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Das Festival von Tasner

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Alfred Bekker & Wilfried A. Hary

Science Fiction-Roman

––––––––


(c) by Author

Ein Cassioopeia Press Ebook

Alle Rechte vorbehalten.

Ausgabe dieser Edition: 2010

Alfred Bekker & W.A. Hary

Das Festival von Tasner

––––––––


Durchgesehene Neuausgabe

Die Originalausgabe erschien unter gleichem Titel 2003 im Mohlberg-Verlag.

© by Alfred Bekker

www.AlfredBekker.de

www.Postmaster@AlfredBekker.de

All rights reserved

Ein CassiopeiaPress Ebook

Ausgabejahr dieser Edition: 2010

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*


Israt N'Gaba blickte über die Skyline von Athen auf Alpha Centauri 2. Vom 156. Stockwerk des SYG-Towers aus hatte man einen prächtigen Blick über die Stadt, eine der bedeutendsten Mega-Metropolen im Bereich der Inneren Planeten.

Athen, dachte Israt. Es hat doch mal eine namensgleiche Stadt auf der Erde gegeben... Oder ist das nur eine Legende?

Die Stadt reichte bis zum Horizont, hinter dem jetzt das Licht von Alpha Centauri langsam versank.

Nein, antwortete Israt mit einem Gedankenimpuls der Pseudostimme, bei der es sich in Wahrheit um eine Impulsfolge handelte, mit der der interne Rechner des CyberSensors seine Hörnerven auf eine bestimmte Weise stimulierte.

„Ich weiß, daß das kein leichter Auftrag ist", meldete sich eine reale Stimme zu Wort.

Israt drehte sich herum, blickte dann in das Gesicht eines großen, kahlköpfigen Mannes in den mittleren Jahren, der hinter seinem Schreibtisch saß und auf Israts Antwort wartete.

"Warum ausgerechnet ich?" fragte Israt.

"Weil Sie einer unserer besten Leute sind. Das hat sich übrigens bis in die obersten Etagen von SYG herumgesprochen."

SYG...

Die Abkürzung für Saretto-Yilmaz-Gerland.

Sein halbes Leben hatte Israt im Dienst dieses Konzerns verbracht. In den letzten Jahren hatte er immer wieder mit einem Wechsel geliebäugelt, weil er den Eindruck gehabt hatte, daß es für ihn einfach keinen Weg nach oben gab. Jedenfalls nicht bei SYG.

Und jetzt...

Warum glaube ich ihm nicht?

"Ich war noch nie im Bereich der Rand-Föderation", gab Israt zu bedenken."

"Das gilt für viele. Bedenken Sie die lange Zeit der Isolation zwischen dem Rand und Iplan..."

"Aber es gibt inzwischen Leute, die dort waren. Auch bei SYG."

Der Kahlkopf machte eine wegwerfende Geste.

"Ihre anderen Qualitäten wiegen das auf", behauptete er.

Israt musterte den Kahlkopf zweifelnd.

Lester Benjo.

Wie lange kennst du ihn schon? Eine Ewigkeit...

Und wie lange versucht er schon, dich klein zu halten? Warum nur diese Wandlung?

Der CyberSensor zeigte Israt in diesem Moment im Gesichtsfeld des linken Auges die Börsenkurse von Iplan City, Mars, Sol-System. Mit einem mentalen Impuls verkaufte Israt gerade noch rechtzeitig seine Anteile an der Natama-Gruppe. Schlechte Prognosen zum weiteren Ausbau des Transmitternetzes in den Äußeren Kolonien hatten den Kurs dieses in der Rohstoffgewinnung tätigen Unternehmens in die Tiefe gerissen.

Lester Benjo beobachtete Israt grinsend.

Natürlich konnte er nur ahnen, was Israts CyberSensor seinem Benutzer auf die Netzhaut projizierte, aber er kannte seinen Untergebenen gut genug, um sich vorstellen zu können, welches Programm dort jetzt ablief.

"Die Spekulationsgeschäfte, die Sie nebenbei betreiben..."

"Ich habe eine Erlaubnis der Konzernleitung dafür!" verteidigte sich Israt.

Lester Benjo lachte. Er entblößte dabei zwei Reihen makelloser Zähne.

"Klar, ich weiß. Ich will auf etwas anders hinaus."

"Und das wäre?"

"Sie werden dort nicht die Kurse verfolgen können... Das GalaxyNet läßt sich im Bereich der Rand-Föderation nicht empfangen."

Israt zuckte die Achseln.

"Ich habe davon gehört."

Lester Benjo erhob sich aus seinem Schalensitz.

Sein Kopf zuckte.

Er blickte plötzlich ziemlich angestrengt.

Israt vermutete, daß die Pseudostimme seines CyberSensors ihm irgend etwas ins Ohr flötete.

Vielleicht erinnerte ihn sein System an den nächsten Termin? Sekunden später war Benjo wieder vollkommen konzentriert. Er ging auf Israt zu, sah ihm direkt in die Augen.

"Die Regierung der Rand-Föderation gibt uns die Chance, unser Können im Terraforming-Bereich unter Beweis zu stellen. Daran könnten sich weitere Aufträge anschließen. Sie wissen, daß zur Zeit der Kalten Konfrontation viele Terraforming-Projekte im Bereich der Randföderation nicht fertiggestellt werden konnten..."

"Jede Menge halbfertige Planeten. Ich weiß. Allerdings frage ich mich, ob der Rand jetzt die Mittel hat, sie zu beenden."

"Man munkelt von Bürgschaften der Iplan-Bundesregierung."

Israt hob die Augenbrauen.

"Ein sicheres Geschäft also."

"Fragt sich nur, ob für uns oder die Konkurrenz."

Israt begriff, daß er den Auftrag, in die Randföderation zu gehen, nicht ablehnen konnte. Ganz gleich, was für Hintergedanken Benjo dabei auch hatte und wie hoch die Wertschätzung der Konzernleitung für Israt tatsächlich war.

Benjo stieß mit der Faust gegen Israts Oberarm.

"Hören Sie, ich weiß, daß Sie sich mit dem Gedanken getragen haben, uns zu verlassen..."

"Aber..."

"Und wenn Sie das richtige Angebot gekriegt hätten, würden wir uns jetzt gar nicht unterhalten."

Israt atmete tief durch.

"Wollen Sie mir daraus einen Vorwurf machen?"

"Nein, aber ich bin für offene Karten."

Ach, jetzt auf einmal? Nach all den Jahren? Ich lerne doch immer noch neue Seiten an dir kennen, Lester Benjo...

Israt schwieg.

Er biß die Lippen zusammen, die jetzt wie ein dünner Strich wirkten.

"Es ist vielleicht Ihre letzte Chance, N'Gaba."

Warum hat das Wort Chance, mit deinem Mund ausgesprochen, immer so einen merkwürdigen Beiklang, Benjo?

"Was ist das für eine Welt?" fragte Israt.

"Tasner."

"Nie davon gehört."

"Kein Wunder. Ein Haufen Gestein am Rande der Galaxis, aus dem irgendwann mal jemand einen richtigen Planeten machen wollte und dann auf halben Wege damit aufgehört hat..."

"Deprimierend."

"Ich sagte ja gerade, ich bin für offene Karten."

Israt horchte auf.

Jetzt kommt noch irgend etwas Unangenehmes.

Er kratzte sich am Kinn.

Mit einem Mentalbefehl blendete er die Börsenkurse aus der Netzhautanzeige und ließ sich statt dessen ein paar Informationen über Tasner suchen.

Aber selbst im GalaxyNet konnte man nicht allzuviel darüber finden. Die wenigen Files lud er sich in den internen Speicher seines CyberSensors. Er würde sich später damit beschäftigen.

"Sie sind nicht der erste, den wir nach Tasner schicken", erklärte Lester Benjo.

Israt lächelte dünn.

Aha, zweite Wahl bin ich also auch noch!

"Kenne ich den Betreffenden?"

"Sie hieß Tembora Gregory."

"Ich bin ihr mal bei einem Meeting begegnet. Allerdings nur virtuell."

"Real sieht sie noch besser aus", grinste Benjo.

"Was ist mit ihr geschehen?"

"Wir wissen es nicht."

"Wie bitte?"

Benjo zuckte die Achseln.

"Es ist so, wie ich gesagt habe. Tembora Gregory ist einfach verschwunden..."

*


Wie lange ist es eigentlich schon her, daß du das Innere eines Raumschiffs betreten hast? ging es Israt N'Gaba durch den Kopf, kurz nachdem die SARATERA gestartet war.

Das Transmitternetz reichte bis Padras, einer Welt, die zu den sogenannten Äußeren Kolonien gehörte. Wer von dort aus weiter in Richtung des galaktischen Randes reisen wollte, der mußte wohl oder übel ein Raumschiff nehmen.

In der Rand-Föderation waren Transmitter unüblich.

Israt blickte aus einem der Sichtfenster und nippte dabei an seinem pechschwarzen Kaffee.

Er hielt sich abseits der übrigen Passagiere und hing seinen Gedanken nach. Eine ziemlich bunt zusammengewürfelte Gruppe hatte sich an Bord der SARATERA eingefunden. Zumeist handelte es sich um Geschäftsleute, die genau wie Israt im Auftrag ihrer Firmen in den Rand unterwegs waren. Noch war der Rand kein Markt. Aber man mußte an die Zukunft denken. Und der Zukunftsmarkt des galaktischen Randes wurde jetzt verteilt. Jeder Konzern, der ein Galactic Player bleiben wollte, mußte seinen Fuß in die Tür stellen. Das galt für SYG genauso wie für andere.

