Читать книгу DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7) - Alex Lukeman - Страница 18
Kapitel 13
ОглавлениеAm Morgen nach der Parkplatzattacke kehrte Ronnie von seinem täglichen Jogginglauf zurück. Er duschte und lief dann ins Schlafzimmer, wo er einen Blick in seinen Schrank warf und überlegte, was er anziehen sollte. Es war Sommer, weshalb nur eines seiner Hawaiihemden infrage kam. Aber bei über einhundert davon fiel die Wahl nicht leicht. Nicht viele Menschen verfügten über einen derart vollgestopften Kleiderschrank. Er hatte diese Hemden über Jahre gesammelt, seit er das erste Mal als Teil des Marinekorps in den Kasernen auf Oahu stationiert war. Sein erstes Hemd passte ihm nicht mehr, aber er besaß es noch immer und es hing auf der linken Seite an einem Ehrenplatz.
Nach kurzem Nachdenken entschied er sich für ein Hemd mit einigen Ukulele-spielenden Hula-Mädchen in Baströckchen, die unter einem unnatürlich grellen Himmel tanzten.
Er zog sich an, dann lief er in die Küche und schaltete den Herd an. Er warf ein paar Streifen Speck in eine Pfanne und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Während der Speck briet, nahm er noch ein paar Eier aus dem Kühlschrank, gab etwas Butter in die Pfanne, drehte die Hitze auf und schlug die Eier hinzu. Er wendete den Speck einige Mal und wartete darauf, dass er dunkel und knusprig genug war, um ihn herauszunehmen. Dasselbe tat er mit den Spiegeleiern. Das Brot sprang aus dem Toaster und er legte die Scheiben auf seinen Teller. Dann fischte er mit einer Gabel den Speck aus der Pfanne und legte ihn auf etwas Küchenrolle, um das Fett abtropfen zu lassen.
Multitasking.
Ronnie trug die Mahlzeit zum Tisch und begann zu essen. Er lebte in einem Zweizimmer-Appartement am Stadtrand, wo es auch einen Platz gab, um seinen Wagen zu parken, einen schwarzen Hummer. Abgesehen von seinen Hemden war der Hummer das Einzige in Ronnies Besitz, das ihm etwas bedeutete.
Er sah auf die Uhr. Es war Zeit, zu seinem morgendlichen Briefing zu fahren. Er klipste sich das Holster mit der Sig an seinen Gürtel und ließ das Hemd darüber hängen. Dann setzte er sich einen Porkpie-Hut und eine Sonnenbrille auf und lief in den Flur und zu den Aufzügen.
Als er wieder aus dem Fahrstuhl trat, blickte er sich wachsam in der Tiefgarage um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Er stieg in seinen Wagen und fuhr zur Arbeit. Der Verkehr war dicht. Das war er immer, besonders in den Morgenstunden. Nicht so wie die endlosen, leeren Wüstenstraßen seiner Heimat.
Er war schon lange nicht mehr zuhause gewesen. Seine Tante hatte versucht, ihm so viel wie möglich über die Traditionen seines Volkes beizubringen, den Diné. Sie lehrte ihm Diné bizaad, die Sprache der Navajo-Indianer. Und sie lehrte ihn, die Heilungszeremonien zu respektieren, mit deren Hilfe seine Vorfahren ihren Sinn für Harmonie und Einswerdung mit der Welt schärften.
Aber irgendwie schaffte es das Leben stets, seinen Sinn für Harmonie empfindlich zu stören. Das Einzige, was Ronnie im Moment spürte, war das Lenkrad in seinen Händen. In letzter Zeit hatte er häufiger das Gefühl, von den Chindi heimgesucht zu werden, den bösen Geistern der von ihm getöteten Feinde. Er glaubte nicht wirklich an Geister, aber es würde auch nicht schaden, sich einer Heilungszeremonie zu unterziehen. Er beschloss, nach dieser Mission für eine Weile nach Arizona zurückzukehren. Vielleicht würden ihn Lamont und Nick ja auch begleiten. Er war schließlich nicht der Einzige, der etwas Hilfe bei der Bekämpfung seiner Dämonen gebrauchen konnte.
Als er in Harkers Büro eintraf, war er bereits spät dran. Der Rest des Teams wartete schon auf ihn. Lamont ließ sich anmerken, dass ihn der Anblick von Ronnies grellem Hemd körperliche Schmerzen bereitete. Er setzte seine Sonnenbrille auf, dann beugte er sich zu ihm hinüber, um die Hula-Tänzerinnen in Augenschein zu nehmen.
»Schönes Hemd, Ronnie.«
»Eines Tages wirst du mich damit noch einmal richtig verletzen«, sagte Ronnie. »Es ist schließlich nicht mein Fehler, dass du kein Gespür für echte Kunst hast.«
»Schön, Sie wieder bei uns zu haben, Lamont. Könnten wir uns jetzt bitte auf die Sache konzentrieren?«, unterbrach Harker.
»Entschuldigung, Direktorin.«
Sie drehte sich Nick zu. »Was ist da gestern passiert?«, fragte sie.
