Читать книгу Thriller-Doppel: Erwürgt/Mördertränen - Alfred Bekker - Страница 11
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DER TATORT WAR MIT Flatterband abgesperrt worden. Kein Mensch konnte genau sagen, wie die Straße hieß, denn irgendwelche Witzbolde hatten sich einen Spaß daraus gemacht, die Schilder abzumontieren. Laut der letzten Version des Stadtplans handelte sich um die George Washington Lane.
Mein Kollege Milo Tucker und ich befanden uns in einer der übelsten Gegenden der South Bronx. Die City Police traute sich nur in Mannschaftsstärke und mit angelegten Kevlar-Westen hier her. Dementsprechend waren diesmal auch ungewöhnlich viele Sicherheitskräfte an dem Einsatz beteiligt, bei dem es eigentlich nur darum ging, den Tatort vor dem Betreten Unbefugter zu schützen.
Ich parkte den Sportwagen bei den anderen Einsatzfahrzeugen. Abgesehen von den Einsatzkräften der City Police waren auch bereits die Kollegen der Scientific Research Division und der Homicide Squad des zuständigen Polizeireviers vor Ort.
Dr. Brent Claus von der Gerichtsmedizin traf gerade ein.
Wir warteten auf ihn und er begrüßte uns freundlich.
„Haben Sie schon eine Ahnung, was uns hier erwartet, Agent Trevellian?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. „Wir kommen von einer Zeugenvernehmung auf Rikers Island und waren gerade in der Nähe, als uns der Anruf aus der Zentrale erreichte“, berichtete ich. „Das Opfer ist ein Drogendealer und hat einen Strick um den Hals. Damit gehört er vermutlich in die Serie, mit der wir gerade zu tun haben.“
„Drei ähnliche Fälle in vier Wochen“, ergänzte Milo. „Da will einer die Szene ganz gehörig aufräumen.“
Ein uniformierter Kollege hielt uns an. Wir zeigten ihm unsere Dienstausweise.
„Lieutenant Alexander wartet schon auf Sie!“, sagte der Officer.
Wir erreichten schließlich den Tatort.
Ein Toter lag auf dem Bürgersteig. Zwei Schusswunden in Kopf und auf der Brust waren unübersehbar. Außerdem gab es noch eine Wunde an der Schulter, die sehr viel größer war und sehr stark geblutet haben musste. Darüber hinaus hatte der Tote allerdings noch weitere Verletzungen. Man hatte ihm brutal die Zähne eingeschlagen.
Lieutenant Barry Alexander von der Homicide Squad des zuständigen NYPD-Reviers war gerade in ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Scientific Research Division verwickelt, die sofort durch die weißen Schutzoveralls auffielen.
„Zwei Hülsen lagen hier herum“, sagte die SRD-Kollegin. Sie hieß Sandra Dominguez. Ich kannte sie flüchtig von anderen Tatorten. „Alles spricht dafür, dass der Mord mit einer Waffe verübt wurde, mit der Projektile vom Kaliber 9 mm verschossen werden.“
Lieutenant Alexander drehte sich zu uns herum. Wir grüßten knapp.
„Ich habe Sie sofort rufen lassen, denn ich nehme an, dass dieser Mord etwa mit Ihrer Serie zu tun hat.“
Ich blickte auf den Toten. Er trug einen bis zu den Knöcheln reichenden Ledermantel. Die Augen starrten ins Nichts.
Ein fingerdickes Seil hing ihm locker um den Hals. Es war zur Schlinge geknüpft – wie bei einem Galgen.