*


Juan Conqueiro, seines Zeichens Präsident der Rand-Föderation, war ein rundlicher Mann von beachtlicher Statur, so daß seine Kleidung notwendigerweise aus Sonderanfertigungen bestand.

Sein aufgeschwemmtes, von einem dünnen Bart umrahmtes Gesicht wirkte fast kindlich und ließ kaum etwas von dem unbarmherzigen Zorn erkennen, zu dem dieser Mann mitunter fähig war.

Gedankenverloren saß er in seinem pompös ausgestatteten Arbeitszimmer im Regierungs-Tower von Centropoli auf Centrum. Er spielte mit den Orden an seiner Uniformjacke herum.

Seine Stirn war feucht.

Er schwitzte.

Conqueiro litt an einer Krankheit, die kein gewöhnlicher Arzt zu heilen vermochte: an chronischer Unentschlossenheit. Für einen Mann in seiner Position ein mitunter tödliches Leiden.

Was tun?

Wie sich entscheiden?

Es war alles so ungeheuer kompliziert und verworren. Und zu alledem hatte er nach außen hin Entschlußkraft und Festigkeit zu demonstrieren.

In seinem Inneren fand sich davon jedoch so gut wie nichts.

Er wurde innerlich stets hin- und hergerissen zwischen sich gegenseitig widersprechenden Argumenten und Interessen, wobei es ihm unmöglich erschien, Prioritäten zu setzen.

Seine Unentschlossenheit, die ihre Wurzel - ebenso wie sein von Zeit zu Zeit aufflammender Jähzorn - in einem tief empfundenen Gefühl von Unsicherheit, Schwäche und Unterlegenheit wurzelte, machte ihn zu einem willfährigen Opfer von Beeinflussungen aller Art.

Da Conqueiro dieser Zusammenhang zur Hälfte bewußt war, fühlte er sich elend; da er ihm aber zur anderen Hälfte nicht bewußt war, tat er nichts dagegen.

"Darf ich Sie höflich darauf hinweisen, daß Sie sich jetzt zu Ihrer Verabredung mit Lakefield begeben müssen?" flüsterte ihm der kleine, elektronische Terminkalender ins Ohr.

Ein hochtechnologisches Produkt der Rand-Föderation, aber gemessen am Standard der Inneren Planeten ein Stück fürs Museum, ging es Conqueiro mit einer deutlichen Spur Sarkasmus durch den Kopf.

Die Hand, die gerade noch mit den Orden gespielt hatte, bedeckte jetzt kurz sein Gesicht. Eine fahrige Geste. Conqueiro erhob sich dann schwerfällig. Es machte ihm sichtlich Mühe, seinen Körper zu bewegen, obwohl er am Rücken ein Antigravaggregat trug, das ihm das Gehen erleichtern sollte.

Gedanken rasten durch sein Bewußtsein.

Alles wird sich ändern - jetzt, da die Zeit der kalten Konfrontation zwischen den Inneren Planeten und dem Rand vorbei ist. Nichts wird bleiben, wie es ist.

War das ein Grund, sich zu fürchten?

Für die Terroristen der Vereinigten Anti-Vernetzungsfront ist es sogar ein Grund zu töten!

Schwerfällig humpelte er in Richtung Tür.

Noch bevor er sie erreicht hatte, teilte sie sich selbsttätig. Drei Männer traten ihm entgegen. Zwei von ihnen waren bewaffnet, der dritte nicht.

"Kransom!" entfuhr es Conqueiro. "Wie kommen Sie hier herein?"

Dem Präsidenten war die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben.

Wie sind Kransom und seine Leute mit den Strahlern im Anschlag durch die Sicherheitsbarrieren gekommen?

"Fragen Sie nicht soviel, Conqueiro", knurrte Kransom düster. "Kommen Sie lieber mit!"

"Was wird hier gespielt, verdammt noch mal?"

Der Präsident faßte sich krampfhaft an die Brust.

Diesmal nicht der Orden wegen, sondern auf Grund der Schmerzen in der Herzgegend, die ihn plötzlich befallen hatten.

"Eine Bombe befindet sich irgendwo im Regierungs-Tower", berichtete Kransom. "Unsere Leute tun alles, um sie rechtzeitig zu finden."

"Wahrscheinlich nur ein Spinner, der sich wichtig machen wollte."

"Nein, wir nehmen das diesmal sehr ernst."

"Wieso?"

"Wir haben entsprechende Erkenntnisse durch unsere V-Leute, die wir bei der Anti-Vernetzungsfront eingeschleust haben. Auf Centrum soll eine entsprechende Menge XCB-Sprengstoff eingeschmuggelt worden sein."

"XCB?" Der Präsident zuckte die Achseln. "Nie davon gehört."

"Kommt von den Inneren Planeten. Er hat den Nachteil, daß er durch unsere Sensoren nicht aufgefunden werden kann."

"Schöner Mist."

Ein Muskel zuckte in Conqueiros Gesicht.

Ein sarkastischer Gedanke kam ihm.

Die Anti-Vernetzungsfront scheint die Vorteile der Kontakte zu den Inneren Planeten bereits eifrig zu nutzen. Würde mich nicht wundern, wenn sich die Terroristen das Zeug über das GalaxyNet besorgt haben... Durch genau jenes Netz, das sie doch so vehement ablehnen!

Aber so etwas wie ideologische Zielkonflikte scheinen sie nicht zu kennen...

Conqueiros Hände zitterten leicht.

Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Eine Mischung aus Furcht und Ratlosigkeit breitete sich in dem mächtigsten Mann der Rand-Föderation aus.

Panik läßt sich nicht auf Dauer mittels Sarkasmus bekämpfen! meldete sich ein zynischer Kommentator in seinem Hinterkopf. Aber wodurch dann? Er wünschte sich einen Rundumschlag, mit der er alle Probleme mit einem Schlag zu lösen vermochte. Aber die Gegner, mit denen er es zu tun hatte, boten keinerlei Ziele.

Sie verfolgten die Taktik der tausend Nadelstiche, zogen sich sofort wieder zurück, wenn sie zugeschlagen hatten und waren einfach nicht zu fassen. Es war wie verhext. Und der Sicherheitsapparat von mehreren untereinander konkurrierenden Geheimdiensten war einfach nicht in der Lage, das Problem der Anti-Vernetzungsfront zu lösen.

Er musterte Kransom, seinen Sicherheitsminister, der unter anderem auch für die Geheimdienste zuständig war.

Ein ehrgeiziger Mann, skrupellos und ziemlich jung für die Position, die er erreicht hatte.

Du solltest niemandem trauen! dachte Conqueiro. Männern wie Kransom schon gar nicht.

"Nun kommen Sie schon!" forderte Kransom Conqueiro auf.

*


Später saßen sie sich an einem sicheren Ort gegenüber, irgendwo in den geheimen unterirdischen Anlagen des Geheimdienstes der Rand-Föderation.

Nur ein paar Minuten, nachdem Conqueiro den Regierungs-Tower verlassen hatte, war dort tatsächlich eine Bombe hochgegangen und hatte eine ganze Etage ausbrennen lassen.

Wenn Kransom nur ein wenig später aufgetaucht wäre! überlegte Conqueiro schaudernd.

Kein Zweifel, der Geheimdienstchef hatte ihm das Leben gerettet.

"Das war der fünfte Anschlag auf mein Leben innerhalb eines Monats!" stellte Conqueiro fest.

Kransom nickte gelassen.

Conqueiro schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

"Verdammt noch mal, wie kann so etwas geschehen?"

"Wir tun alles, was wir können."

"Dann ist es nicht genug!"

"Der politische Kurs der Öffnung gegenüber den Inneren Planeten ist höchst umstritten. Ganzen Wirtschaftszweigen in der Föderation droht der Ruin. Von den kulturellen Verwerfungen mal ganz abgesehen. 500 Jahre Isolation sind keine Kleinigkeit."

"Sie halten diesen Kurs für falsch?"

"Ich halte ihn für riskant."

"Und wo wäre die Alternative? Weitere 500 Jahre Isolation?"

"Wir wissen beide, daß das keine realistische Möglichkeit ist. Nach und nach wird es so oder so Außenposten des GalaxyNets auf unseren Welten geben."

"Ich weiß."

"Für die Anti-Vernetzungsfront sind Sie nun einmal der Buhmann, daran ist nichts zu ändern."

Conqueiro atmete tief durch. Dann blickte er auf sein Chronometer. So etwas soll es auf den Inneren Planeten schon gar nicht mehr geben. Eine Sichtanzeige auf der Netzhaut läßt sich durch einen Mentalimpuls aktivieren. Nicht nur für die Anzeige der Zeit...

Der Präsident lächelte.

Eine Cyber-Reise während einer sich endlos in die Länge ziehenden Sitzung - ohne daß einer der Anwesenden etwas davon bemerken könnte. Wäre das nichts?

"Dieser Israt N'Gaba ist übrigens auf dem Weg hierher", erinnerte ihn Kransom.

"Der Mann von SYG?"

"Ja."

"Das Tasner-Projekt ist sehr wichtig. Es ist gewissermaßen ein Pilotprojekt für viele weitere... Sie wissen, was ich meine."