»Jemand ist uns zum Krankenhaus gefolgt«, sagte er. »Als wir wieder herauskamen, eröffneten sie das Feuer. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise fangen sie erst während einer Mission an, auf uns zu schießen.«
»Dann scheint die Mission bereits begonnen zu haben«, sagte Elizabeth. »Lassen Sie uns brainstormen, ein paar Vermutungen anstellen.«
»Was wissen wir bisher?«, fragte Selena.
»Wir wissen, dass uns jemand als Bedrohung ansieht«, antwortete Nick. »Darüber hinaus aber nicht viel.«
»Zuerst ich, dann der Rest unseres Teams«, überlegte Harker. »Das scheint mir ein Präventivschlag zu sein. Sind wir uns da einig?«
Sie blickte sich um. Die anderen nickten zustimmend.
»Die Frage ist nun, wieso?«
»Es könnten dieselben Leute sein, die auch versucht haben, Rice umzubringen«, vermutete Nick.
»Meine Intuition sagt mir das Gleiche«, erwidere Elizabeth, »aber ich kann es noch nicht beweisen.«
»Wenn es dieselben Leute sind, fürchten sie sicher, dass wir herausfinden könnten, wer sie sind«, sagte Selena.
Stephanie saß etwas abseits von den anderen an einer Computerkonsole neben Harkers Schreibtisch. Nun schaltete sie sich in die Diskussion ein. »Ich denke, es ist mehr als das. Was könnten sie davon gewinnen, Rice zu vergiften?«
»Einen Regierungswechsel«, sagte Lamont. »Mit Edmonds an der Macht ist es ein völlig anderes Spiel.«
»Du glaubst, jemand plant einen Regierungscoup?«, fragte Nick.
»Nicht nur planen, sie haben bereits damit begonnen«, erwiderte Lamont. »Edmonds könnte dahinterstecken.«
»Er ist noch nicht Präsident. Rice ist noch am Leben. Es braucht mehr als ein misslungenes Attentat, um eine Regierung zu übernehmen.«
»Was denn noch?«, fragte Ronnie.
»Sie müssen Angst schüren«, erklärte Selena. »Genug, um so viel Panik zu verbreiten, dass die Menschen selbst härteste Maßnahmen der Regierung akzeptieren, wie etwa das Kriegsrecht.«
»Dafür würden sie einen Grund brauchen, wie Massenaufstände zum Beispiel«, sagte Stephanie. »So wie jene in Russland.«
»Glauben Sie, die Ereignisse in Russland stehen mit unseren hier irgendwie in Verbindung?«, fragte Harker.
Stephanie runzelte die Stirn. »Es könnte zumindest sein. Wenn sich ein Aufstand wie dieser in New York, Chicago oder LA ereignete, würde die Regierung auch hier Truppen entsenden, so wie in Russland. Eine Ausgangssperre verhängen. Die wichtigsten Versorgungszentralen übernehmen, das ganze Programm.«
»Eine ziemlich gewagte Prognose, oder?«, wunderte sich Nick.
»Ich glaube nicht.« Stephanie drehte die Armreifen an ihrem Handgelenk erst in die eine, dann die andere Richtung. »Sieh dir an, was in Nowosibirsk geschehen ist. Wenn sich so etwas hier ereignen würde, wäre das die perfekte Gelegenheit, den Hammer herauszuholen.«
»So etwas würde immer noch der Entscheidung des Präsidenten unterliegen«, warf Selena ein.
»Aber wer ist denn gerade der amtierende Präsident?«, gab Nick zu bedenken und sah sie an. »Glaubst du, Edmonds hat ein Interesse daran, die persönliche Freiheit zu verteidigen?«
Darauf wusste niemand etwas zu sagen.
Stephanie räusperte sich. »Wo wir gerade von Edmonds sprechen … ich habe diesen Helikopter zurückverfolgt, mit dem man Elizabeth entführen wollte. Er wurde in Frankreich gefertigt und an eine Firma namens Global Enterprise Solutions verkauft.«
»Von denen habe ich schon gehört«, sagte Nick. »Ist das nicht eines dieser großen Bauunternehmen?«
»Bauwesen, Maschinenbau, Öl und vieles mehr«, sagte Stephanie. »Eine riesige Firma mit Milliardenumsätzen. Und jetzt rate mal, wer vor seinem Einzug ins Weiße Haus ihr Geschäftsführer war.«
»Edmonds?«
Stephanie nickte. »Das beweist natürlich noch nicht, dass er etwas damit zu tun hatte, aber es ist ein weiterer seltsamer Zufall.«
Ronnie kratzte sich am Kopf. »Mir gefällt oft nicht, was wir bei diesen Brainstormings alles herausfinden.«
»Glaubt ihr wirklich, dass so ein Coup hier stattfinden könnte?«, fragte Selena.
