Читать книгу Kommissar jagt Killer: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 35

Оглавление

28



Herr Gradon empfing uns in seinem Büro. Er war ein Endvierziger mit leichtem Bauchansatz und sehr energisch wirkenden Gesichtszügen. Die Stirn war hoch. Er trug einen kobaltblauen Anzug und eine sehr korrekt sitzende Krawatte. „Nehmen Sie Platz, Kriminalinspektor Kubinke und Kriminalinspektor Meier. Ich habe vorhin ein längeres Telefonat mit Ihrem Chef, Herrn Hoch geführt. Um ehrlich zu sein, ich hätte mir gewünscht, wenn mein Dienststelle von Anfang an enger in die Ermittlungen eingebunden gewesen wäre.”

„Nun, wir sind mit dem Fall um die Opfer der Heroin-statt-Kokain-Serie ja erst seit sehr kurzer Zeit vertraut...”, eröffnete ich und wurde sogleich von Herrn Gradon unterbrochen.

„Sie meinte ich damit auch nicht. Die Kritik war eher auf die hiesige Polizeiführung gemünzt. Na, eigentlich auf einen Hauptkommissar Ladberger, der sich selbst anscheinend als dem einzigen Gerechten auf Erden ansieht und mehr oder minder unter einer kompletten Kommunikationsunfähigkeit leidet.”

„Nun, wir haben bislang ganz gut zusammengearbeitet”, erklärte ich.

„Dann sind Sie eine Ausnahm, Herr Kubinke. Oder ein psychologisches Naturtalent. Rechnen Sie nicht damit, dass es so bleibt!”

„Da bin ich ganz zuversichtlich.”

„Der Anlass dafür, dass ich Sie hier her gebeten habe ist natürlich ein anderer. Es geht um den Tod von Kommissar Nesch.”

„Tja, da wir gerade über mangelnde Kommunikation sprachen: Vielleicht würde Kommissar Nesch noch leben, wenn er sein geheimes Treffen mit seinem Informanten mit uns abgesprochen und vernünftig vorbereitet hätte.”

„Mag sein. Aber Sie sind selbst lange genug im Geschäft und Sie wissen, dass das oft anders läuft. Zum Beispiel dann, wenn der Informant die Bedingungen für ein Treffen stellt und man nicht riskieren will, dass man ihn verärgert.”

„Hat Nesch mit Ihnen darüber gesprochen, was er mit Valentin Redymov zu besprechen hatte?”

„Ja, hat er. Kommissar Nesch glaubte, dass Valentin Redymov ihm wichtige Informationen über Irfan Kerimov zuspielen wollte. Redymov wäre wohl ganz froh gewesen, wenn wir Kerimov aus dem Verkehr gezogen hätten.”

„Und wieso?”

„Irfan Kerimov soll sich vor kurzem mit Niko Milanovic getroffen haben.”

„Davon haben wir gehört”, meinte Rudi.

„Dann wissen Sie ja wohl auch, wer Niko Milanovic ist. Wir halten ihn für einen großen Boss. Und Kerimov ist offenbar klar geworden, dass er den Drogenhandel in Frankfurt nicht ungestraft aufmischen kann, wenn er keine Verbündeten hat.”

„Und was hat das mit Valentin Redymov zu tun?”, hakte ich nach. „Das ist doch nur einer, der einen Club für die betreibt und als Drogenumschlagplätze benutzen lässt.”

„Richtig. Und früher hat er mal eine Weile für Milanovic gearbeitet. Wenn sich Kerimov und Milanovic wirklich zusammengeschlossen hätten, hätte das vielleicht bedeutet, dass Kerimov Redymov dafür geopfert hätte.”

„Sie meinen, Redymov wäre aus dem Geschäft gewesen?”, fragte ich.

„Ich meine, Redymov hätte wahrscheinlich eine Kugel in den Kopf gekriegt und keinen Schutz mehr von Kerimov erwarten können.”

„Jetzt hat Redymov mehr als eine Kugel zwischen den Rippen stecken - nur dass die aus der Waffe von Raimund Orroyo stammten.”

„Kerimovs Mann fürs Grobe.”

„So sagte man uns.”

