Читать книгу Kreuzweg vieler Welten : Science Fiction Sammelband: 1000 Seiten Roman Paket - Alfred Bekker - Страница 23
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ОглавлениеDie Crew ließ ihrem weiblichen Gast von SULEIMAN genügend Zeit, um erst einmal alles zu verarbeiten, was an Informationen auf sie hereingebrochen war. Sie mussten sich sowieso noch erholen von den Strapazen innerhalb der Séance und konnten derzeit auf PSI-Ebene nicht großartig tätig werden.
Xirr bot Ernestine fürsorglich einen Sitzplatz in der Zentrale an, in der sie sich alle befanden. Sie nahm das Angebot dankbar an.
Schließlich wandte sich Ernestine an ihren Teleporter Baldyr Sholan:
„Und du meinst wirklich, ich könnte das so wie du? Ich wusste gar nicht, dass Teleportation überhaupt möglich sein kann. Es gibt bei uns keine Teleporter.“
„Logisch!“ Baldyr nickte. „Weil du sowieso der einzige bist auf deiner Welt. Sicherlich trifft das auch auf die Parallelwelt zu, weil die Personen hüben und drüben ja quasi beinahe identisch sind. Sie verhalten sich nur dort unterschiedlich, wo die Umstände es bedingen.“
„Und wie könnte ich das lernen von dir?“
„Oh, das ist nicht schwierig. Wenn ich dich zurückbringe, musst du dich mit mir nur geistig verbinden. Das heißt, ich tu das gern für dich. Du musst dich mir halt nur öffnen. Etwas, was du dein Leben lang ja tunlichst vermieden hast. Aber es geht nicht anders. Du musst deine Dauerblockade zuvor komplett aufgeben.“
„Und dann springst du mit mir zurück in diese Zelle bei der PSI-Squad?“, zweifelte Ernestine immer noch.
„Oder sonst irgendwo hin, wo immer du es dir wünschst. Die einzige Ausnahme ist zunächst Welt 2. Wir könnten zwar versuchen, dorthin gemeinsam zu gelangen, doch es wäre dabei zunächst noch ein gewisses Risiko zu bedenken. Ohne dich würde ich es wohl gar nicht schaffen, und diese besondere Art von Phasenverschiebung ist halt auch für uns hier neu, obwohl wir die Phasenverschiebung an sich sogar mit dem Schiff schon länger beherrschen.“
Ernestine verstand das mit der Phasenverschiebung immer noch nicht, aber sie wusste ja andererseits, dass es die beiden Parallelwelten tatsächlich gab. Und außerdem hatte man sie ja hierher teleportiert. Ob das nun außerhalb ihrer Welt war oder nicht, blieb eigentlich zweitrangig für sie – zunächst. Es ging ihr nur darum, dass es ja dadurch tatsächlich möglich sein konnte, zurück zu teleportieren, weil es ja auch in diese Richtung hierher geklappt hatte.
„Also gut. Ich wäre eigentlich bereit dafür.“
„Noch nicht bitte!“, dämpfte Xirr indessen ihren aufflammenden Enthusiasmus: „Es ist vorher noch wichtig zu erörtern, wie das damals überhaupt geschehen konnte. Genau das ist ja unsere Mission, die uns hierher führte.“
Er sagte es mehr an Baldyr gewandt als an Ernestine und fuhr fort, sich jetzt auch an sie wendend:
„Das musst du natürlich wissen, Ernestine: Wir wurden hierher entsandt, um herauszufinden, wieso deine Welt jegliche Annäherung verhindert. Zwar wissen wir jetzt, dass SULEIMAN in eine leichte Phasenverschiebung schlüpfte und deshalb überhaupt noch halbwegs sichtbar geblieben ist und auch mit seiner Masse innerhalb des Sonnensystems interagiert...“
Er sah, dass dies Ernestine erst recht nicht verstehen konnte, winkte mit beiden Händen ab und kam zum Thema zurück:
„Aber wir wissen halt immer noch nicht, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Dabei musste sich ja auch diese Doppelwelt gebildet haben. Etwas, was wohl ziemlich einmalig ist im bekannten Universum. Wir jedenfalls haben diese Art von Phänomen noch nirgendwo sonst gesehen und erlebt.“
Ernestine überlegte.
