsky ist einer von ihnen.«
»Ja, aber Vysotsky hat uns in der Vergangenheit geholfen.«
»Bist du fertig?«, fragte sie mit eisiger Stimme.
Sie hatten den Sumpf des Stadtverkehrs erreicht.
Nick spürte, dass er wütend wurde. Vielleicht lag es an seinen Sitzungen mit dem Seelenklempner. Seit er begonnen hatte, sich wegen seiner posttraumatischen Belastungsstörungen helfen zu lassen, hatten sich die Dinge zwischen Selena und ihm sehr gebessert. Die Albträume über Afghanistan kamen weniger häufig, aber er schlug nachts immer noch um sich. Das machte es schwer, sich ein Bett zu teilen. Deshalb schliefen sie getrennt, und die Anspannung deswegen machte sich zunehmend bemerkbar.
Die Albträume hatten begonnen, nachdem er in Afghanistan von einer Granate verwundet worden war. Ein Kind hatte die Granate geworfen, ein Junge, kaum älter als zehn oder elf Jahre. Nick hatte ihn nicht töten wollen. Er hatte gezögert, wollte den Schuss nicht abgeben. Sein Zögern hätte ihm beinahe das Leben gekostet.
Die Sitzungen schienen zudem einiges aufzuwirbeln, was nichts mit den Ereignissen in Afghanistan zu tun hatte. Dinge, an die er nicht denken wollte, wie seine Kindheit etwa. Oder seinen Vater. Nicks Vater war ein Trinker gewesen, ein Frauenheld und Schläger. Carter Senior hatte seine Frau und Nick regelmäßig verprügelt, bis Nick alt genug war, um sich zu wehren. Seine Schwester hatte ihn von seinem Vater heruntergezogen, sonst hätte er ihn womöglich umgebracht. Sie hatte er immer in Ruhe gelassen. Sie verteidigte seinen Dad noch immer, aber sie hatte ihm nie verraten, wieso. Das war einer der Gründe, weshalb er nicht gut mit ihr auskam.
Es kam ihm so vor, als würde Selena ihn abweisen, weil sie nicht hören wollte, was er zu sagen hatte. Genau wie seine Schwester. Es machte ihn sauer, wenn sie das tat. Er holte tief Luft.
»Nein, ich bin nicht fertig. Solange ich das Team anführe, muss ich wissen, dass ich mich zu einhundert Prozent auf jeden Einzelnen verlassen kann. Wenn du nicht trennen kannst zwischen dem, was deinem Vater widerfahren ist, und dem, was wir jetzt tun, muss ich mir Sorgen um dich machen. Ich weiß, wie du dich fühlst …«
Sie unterbrach ihn. »Nein, das weißt du nicht.« Ihre Stimme wurde lauter. »Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle. Also erzähl mir nicht, du würdest es wissen.«
Sie erreichten den DuPont Circle. Selena fuhr an den Straßenrand und trat auf die Bremse.
»Steig aus«, sagte sie.
Er sah sie an.
»Steig aus«, wiederholte sie.
Er wollte etwas erwidern und biss sich auf die Zunge. Er stieg aus dem Wagen und schlug die Tür zu. Sie trat aufs Gas und schoss mit qualmenden Reifen davon.
Manchmal fragte er sich, wieso er überhaupt mit ihr zusammen war. Dann begann er seinen langen Fußweg zurück zu seinem Appartement.