"Die vielen halbfertigen Welten."

Conqueiro nickte.

"Ja. Ich denke, mit SYG haben wir den richtigen Partner."

"Ich würde Israt N'Gaba trotzdem in der gegenwärtigen Situation nicht persönlich empfangen. Das könnte von gewissen Leuten falsch aufgefaßt werden."

Conqueiro lachte heiser auf.

"Und wenn ich ihn nicht empfange, wird das von anderen Leuten falsch aufgefaßt."

"Trotzdem. Sie dürfen der Anti-Vernetzungsfront nicht in die Hände spielen."

"Die nächsten Wahlen sind erst in vier Jahren."

"Spätestens seit heute sollte Ihnen klar sein, daß man Präsidenten auch auf andere Art auswechseln kann als durch Wahlen."

Das war deutlich. Aber vielleicht hat Kransom recht? Der Präsident lehnte sich zurück.

"Es gibt bei der Sache noch ein anderes Problem", erklärte Kransom.

"Und das wäre?"

"Der erste Repräsentant von Tasner. Ich halte ihn für illoyal."

"Das glaube ich nicht."

"Möglicherweise sympathisiert er insgeheim mit der Anti-Vernetzungsfront."

Conqueiro hob die Augenbrauen.

"Welche Vorteile hätte er denn dadurch? Gibt es dafür überhaupt konkrete Beweise?"

"Die entsprechenden Dossiers schlummern seit langem auf Ihrem Rechner, aber Sie sind offensichtlich bislang nicht dazu gekommen, sie zur Kenntnis zu nehmen."

Ein unverhohlener Vorwurf.

"Und wenn schon... Wir kommen nicht an Xa LeCarré heran. Er ist gewählt, besitzt juristische Immunität und ist auf Tasner sehr beliebt."

"Leider wahr. Aber wenn das Tasner-Projekt fehlschlägt, werden sie sich bei ihm dafür bedanken können."

*


Egon Kransoms Orbitaleigenheim trug den bezeichnenden Namen Sanssouci. Es kreiste in einer stabilen geostationären Umlaufbahn um Centrum, die graue Zentralwelt der Rand-Föderation.

"Wollen Sie einen Drink, N'Gaba?" fragte Kransom und musterte dabei sein Gegenüber aufmerksam.

"Nein, danke."

Israt N'Gaba sah sich um, blickte kurz durch die großen Sichtscheiben, durch die der Weltraum und ein Teil der gewaltigen Scheibe zu sehen war, die der Planet Centrum aus dieser Perspektive bildete.

"Ich hoffe, Sie hatten einen gute Passage."

"Der erste Raumflug seit langer Zeit. Ich muß sagen, das hat was..."

Kransom lächelte dünn. Mit dieser arroganten Haltung wirst du dir hier wenig Freunde machen!

"Sie werden sich vielleicht darüber wundern, daß Ihr Raumschiff nicht auf Centrum landen konnte..."

"Allerdings."

"Um ehrlich sein, N'Gaba: Wir haben da ein gewisses... Sicherheitsproblem. Die Terroristen der Anti-Vernetzungsfront – falls Ihnen das überhaupt etwas sagt? – nun, sie machen uns zu schaffen, um es einmal so auszudrücken. Es hat sogar ein Attentat auf den Präsidenten gegeben, was auch der Grund dafür ist, daß Sie lediglich von mir empfangen werden."

N'Gaba hob die Augenbrauen.

"Anti-Vernetzungsfront?" echote er. "Ich habe davon noch nie etwas gehört. Aber es dringen auch nicht viele Nachrichten vom Rand in den Bereich der Inneren Planeten."

"Ja, ich weiß", nickte Kransom. "Wir stellen in mehrfacher Hinsicht den Rand dar. Aber das wird sich ja vielleicht langsam ändern." Er trat etwas näher an Israt heran. "Nehmen Sie sich vor Xa LeCarré, dem Ersten Repräsentanten von Tasner, in acht."

"Wie soll ich das verstehen?"

"Daß er möglicherweise das Projekt auf subtile Weise sabotiert."

Israt setzte sich in einen der Schalensitze, die von Design und Verarbeitung her die neuesten Trends auf den Inneren Planeten wiederspiegelten. Erste Vorboten der Vernetzung, ging es Israt durch den Kopf.

"Wie steht es denn mit Einflußmöglichkeiten... Ihrerseits?"

"Unglücklicherweise gibt es in der Rand-Föderation ein starkes Element innerplanetarischer Autonomie. Und solange sich Xa LeCarré nichts zuschulden kommen läßt, habe ich keine Handhabe gegen ihn.“

„Ich frage mich...“, Israt brach ab und musterte seinen Gegenüber, als wisse er nicht genau, ob er wirklich soweit gehen durfte, möglicherweise alles vergessend, was mit Diplomatie zu tun hatte.

„Sprechen Sie es ruhig aus!“ forderte ihn Kransom auf. Er klang irgendwie... alarmiert.

„Nun, ich will niemandem zu nahe treten, denn ich weiß schon, daß man uns von den Inneren Planeten für arrogant hält. Oft genug mag das sogar stimmen.“

„Zur Sache!“ Jetzt war auch Kransom alles andere als diplomatisch. Dafür war sein Tonfall zu scharf geworden.

Israt lächelte ein wenig verkrampft. „Sie sagen mir, daß es Gegner der Vernetzung gibt. Sie fügen hinzu, daß ausgerechnet unser wichtigster Verhandlungspartner, nämlich LeCarré höchstwahrscheinlich doppeltes Spiel treibt. Damit allein wäre mein Hiersein eigentlich schon ad absurdum geführt, denn wer könnte das Terraforming seines eigenen Planeten besser und nachhaltiger verhindern als dessen Erster Repräsentant? Und Sie geben sogar unumwunden zu, wie sehr Ihnen die Hände gebunden sind, um einem so offensichtlichen – und tödlich gefährlichen, wie das Attentat auf den Präsidenten beweist - Quertreiber wie LeCarré das Handwerk zu legen. Weil es eben starke Bestrebungen innerhalb der gesamten Rand-Föderation gibt... etc. pp. Und was soll ich davon nun halten? Ich nehme an, Sie erwarten jetzt von mir das Wunder, LeCarré doch noch irgendwie zu überzeugen - oder was?“

„Das ist es nicht, was Sie eigentlich sagen wollten, Israt N’Gaba!“ stellte der Sicherheitsminister der Rand-Föderation fest. Es klang unverhohlen vorwurfsvoll.

Jetzt gelang Israt endlich das Lächeln. Sogar so gut, daß es nachgerade... entwaffnend wirkte:

„Ihnen kann man wohl gar nichts vormachen, Kransom, wie? Also gut, auf Ihre Verantwortung: Das Terraforming hat im Grunde genommen ausschließlich Vorteile für die Randwelten. Faktisch passiert ja nichts weiter als daß aus armen Welten, auf denen man kaum überleben, geschweige denn so etwas wie Fortschrittlichkeit entwickeln kann, zunächst ökologisch reiche Welten werden. Aus dem ökologischen Reichtum würde sich sehr schnell der Reichtum an sich entwickeln – zumindest in dem Maße, wie man es auf den Inneren Welten längst gewöhnt ist. Es gehört schon eine mächtige Portion Borniertheit dazu, wenn...“

„Stop!“ gebot Kransom, mit einem deutlichen Zittern in der Stimme. „Also doch: Wir sind nichts weiter als bornierte Hinterwäldler. Nun gut...“

Israt zuckte mit den Achseln. „Man hat mich her geschickt, weil ich für diesen Job der Beste bin. Ich soll hier was verkaufen, das eigentlich nur Vorteile bringt, aber das die wirklich Betroffenen gar nicht wollen. Ich soll also gewissermaßen diese Menschen zu ihrem Glück zwingen. Das Wort Hinterwäldler stammt im übrigen von Ihnen, nicht von mir. Aber ich denke, es wäre wirklich verfehlt, mit diplomatischen Stilmitteln hier etwas ausrichten zu wollen, nachdem Sie mir Ihre eigene Hilflosigkeit demonstrieren. Denn wenn ich alles so sehe wie Sie, reiche ich Ihnen doch lieber gleich schon zum Abschied die Hand. - Ist es etwa das, was Sie wollen?“

„Nein, natürlich nicht!“ Kransom schaffte es auf einmal nicht mehr, ihm in die Augen zu sehen.