„Unsere Kindermärchen...“, begann sie vorsichtig. Dann suchte sie den Blick von Xirr. „Da ist die Rede von Sternen und einer Sonne, die unsere Welt bescheint. Und ihr behauptet hier, das sei gar kein Märchen, sondern würde der Wirklichkeit entsprechen, die man von SULEIMAN aus nur nicht mehr sehen kann?“
Xirr nickte nur.
Nachdenklich fuhr Ernestine fort:
„Wie auch immer... Es gibt da auch ein Märchen der großen Zauberer, Magier und Hexen, die bei den Menschen in Ungnade fielen, weil die Menschen ihre Macht fürchteten. Auch weil es nicht nur gute Magier, Zauberer und Hexen gab, sondern auch böse. Also beschloss das Volk, sie allesamt umzubringen.
Ein Krieg wäre entstanden, der wohl alle ausgelöscht hätte, sowohl alle magischen Geschöpfe als auch alle Menschen. Daher beschloss der weise Rat der guten Magier, Zauberer und Hexen, sich zusammenzuschließen zu einer einzigen magischen Macht und mittels dieser Macht von dieser Welt zu fliehen. Seitdem sind sie verschwunden.“
Die sieben Gefährten sahen sich betroffen an.
Derwinja ergriff als erste wieder das Wort:
„Da haben wir es doch schon: Diese magischen Wesen waren nichts anderes als Mutanten, die so eine Art Superséance bildeten, in der ihnen die Phasenverschiebung gelang!“
„Aber es ist doch mehr als nur eine leichte Phasenverschiebung“, gab Kanot Borglin, ihr Ex-Ehemann, sogleich zu bedenken. „Es entstand dabei ja sogar diese Parallelwelt!“
„Die nicht wirklich eine ist!“, trumpfte jetzt Phillis von den Sternen zu aller Überraschung auf. „Na, dann überlegt doch mal selber, Freunde:
Phasenverschiebung ist das Stichwort! Wir wissen doch alle, dass es eine 0-Phase gibt – und die belebte Phase 1. Wenn wir eine kleine Phasenverschiebung vornehmen, verschwinden wir scheinbar aus der Phase 1, sind dann aber natürlich nach wie vor vorhanden. Eben nur in einer kleinen Zwischenphase verborgen.“
„Quatsch!“, fuhr Derwinja respektlos dazwischen. „Das ist doch keine Erklärung, Phillis. Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen, denn eigentlich bist ja du hier das Genie und nicht ich:
Selbst wenn eine komplette Phase 2 entsteht, entwickelt sich diese dann anders als Phase 1. Aus dem gleichen Ursprung entstehen zwei parallele Phasen, die sich immer weiter voneinander entfernen entwicklungsmäßig. Aber hier, auf SULEIMAN, hingegen sind sämtliche Menschen miteinander auf geheimnisvolle Weise verbunden, und es entwickelt sich eben nichts voneinander weg.“
„Nicht ganz richtig!“, widersprach jetzt Ernestine. „Tut mir leid, aber niemand kennt natürlich die Unterschiede zwischen beiden Welten besser als ich: Immerhin gibt es in beiden Welten zwei grundverschiedene Gesellschaftsordnungen. Also wenn das keine Unterschiedlichkeit ist...“
Phillis von den Sternen schürzte nachdenklich die Lippen. Und dann sah sie triumphierend in die Runde. Ihr Blick blieb schließlich an Derwinja hängen.
„Fakt ist, wir haben beide zugleich recht und unrecht! Ich habe recht, wenn ich von einer zweiten Phase spreche – und du hast recht, dass sich dort eben die Dinge anders entwickeln. Und dennoch haben wir in einem unrecht, nämlich weil die Menschen hüben und drüben auf unerklärliche Weise gleich zu sein scheinen. Ihre Schicksale sind miteinander untrennbar verwoben.
Ah, sagte ich soeben unerklärlich? Dabei ist die Erklärung doch eigentlich ganz einfach...“
Sie machte eine Kunstpause, offenbar um die Spannung zu erhöhen.
Niemandem gefiel das zwar, aber Phillis kümmerte das überhaupt nicht.
