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Kapitel 4

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In Jassenewo, einem Stadtviertel Moskaus, brannte die Sonne eines schwülen russischen Sommertages auf ein graues Bürogebäude herunter. In dessen oberster Etage schritt ein großer, athletischer Mann mit kurzgeschnittenen blonden Haaren auf das Büro seines Vorgesetzten zu. Die Sohlen seiner Schuhe hallten von dem Linoleumboden des Korridors wider. Seine Augen waren so strahlend blau wie der arktische Himmel. Zwei goldene Sterne prangten auf den roten und goldenen Schulterstücken seiner Uniform, und an seiner Brust hingen Auszeichnungen für Geheimeinsätze, die nie ihren Weg in die Geschichtsbücher finden würden.

Oberstleutnant Arkady Korov diente bei den Spetsnaz, einer russischen Spezialeinheit. In seiner linken Hand trug er eine dünne Akte. Vor der Tür von General Alexei Vysotsky blieb er kurz stehen, um seine Gedanken zu sammeln, dann klopfte er zweimal und trat ein.

Alexei Vysotsky leitete das Department S des Sluschba Wneschnei Raswedki, Russlands Auslandsnachrichtendienst. Der SVR war Moskaus Äquivalent zur CIA und der jüngste in einer ganzen Reihe russischer Geheimdienste, die ihren Ursprung zur Zeit der Zaren gefunden hatten. Dem Department S war auch eine geheime Spetsnaz-Einheit namens Zaslon unterstellt. Der Kreml bestritt, dass Zaslon überhaupt existierte, aber es war Zaslon, der verdeckte Operationen zufielen, die man von offizieller Seite aus abstreiten konnte. Jeder innerhalb von Zaslon hatte ein hartes Spetsnaz-Training durchlaufen, Gefechte miterlebt und sprach mindestens drei Sprachen. Korov war einer von Vysotskys hochrangigsten Kommandanten bei Zaslon.

Vysotsky saß hinter einem altmodischen hölzernen Schreibtisch, den er aus einem Lagerraum im Kreml gerettet hatte. Der Tisch hatte einmal Lawrenti Beria gehört, dem Geheimdienstchef unter Stalin. Es gefiel Vysotsky, ausgerechnet Berias Tisch zu benutzen. Das entsprach seinem Hang zur Geschichte. Vysotsky ähnelte Beria sogar ein wenig. Seine schwarzen Haare wiesen erste graue Strähnen auf und begannen sich aus einer breiten, runden Stirn zurückzuziehen. Seine Augen waren unergründlich, sandten aber die unmissverständliche Botschaft aus, dass es unklug war, ihn zu verärgern.

Es lag in der Natur von Vysotskys Beruf, dass er sich mit Gerüchten, Geschichten, falschen Fährten, Desinformation und Lügen beschäftigen musste. Er hatte Korov damit beauftragt, aus der Masse an widersprüchlichen Daten zu den Unruhen in Nowosibirsk herauszufiltern, was brauchbar war und was nicht.

»Oberstleutnant. Ich hoffe, Sie haben gute Nachrichten in dieser Akte für mich.«

Vysotsky lehnte sich zur Seite und zog die untere Schublade seines Schreibtisches auf. Er holte eine Flasche Wodka und zwei Gläser daraus hervor. Dann goss er die beiden Drinks ein und schob Korov eines der Gläser zu.

»Setzen Sie sich, Arkady.« Er hob sein Glas. »Nastrowje.«

»Nastrowje.«

Sie lehrten ihre Gläser. Vysotsky schenkte ihnen nach. Fünf Tage waren seit den Unruhen vergangen und er hatte seither nur wenig geschlafen. Russlands innerer Sicherheit, dem FSB, war es nicht gelungen, irgendetwas Verwertbares außer Unmengen von Papierkram zu produzieren, die sie keinen Schritt weitergebracht hatten. Im Kreml vermutete man, dass ausländische Sabotage für die Ereignisse in Sibirien verantwortlich war. Das Problem war an Vysotsky weitergereicht worden, mit der unausgesprochenen Warnung, dass ein Scheitern seine Chancen auf eine Beförderung verpuffen lassen würde.

»Erzählen Sie mir, was Sie in Erfahrung bringen konnten«, sagte Vysotsky.

»Die Unruhen konnten beendet und die Ordnung in der Stadt wiederhergestellt werden«, sagte Korov. »Der Ablauf der Ereignisse ist eindeutig, wenn auch verwirrend.«

»Wie meinen Sie das? Wie kann beides der Fall sein?«

»Kurz bevor die Probleme begannen, explodierte im Fabrikbezirk am Rand der Stadt eine Bombe. Alle verfügbaren Polizei- und Feuerwehreinheiten waren dorthin abgezogen worden. Sie waren schwer beschäftigt, als die Unruhen begannen. Das Epizentrum der Unruhen befand sich in der Nähe des Stadtzentrums. Als die Polizei dort dann wieder eintraf, war die Lage bereits außer Kontrolle geraten. Die Unruhen hatten sich über ein zu großes Gebiet ausgeweitet.«

»Wie konnte das so schnell passieren? Was hat das ausgelöst?«, fragte Vysotsky.