„Der Mann hieß George Nelson Rizzo“, berichtete Lieutenant Alexander. „Er trug einen Führerschein bei sich. Laut Computer ist er mehrfach wegen Drogendelikten, Körperverletzung, Hehlerei und ähnlichem verurteilt worden und hat ein paar Jahre auf Rikers Island verbracht.“
„Ein Drogendealer, dem symbolisch ein Strick um den Hals gelegt wurde“, sagte Milo. „Da scheint es jemand auf die kleinen Crack-Verteiler abgesehen zu haben.“
Lieutenant Alexander deutete auf die Straße. „Hier soll angeblich die Grenze zum Gebiet der ‚Spiders’ sein. Zumindest, wenn man unseren Informanten Glauben schenkt.“
Die ‚Spiders’ waren eine Drogengang, die sowohl uns, als auch den Kollegen der örtlichen Polizeireviere und der DEA zunehmend Sorgen bereitete. Sie hatten ihr Gebiet innerhalb eines Jahres verdreifacht und wir vermuteten, dass sie von einem der großen Syndikate als Verteiler eingesetzt wurden.
„Ich nehme an, dass da irgend eine große Nummer im Hintergrund das Verteilersystem für Drogen unter seine Kontrolle bringen will“, glaubte Lieutenant Alexander. „Aber das herauszufinden ist Gott sei Dank nicht mein Job, sondern Ihrer.“
„Hatte Rizzo Drogen bei sich?“, fragte ich.
„Nein“, sagte Alexander.
Inzwischen nahm Dr. Brent Claus seine Erstuntersuchung des Toten vor. „Drei Schusswunden“, erklärte er. „Tödlich war der Treffer im Kopf, vielleicht auch der Schuss in die Brust. Das kann ich aber erst nach der Obduktion sagen.“
Nur das Projektil im Kopf befand sich noch im Körper, da es keine Austrittswunde gab. Das Projektil, das durch die Brust gegangen war, steckte im Asphalt und wurde von Sandra Dominguez eingesammelt.
Aber die Kugel, die George Rizzo durch die Schulter gefahren war, fehlte.
So sehr die Kollegen der SRD auch in unmittelbarer Nähe danach suchten, sie tauchte einfach nicht auf.
„Eigentlich ist das nur so zu erklären, dass diese Verletzung nicht hier erfolgte“, stellte Sandra Dominguez klar. „Außerdem bin ich mir ganz sicher, dass es ein größeres Kaliber gewesen ist!“
„Dann wurde Rizzo angeschossen, flüchtete hier her und wurde kurz bevor er das Gebiet der ‚Spiders’ verlassen konnte von zwei weiteren Kugeln aus einer anderen Waffe niedergestreckt“, fasst Milo den vermuteten Tathergang zusammen.
Lieutenant Alexander zeigte uns noch, was man bei dem Toten gefunden hatte: Ein Handy, ein Notizbuch und eine Brieftasche mit insgesamt 5000 Dollar, mehreren Kreditkarten und einem Führerschein.
Daneben gab es auch eine Visitenkarte einer Hilfsorganisation für Drogenabhängige. HELP nannte sich die.
„War Rizzo selbst süchtig?“, fragte ich an Dr. Claus gewandt.
„Definitiv kann ich das erst nach der Obduktion sagen“, lautete die Antwort des Gerichtsmediziners. „Allerdings muss er zumindest gekokst haben. Die Nasenschleimhäute sind völlig ruiniert.“
„Die meisten Kleindealer sind selbst mehr oder minder schwer abhängig“, meinte Lieutenant Alexander. „Auf diese Weise fangen die meisten mit diesem Teufelsbusiness an. Ein bisschen Stoff für einen Kumpel kaufen und etwas mehr nehmen, als man selbst bezahlt hat...“
Außerdem fand sich noch ein Schlüsselbund in seiner Hosentasche.
Das Notizbuch enthielt Abkürzungen und Zahlen.
„Vielleicht die Telefonnummern seiner Kunden?“, vermutete Milo.
„Mit etwas Glück vielleicht die seines Lieferanten.“
Ein Handy klingelte mit der Melodie von ‚Take Five’. Es war Lieutenant Alexanders Apparat. Er sagte dreimal knapp: „Ja!“ Dann beendete er das Gespräch und wandte sich an mich. „Auf Mister Rizzos Namen ist ein Cabriolet zugelassen. Kollegen haben den Wagen ein paar Straßen weiter gefunden.“
„Ich schlage vor, wir sehen uns den auch mal an“, sagte Milo.
Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.