Читать книгу Thriller-Doppel: Erwürgt/Mördertränen - Alfred Bekker - Страница 12

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DIE STRAßE, IN DER das Cabriolet gefunden war, hatten wir schnell erreicht. Uns fiel gleich der Einsatzwagen der Police auf. Er stand mit blinkenden Rotlichtern am Straßenrand.

Zwei Uniformierte durchsuchten gerade einen jungen Mann, höchstens Mitte zwanzig.

Ich fuhr den Sportwagen an den Straßenrand.

Wir stiegen aus.

Milo deutete auf die Reihe der auf der gegenüberliegenden Straße abgestellten Fahrzeuge, denen zum Teil die Reifen abmontiert worden waren. „Hier lässt man besser seinen Wagen nicht länger stehen, als unbedingt nötig, was?“

„Selbst, wenn die Polizei daneben steht“, nickte ich.

„Wenn George Nelson Rizzo seinen Wagen hier stehen ließ, hat die Tragödie, die zu seinem Tod führte, vermutlich auch hier begonnen!“

„Er bekam einen Schuss ab, flüchtete, wurde verfolgt und bekam dort, wo er gefunden wurde, den Rest.“

„Es sind zwei gewesen, Jesse. Zwei Waffen – und daher wohl vermutlich auch zwei Personen.“

Wir erreichten das Cabriolet. Unsere Vermutung bestätigte sich. Einer der Kotflügel war Blut besudelt. Der Wagen musste unbedingt von den Kollegen der SRD unter die Lupe genommen werden.

„Hey, nichts anrühren!“, rief uns einer der Cops entgegen. Ich ging auf ihn zu und hielt ihm meinen Ausweis entgegen. „Jesse Trevellian, FBI. Dies ist mein Kollege Milo Tucker.“

„Entschuldigen Sie“, erwiderte der Polizist, ein groß gewachsener, breitschultriger Mann mit rötlichem Haar. „Ich bin Sergeant McGhee und mein Kollege ist Sergeant O’Leary. Lieutenant Alexander hat uns gebeten, in der Gegend nach dem Wagen von diesem Rizzo zu suchen. Hier ist er! Und der Kerl hier hat sich daran zu schaffen gemacht!“

Der junge, lockenköpfige Mann stand breitbeinig an Wand, während Sergeant O’Leary ihn abtastete.

Ein Schlagring, ein Springmesser und ein langläufiger Revolver vom Kaliber .45 kamen zum Vorschein. Der Revolver glänzte metallisch und war offenbar auf Hochglanz poliert. Der Griff war aus Perlmutt und wies ein paar charakteristische Verzierungen auf. Unter anderem war der Kopf eines Cowboys zu sehen.

„Sehr geschmackvoll“, meinte Milo.

Er nahm Sergeant O’Leary die Waffe ab und tütete sie in Cellophan ein.

„Das könnte die Waffe sein, aus der Rizzo zum ersten Mal getroffen wurde“, schloss ich.

Inzwischen war auch ein Führerschein sichergestellt worden. Ich sah mir das Dokument an. Das Gültigkeitsdatum war ziemlich plump gefälscht. Der junge Mann hieß Wayne Smith und er wohnte nur ein paar Blocks weiter.

Handschellen klickten.

Ich trat näher an ihn heran. „Wissen Sie, wessen Cabriolet das ist?“

„Keine Ahnung.“

„Sie brauchen nichts zu sagen, aber wenn Sie sich dazu entschließen, auszusagen, kann alles vor Gericht gegen Sie verwendet werden“, belehrte Milo ihn.

Sergeant O’Leary packte den Gefangenen bei den Schultern und drehte ihn herum. Er lehnte gegen die Wand. „Ich hatte ihn bereits belehrt, Agent Tucker. Aber einmal mehr kann ja kaum schaden.“

„Für meine Begriffe sah das so aus, als wollte er den Wagen kurz schließen“, sagte Sergeant McGhee.

„Ihr Cops könnt mich mal kreuzweise!“, rief er.

„Wir suchen den Schützen, der auf den Besitzer des Cabriolets geschossen hat“, erklärte ich ihm. „Aus Ihrer Waffe wurde vor kurzem noch geschossen, das kann man riechen. Wenn wir Sie mit zur Federal Plaza nehmen, kann man an Ihren Händen nach Schmauchspuren suchen und einwandfrei feststellen, ob Sie innerhalb der letzten Tage eine Waffe benutzt haben.“

„Ja, ich habe mit der Waffe geschossen und ich weiß auch, dass das öffentliche Tragen von Schusswaffen in New York nicht gestattet ist! Aber verdammt noch mal mit dem Mord an diesem Typen habe ich nichts zu tun!“

„Wahrscheinlich haben Sie ihn nur verletzt, aber ein paar Straßen weiter hat ihm jemand den Rest gegeben“, sagte ich. „Der Kerl hieß George Nelson Rizzo. Er hat mit Drogen gedealt. Kennen Sie ihn?“

„Nein.“

„Jetzt machen Sie schon den Mund auf. Kooperation kann man das bis jetzt wirklich nicht nennen!“

„Verdammt!“

„Na los!“

Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

„Was interessiert mich dieser Mist, ich wollte nur den Wagen haben. Aber das verdammte Ding hat irgend so eine Sicherheitssperre oder etwas in der Art. Das kann man nicht einfach kurzschließen.“ Er atmete tief durch.