»Nicht auszuschließen, wenn die Bürger glauben, dass sie bedroht werden«, sagte Elizabeth. »Der Patriot Act darf die Bill of Rights aufheben. Es war noch nie sonderlich schwer, die Menschen auf eine Linie zu bekommen, wenn man genügend Angst schürte. Jede neue Verordnung würde man ihnen als notwendig und nur temporär verkaufen.«
»Was sollen wir also tun?«, fragte Lamont.
Harker nahm ihren schwarzen Stift auf, und Nick wartete darauf, dass sie damit nervös herumtippte. Aber sie legte ihn wieder ab.
»Wir haben keinerlei Beweise dafür, dass irgendwer unsere Regierung stürzen will. Der Schlüssel zu dieser Sache ist diese Satellitenwaffe, oder was immer es war. Wir müssen herausfinden, worum es sich dabei handelt und wer dahintersteckt. Es muss einen Ort geben, den sie als Hauptquartier oder Kommunikationsbasis nutzen, um sie von dort aus zu kontrollieren. Eine so ausgeklügelte Technik lässt sich nicht über ein Handy steuern.«
»Und was, wenn wir sie gefunden haben?«, fragte Lamont.
»Dann zerstören wir sie.«
»Klar, aber dafür müssen wir sie erst einmal finden«, gab Nick zu bedenken.
»Ich habe eine Spur«, sagte Stephanie. »Es ist nicht viel, aber besser als nichts. Erinnert ihr euch, dass ich eine Mikroentladung hochfrequenter Energie erwähnte, als Russland getroffen wurde?«
»Ja?«, antwortete Harker.
»Ich konnte das Signal in den westlichen Teil der Vereinigten Staaten verfolgen und begann mich in den Computer zu hacken, von dem sie ausging. Es gab dort sehr hochentwickelte Firewalls und Sicherheitsvorkehrungen, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Tatsächlich war es eine echte Herausforderung. Wisst ihr, manchmal vermisse ich ein wenig den Nervenkitzel von damals, als man sich einfach nur zum Spaß irgendwo reinhackte.«
»Stephanie«, unterbrach Harker, »könnten Sie bitte beim Thema bleiben?«
»Oh, Entschuldigung.«
Ronnie warf Nick einen Blick zu und zog die Augenbrauen nach oben.
»Ich konnte ein paar der Schutzmechanismen überwinden, aber dann leitete mich jemand um und versuchte unsere Computer mit einem eigenen Angriff einzufrieren«, fuhr Stephanie fort. »Ich blockierte ihn und kappte die Verbindung.«
»Sie sagten im Westen. Wo genau?«
»Das weiß ich nicht. Irgendwo jenseits des Mississippi.«
»Da ist noch ‘ne Menge Land«, sagte Nick. »Das hilft uns nicht sonderlich weiter.«
Stephanie wirkte verärgert. »Ich sagte ja schon, dass es nur eine kleine Spur ist.«
»Eigentlich hilft es uns schon«, überlegte Harker. »Es verrät uns zumindest, dass das Nervenzentrum hier in den USA zu finden ist.«
»Es sei denn, sie leiten das Signal um«, erklärte Stephanie. »Wenn das der Fall ist, könnten sich diese Computer überall befinden.«
»Was sollen wir also als Nächstes tun, Direktorin?«, fragte Nick.
Harker tippte mit ihrem Stift auf den Schreibtisch. »Normalerweise würde ich damit ins Weiße Haus gehen und mit Rice sprechen. Aber das kann ich nicht. Stattdessen muss ich außerhalb der üblichen Grenzen operieren.«
Sie alle warteten darauf, dass sie ihre Überlegungen beendete.
»Ich werde mich mit General Vysotsky unterhalten. Die Russen werden früher oder später herausfinden, dass das Signal von amerikanischem Boden aus gesendet wurde. Ich möchte vermeiden, dass sie die falschen Schlüsse ziehen, und er ist unser bester Draht in den Kreml.«
»Glauben Sie, dass er Ihnen die Wahrheit sagen wird?« Aus den Augenwinkeln konnte Nick sehen, wie Selena zweifelnd die Stirn runzelte.
»Wahrscheinlich nicht, zumindest nicht völlig. Aber den Versuch ist es wert. Es ist für ihn von Vorteil, mit uns zu kooperieren. Das ist der Schlüssel zu ihm. Er ist ein Opportunist. Außerdem ist er gerissen und weiß vielleicht etwas, das wir nicht wissen.«
»Wie kommt es, dass wir jedes Mal den Russen aus der Patsche helfen müssen?«, wunderte sich Nick.
»Eigeninteresse«, erklärte Harker. »Wir dürfen nicht riskieren, dass sie zu dem Schluss kommen, die USA würden hinter dem Angriff stecken. Außerdem – wenn Russland fällt, werden wir ebenfalls fallen. Das dürfen wir nicht zulassen. Wer immer im Besitz dieser Waffe ist, ist unser gemeinsamer Feind. Das macht Russland zu einem Freund, zumindest für eine Weile.«
»Der Feind meines Feindes ist mein Freund?«, rief Lamont. »Das meinen Sie nicht ernst!«
»Ein toller Freund«, murrte Ronnie.