Mit einem wahrhaft süffisanten Lächeln klärte sie endlich die gespannten Zuhörer auf, einschließlich Ernestine Freihaus:
„Es handelt sich nicht nur um eine nicht vollkommen geglückte Phasenverschiebung, sonst könnten wir nämlich von hier oben überhaupt keine Welt mehr sehen... Hatten wir so etwas zumindest Ähnliches denn nicht doch schon in der Vergangenheit?“
Sie winkte ab.
„Jedenfalls gibt es da etwas völlig Neues, also noch einen zusätzlichen Umstand, der nicht zu verachten ist: Die besondere Affinität der Bewohner von SULEIMAN mit PSI-Energien!
Und das betrifft offensichtlich eben nicht nur die sogenannten Mutanten, sondern eben auch alle anderen Menschen! Das heißt, es gibt niemanden auf SULEIMAN, der nicht zumindest latent PSI-fähig ist.
Bei den Mutanten tritt es irgendwann zutage, bei allen anderen, die gewissermaßen normal bleiben, eben nicht. Und dennoch reicht es bei allen, niemals die Verbindung mit ihrem zweiten Ich in der Parallelphase zu verlieren.
Was in diesem Fall natürlich dazu führt, dass es niemals eine Vereinigung beider Phasen mehr geben kann. Sonst wäre dieser Zustand nicht schon seit neuntausend Jahren ohne Unterbrechung so stabil.“
Xirr machte nur:
„Uff!“
Und dann:
„Das ist mal wieder Phillis, wie sie leibt und lebt! Aber die Konsequenzen dessen sind uns damit natürlich ebenfalls klar: Es gibt keine Rückkehr mehr für SULEIMAN in den Normalraum, den wir als Phase 0 bezeichnen oder je nach Entwicklung als Phase 1.“
Ernestine schwirrte zwar der Kopf von all diesen Dingen, die sie nicht einmal im Ansatz zu begreifen vermochte, doch eines war ihr jetzt ebenfalls klar:
Alles würde auf jeden Fall so bleiben müssen wie es war.
„Nicht ganz!“, wurde schon wieder widersprochen. Von Xirr, der ihre Gedanken gelesen hatte:
„Zwar kann SULEIMAN nicht befreit werden, weil die Parallelphasen sich nicht wieder vereinen können – was Grundvoraussetzung hierfür wäre -, doch dafür gibt es jetzt dich, Ernestine! Du bist die Veränderung!“
Bevor Ernestine noch fragen konnte, was er damit denn eigentlich meinte, mischte sich wieder Derwinja ein:
„Wisse, schöne Frau von SULEIMAN, es gibt eben nicht nur die Gefahren, wie du sie aus deiner Welt kennst. Beispielsweise verursacht von einer tyrannischen Führung in Welt 1, wo tatsächlich, wie schon von dir richtig vermutet, kriminelle Mutanten die Macht an sich gerissen haben, mit durchaus bösen Absichten... Es gibt auch Gefahren, die von außerhalb drohen.“
Ernestine sah in sieben ernste Gesichter – so ernst immerhin, dass sie das sogar im Gesicht des Echsenmenschen so deuten konnte, und musste natürlich nachhaken:
„Wovon ist denn da die Rede?“
Xirr winkte ab.
„Ich will dich jetzt nicht mit noch mehr Informationen füttern, die du nicht wirklich verkraften kannst, sondern dir nur so viel mit auf den Weg geben: Es gibt das sogenannte Adakoni-Kartell. Eine Bande, die so mächtig ist, dass sie über hundert Welten gebietet, und noch viel mächtiger werden will. Kannst du mir dabei folgen?“
Ernestine nickte zögernd.
Xirr führte weiter aus:
„Das Adakoni-Kartell jagt auf allen Welten, die es erreichen kann, ganz gezielt nach Mutanten.“
„Etwa wie die PSI-Squad in Welt 1?“
„Noch wesentlich schlimmer, wie ich leider zugeben muss! Denn das Kartell fängt die Mutanten nur zu einem Zweck ein: Aus mehreren Mutanten wird ein einzelner Supermutant erschaffen. Das heißt, all ihre Fähigkeiten werden übertragen auf einen, der sich dafür besonders eignet. Er bekommt einen Chip in den Kopf, vergleichbar tatsächlich mit dem Chip im Kopf von Kommandant Takeling. Mit dem gravierenden Unterschied, dass dieser Chip des Kartells extrem weiter entwickelt ist und sogar geeignet ist, Supermutanten zu konditionieren.