„Was erwarten Sie denn sonst? Daß ich mein Leben aufs Spiel setze – in dem Versuch, fanatische und tödlich entschlossene Vernetzungsgegner vom Gegenteil zu überzeugen, nachdem es unmöglich erscheint, ihnen Einhalt zu gebieten?“

„Damit wäre ja nun wirklich nichts gewonnen, aber...“

„Aber? Nun, es ist die Regierung der Föderation, hier, in diesem Augenblick repräsentiert durch Sie anstelle des Präsidenten, wie ich es eigentlich hätte erwarten können...“

„Aber ich sagte Ihnen doch schon, daß...“

Israt ließ sich nicht unterbrechen: „Eines Präsidenten übrigens, der mir wie die Ausgeburt der Hilflosigkeit erscheint, indem er bei meinem Konzern etwas bestellt, das unter seiner Regierung ganz offensichtlich nicht gewollt ist. Ich frage mich also, wieso ich überhaupt hier sitze.“

„Hören Sie, Israt N’Gaba...!“ Der Sicherheitsminister brach ab. Er wirkte jetzt völlig aufgelöst. Er brauchte viel Kraft, weiter zu reden: „Wenn Sie jetzt aufgeben, dann haben die Vernetzungsgegner endgültig gewonnen. Es war schon einmal jemand hier vom Konzern, und dieser Jemand ist... nun, er ist verschwunden. Jetzt sind Sie hier. Sie sind die letzte Hoffnung der Föderation – und nicht nur dieser, sondern letztlich auch die letzte Hoffnung der Inneren Planeten. Wenn Sie aufgeben, dann ist alles vorbei.“

„Was wäre denn daran so schlimm – Ihrer Meinung nach?“

Kransom konnte ihn wieder direkt ansehen. Nicht nur das: Er zeigte deutlich seinen Zorn, indem er sich auf der anderen Seite des Tisches aufstellte, hinter dem Israt saß, sich vorbeugte und auf beiden Fäusten aufstützte. Die Fäuste waren so fest geballt, daß das Weiße auf den Handrücken sichtbar wurde.

„Ich will Ihnen etwas sagen: Nach 500-jähriger Isolation haben wir nur eine Hoffnung: Öffnung! Die kann es aber nicht so ohne weiteres geben. Und sie muß für die Rand-Föderation insgesamt erfolgen, nicht nur für Einzelwelten. Genau das aber wird geschehen: Die Inneren Welten werden mit ihrer überlegenen Technologie Stück für Stück die Föderation zerschlagen und ihre Einzelheiten sich selbst einverleiben. Die Randwelten werden am Ende denen gehören, die es geschafft haben, sie zu erobern: Die Konzerne höchstwahrscheinlich. Sie werden Eigentum von diesen Konzernen und ihre Bewohner so etwas wie Leibeigene. Wir alle hier werden bis in alle Zukunft hinein Menschen zweiter Klasse sein. Wenn nicht sogar dritter Klasse. Es sei denn...“

Israt nickte. Er lächelte wieder. „Es sei denn, Ihr Plan gelingt. Der Anfang wäre Tasner. Terraforming dort und ein damit verbundener rascher Aufschwung wäre ein Fanal für alle anderen Welten. Sie haben vor, die Rand-Föderation zu einem ernstzunehmenden Partner werden zu lassen für die Inneren Planeten. Eine Wunschvorstellung, die ich Ihnen erfüllen soll. Doch beantworten Sie mir eine einzige Frage: Wieso gibt es so wenige Menschen innerhalb der Föderation, die das ebenfalls wollen?“

„Sie bezeichnen Sie als Hinterwäldler, als borniert...“

„Ja, ich – und Sie?“

Kransom zuckte die Achseln. Eine hilflose Geste. Die Antwort allerdings blieb er schuldig.

„Sie wissen keine andere Erklärung!“ stellte Israt ruhig fest. Für sein Gegenüber war das offensichtlich wie ein Schlag ins Gesicht.

Israt schüttelte den Kopf. „Sie sind mir zu empfindlich, Kransom. Wenn es um unumstößliche Tatsachen geht, sollte man sich Empfindlichkeiten schleunigst abgewöhnen. Es sei denn, man hat alternative Erklärungen anzubieten oder sogar überzeugende Lösungsvorschläge – und beides haben Sie ja nun einmal nicht.“

Er gab sich sichtlich einen Ruck und stand dann auf. Kransom fuhr regelrecht vor ihm zurück.

„Die nächste Frage: Wieso erwählten Sie ausgerechnet Tasner, um dort sozusagen ein Exempel für Ihr Projekt zu setzen?“

Diesmal kam eine Antwort – sofort sogar, ohne Umschweife: „Zunächst erschien uns Tasner als am einfachsten. LeCarré erwies sich zu diesem Zeitpunkt als glühender Befürworter dieser Idee. Als einziger wohlgemerkt.“

„Und dann hat er es sich anders überlegt?“

„Diese Vermutung liegt sehr nahe.“

„Ich danke Ihnen jedenfalls, daß Sie ehrlich zu mir waren – in jeglicher Beziehung ehrlich sogar! Wenn Sie etwas nicht genau wußten, haben Sie das zugegeben. Mit LeCarré scheinen Sie sich auch nicht so völlig sicher zu sein...?“

„Eigentlich schon, denn es sprechen alle Indizien dafür, daß er uns nur etwas vorgegaukelt hat.“

„Wieso hätte er das tun sollen?“

„Nun, er tat es, um sozusagen unmittelbar am Hebel zu sitzen. Von vornherein wollte er den Plan der Regierung boykottieren, und wie hätte er das besser gekonnt denn als gewissermaßen unmittelbar Beteiligter?“

Israt betrachtete ihn wohlwollend. „Dieser LeCarré interessiert mich brennend!“

„Sie – Sie reisen nicht einfach wieder ab, weil Sie ja doch keinen Sinn in den Verhandlungen mit LeCarré sehen?“ wunderte sich jetzt Kransom, der offenbar bereits sämtliche Felle davon schwimmen gesehen hatte.

„So ist es, Kransom! Ja, meine Neugierde ist geweckt, und außerdem...“ Ein verschmitztes, ja, fast spitzbübisch anmutendes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, „...und außerdem ist dieser Job eine echte Herausforderung für mich! – Wie gelange ich auf dem schnellsten Weg nach Tasner?“

Kransom schaute ihn an mit einem deutlichen Ausdruck von Sprachlosigkeit.

Tja, mein Lieber, du bist zwar der oberste Sicherheitsmann der Föderation, aber es ist geradezu erschreckend, wie wenig du trotzdem begreifst. Wie denn auch? Denn um meine Motive zu verstehen, müßtest du wissen, was wirklich auf den Inneren Planeten vorgeht, und es gibt für dich keine Möglichkeiten, das herauszufinden – mit deinen Mitteln jedenfalls nicht.

Er schickte einen mentalen Impuls an seinen CyberSensor. Aber der Zugang zum GalaxyNet war nicht möglich. Er erhielt die entsprechende Fehlermeldung. Er konnte lediglich auf den internen Speicher des CyberSensors zugreifen.

Die Vernetzungsgegner wollen diesen Zustand nicht ändern, dachte er. Nun gut. Dies ist jedenfalls der gegenwärtige Stand der Dinge. Wird wirklich Zeit, etwas zu unternehmen...

*


"Wie lange befinden Sie sich bereits im Territorium der Rand-Föderation, N'Gaba?"

"Um genau zu sein: Seit knapp 1,9 Standardeinheiten."

"Und nach so kurzer Zeit glauben Sie bereits, ein Urteil fällen zu können?"

"Ich nicht, der interne Rechner meines CyberSensors! Sein Urteil ist sozusagen unbestechlich. Vor allem, es ist ohne jegliche Emotionen. Er ist zu dem Schluß gekommen, daß Terraforming für Ihren Planeten genau das Richtige wäre. Seine Informationen hat er..."

"Ach was: Ich will Ihnen was sagen, N'Gaba: Sie sind genau wie alle anderen, die jetzt von den Inneren Planeten hierher kommen. Sie sind arrogant: Nur weil Erde und Mars ein bißchen weiter weg vom intergalaktischen Nichts liegen als Centrum oder Tasner, glauben Sie, wir seien Halbprimitive."

"Verzeihen Sie, wenn ich Sie korrigieren muß, aber die Saretto-Yilmaz-Gerlard-Company hat ihren Sitz in Alpha Centauri, nicht im Sol-System."

Xa LeCarré zuckte mit den Schultern. Ein mattes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

"Aus dieser Entfernung sind solche Unterschiede unerheblich."

Israt N'Gaba hob die Augenbrauen.

Er hatte nicht erwartet, in LeCarré einen umgänglichen Gesprächspartner zu finden, da er ja sozusagen vorgewarnt gewesen war. Aber dieser LeCarré war mehr als nur eine „harte Nuß“. Israt zweifelte nicht mehr daran, daß Kransom recht hatte: LeCarré hatte noch nie das Terraforming für seinen Planeten befürwortet. Er hatte sich nur deshalb zunächst begeistert davon gezeigt, um letztlich zu verhindern, daß ÜBERHAUPT IRGENDEIN PLANET der äußeren Welten Terraforming erfuhr.

Dann wird es halt eben auch keins geben! schlußfolgerte Israt – und das hatte etwas Endgültiges. Beinahe hätte er diesen Gedanken sogar von einem Schulterzucken begleiten lassen, was er im letzten Augenblick erfolgreich unterdrückte. Er ließ sich in keiner Weise anmerken, was wirklich in ihm vorging. Als nächstes hätte er nämlich am liebsten gelächelt, aber LeCarré hätte das sicher nicht verstanden. Wie auch?

Und es war gut, daß Lester Benjo, sein Auftraggeber von SYG, noch nicht einmal ahnte, was wirklich hinter seiner Stirn vorging – schon vorgegangen war, als er von ihm diesen Auftrag erhalten hatte...

Der erste Repräsentant von Tasner und Mitglied des Föderalen Rates der Randwelten war von kleiner und untersetzter Statur, hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und wirkte dennoch keineswegs greisenhaft.

Seine grau-blauen Augen funkelten ein wenig und verrieten etwas von der Intelligenz, die hinter der hohen Stirn steckte.