»Auf den ersten Blick scheint es keine spezifische Ursache dafür gegeben zu haben. Aber die Befragung einiger Überlebender ließ ein Muster erkennen.«

»Fahren Sie fort.«

Korov drehte sein leeres Glas zwischen den Fingern.

»Die Befragten berichteten, dass sie, kurz bevor die Probleme begannen, einen hohen schrillen Ton vernahmen, vielmehr eine Vibration als ein tatsächliches Geräusch, zusammen mit einem Gefühl von großer Hitze. Beinahe unmittelbar darauf hätten sich die meisten von ihnen ihren Aussagen nach zornig und aufgebracht gefühlt. In vielen Fällen begannen sie sofort, ihre Nächsten anzugreifen.«

»Die meisten von ihnen? Und was geschah mit den anderen?«

»Manchen wurde übel und mussten sich übergeben, zusammen mit fürchterlichen Kopfschmerzen. Sie waren außer Gefecht gesetzt worden. Alle Überlebenden berichten aber von Kopfschmerzen, mehr oder weniger stark.«

»Berichten Sie weiter.«

»Es hat den Anschein, dass jeder in einem Umkreis von acht Quadratkilometern ernsthaft davon betroffen war. Je weiter man sich außerhalb des Epizentrums befand, umso schwächer die Auswirkungen. Die Unruhen aber brachen im Zentrum aus, wo die meisten Menschen betroffen waren.«

»Verluste?«

»Derzeit noch ungewiss«, sagte Korov. »Wir rechnen mit über viertausend Toten und Verletzten. Die Menschen brachten einander ohne ersichtlichen Grund um. Es gab unzählige Verletzungen, viele davon schwer. Die Schäden an Eigentum und Infrastruktur sind beträchtlich.«

»Wie lautet Ihre Einschätzung?«

»Der Ursache?«

Vysotsky nickte und kippte sich seinen Drink hinunter.

»Kann ich nicht sagen. Dafür wissen wir zu wenig.«

»Dann spekulieren Sie.«

Korov wählte seine Worte sorgfältig. »Ich denke, es war ein Angriff. Zuerst dachte ich, dass vielleicht die Wasserversorgung vergiftet wurde. Aber die Analysen konnten diese Vermutung nicht erhärten. Außerdem, wäre Wasser das Problem gewesen, hätte es nicht eine so plötzliche gleichzeitige Explosion der Raserei gegeben. Dazu hätten alle das Wasser zur selben Zeit trinken müssen.«

»Dann also eine Art von elektronischer Waffe? Wir haben Strahlen, die die Menschen krank machen oder mit Hilfe von Mikrowellen töten können.«

»Diese Waffen haben eine zu geringe Streuung und sind in ihrer Reichweite beschränkt«, erklärte Korov. »Damit lässt sich ein derart großes Gebiet nicht beeinflussen. Wir kennen derzeit nichts, was einen solchen Effekt auslösen könnte.«

»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Vysotsky. »Wir sollten davon ausgehen, dass es sich um einen Angriff handelte. Aber wieso Nowosibirsk? Das ergibt keinen Sinn. Wer würde für ein derart unbedeutendes Resultat einen Krieg riskieren?«

Vysotsky füllte erneut die Gläser auf. Korov trank nicht so viel wie sein Vorgesetzter, aber es wäre unhöflich gewesen, abzulehnen. Die beiden Männer leerten ihre Drinks.

Dann fuhr Vysotsky fort. »Es gibt nicht viele Länder, die über die technischen Ressourcen für so etwas verfügen würden. Die Amerikaner vielleicht. Oder Peking.«

»Das ergibt keinen Sinn«, sagte Korov. »Wieso sollten die Chinesen oder die Amerikaner so etwas tun? Wieso ohne jeglichen strategischen Gewinn einen Krieg riskieren? Die Chinesen sind mit ihrer eigenen Wirtschaft beschäftigt. Sie können sich keinen Krieg leisten. Und der amerikanische Präsident würde niemals eine solche Attacke billigen. Außerdem … wie hätten sie es anstellen sollen?«

»Wenn es eine Art von Strahlenwaffe war, muss es von einem Satelliten ausgegangen sein.«

Korov nickte. »Wir können überprüfen, welche Satelliten sich zu diesem Zeitpunkt in Reichweite befanden.«

»Finden Sie heraus, was dort oben war.«

»Ja, General.«

DAS AJAX-PROTOKOLL (Project 7)

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