„Rizzo hatte ein Buch mit vielen Nummern darin. Wenn Sie sein Kunde waren, dann sagen Sie uns das besser jetzt!“, verlangte ich.

„Ich war nicht sein Kunde!“

Ich ließ nicht locker. „Was war los? Hat es Streit gegeben wegen einer Lieferung? Enthielten die Crack-Steine nur noch Backpulver und kaum noch Kokain?“

„Das ist doch Unsinn, Mann!“

„Oder ist Rizzo einfach nur in ein Gebiet eingedrungen, in dem er keinen Zutritt hatte?“

„Verdammt, hast du keine Ohren, G-man? Ich habe den Typen nicht gekillt! So wahr ich hier stehe!“

„Haben Sie irgendetwas gesehen?“

Auf einmal starrte der Lockenkopf mit vor Schreck geweiteten Augen an mir vorbei. Die Pupillen waren ziemlich stark vergrößert. Ein Indiz dafür, dass er irgendetwas genommen hatte.

„Nein!“, schrie er.

Im nächsten Moment peitschten Schüsse. Der erste traf Wayne Smith mitten in den Kopf. Er taumelte zurück, schwankte kurz und ging dann wie ein gefällter Baum zu Boden.

Sergeant O’Leary griff zur Waffe an der Hüfte, aber er kam nicht mehr dazu, die Dienstwaffe aus dem Holster zu reißen. Eine Kugel traf ihn in die Brust, riss das Hemd auf und blieb in der, in dieser Gegend für alle Cops, obligatorischen Kevlar-Weste hängen. Er wurde zu Boden gerissen. Der zweite Schuss traf ihn am Hals. Blut trat aus. Er versuchte, die Blutung mit der Hand zu stoppen. Vergeblich. Das Blut rann ihm zwischen den Fingern hindurch. Er sank zu Boden. Milo und ich gingen in Deckung, während wir unsere Dienstwaffen zogen und auf jenes Fenster im fünften Stock schossen, aus dem man auf uns angelegt hatte. Ein Schattenriss war dort an einem offenen Fenster zu sehen. Der Gewehrlauf mit dem aufgesetzten Schalldämpfer reichte ziemlich weit hinaus.

„Kümmern Sie sich um O’Leary!“, wandte ich mich an McGhee.

Milo und ich schnellten aus unsere Deckung. Wir rannten schräg über die Straße und näherten uns jenem Gebäude, aus dem die Schüsse abgegeben worden waren.

Die Haustür war ausgehängt.

Der Flur mit Graffiti besprüht. Ein Mann saß in sich zusammengesunken in einer Ecke. Seine Augen waren geschlossen. Ein Spritzbesteck lag auf dem Boden verstreut. Er atmete ruhig und regelmäßig. In der Lunge rasselte es dabei erschreckend geräuschvoll.

„Haben Sie hier jemanden gesehen?“, fragte Milo. Er musste seine Frage noch einmal wiederholen, damit sein Gegenüber sie überhaupt zur Kenntnis nahm.

Der Mann riss die Augen auf, sah meinen Kollegen an und schloss sie sofort wieder. Es hatte keinen Sinn, ihn anzusprechen.

Wir erreichten den Lift, aber dort gab es nichts weiter als leere Schächte. Außerdem stellten wir fest, dass zumindest im Erdgeschoss sämtliche Türen ausgehängt worden waren. Ich bezweifelte, ob hier überhaupt noch jemand wohnte – von den Ratten, die ab und zu über den Flur huschten mal ganz abgesehen.

Wir nahmen das Treppenhaus, pirschten uns Absatz für Absatz nach oben. Dabei hielten wir uns immer schön außen, weil man nur von dort einigermaßen die Übersicht behalten kann. Mit der Waffe im Anschlag arbeiteten wir uns voran. Wenn der Schütze, der den jungen Mann namens Wayne Smith auf dem Gewissen hatte, sich noch im Haus befand und verschwinden wollte, musste er uns eigentlich entgegen kommen.

Beinahe lautlos brachten wir die Treppen bis zum fünften Stock hinter uns.

Ein Luftzug wehte durch das gesamte Gebäude. Es musste Dutzende von Fenstern hier geben, die seit einem Jahr oder länger ohne Glas waren.

Die Wände waren kahl, der Putz blätterte ab.

Wir schlichen durch einen langen, breiten Korridor. Rechts und links schlossen sich die Wohnungen an. Auch hier waren überall die Türen ausgehängt worden. Offenbar hatte man alles dem Haus geholt, was noch irgendwie Wert besaß.

