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Wir überprüften anschließend noch den Computer, was keine Schwierigkeit war, da sämtliche Sicherheitseinstellungen noch auf Werkseinstellung geschaltet waren. Cole Davis hatte seinen Rechner offenbar tatsächlich nur zum Spielen und zum Empfang von Emails benutzt, wobei er an letzterem hauptsächlich Spam-Mails bekam.

Schließlich verließen wir die Wohnung wieder und machten uns auf, James Allison im Therapiezentrum von HELP aufzusuchen.

Ich rief zunächst Allisons Handy-Nummer an, die auf an, die auf den Handzetteln verzeichnet war, bekam aber nur seine Mailbox. Danach versuchte ich es mit der Festnetznummer des Therapiezentrums. Eine junge Frau war am Apparat, die James Allison im Moment nicht finden konnte.

„Wahrscheinlich irgendeine Praktikantin“, lautete Milos Kommentar.

„Wir sollten trotzdem hinfahren. Erstens wird Allison dort ja wohl früher oder später wieder im Therapiezentrum auftauchen und zweitens wird es sicher auch noch andere Mitarbeiter geben, die sich an Cole Davis erinnern.“

Milo zuckte mit den Schultern.

„Nichts dagegen, Jesse!“

Das Therapiezentrum lag in Riverdale, im bürgerlich geprägten Nordwesten der Bronx gelegen. Es war in einem vierstöckigen Brownstone-Bau mit etwas heruntergekommener Fassade untergebracht.

Eine Helferin namens Janet nahm uns am Eingang in Empfang und führte uns in eine Turnhalle. Jugendliche schlugen laut schreiend auf Sandsäcke ein. Im Sparring wurde nach festen Regeln gekämpft und ein paar junge Männer und Frauen trainierten ihre Kondition mit Hilfe von Seilchen.

Etwa hundert davon hingen an der Seitenwand an einem Haken. Ich nahm mir eins davon.

„Genau so eins hat man Cole Davis und den anderen um den Hals geknüpft, Milo!“

„Ja, und in der nächsten Grundschule hängen wahrscheinlich auch fünfzig davon! Und vergiss die Kindergärten nicht!“

Janet führte uns zu einem hemdsärmlig wirkenden Mann in den Fünfzigern mit breitem Kreuz und kräftigem Oberkörper. Es war unverkennbar, dass er hier offenbar häufig mittrainiert hatte.

„Mister White, da sind die FBI-Agenten, die angerufen hatten, um mit Jim zu sprechen“, sagte Janet.

Mr White drehte sich um, warf einen Blick auf die Ausweise und stellte sich schließlich vor. „Ray White. Ich habe es hier zu sagen. Sie wollten mit Jim – Mister James Allison – sprechen?“

„Wenn das möglich ist, sprechen wir auch gerne mit jemand anderem, der Cole Davis kannte. Aber da Mister Allison uns eingeladen hatte, mal…“

„Wie bitte?“, unterbrach mich White.

Er runzelte die Stirn. Er stemmte die kräftigen Arme in die Hüften. „Jim hat die ganze Woche frei genommen. Der war nicht einmal hier.“

„Wir haben ihn verschiedentlich bei unseren Ermittlungen getroffen. Er besuchte ehemalige Süchtige, die hier im Therapiezentrum geheilt wurden.“

„Das ist Unsinn. Wir besuchen unsere Ehemaligen nicht“, sagte White klipp und klar. „Es ist umgekehrt, sie können jederzeit hierher kommen, wenn es ihnen schlecht geht oder sie rückfällig werden. Ich habe keine Ahnung, warum Ihnen Jim diesen Unsinn erzählt hat.“

„Um so besser, dass wir uns jetzt mit Ihnen unterhalten. Haben Sie irgendwo ein Büro, wo wir ungestört miteinander sprechen können? Ich glaube nicht, dass es gut wäre, wenn hier alle mitbekommen, worum es geht.“

„Natürlich“, nickte Ray White.

Tiefe Furchen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. White führte uns aus der Halle. Wir gingen durch einen Korridor und gelangten schließlich in ein Büro, das einen ziemlich chaotischen Eindruck machte. Der Computer war unter den Stapeln von Akten beinahe begraben.

Zwei abgeschabte Ledersessel standen für Gäste bereit.

„Setzen Sie sich“, bot White uns an. „Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee vielleicht?“

„Nein, danke“, sagte Milo und ließ sich in einen Ledersessel fallen. Ich folgte seinem Beispiel. Die Federn waren durch und quietschten, wenn man sich bewegte. „Ja, wir sind in jeder Hinsicht auf Spenden angewiesen“, erklärte uns White, noch ehe einer von uns sich beklagen konnte.

„Vier Drogendealer – alle kleine Fische – wurden mit einer Waffe vom Kaliber 9 mm mit Schalldämpfer erschossen. Anschließend hat man ihnen ein Seil zu einer Schlinge geknüpft um den Hals gehängt“, erklärte ich.

„Ich habe davon gehört“, sagte White. „So etwas spricht sich natürlich herum. Manch einer von den überwiegend jungen Leuten, die hier ihre Therapie machen, haben früher von den Ermordeten ihren Stoff bekommen. Crack, Kokain, Heroin, Speed – was auch immer.“

„Eigentlich sind wir hier, um etwas über Cole Davis zu erfahren, aber jetzt ist es vielleicht genauso interessant, wenn Sie uns etwas über James Allison berichten“, warf Milo ein.

„Was es über Cole Davis zu sagen gibt, kann man schnell zusammenfassen“, sagte White. „Ein ehemaliger Süchtiger, der seine neue Chance dazu genutzt hat, um ein Gangster zu werden. Das ist nicht gerade das, was wir uns als Ziel unseres Hilfsprogramms vorstellen!“

„Das kann ich mir denken“, sagte ich.

„Und was Jim Allison angeht, so ist er einer unserer engagiertesten Mitarbeiter. Eine ganze Woche Urlaub, so wie im Moment, ist bei ihm selten. Und wie ich höre, kümmert er sich selbst dann noch um Leute, die es brauchen.“

„Er war früher Beamter der DEA“, versuchte ich, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

„Ja, es gehört schon Idealismus dazu, eine sicheren Job bei der Drogenpolizei inklusive Pensionsanspruch aufzugeben und stattdessen für eine Organisation wie HELP zu arbeiten, wo man gerade mal monatlich eine Summe bekommt, die knapp über dem Mindestlohn liegt. Mehr können wir einfach nicht zahlen.“

„Woher kommt dieses Engagement?“, hakte ich nach.

„Allison hatte einen Sohn, der in den Drogensumpf geriet und schließlich an einer Überdosis starb. Das muss ihn verändert haben. Seine Frau kam über die Sache nie hinweg, hat sich von ihm getrennt und lebt heute in innerer Versenkung in einem buddhistischen Kloster.“

„Wie es scheint, hat Mister Allison seine ganz persönliche Methode gefunden, um mit dem Verlust fertig zu werden“, murmelte ich.

Die besten 12 Strand Krimis im September 2021

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