Читать книгу Die besten 12 Strand Krimis im September 2021 - Alfred Bekker - Страница 30
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ОглавлениеMilo und ich fuhren zusammen mit Harry Branson nach Rikers Island, um dort in Anwesenheit eines Anwalts mit Roger Sheldon zu sprechen. Staatsanwalt Robert Thornton sollte bei dem Treffen ebenfalls anwesend sein. Wenn es zu einer Aussage kam, erwartete Sheldon schließlich einen Strafnachlass oder eine Abmilderung der Anklage. Bei ihm lief das wahrscheinlich darauf hinaus, dass die Staatsanwaltschaft darauf verzichtete, die Todesstrafe zu beantragen.
Als wir in das Besprechungszimmer geführt wurden, waren alle anderen bereits anwesend.
Wir begrüßten erst Robert Thornton und anschließend Sheldons Verteidigerin.
„Caroline Harcourt von der Kanzlei Miles & Barringer“, stellte sie sich vor. Trotz ihrer zierlichen Figur machte sie einen energischen und sehr entschlossenen Eindruck.
„Ich hoffe, Sie haben Ihren Mandanten davon überzeugen können, dass es besser ist, die Karten auf den Tisch zu legen“, sagte Thornton. „Andernfalls verschwende ich hier nur meine Zeit. Ich sage des Ihnen gleich. Mit irgendwelchen Mätzchen lasse ich mich hier und jetzt nicht abspeisen. Nach allem, was ich vom FBI erfahren habe, ist die Beweislage sehr sauber. Ihr Mandant hat so gut wie keine Chance, einer Verurteilung wegen Mordes zu entgehen.“
„Lieber Kollege, das klingt schon fast wie ein Plädoyer!“, erwiderte Caroline Harcourt mit einem leicht spöttischen Gesichtsausdruck. Sie trug die blonden Locken offen und bis weit über die Schultern. Das Business-Kostüm saß sehr eng, aber passend. Es schien maßgeschneidert zu sein.
Sie unterzog alle Anwesenden einer kurzen, abschätzigen Musterung. Aber insgeheim hatte sie für sich wohl schon entschieden, dass Robert Thornton in diesem Fall ihr Hauptgegner war, dem sie die größte Aufmerksamkeit widmen musste.
„Ich schlage vor, wir hören uns erst einmal informell an, was Mister Sheldon uns überhaupt zu sagen hat“, sagte ich, um die aufgeheizte Stimmung etwas abzukühlen. „Dann können Sie sich immer noch darüber unterhalten, ob das für einen Strafnachlass reicht oder nicht.“
„An mir soll es nicht liegen!“, sagte Thornton.
Caroline Harcourt verdrehte die Augen, so als würde insbesondere Thornton ihr auf die Nerven gehen. „Fangen wir an!“, seufzte sie schließlich.
Sheldon grinste mich an. „Sie sind der Bastard, der hinter mir hergeballert hat!“, knurrte er zwischen den Zähnen hindurch. „Ob das mit meinem Unterschenkel wieder richtig was wird, steht noch nicht fest. Das Kniegelenk hat etwas abbekommen…“
„Das tut mir leid“, sagte ich.
„Ihnen tut das Leid, Mister…?“
„Agent Trevellian“, unterbrach ich ihn.
„Wie auch immer. Ihnen tut doch gar nicht Leid. Sie sind doch nur sauer darüber, dass es Ihnen Ihr Gesetz nicht gestattet, mich einfach über den Haufen zu schießen.“
„Nein, da irren Sie sich gewaltig“, erwiderte ich und versuchte dabei einen möglichst sachlichen Tonfall beizubehalten. Branson und Milo überließen mir die Gesprächsführung. Ich fuhr fort: „Im Übrigen möchte ich mich den Worten von Staatsanwalt Thornton anschließen: Für Mätzchen ist unsere Zeit zu schade.“
„Mein Mandant wird Ihnen informell sagen, was er weiß“, versicherte Caroline Harcourt. „Aber zu den Bedingungen gehört, dass keine Anklage auf Mord 1.Grades erhoben wird und die Strafe in einem Gefängnis außerhalb New Yorks verbüßt werden kann.“
„Sollte das Wissen Ihres Mandanten zur Ergreifung von Monty Gordon führen, können wir das gerne erwägen“, sicherte Thornton zu.