Die wird dir aber auch nichts nutzen! dachte Israt mit einer Spur von Überheblichkeit. Und du meinst sogar, mir würde es immer noch um dieses Terraforming gehen. Dabei habe ich das innerlich längst abgehakt. Aber bleibe nur bei dieser Erwartung. Vorerst...

"Immerhin...", meinte LeCarré, "Sie haben Rand-Lingua ziemlich gut gelernt."

"Hypnokurs. Damit geht das sehr schnell."

"In dieser Beziehung sind wir vielleicht doch noch... Barbaren." LeCarré lächelte. "Soll heißen: So etwas haben wir hier noch nicht."

"Der technologische Rückstand ist schwer zu leugnen."

"Aber wir hatten es auch nicht leicht. Die lange Zeit der Isolation hat dem Rand schwer zugesetzt: Die Föderation war völlig auf sich allein gestellt."

"Ich denke, daß das nun anders werden wird", gab Israt seiner scheinbaren Überzeugung Ausdruck. "Der Rand wird seinen Rückstand schneller aufholen, als viele jetzt noch glauben..."

Damit hatte er seinem Gegenüber einen Brocken hingeworfen, den dieser erst einmal verdauen mußte.

Vielleicht verrätst du mir nun endlich, wieso du so sehr dagegen bist? Denn ein echtes Motiv, dafür sogar zu morden, kann ich immer noch nicht sehen. Aber es würde mich interessieren. Ganz brennend. Obwohl ich überhaupt nicht mehr die geringste Lust verspüre, irgend jemanden noch von Terraforming überzeugen zu wollen. Wozu auch? Nur, weil mich Lester Benjo deshalb auf den Weg geschickt hat? Nein, ihr Lieben: Israt N’Gaba hat seine eigenen Pläne. Jetzt erst recht. Ich hätte denen das Terraforming durchaus „so nebenbei auch noch“ verkauft, wenn es gegangen wäre. Aber nun...

LeCarré atmete tief durch und nickte. Sein Blick wirkte nachdenklich.

"Ja, da mögen Sie recht haben", murmelte er – zur absoluten Überraschung von Israt.

Israt sah ihn aufmerksam an.

Er scheint sich nicht darüber zu freuen, daß sich sehr bald alles verändern wird. Aber was befürchtet er? Ja, was? Und wieso, wenn er doch so offensichtlich am Hebel sitzt, um die Veränderung zunächst nachhaltig zu verhindern?

Israt N'Gaba war in Ibadan, Nigeria, auf der Erde, geboren, wovon seine schwarze Hautfarbe ein deutliches Zeugnis ablegte.

LeCarré hatte ihn zunächst voller Verwunderung und Erstaunen (und im übrigen auch völlig ungeniert) angestarrt.

Später sollte Israt noch merken, daß der Erste Repräsentant alle Menschen, die ihm begegneten, mit dieser übergroßen Neugier betrachtete und daß das keineswegs etwas mit seiner hier ziemlich ungewöhnlichen Hautfarbe zu tun hatte.

Andererseits war es nur zu verständlich, daß Israt zunächst zu diesem Schluß gekommen war, denn Rassismus war auch im Zeitalter der GalaxyNet-Community leider noch immer nicht ausgestorben. Und lange Zeit hatte Israt N'Gaba geargwöhnt, daß sein schleppendes Vorankommen auf der Karriereleiter des SYG-Konzerns nicht zuletzt eben genau mit der Tatsache zusammenhing, daß seine Haut tiefschwarz war...

"Ja, jetzt kommen sie wieder", brummte LeCarré nun. "Leute aus der Sirius-Union, Leute aus Alpha Centauri, von Cartax und Neuwelt. Sie kommen, um uns wieder ihr Zeug zu verkaufen." Dann blickte er plötzlich auf. "Man hat mir Daten über Sie gegeben, N'Gaba. Sie sind Moslem..."

"Das ist richtig."

LeCarrés Mund verzog sich ein wenig, und sein Gesicht nahm einen schwer zu deutenden Ausdruck an, der irgendwo zwischen Verachtung und Interesse lag.

"Glauben Sie an Allah? Glauben Sie an die Suren des Koran?"

Warum will er das wissen? fragte sich Israt.

Er blickte auf, verengte ein wenig die Augen. Du hast diese Frage gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser - so hätte es ein Anhänger der Irdisch-reformiert-katholischen Kirche ausgedrückt. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Der Kuppelbau einer Moschee, die als Emblem in der Sichtanzeige des CyberSensors eines jeden Gläubigen aufleuchtete, während die Pseudostimme einem den Ruf des Muezzin direkt in die Hörnerven flötete.

Sein Vater hatte ihm damals nicht erlaubt, das System so zu konfigurieren, daß diese Anzeige nicht fünfmal am Tag erschien und ihn unmißverständlich zum Gebet aufforderte. Allerdings: Er war zehn, als er lernte, den internen Rechner seines CyberSensors auszutricksen.

Die Glaubensdiktatur in seinem Kopf hatte damit ein Ende gehabt.

Ein Ruck ging durch Israts Körper.

LeCarré erwartet eine Antwort! Und er wird kein Ausweichen akzeptieren.

"Ich weiß nicht...", gab Israt unsicher zurück.

Zeit gewinnen, dachte Israt. Und er fragte sich, weshalb diese Sache für den Ersten Repräsentanten von Tasner wohl so wichtig sein mochte.

LeCarrés Blick wirkte stählern.

"Ja oder nein?"

Israt N'Gaba zuckte die Achseln.

"Ich bin irgendwo auf halbem Wege zwischen Glauben und Unglauben stehengeblieben, das ist die Wahrheit. Ich weiß es wirklich nicht. Ich meine auch nicht, daß das irgendeine Relevanz hat."

"Ich glaube, Sie täuschen sich."

"Nun, vielleicht hat es eine, vielleicht auch nicht. Wer kann das schon genau sagen?"

LeCarré entblößte die Zähne. Es war die Karrikatur eines Lächelns.

"Ich schätze Menschen mit klaren Standpunkten, N'Gaba."

"Dann gehöre ich wohl kaum zu den Menschen, die Sie schätzen! Jedenfalls nicht, was mein religiöses Weltbild angeht..."

LeCarré lachte auf. "Warten wir es ab, N'Gaba. Warten wir ab, ob Sie sich nicht verändern..."

"Die Wahrscheinlichkeit dafür ist ziemlich gering."

"Sagen Sie das nicht. Sie wären nicht der erste, der Tasner als ein anderer verläßt..."

Israt blickte etwas verwirrt drein. LeCarré ging auf ihn zu, trat sehr dicht an ihn heran, starrte dann auf die kleine Öffnung in Israts Nacken, in der der CyberSensor steckte.

"Ich habe von diesen Dingern gehört", sagte er. "Sie verbinden einen mit der gesamten Galaxis."

"Sofern man sich im GalaxyNet-Bereich befindet, ja. Hier im Rand-Gebiet ist der Empfang unmöglich. Lediglich der interne Rechner steht mir zur Verfügung."

LeCarré nickte.

"Es macht Ihnen nichts aus, so eng mit einer Maschine verbunden zu sein?"

"Nein."

"Ich kann es mir kaum vorstellen."

Israt N'Gaba lächelte matt.

"In kürze werden Sie es kennenlernen."

"Meinen Sie?" In seinen Worten klang etwas mit, das Israt irritierte. Ein Unterton, eine Andeutung. Etwas, das nicht genau zu bezeichnen war. Er begrüßt die Zukunft nicht, dachte Israt. Aber er weiß vermutlich, daß sie unvermeidbar ist und es im Moment keine Macht des Universums gibt, die das, was geschehen wird, aufhalten könnte. Und selbst er, der es geschafft hat, direkt am „Hebel der Verhinderung“ zu sitzen, wird alles nur verzögern, aber nicht wirklich aufhalten... Dafür werde ich sorgen. Warte es ab. Meine Zeit wird schon noch kommen, und ich werde den richtigen ZEITPUNKT KEINESWEGS VERPASSEN.

LeCarré hob die Augenbrauen.

"Für Sie ist die Zukunft beinahe schon Vergangenheit, nicht wahr, N'Gaba?"

Israt nickte. "Der GalaxyNet-Bereich wird sich sehr bald über die Rand-Föderation hinweg ausdehnen. Ein paar Jahre noch, vielleicht Jahrzehnte und niemand hier wird sich ein Leben ohne CyberSensor vorstellen können."

"Ich fürchte, Sie haben recht." LeCarré lächelte auf einmal geheimnisvoll und fügte hinzu, während sein Blick scheinbar in weite Ferne gerichtet war: „Was natürlich nicht heißen soll, daß Sie auch wirklich... recht haben!“

*


Sie befanden sich irgendwo in einem der unzähligen saalartigen Räume von LeCarrés riesigem Haus.

Israt war erst seit 1,9 Standardeinheiten (das entsprach etwa einem tasnerianischen Tag) Gast des Ersten Repräsentanten und konnte daher noch keinesfalls erwarten, sich in diesem ausgedehnten Gebäude zurechtzufinden.

Gleich, als sie diesen Raum betreten hatten, waren Israt die verschiedenen Schwerter an den Wänden aufgefallen. Eigentlich schien ihm sein Gastgeber nicht der Typ des romantischen Sammlers archaischer Reliquien zu sein. Die Klingen blitzten und schienen aus hochwertigem, modernen Stahl zu sein; gerade so, als würden sie von ihrem Besitzer noch zu anderen als dekorativen Zwecken gebraucht. Aber das war natürlich absurd.