Ein Geräusch ließ uns aufhorchen. Ich rannte diesem Geräusch nach, bis ans Ende des Korridors. Milo folgte mir. Ein großer Raum von mindestens zwanzig Quadratmetern lag vor uns. Ich war mit ein paar Sätzen bei der Fensterfront. In etwa der Hälfte der Fenster war noch Glas.

Ein Schuss zischte in eines der Fenster hinein und zerstörte es vollkommen.

Ich duckte mich, als ich draußen Schritte hörte. Mit beiden Händen fasste ich die Waffe und tauchte aus meiner Deckung hervor.

Ein Mann mit Lederjacke und Piratentuch rannte über das Flachdach des angrenzenden Nachbarhauses davon. THE HELL’s FINEST stand in verschnörkelten Fraktur-Lettern auf seiner Jacke.

Er drehte sich um, riss sein Gewehr in meine Richtung und feuerte sofort, ohne zu zielen. Es handelte sich um ein Sturmgewehr, wie es bei der Army Standard war. Der Mann mit dem Piratentuch hatte es auf Dauerfeuer geschaltet. Ich duckte mich. Die Schüsse fraßen sich überall im Raum in den Beton der gegenüberliegenden Wände. Die wenigen noch intakten Fensterscheiben zersprangen.

Milo blieb bei der Tür und sprang zur Seite, um nichts abzubekommen.

Ich tauchte aus der Deckung hervor, nachdem der Geschosshagel verebbt war.

Der Kerl lief weiter über das Flachdach.

Ich kletterte durch eines der Fenster und folgte ihm.

„Stehen bleiben! FBI!“, rief ich und gab einen Warnschuss ab. Er reagierte darauf nicht. Schließlich erreichte er das Ende des Flachdachs. Zum Nachbargebäude gähnte ein Abgrund von zweieinhalb Yards. Er sprang, rollte sich auf der anderen Seite auf dem Boden ab und feuerte anschließend in meine Richtung. Die Kugeln zischten an mir vorbei. Ich duckte mich und schoss zurück.

Der Kerl rappelte sich auf und lief weiter.

Ich gab erneut einen Warnschuss ab. Dann zielte ich auf seine Beine und erwischte ihn an der Wade.

Er schrie auf und verlangsamte das Tempo etwas.

Ich sprang unterdessen über den zweieinhalb Yards breiten Abgrund und holte auf.

Der Kerl mit dem Piratentuch hatte inzwischen den Dachausstieg erreicht und war wenig später verschwunden. Ich hetzte ihm hinterher.

Am Boden war etwas Blut. Also hatten wir auf jeden Fall einen genetischen Fingerabdruck von ihm, wenn er uns durch die Lappen ging.

Der Dachausstieg bestand aus einem kleinen Gebäudeaufbau von ungefähr drei mal vier Yards.

Die feuerfeste Stahltür musste irgendwann einmal gewaltsam geöffnet worden sein und ließ sich nicht mehr schließen. In Höhe des Schlosses war sie stark verbogen.

Milo holte mich ein.

Ich riss die Tür vollends auf, Milo hob die Dienstwaffe. Aber es war natürlich niemand mehr dort.

Eine Treppe führte hinab.

Milo nahm sein Handy ans Ohr und rief Verstärkung. Auf dem Boden waren erneut Blutspuren. Wir gelangten über die Dachtreppe ins Treppenhaus. In der Tiefe waren Schritte zu hören. Jemand lief eilig nach unten.

Wir folgten Absatz für Absatz und sicherten uns gegenseitig dabei. Schließlich gelangten wir ins Erdgeschoss, das offenbar bewohnt wurde. Immerhin standen an den meisten Briefkästen der unteren Reihe Namen. Der Aufzug war allerdings stillgelegt.

Wir hörten Schritte.

Eine junge Frau trat aus dem Korridor und erstarrte, als sie unsere Waffen sah.

„Trevellian, FBI!“, stellte ich mich vor und hielt ihr meine ID-Card entgegen. „Hier muss gerade ein Mann mit Piratentuch und Lederjacke hergelaufen sein.“

„Ich habe niemanden gesehen!“, behauptete sie.

„Er trägt eine Jacke mit der Aufschrift ‚Hell’s Finest’!“

„Wie ich schon sagte, hier war niemand.“

„Wie ist Ihr Name?“

„Susan Cabanez, Apartment 1.08.“

„Sie muss jemanden gesehen haben“, stellte Milo klar. „Hier ist nämlich Blut.“ Er stand ein paar Schritte weiter im Korridor und deutete auf den Boden.

Von draußen war jetzt das Geräusch eines startenden Motorrads zu hören.

„Gibt es hier einen Hinterausgang?“, fragte Milo.

„Ja, den Korridor entlang und dann gleich links.“

„Danke.“

Thriller-Doppel: Erwürgt/Mördertränen

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