„Ich dachte, wir wären uns einig darüber, dass Mätzchen uns in dieser Sache nicht weiterbringen“, versetzte die Anwältin schneidend. „Jedenfalls war das Ihre Ausdrucksweise…“
„Fangen wir an“, sage ich. „Mister Sheldon, wir nehmen an, dass Sie Wayne Smith getötet haben, weil man Ihnen sagte, dass er ein Verräter sei.“
„Er war Polizeispitzel. Jemand hat ihn gesehen, wie er sich mit irgendeiner Ratte von den Cops traf. Ich glaube, es war die DEA, aber das spielt auch eigentlich keine Rolle. Niemand verpfeift seine Gang! So ist nun mal das Gesetz bei uns. Darum ist es auch wichtig, dass ich nicht hier in New York in den Knast komme, sonst kann man mir auch gleich die Giftspritze geben.“
„Was hat man Ihnen dafür versprochen, dass Sie Smith umbringen?“, fragte ich.
„Dass ich in die Gang als Vollmitglied aufgenommen werde und auch entsprechend meinen Anteil am Geschäft bekomme. Das heißt, ich hätte nicht nur an dem verdient, was ich selbst an Stoff verkaufe, sondern auch an den Abgaben, die einfache Dealer an die Gang zahlen müssen.“
„Hat Monty Gordon Ihnen persönlich den Auftrag gegeben?“
„Nein, das war einer seiner Leute.“
„Wer?“
„Kenneth Easton. Er hat mir auch das Gewehr übergeben.“
„Wo war das?“
„In dem Billard-Lokal ‚The Trap’. Ich wurde dort hinbestellt und Kenneth wartete auf mich mit der Waffe. Das ist aber schon fast eine Woche her. Ich musste auf die richtige Gelegenheit warten.“
„Und die ergab sich, als Wayne Smith glaubte, das Cabriolet von George Rizzo knacken zu können.“
„Was haben Sie von dem Mord an Rizzo mitbekommen?“, hakte Milo nach.
„Gar nichts. Ich habe natürlich gehört, was passiert ist und…“ Sheldon druckste herum. Seine Anwältin wechselte einen Blick mit ihm und nickte ihm zu. „Sagen Sie ruhig, was Sie auch mit mir besprochen haben, Mister Sheldon. Ich bin zwar normalerweise nicht dafür zu haben, den Job für die Staatsanwaltschaft zu machen, aber in Ihrem Fall ist es wirklich das Beste, wenn Sie mit gar nichts hinter dem Berg halten. Je mehr Informationen Sie hier anbieten können, desto interessanter sind Sie für Mister Thornton.“ Sie wandte sich in Richtung des Staatsanwalts. „Da habe ich doch Recht, oder Mister Thornton?“
„Zweifellos“, murmelte Thornton einsilbig.
Er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt. Was er bisher gehört hatte, schien ihn noch nicht so recht begeistern zu können. Jedenfalls gab es seiner Meinung nach bislang noch keinen Grund dafür, beim Strafmaß oder in der Anklageerhebung großzügig zu sein.
Es musste noch irgendetwas hinzukommen. Eine Information, die wirklich entscheidende Bedeutung bei unserer weiteren Fahndung hatte. Was Sheldon bisher vorgetragen hatte, war letztlich lediglich eine Bestätigung für das, was wir uns im Groben ohnehin schon zusammengereimt hatten.
„Ich kann Ihnen ein paar Treffpunkte sagen, wo sich die Gang zusammengefunden hat, wenn es irgendetwas zu besprechen gab. Aber wo sich Monty Gordon im Moment aufhält, das weiß ich nicht. Ich glaube, im Moment schläft der keine zwei Nächte an einem Ort.“
„So groß ist sein Respekt vor den Ermittlungsbehörden?“, wunderte sich Harry Branson und mischte sich damit in das Gespräch ein.
