Читать книгу Thriller-Doppel: Erwürgt/Mördertränen - Alfred Bekker - Страница 25
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AM NÄCHSTEN MORGEN fanden wir uns im Büro unseres Chefs ein. Mr Jonathan D. McKee leitete das FBI Field Office New York.
Ich war etwas erstaunt, dort außer den am gestrigen Einsatz beteiligten Agenten sowie unserem Innendienstler Max Carter noch einen weiteren Mann sitzen zu sehen, der mir zunächst unbekannt war. Er war hager, groß, hatte graumeliertes Haar und eingefallene Wangenknochen.
Mr McKee stellte ihn vor.
„Das ist Agent Harry Branson von der DEA. Er wird mit uns in diesem Fall zusammenarbeiten und kann außerdem noch ein paar interessante Details über Wayne Smith beitragen. Sie haben das Wort, Harry!“
„Wie Sie sich denken können ist es für Ermittler sehr schwer, in den inneren Kreis einer Gang hereinzukommen. Deswegen sind wir häufig auf Informanten aus der zweiten Reihe angewiesen. Auf Wayne Smith traf das zu. Er hat uns regelmäßig mit Informationen versorgt. Außerdem bestand die Aussicht, dass er irgendwann von der Gang aufgenommen werden würde, was uns die Chance gegeben hätte, die ganze Gruppe hochgehen zu lassen. Den Mord an ihm – bei dem leider auch unser NYPD-Kollege Sergeant Ryan O’Leary ums Leben kam – lässt sich meiner Ansicht nach nur so erklären, dass Smith’ Informantentätigkeit für uns aufgeflogen ist.“
„Das passt auch mit der Identität des Schützen zusammen, die wir inzwischen herausbekommen haben“, meldete sich Max Carter aus der Fahndungsabteilung zu Wort. „In seinem gefälschten Führerschein war der Name James Myer angegeben. In Wahrheit handelt es sich bei dem Mann aber um Roger Sheldon, 32 Jahre alt. Er diente anderthalb Jahre in den US-Streitkräften, bevor er auf Grund verschiedener Vergehen unehrenhaft aus dem Dienst entlassen wurde. Zu den Vergehen gehören Bedrohung von Vorgesetzten mit der Waffe und mehrfache Körperverletzung sowie Veruntreuung von Army-Beständen. Er hat dafür ein paar Jahre gesessen und kehrte danach in die Bronx zurück, wo er aufgewachsen ist. Sheldon war in Fort Levenworth stationiert, wo er außerdem eine Frau und ein kleines Kind hinterlassen hat.“
„Gehörte er zu den ‚Spiders’?“, fragte Mr McKee.
„Nach unseren Erkenntnisse war er dabei, in den inneren Kreis zu kommen“, berichtete Harry Branson. „Dabei ist es durchaus üblich, dass die Betreffenden irgendwelche kriminellen Handlungen begehen müssen, die sie mit der Gang verbinden.“
„Zum Beispiel einen Verräter töten“, schloss Mr McKee.
„Ganz genau.“
„James Myer alias Roger Sheldon befindet sich bis auf weiteres im Kliniktrakt von Rikers Island und wird dort behandelt. Ich habe heute Morgen mit dem Direktor telefoniert. Bisher hat er sich geweigert, mit seinem Pflichtverteidiger zu reden.“
„Dann hoffe ich, dass er gesprächiger ist, wenn wir nachher mal bei ihm vorbeischauen“, meinte Milo.
„Ich würde mir nicht allzu viel davon versprechen“, warf Branson ein. „Sobald er kein Untersuchungshäftling mehr ist, sondern in den normalen Vollzug kommt, muss Sheldon damit rechnen, mit bereits verhafteten Mitgliedern der‚Spiders’ zusammen zu treffen. Er wird sich also hüten, irgendetwas von sich zu geben, was man ihm als Verrat auslegen könnte.“
„Diese Gang scheint in diesem Fall wirklich Dreh- und Angelpunkt zu sein“, sagt Mr McKee. „Wie ist der Stand der Fahndung, Max?“
„Der Aufenthaltsort von Monty Gordon, dem gegenwärtigen Anführer der Gang, ist unbekannt“, erklärte Max. „Die Fahndung läuft, aber solange er das Gebiet der Spiders nicht verlässt, bewegt er sich wie ein Fisch im Wasser.“
„Es läuft also auf ein Geduldsspiel hinaus“, warf Orry ein.
„Exakt“, bestätigte Hary Branson. „Zumal wir im Moment mit großartigen Fahndungserfolgen kaum rechnen können. Die Spiders werden sich sehr vorsichtig verhalten. Und Monty Gordon ist ohnehin dafür bekannt, möglichst auf Nummer sicher zu gehen.“
Wenig später traf Dave Oaktree, unser Chefballistiker ein. „Tut mir Leid, Mr McKee, aber ich komme gerade aus dem Labor der SRD und Sie wissen ja, wie das um diese Zeit ist, wenn man von der Bronx nach Manhattan fährt...“
Mr McKee nickte. „Wenn Sie wollen, können Sie gleich Ihre Ergebnisse vortragen.“
„Gerne.“
Dave Oaktree packte sein Laptop aus und schloss es an den Beamer an, der zum Inventar von Mr McKees Büro gehörte.
Wenig später sahen wir an der Wand Vergrößerungen von Detailfotos der Projektile.