Und es sind solche Supermutanten, die sich auf die Jagd nach weiteren Mutanten machen, die gegen die übermächtigen Supermutanten keine Chance haben.“
„Geht das denn tatsächlich, dass man aus mehreren Mutanten einen Supermutanten erschafft?“ Ernestine wollte es gar nicht glauben und schüttelte sich vor Grauen.
„Ja, leider! Obwohl nur das Kartell weiß, wie das geht. Zumal die betroffenen Mutanten dabei ein unvorstellbar qualvolles Ende nehmen. Das sind Experimente an lebenden Wesen, die jegliche Vorstellungskraft übersteigen.“
„Aber wieso macht ihr nichts dagegen?“, klagte Ernestine sie daraufhin an.
Xirr nickte grimmig.
„Was glaubst du denn, was für die Raumflotte von Axarabor oberste Priorität hat – unter anderen Prioritäten, denn das Kartell ist ja nicht die einzige Bedrohung des Sternenreiches von Axarabor. Und wir hier als Crew sind nur ein vergleichsweise winziges Teilchen eines großen Ganzen eben mit Namen Raumflotte von Axarabor.“
Ernestine blies missmutig die Wangen auf und ließ die Luft pfeifend entweichen.
„Ah, jetzt verstehe ich, was du mir damit sagen willst: Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Kartell hier auftaucht, um auch auf SULEIMAN nach Mutanten zu suchen.“
„Und fündig zu werden!“, betonte Xirr. „Du weißt selbst, wie reich SULEIMAN mit PSI-Kräften gesegnet ist.“
„Aber was soll ich denn dabei für eine Rolle spielen – ich allein?“, beschwerte sich Ernestine resignierend.
„Noch unterschätzt du deine Fähigkeiten, Ernestine!“, betonte jetzt Baldyr Sholan, der Teleporter. „Ja, noch! Aber wenn du erst einmal gelernt hast, bewusst Phasenverschiebungen zu erzeugen, hast du schier unendliche Möglichkeiten. Du kannst in einer eigenen Phase wie in einer Dimensionsblase unsichtbar für alle die ganze Welt erforschen, kannst dich auf die Suche nach Mitstreitern machen...
Wenn es dir wirklich gelingt, deine Fähigkeit völlig auszuschöpfen, wirst du auch jederzeit von jeder Hauptphase in die andere wechseln können, also beliebig von Welt 1 nach Welt 2 und umgekehrt. Und du kannst Verbündete auf diesem Weg mitnehmen, falls sie daran zweifeln sollten, dass es tatsächlich SULEIMAN zweimal gibt.
Und vergiss nicht: In Welt 2 bist du Kommandant der dortigen PSI-Squad und in Welt 1 hast du als zunächst wichtigste Verbündete Kommandant Takeling!“
Ernestine überlegte noch kurz. Dann nickte sie Baldyr Sholan zu.
„Und worauf warten wir jetzt noch?“
Sie fühlte sich tatsächlich in diesem Moment dermaßen voller Tatendrang, dass sie fast meinte, platzen zu müssen.
Baldyr lächelte nur und trat näher.
„Moment noch!“, rief Xirr rasch. „Wir werden dich bei deinen Bemühungen zwar nicht auf Dauer unterstützen können, weil unsere eigentliche Mission bereits abgeschlossen ist, doch wir bleiben so lange, bis dir Baldyr das Nötigste beigebracht hat! Und wenn wir danach uns von hier verabschieden, sei dir jetzt schon versprochen:
Wir werden immer wieder mal hierher kommen, um nach dem Rechten zu sehen. Um zu gewährleisten, dass ihr auf SULEIMAN gewappnet seid, falls das Kartell tatsächlich hier auftauchen sollte.“
Im nächsten Augenblick waren Baldyr Sholan und Ernestine Freihaus verschwunden.
ENDE