„Streng genommen greifen Sie natürlich dem Bericht der Ballistiker und was da sonst noch so kommt vor - aber darauf wird es hinauslaufen, Herr Kubinke. Da haben Sie vollkommen Recht.”

„Sowas nennt man Ironie.”

„Ja, aber die größte Ironie wird sein, dass unsere Staatsanwaltschaft diesem Orloff wahrscheinlich ein besonders fürstliches Angebot für einen Deal unterbreiten wird, um ihn dazu zu gewinnen, seinen Boss ans Messer zu liefern. Und die Staatsanwaltschaft weiß genau, dass das sehr schnell passieren muss, oder es wird nichts daraus, weil Kerimov dann gewarnt ist! Also hat dieser Killer verdammt gute Karten.”

„So ist nunmal unser Rechtssystem”, sagte ich. „Und im Moment ist Orloff auch noch nicht vernehmungsfähig, soweit ich weiß.”

„Wissen Sie, Nesch war einer meiner besten Kommissare. Ich kenne seine Familie. Und der Gedanke, dass Orroyo irgendeinen Bonus bei der Strafzumessung oder sonst irgendeinen Deal kriegt, macht mich krank.”

„Das wird sich kaum verhindern lassen.”

„Möglicherweise doch.”

„Und wie sollte das geschehen?”

„Wenn wir es schaffen, Kerimov wegen anderer Delikte und ohne die Hilfe dieses Schweinehunds in den Knast zu bringen. Und da sehe ich eine Möglichkeit.”

„Ich bin gespannt.”

Herr Gradon stand auf. Er aktivierte einen Großbildschirm.

Ein Mann in Gefängniskleidung saß einem Verhörspezialisten gegenüber. „Das ist ein Kollege aus Hamburg” erklärte Gradon. „Er vernimmt Tom Mawadi. Mawadi hat in der Hamburg-Phase von Irfan Kerimovs krimineller Karriere eng mit ihm zusammengearbeitet. Inzwischen ist er wegen anderer Delikte eingebuchtet worden und sitzt noch ziemlich lange. Aber er ist gegen ein paar Vergünstigungen bereit, über die alten Zeiten auszupacken. Das Ergebnis ist diese Aufnahme. Ich habe das Material erst vor zwei Stunden bekommen. Sie beide gehören zu den ersten, die es außer mir sehen.”

„Wir brauchen eine Kopie davon”, verlangte ich.

„Kein Problem. Das ist schon in Arbeit. Und ich nehme an, dass Sie die Aussagen Mawadis kurz zusammengefasst haben wollen.”

„Das wäre nicht schlecht.”

„Vor sieben Jahren ist Kerimov mit einem Bein im Knast gewesen, als ein Drogendeal hochging. Man konnte ihm eine Beteiligung nicht nachweisen. Aber durch Mawadis Aussage kann man das jetzt. Ich spiele Ihnen gleich die entscheidenden Passagen vor. Es sind detaillierte Angaben dabei, die überprüft werden können.”

Herr Gradon ließ die Aufzeichnung im Schnelldurchlauf voranlaufen. Schließlich hatte er die Stelle gefunden, auf die es seiner Meinung nach ankam.

Wir hörten der Vernehmung zu. Die Fragen drehten sich allesamt um den damaligen Großdeal, bei dem jenes Heroin beschlagnahmt worden war, durch das später - zuerst in Hamburg und nach einer fünfjährigen Pause jetzt in Frankfurt - Menschen gezielt umgebracht wurden, Süchtige, die Heroin anstatt Kokain verkauft bekamen und es ahnungslos schnupften.

Die Angaben waren tatsächlich sehr detailliert. Er nannte Ross und Reiter. Jeden, der damals außer den unmittelbar Verhafteten noch daran beteiligt gewesen war.

Mawadi behauptete auch, dass Kerimov einen seiner Leute eigenhändig umgebracht hatte, als dieser ins Visier der Ermittler geriet und er befürchten musste, dass die Spur dann zu ihm führte. „Ich selbst habe mitgeholfen, den Typ zu vergraben”, behauptete Mawadi. „Und ich sage Ihnen auch den Ort, wo seine Knochen noch zu finden sein müssten...”

„Ist die Leiche schon gefunden worden?”, fragte Rudi.