Ist LeCarré ein Nostalgie-Freak? ging es Israt durch den Kopf. Auf der Erde gibt es eine ganze Subkultur, deren Anhänger sich der Prä-Weltraum-Ära der Menschheit verschrieben haben und solche antiken Reliquien sammeln.

Aber hier - in der Rand-Föderation?

Israt war auch darüber überrascht.

"Sie haben mich nach Daten gefragt, N'Gaba...", fuhr der Erste Repräsentant jetzt fort.

"Das ist richtig. Bevor sich unsere Firma zu einer größeren Investition entschließt, werden im Allgemeinen die nötigen Daten eingeholt, um das Risiko auf ein Minimum zu senken."

LeCarré nickte verständnisvoll.

Er wandte seinem Gast den Rücken zu und verschränkte die Arme vor der Brust. "Die Sache ist nur die", sagte der Erste Repräsentant dann sehr langsam und akzentuiert, "daß ich Ihnen, selbst wenn ich es wollte, nicht unmittelbar helfen kann."

Israt runzelte die Stirn.

"Was soll das heißen?"

Er drohte tatsächlich, seine Selbstsicherheit und Gelassenheit zu verlieren. Rasch genug, um schlimmere Entgleisungen zu verhüten, gelang es ihm jedoch, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Eigentlich darf mir so etwas nicht passieren, dachte er. Als Wirtschaftsmanager hatte er natürlich entsprechendes PsychoConditioning mitgemacht.

"Ich dachte", setzte er dann (inzwischen wieder wesentlich ruhiger) ein zweites Mal an, "Sie wären hier die maßgebliche Instanz, LeCarré. Etwa nicht?"

LeCarré wandte sich wieder zu ihm um und lächelte müde.

"Was heißt schon maßgeblich? Ich bin kein Alleinherrscher oder Diktator, das scheinen Sie zu vergessen: Bei uns gibt es eine Gewaltenteilung: Gerichtsbarkeit - Administration - Datenwesen. Sie verstehen?"

"Sicher."

"Es hat sich im Lauf unserer Geschichte als vernünftig erwiesen und als vorteilhaft für den einzelnen Bürger, diese drei Bereiche strikt voneinander zu trennen und die entsprechenden Verantwortlichkeiten in verschiedene Hände zu legen. Ich bin der Chef der Administration und kann ohne die Genehmigung des Obersten Datenkontrolleurs nichts herausgeben. Verstehen Sie das bitte nicht als Schikane gegen Sie. So ist es nun einmal, unser Gesetz, und an dieses bin auch ich gebunden, ob Ihnen oder mir das nun paßt oder nicht. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, daß dieses Gesetz sehr wohl seinen Sinn hat, denn mit den Computerdaten kann - wie Sie sicherlich auch zugeben werden - viel Unfug getrieben werden."

Israt seufzte.

Wieder fiel sein Blick auf die Schwerter an der Wand.

Waffen für barbarische Wilde...

Im Ganzen waren es fünf Klingen unterschiedlicher Länge und Schwere.

Das größte von ihnen war zweischneidig und ungebogen.

Der lange Griff deutete darauf hin, daß es sich um einen Beidhänder handelte.

"Interessieren Sie sich für Waffen, N'Gaba?" fragte LeCarré, der das aufkeimende Interesse seines Gesprächspartners bemerkt hatte.

"Oh... Nein, nicht besonders..."

"Und doch können Sie den Blick nicht von den Klingen wenden."

Israt hob die Augenbrauen.

"Warum hängen diese Mordwerkzeuge hier?"

LeCarré zeigte seinem Gast ein etwas verkrampft geratenes Grinsen. "Wo sollte ich sie sonst hin hängen? Ich habe so viele davon... Soll ich Ihnen eines herunternehmen?"

"Nein, danke. Sind das historische Stücke?"

"Nein, natürlich nicht. Sie sind zum Gebrauchen da, wozu sonst? Aber bleiben wir bei der Frage der Datenbeschaffung. Das Amt des Obersten Datenkontrolleurs hat zur Zeit Alana Susstu-Garlis inne. Sie ist zwar eine ausgesprochen charmante und liebenswürdige Person, aber durchaus keine Heilige."

"Was meinen Sie damit?"

"Daß man sie möglicherweise kaufen kann. Sie ist korrupt und zielstrebig. Vielleicht hat sie eine große Karriere vor sich. Ich werde Sie mit ihr zusammenbringen - bei Gelegenheit!"

"Bei Gelegenheit?"

"Ich verstehe durchaus, daß Sie ungeduldig sind, N'Gaba, aber bei uns verläuft die Zeit anders als bei Ihnen, auf den Inneren Planeten. Hier geht alles wesentlich langsamer und alles bedarf wohlüberlegter Vorbereitung. Wenn ich Sie mit Alana zusammenbringe, dann werde ich den Boden zu ihren Füßen bereits teilweise beackert haben, um eine Entscheidung in gewünschtem Sinne zu forcieren."

"Und Sie meinen, es gibt keine 'einwandfreie' Möglichkeit, an diese Frau heranzutreten?"

"'Einwandfrei'? Sie meinen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen?"

"Ja, so kann man es auch ausdrücken."

LeCarré lächelte nachsichtig und schüttelte bedächtig den Kopf. "Natürlich können Sie diese Sache auch auf 'einwandfreie' Art und Weise erledigen. Sie können zu ihr hingehen und sie um die notwendigen Daten bitten. Und sie wird sie Ihnen sogar geben - geben müssen, denn sie ist verpflichtet dazu. Aber das, was Sie da bekamen würden, wäre nicht besonders viel - und nebenbei bemerkt auch nicht besonders brauchbar -‚ da unsere Datenschutzgesetze sehr streng sind. Ich denke zum Beispiel, daß sie auch Individualdaten, detaillierte Angaben zur Person haben wollen, nicht wahr?"

"Ja, selbstverständlich."

Man konnte einfach das Risiko nicht eingehen, ein Produkt zu machen, das niemand kaufte. Man mußte bereits im voraus wissen, wer es unter welchen Umständen abnehmen würde (was umfangreiches Datenmaterial über Vorlieben und Geschmack des Einzelnen erforderte). Auf diese Weise konnte man den potentiellen Kunden mit gezielten Werbemaßnahmen erreichen. Die Verschwendung, Werbekampagnen nach der Gießkannenmethode zu betreiben, gehörte der Vergangenheit an.

Das traf nicht nur auf das immer noch offiziell angebotene Terraforming zu, sondern auch für andere Dinge...

Israt unterdrückte ein Grinsen.

Aber es war sowieso noch viel zu früh, wirklich so etwas wie Zuversichtlichkeit zu empfinden. Vor allem, nachdem Carré ihm auf eine etwas umständliche, weil langatmige, Art klar gemacht hatte, wie schwierig es trotz allem noch werden würde – und immer noch dabei war:

"Das Verbot der Weitergabe solcher Daten zu kommerziellen Zwecken ist nur eine der vielen Einschränkungen, die uns das Gesetz in diesem Bereich auferlegt. Sie sehen also, Alana wird eine lohnende Investition für Sie sein - selbst wenn sie sehr unverschämt sein sollte."

Es gab keine Alternative zu dem, was der Erste Repräsentant gesagt hatte. Israt sah das ein.

"Sagen Sie, LeCarré", meinte Israt ein wenig später, "Sie helfen mir doch sicherlich auch nicht nur aus selbstlosen Motiven?"

Der Erste Repräsentant zuckte mit den Schultern und setzte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf. "Ich glaube", sagte er, "daß das egoistische Motiv das einzig reale ist."

*


Die Standardeinheiten vergingen, und Israt N'Gaba begann, sich an verschiedene Besonderheiten Tasners zu gewöhnen. Im übrigen gewann er zunehmend den Eindruck, daß Xa LeCarre, dessen persönlicher Gast er war, seine Ziele tatsächlich unterstützte. Auch wenn er doch überhaupt nicht wissen konnte, was seine eigentlichen Ziele überhaupt waren.

Oder ahnte er etwas?

Von Terraforming jedenfalls war schon lange keine Rede mehr.

Wie dem auch war: Falls LeCarré kein falsches Spiel trieb, wozu ganz offensichtlich jegliches Motiv fehlte, zumindest nach Einschätzung von Israt: Es war gut, einen derart wichtigen Mann auf der eigenen Seite zu wissen, auch wenn Israt dessen Gründe noch nicht durchschaute.

Bis jetzt hatte der Erste Repräsentant noch keine Forderungen gestellt, aber vielleicht kam das auch erst später. Möglicherweise war er an materiellen Reichtümern auch nur sekundär interessiert, da er sie im Überfluß besaß – nach Maßstäben der Äußeren Welten -, und es ging ihm in Wirklichkeit um etwas ganz anderes...

Es dauerte nicht sehr lange, bis er die Zeit nicht mehr nach Standardeinheiten, sondern nach den natürlichen Tagen Tasners maß, dem Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit (aufgrund der niedrigen Sternendichte und der Mondlosigkeit des Planeten fiel dieser wesentlich drastischer aus als im Inneren der Galaxis).