Roger Sheldon lachte heiser. „Die Polizei wäre ohnehin zu dämlich, Gordon zu finden, es sei denn er wird verraten. Nichts für ungut, aber ich glaube kaum, dass Monty im Moment wirklich große Angst vor einer Verhaftung hat.“
„Wovor dann?“, hakte ich nach.
Sheldon zögerte erneut einen Moment und fuhr wenige Augenblicke später fort: „Na, die Killer des Moreno-Syndikats werden nicht untätig bleiben. Angesichts der Lage können die das auch gar nicht. Außerdem nehme ich an, dass Big Paco noch eine Weile ganz oben mitmischen will.“ Er seufzte hörbar. „Rizzo war nicht der einzige Tote unter den Kleindealern, die es in letzter Zeit zu beklagen gab. Aber ich denke, dass haben Sie inzwischen auch bereits ohne meine Hilfe herausgefunden.“ Er grinste.
Aber niemand im Raum erwiderte dies und so hörte auch Sheldon sehr schnell damit auf.
„Sie könnten also bezeugen, dass Monty Gordon der Auftraggeber hinter den ermordeten Kleindealern ist, die man dann später mit einem Strick um den Hals auffand.“
Unser Gegenüber zuckte zunächst einmal nur mit den Schultern. Nach einer längeren Pause des Nachdenkens, fuhr Monty Gordon schließlich fort: „Tut mir Leid, ich war bei keiner der Beratungen dabei, bei denen das besprochen wurde. Aber dass Monty diese Typen ein Dorn im Auge waren, die mit ihren Stoffpreisen soweit herunter gingen, dass es sich kaum noch lohnt, in dem Business zu bleiben, war kein Geheimnis. Und genau damit versuchen es Morenos Leute. Die wollen uns klein kriegen mit ihrem Geld! Aber Monty hat dafür gesorgt, dass sie einen Denkzettel bekommen haben. Übrigens weiß ich, wo Sie den Kerl finden, der mir die Waffe und den Auftrag weitergegeben hat.“
„Na los, raus mit der Sprache!“, forderte ich. „Um hier eine große Show abzuziehen und gleichzeitig die entscheidenden Details zurückzuhalten, hätten wir diesen Termin nicht anzusetzen brauchen!“
„Kenneth Easton wohnt bei einer gewissen Clarissa Maxwell.“
„Adresse?“
„Randall Street. Hausnummer weiß ich nicht mehr, aber die Wohnung liegt im dritten Stock. Im Erdgeschoss ist ein Coffee Shop. Durch den muss man durch, um dort hinaufzugelangen. Ich glaube, der Besitzer des Coffee Shops vermietet auch die Wohnungen. Obwohl in dem Fall…“
„Was?“, hakte ich nach.
„Ich nehme an, dass der Coffee Shop Besitzer eher an Kenneth was dafür abdrückt, dass der ihn beschützt.“
„Wir brauchen alle Namen, Adressen, Treffpunkte und so weiter von Personen, die im Moment zur Gang gehören.“
„Hey Mann, ich habe mich bemüht, in den inneren Kreis zu kommen, aber ich war noch nicht drin. Alle weiß ich also nicht.“
„Aber genug, damit der Staatsanwalt guten Gewissens ein Angebot machen kann, nehme ich an.“
„Sie können diese Angaben ruhig machen“, versicherte ihm seine Verteidigerin. „Vor Gericht gilt das, was hier an Informationen ausgetauscht wurde als nicht gesagt. Und Staatsanwalt Thornton ist darauf angewiesen, dass Sie in den sicher noch folgenden Prozessen gegen Monty Gordon und die anderen Gang-Mitglieder den Mund aufmachen.“
Roger Sheldon nickte. „Okay“, murmelte er.