„Ich warte stündlich darauf, dass sich da etwas ergibt und Mawadis Aussage dadurch bestätigt wird.”

„Gut.”

„Ich denke ich kann jetzt abschalten. Sie können sich die drei Stunden Vernehmung ja mal in Ruhe ansehen. Aber da muss ja nicht unbedingt hier sein. Das Wichtige haben Sie gehört.”

„Warten Sie!”, schritt ich ein, denn Don Gradon hatte seine Hand bereits an der Fernbedienung des Großbildschirms.

„Wie Sie wollen”, sagte Herr Gradon.

Er runzelte die Stirn. Was mir so wichtig war, konnte er nicht begreifen, weil er weder von uns noch von Herrn Hoch oder irgendjemand anderem darüber informiert worden war, dass das Heroin, mit dem Friedhelm Nöllemeyer getötet worden war, aus diesem Deal stammte.

„Der größte Teil des Heroins ist ja den Polizisten in die Hände gefallen”, meinte Mawadi. „Aber was kaum jemand weiß: Das, was die Polizisten gekriegt haben, war nicht die ganze Lieferung, sondern nur ein Teil.”

„Und wo ist Ihrer Ansicht nach der Rest geblieben?”, fragte der Vernehmungsspezialist.

„Irfan hat vorher schon eine Teillieferung bekommen. Mit vorher meine ich, bevor der Gesamtdeal über die Bühne ging.”

„Darauf haben sich Ihre damaligen Partner eingelassen?”

„Ich weiß nicht, wie Irfan Kerimov das gedreht hat, aber er hat das hinbekommen. Er hat bei der ganzen Sache so gut wie nichts verloren, während die anderen beteiligten Dealer, die in den Knast gingen und ein Vermögen verloren haben. Später hat ihm das noch Ärger eingebracht.”

„Wieso?”

„Na, weil einige darauf kamen, dass Irfan vielleicht den Polizisten einen Tipp gegeben hat oder so etwas in der Art. Auf jeden Fall war es ihm offenbar ganz recht, dass er auf diese Weise ein paar lästig gewordene Geschäftspartner loswerden konnte.”

„Und das Heroin? Wie groß war die Menge?”

„Ungefähr nochmal dasselbe wie die Lieferung, die in die Hände der Polizisten geraten ist und jetzt wahrscheinlich auf ewige Zeiten in irgendeiner Asservatenkammer aufbewahrt werden muss. Und das Gute für Kerimov war, er brauchte seine Lieferanten nicht einmal mehr voll bezahlen, denn die saßen ja jetzt zum Großteil im Knast und konnten ihre Schwarzgeldkonten auf den Cayman-Inseln nicht mehr kontrollieren. Irfan hat ein Vermögen dabei gemacht, dieser Schweinehund!”

„Und Ihnen hat er gar nichts davon abgegeben? Damit Sie schweigen?”

„Hören Sie mal, geht es hier um mich oder um Irfan? Wollen Sie mich anpissen oder was? Ist er Ihnen doch nicht so wichtig? Dann kann ich ja wieder in meine Zelle gehen und die lebenslange staatliche Versorgung genießen...”

Es dauerte nicht lange und Mawadi hatte sich wieder beruhigt. Die Aufregung erschien mir künstlich. Mawadi wollte nur eine Szene machen, um seine Wichtigkeit für die andere Seite zu demonstrieren. Und der Vernehmungsspezialist schien das zu erkennen. Er blieb ruhig und wartete einfach ab.

Aber auf den Verbleib der Drogen kam das Gespräch daraufhin nicht mehr zurück.

„Wir haben Kerimov”, stellte Rudi fest. „Und zwar reicht das, um ihn nicht nur wegen der damaligen Sachen festzunehmen, sondern auch wegen dem Mord an Friedhelm Nöllemeyer.” Er wandte sich an mich. „Wir brauchen nicht zu warten, bis Orloff vernehmungsfähig ist.”

Herr Gradon verstand nicht wirklich, was Rudi meinte.

Es wurde Zeit, ihn einzuweihen.

Denn bei dem bevorstehenden Einsatz waren wir auch darauf angewiesen, dass Gradon uns die entsprechenden Einsatzkräfte zur Verfügung stellte.


Kommissar jagt Killer: 7 Strand Krimis

Подняться наверх