„Wir haben bisher drei Opfer, denen am Tatort ein Strick um den Hals drapiert wurde“, fasste Oaktree zusammen. „George Rizzo war der Letzte in dieser Reihe. Er erhielt Schüsse in Schulter, Brust und Kopf. Der Schuss in die Schulter wurde mit einer Waffe verübt, die bereits bei mehreren Gang-Schießereien in der Bronx zum Einsatz kam.“
„Wahrscheinlich alles Delikte um Umkreis der ‚Spiders’“, vermutete Harry Branson von der DEA.
Dave Oaktree nickte. „Vollkommen richtig. Dagegen handelt es sich bei der Waffe, die die beiden anderen – tödlichen – Schussverletzungen verursachte, um eine Waffe vom deutlich kleineren Kaliber 9 mm, die bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist. Wie man an diesen Großaufnahmen deutlich sehen kann, weisen die Projektile zwei charakteristische Formen von Riefen auf. Daher ist es ziemlich sicher, dass ein Schalldämpfer verwendet wurde. Die Entfernung, in der der Täter zu seinem Opfer stand betrug etwa anderthalb Yards.“
„Eine Hinrichtung“, stellte Mr McKee fest.
„Wir haben die Zeugenaussage von Jason Shaw, wonach Monty Gordon den Schuss in die Schulter abgegeben hat und danach eine Art Jagd auf George Rizzo angezettelt hat!“, gab ich zu bedenken.
„Ja, aber wenn einer seiner Gang-Krieger die Tat verübt hätte, würde man eigentlich eher erwarten, dass die Waffe bereits zuvor benutzt wurde“, hielt Dave Oaktree dem entgegen.
„Das trifft zu“, stellte Harry Branson klar. „In Gangs wie den ‚Spiders’ werden zumeist illegal beschaffte Waffen benutzt, die häufig bereits durch mehrere Hände gegangen sind.“
„Das trifft übrigens auch auf das Sturmgewehr zu, mit dem Wayne Smith getötet wurde“, stellte Dave Oaktree fest. „Das kam ebenfalls bereits zuvor bei verschiedenen Schießereien zum Einsatz.“
„Das passt doch!“, fand Branson. „Die Gang hat diesem Sheldon eine ihrer Waffen zur Verfügung gestellt, um damit einen Verräter hinzurichten.“
„Ich weiß nicht, was Sie in Bezug auf diesen Fall bereits besprochen haben“, fuhr Oaktree vor, „aber genau das scheint zuzutreffen. Das Sturmgewehr wurde nämlich zuletzt bei einer Schießerei in eine Bar benutzt, etwa vor anderthalb Jahren. Zu diesem Zeitpunkt saß Roger Sheldon alias James Myer allerdings noch im Militärgefängnis von Fort Levenworth. Aber zurück zum Fall Rizzo...“
Oaktree blendete mit Hilfe des Beamers drei Tatort-Fotos ein. Sie zeigten jene Opfer, die wir zu unserer Strick-Serie zählten.
„Die 9 mm-Waffe mit Schalldämpfer, die George Nelson Rizzo tötete, war auch in den beiden anderen Fällen die Tatwaffe“, stellte Dave fest. „Die Waffe, mit der Rizzo in die Schulter getroffen wurde, ist hingegen nur dieses eine Mal bei Rizzo eingesetzt worden.“
„Monty Gordon besitzt nicht nur eine Waffe, sondern ein ganzes Arsenal!“, erklärte Harry Branson. „Oder es war einer seiner Leute... Es gibt genügend junge Burschen, die bereit wären, für Gordon zu töten, nur um in die Gang aufgenommen zu werden!“
„Ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen, Dave“, wandte sich Mr McKee an unseren Chefballistiker.
„Alles passt zusammen“, glaubte Branson. „Die Männer, die bisher auf diese Weise hingerichtet wurden, standen nach unseren Erkenntnissen alle mit Paco Moreno in Verbindung.“
„Wie man so hört versuchen Moreno und seine Puertoricaner ihre Konkurrenz durch Billig-Stoff vom Markt zu fegen“, sagte Mr McKee.
„Das Moreno-Syndikat hat in den letzten Jahren Geld wie Heu angesammelt“, gab Branson Auskunft. „Die können so einen Preiskrieg lange durchhalten, eine Gang wie die ‚Spiders’ aber nicht. Crack gilt ja von jeher als Arme-Leute-Droge, aber inzwischen werden auch Kokain und Heroin zu einem Preis angeboten, der wahrscheinlich schon unter dem Level liegt, den die ‚Spiders’ an ihre eigenen Lieferanten abdrücken müssen. Also müssen sie etwas unternehmen. Und dass sie dabei nicht zimperlich sind, zeigen sie nicht zum ersten Mal.“
„Halten Sie es auch für möglich, dass eines der anderen großen Syndikate hinter den ‚Spiders’ steht und sie dazu animiert, hart gegen Paco Moreno und seine Dealer vorzugehen?“, hakte Mr McKee nach.
Aber Harry Branson schüttelte den Kopf. „Daran glaube ich nicht, denn dann würden die ‚Spiders’ sich auf dem Drogenmarkt anders verhalten und den Preiskampf einfach aufnehmen. Aber auf sich allein gestellt, können sie das nicht. Außerdem kann ich mir bei einem Mann wie Monty Gordon kaum vorstellen, dass er sich irgendeinem Syndikat so unterordnen würde, wie das in diesem Fall nötig wäre.“