Tasner hatte ursprünglich keine atembare Atmosphäre gehabt. Die war erst nach einem künstlich eingeleiteten Terraforming-Prozeß entstanden - ebenso wie das Wasser, das außerdem nur recht spärlich vorhanden war: Über neunzig Prozent der Planetenoberfläche bestand aus Land. Es gab nur zwei größere Binnenseen, beide auf der Osthalbkugel gelegen. Um diese herum gruppierten sich die wenigen Städte des Planeten mit ihren zusammen nicht mehr als 1,2 Millionen Einwohnern.

Israt befand sich in Val-Duun, der Hauptstadt, dort, wo der Knotenpunkt der Macht auf Tasner lag.

Das Treiben auf den Straßen und am See-Ufer konnte man beim besten Willen nicht als hektisch beschreiben, alles schien mit einer eigentümlichen Ruhe und Gelassenheit erledigt zu werden.

Mit der Magnetbahn fuhr Israt einmal zum See, wo ihn ein breiter, künstlich angelegter weißer Sandstrand erwartete. Das Baden war allerdings (wie zahlreiche Hinweisschilder bekanntgaben) wegen der gefährlichen Raubfische, die nicht selten bis in die flachen Ufer-Regionen vordrangen, verboten.

Israt stand eine ganze Weile an diesem Strand, hörte dem Geflüster der leichten Wellen zu und schaute zu den schroffen Felsmassiven hinauf, die vor der Küste Val-Duuns aus dem Wasser ragten.

Es ist der Mensch gewesen, der diese Welt zu dem gemacht hat, was sie ist, dachte er.

Es war nicht Allah.

Manchmal schien es ihm so unerheblich zu sein, ob Allah existierte oder nicht. Doch ab und zu überkamen ihn auch Stimmungen ganz anderer Art.

Schuldgefühle waren das dann zumeist oder auch eine irrationale Angst vor dem Zorn seines Gottes.

Seltsamerweise vermochte es sein ansonsten aufgeklärtes Weltverständnis nicht, solche Dinge einfach wegzuwischen.

Erziehung, versuchte er sich dann zumeist zu sagen. Erziehung ist alles. Mein Vater und seine drei Frauen waren gläubige Moslems, sie haben mich erzogen und mein Inneres geformt. Und wie könnte es auch anders sein, als daß sie mir neben vielen anderen Dingen auch ihre Ängste als Erbschaft hinterlassen haben.

Aber wie immer auch seine Augenblicksstimmung war, er blieb doch stets in der Mitte zwischen Glauben und Unglauben. Das machte sein Leben natürlich nicht gerade einfacher, im Gegenteil.

Wenn ich mich nur für eine Seite entscheiden könnte, dachte er in diesem Moment (und zwar nicht das erste Mal). Egal für welche Seite, es hätte ihm vermutlich ein vermehrtes Gefühl innerer Einheit und Stabilität gegeben.

Aber das war nicht in Sicht. Es schien so, als sollte er sein Leben lang in diesem Zwiespalt leben müssen.

Der Strand war ziemlich menschenleer.

Wind kam auf.

Vielleicht würde es einen Wetterumschwung geben. Etwa dreihundert Meter von Israts gegenwärtiger Position entfernt lagen einige Boote an Land, an denen sich ein Mann zu schaffen machte.

Boote?

Vielleicht wurden sie vermietet, und es bestand eine Möglichkeit, hinauszufahren?

Israt blickte zu dem hochaufragenden, zackigen Felsmassiv vor der Stadt und verspürte plötzlich Lust dazu, eine Fahrt mit einem Boot zu machen.

Als er sich dem Mann und seinen Booten näherte, bemerkte er, daß es sich um primitive Segelboote aus Holz handelte, deren Rümpfe mit kunstvoller Ornamentierung versehen waren.

"Hallo", rief Israt. Aber der Mann kümmerte sich zunächst nicht um ihn.

"Sind das Ihre Boote?"

Wieder keinerlei Reaktion.

Erst jetzt blickte er von seiner Arbeit auf, verzog mißtrauisch das Gesicht und wandte sich dann vollends zu Israt um. "Was wollen Sie von mir?"

"Kann man so ein Boot mieten? Möglichst mit Bedienungsmannschaft..."

"Sie spinnen wohl, Mann!"

"Ich... Ich meine..."

Der Mann schüttelte den Kopf.

"Sie sind nicht von hier, oder? Entweder Sie sind nicht von hier oder Sie sind verrückt. Diese Boote hier haben rituelle Bedeutung. Die Raubfischjagd im Zrachismus. Noch nie davon gehört?"

"Nein."

"Die ersten Siedler von Tasner gehörten dem Zrach-Kult an. Das ist auch der Grund dafür, daß verschiedene Raubfischarten importiert und in den künstlich angelegten Seen ausgesetzt wurden. Zu bestimmten Festtagen veranstalteten die Zrachisten rituelle Jagden, die nur mit diesen besonderen Booten durchgeführt werden dürfen." Er zuckte mit den Schultern. "Wie das alles genau zusammenhängt und welche metaphysische Bedeutung die einzelnen Dinge haben, danach dürfen Sie mich nicht fragen. Ich bin Hindu. Mein Job ist lediglich, diese Nußschalen hier in Ordnung zu halten."

Hindu?

Zrach-Kult?

Und wieso hatte er bisher noch nie was davon gehört – wenn es sich um einen Kult handelte, der doch offensichtlich eine gewisse Bedeutung auf diesem Planeten hatte?

*


LeCarré war ein großzügiger Gastgeber, Israt N'Gaba konnte sich keineswegs beklagen.

Zunächst hatte Israt geglaubt, diese Generosität beruhe einfach auf gemeinsamen ökonomischen Interessen: Wiederholt hatte der Erste Repräsentant sich dahingehend geäußert, daß ihm außerordentlich viel an der weiteren Erschließung Tasners liege. Die Saretto-Yilmaz-Gerland-Company sei ein erwünschter Handelspartner und Investor, und im übrigen hoffe man, daß andere Firmen von den Inneren Planeten ihrem Beispiel folgten.

Aber dann kamen Israt Zweifel: Er bemerkte, daß LeCarré noch eine ganze Reihe anderer Gäste beherbergte; darunter Leute, die mit Sicherheit von weit geringerer Bedeutung waren als ein Vertreter von Saretto-Yilmaz-Gerland.

Einige von ihnen machten auf Israt sogar eher den Eindruck von Schmarotzern. Manche schienen ganz einfach etwas verrückt zu sein, und es war nicht leicht zu sagen, in welcher Beziehung sie jeweils zu LeCarré standen; insbesondere deshalb, weil sie alle miteinander meistens sich selbst überlassen waren, da der Erste Repräsentant seinen Pflichten nachzugehen hatte.

Vielleicht war es eine Art Hobby dieses Mannes, interessante und merkwürdige Leute um sich zu scharen?

Er schien sie regelrecht zu sammeln, so wie andere eine Kollektion von Souvenirs anlegten.

In einem der unzähligen Salons traf Israt dann einmal mit einem dieser Gäste zusammen und geriet in ein Gespräch. Er hieß Ming Yaobang und war Chinese. Er war privat hier.

Aus purem Vergnügen, wie er sagte. Israt konnte nur den Kopf schütteln.

"Was gibt es hier draußen am Rand schon zu sehen, das man nicht auch anderswo sehen könnte?"

"Ich gebe zu, Centropoli auf Centrum ist nicht gerade etwas Besonderes. Aber der Himmel auf Am-Abgrund: So etwas lohnt schon eine Reise."

Israt war nie auf Am-Abgrund gewesen, hatte aber davon gehört. Dennoch...

"Und was finden Sie so attraktiv an Tasner?"

Ming Yaobang lächelte.

"Das Festival."

"Das Festival?"

Ming nickte.

"Genau das. Sie haben davon gehört?"

"Ich habe jemanden es erwähnen hören“, log Israt, „aber keinerlei Vorstellung davon, worum es sich handelt."

"Es findet im Rhythmus von tausend Tasner-Tagen statt und dauert jeweils eine Woche. Ich habe bereits drei dieser Festivals... erlebt."

Er sprach das letzte Wort erst nach einem merkwürdigen Zögern aus, gerade so, als hätte er nach einem besseren Wort gesucht, es aber nicht gefunden.

Ein seltsames Leuchten erfüllte Mings Augen, als er begann, vom Festival zu reden.

Er sagte etwas von lizensierter Tötung und Vergewaltigung, von Mord, Blut und Schwertern, aber er erzählte es so, daß Israt die Zusammenhänge nicht begreifen konnte.

Der Kerl ist verrückt, dachte Israt als erstes. Er mußte einfach verrückt sein.

Dann erinnerte er sich der Schwerter seines Gastgebers, die ganz offensichtlich in einem Zusammenhang mit den Vorgängen während der Festivalszeit standen.

"Sie müssen das Festival einfach erleben, Mann. Sonst können Sie unmöglich verstehen, was ich Ihnen gesagt habe. Sie müssen die Faszination selbst spüren; niemand sonst könnte sie ihnen vermitteln: Glauben sie mir!"

In Israts Gesichtszüge mischte sich Skepsis mit Ablehnung.

"Sie glauben, daß ich verrückt bin, N'Gaba, nicht wahr?"

Israt nickte.

"Ja."

Ming Yaobang seufzte, faßte sich mit der Linken an die Stirn und schüttelte leicht den Kopf.

"Ich kann verstehen, daß sie so denken müssen, N'Gaba. Ich kann das verstehen. Aber Sie werden auch mich verstehen, wenn Sie das Festival erlebt haben."

*


Mit der Magnetbahn unternahm Israt in der Folgezeit mehrere Exkursionen zu anderen Städten Tasners, mußte jedoch feststellen, daß sie sich kaum von Val-Duun unterschieden, außer in der Größe.

Ein langweiliger Planet, ohne besonderen landschaftlichen Reiz, ohne irgendwelche Attraktionen, wie es schien.

Ein Planet eben, dessen Terraforming nie ganz abeschlossen worden war.

Von allgemein zugänglichen Datenspeichern zur Geschichte Tasners und der Föderation hatte er erfahren, daß die Unternehmen, die mit dem Terraforming dieses Planeten beschäftigt gewesen waren, von den Inneren Planeten gekommen waren.

Der technische Rückstand der Randwelten war auch auf diesem Gebiet bis heute sichtbar geblieben.

Jedenfalls war dann jenes Ereignis eingetreten, das den Rand für lange Zeit in eine fast vollkommene Isolation führen sollte.

Mehrere Rand-Kolonien der Inneren Planeten hatten sich einseitig für unabhängig erklärt, worauf die davongejagten Besitzer mit einem erbarmungslosen Wirtschaftskrieg und einer Blockade geantwortet hatten.

Da die Welten des Randes wirtschaftlich völlig auf ihre jeweiligen Mutterplaneten ausgerichtet gewesen waren, hatten sie diese Maßnahmen überaus hart getroffen. Das Resultat dieses großen äußeren Drucks war jedoch die Bildung der Föderation gewesen. Die Einigung dieser so unterschiedlichen Planeten wäre unter anderen Umständen völlig unvorstellbar gewesen.

Jedenfalls hatten sich die Terraforming-Unternehmen seit Beginn der Blockade von Tasner zurückziehen müssen und hatten somit den Planeten gewissermaßen halbfertig hinterlassen.

Ein längerer Aufenthalt hier, so dachte Israt, lohnt sich keinesfalls.

Dann kam ihm das Festival in den Sinn, von dem es seltsamerweise keinerlei Informationen gab – über die hinausgehend, die ihm der Chinese gegeben hatte...

Bei seinen Streifzügen stieß er einmal auf ein Geschäft, in dessen Schaufenster Schwerter und Dolche ausgestellt waren. Darüber stand in Rand-Lingua: "Sind sie bereits genügend für das nächste Festival gerüstet?"

Israt betrat das Geschäft nicht und fragte auch später niemanden, was das bedeutete.

Er mischte sich gern unter die Leute in den Straßen. Manchmal waren Prozessionen religiöser Gruppen zu sehen, die jedesmal allgemeine Attraktionen darstellten und mit unzähligen gaffenden Blicken bedacht wurden.

Es herrschte große Vielfalt auf diesen Straßen, nicht nur, was die Religion anging, sondern auch in ethnischer und sprachlicher Hinsicht. Rand-Lingua war nicht mehr als eine allgemein akzeptierte Handels- und Verkehrssprache.

In ihrem privaten Bereich sprachen die Menschen ihre Muttersprachen. Israt hörte Khmer, Sirianisch, Italienisch, Tainil und Dutzende anderer Idiome, die er nie zuvor gehört hatte.

Die Ruhe, mit der hier alles geschah, überraschte ihn bald nicht mehr. Sein Erstaunen darüber verschwand, und nach gewisser Zeit empfand er es in besonderer Weise fast schon als natürlichen Zustand.

Woran er sich jedoch nur schwer gewöhnen konnte, war die Tatsache, daß ein Großteil der Tasnerianer körperliche Arbeit leistete.

Es waren Tätigkeiten darunter, die Israt als für Menschen ungeeignet, ja, als ihre Würde herabsetzend empfand, wie zum Beispiel das Bedienen in Restaurants und Cafes. Aus seinen Enzyklopädie-Dateien erfuhr er dann, daß es hier sogar noch Fabriken gab, die menschliches Personal zum Funktionieren brauchten!

Das Festival. Die Enzyklopädie-Datei erwähnte nur, daß es sich um ein im Tausend-Tage-Rhythmus abgehaltenes säkulares Fest handelte, in dessen Verlauf den Primitiv-Instinkten freien Lauf gelassen werde. Das war alles.

Nicht zuletzt deshalb kehrten Israts Gedanken immer wieder zu dieser ominösen Feierlichkeit zurück, und er fragte sich, worin die Faszination bestehen mochte, die es auf Leute wie Ming Yaobang auszuüben imstande war.

*


Einige Tage später wurde Israt endlich mal wieder von LeCarré empfangen. Es war wieder in jenem Raum, an dessen Wänden die Schwerter hingen. Die Tatsache, daß sie allein hier waren, sprach dafür, daß der Erste Repräsentant seinem Gast etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.

"Wie Sie sich sicher denken können, habe ich Sie aus einem ganz bestimmten Grund hergerufen, N'Gaba."

Israt nickte.

"Es geht um Alana Susstu-Garlis."

"Die Oberste Datenkontrolleurin?"

"Genau." Xa LeCarré setzte ein wichtiges Gesicht auf, sah Israt jedoch nicht direkt an. "In einigen Tagen werde ich in meinem Haus eine Art Party geben."

"Diese Susstu-Garlis wird ebenfalls anwesend sein?"

"Sie haben es erraten, N'Gaba. Aber nicht nur sie, sondern darüber hinaus die gesamte Creme der tasnerianischen Gesellschaft. Eine gute Gelegenheit, um verschiedene Dinge zu regeln. Sowohl für Sie, als auch für mich."

"Nun...", meinte Israt, sichtlich von Unsicherheit heimgesucht.

"Keine Sorge, ich habe den Boden bereits 'beackert'. Sie verstehen? Susstu-Garlis kennt Ihr Problem, ich habe bereits mit ihr gesprochen."

"Und?"

"Ich denke, daß die Chancen nicht schlecht stehen, daß Sie Ihr Anliegen erfüllt bekommen."

"Das ist gut", murmelte Israt mehr zu sich selbst als zu seinem Gastgeber. "Das ist wirklich gut..."

"Ah, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, N'Gaba. Haben Sie gehört?"

*


Israt N'Gaba hatte diese Party (was immer auch darunter verstanden wurde), von Anfang an mit einem unguten Gefühl erwartet, das zwar mit der Zeit nachgelassen hatte, aber auch jetzt noch nicht gänzlich verflogen war. Alles schien schrecklich 'zivilisiert' zuzugehen, jedes Zucken der Augenbrauen, jede Regung der Mundwinkel schien abgewogen und bedacht zu sein und mit einer genau definierten Bedeutung befrachtet. Was für einen Kontrast lieferten dem gegenüber LeCarrés Schwerter...!

"Es macht nichts, wenn Sie die überaus feinen Spielregeln und Konventionen dieser Gesellschaft nicht einhalten, beziehungsweise ihre Symbolik nicht entschlüsseln können. Man wird Ihnen das verzeihen, wenn bemerkbar ist, daß Sie sich Mühe geben", hatte LeCarré Israt zuvor erklärt.

Als erstes wurde er einem Mann von Am-Abgrund vorgestellt, dessen Rand-Lingua sehr akzentschwer war.

Er war ein Beauftragter der Förderalen Aufsichtsbehörde. Dann war da ein Handelsvertreter von Alpha Centauri, Oswaldo Heinrichs mit Namen, dessen Aufgabenstellung ähnlich war wie Israts eigene – als Handelsvertreter nämlich - nur, daß sie für verschiedene Firmen arbeiteten. Später lernte Israt dann noch Galnak Ion Tuy kennen, den Obersten Richter der Stadt Val-Duun - im übrigen ein Mann, den auf die eigene Seite zu ziehen sich in jedem Fall lohnte, wie LeCarré versicherte.

Als er schließlich mit Alana Susstu-Garlis, der Obersten Datenkontrolleurin, zusammentraf, war bereits fast eine Stunde vergangen.

"Das ist Israt N'Gaba", stellte LeCarré den Nigerianer einfach vor. "Sie werden sich erinnern, Alana: Der Mann von der Saretto-Yilmaz-Gerland-Canpany. Wir haben uns ja bereits über sein Problem unterhalten..." LeCarré wechselte einen kurzen Blick mit Susstu-Garlis, deren Augen für diesen Moment ein seltsames Funkeln annahmen.

Es war gewiß eine Frage des Geschmacks, ob man die Oberste Datenkontrolleurin 'schön' nennen konnte.

Ihre blauen Haare fielen in fettigen Strähnen herab auf ihre schmalen Schultern; ihr längliches Gesicht war ein wenig zu knochig und der Zug um ihre Mundwinkel zu verkrampft, um Liebenswürdigkeit auszustrahlen. Als sie Israt ansah, lockerte sich ihr Gesicht ein wenig, und sie versuchte zu lächeln. Ob das eine Bedeutung hatte? Er hatte sich zuvor von LeCarré belehren lassen, daß zu Anlässen wie diesem alles eine Bedeutung hatte.

Sie reichte Israt die Hand.

"Ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen, Herr N'Gaba", sagte sie; sehr leise zwar, aber sie hatte eine Stimme, die auch jetzt noch gut zu verstehen war. Ihr Rand-Lingua war zwar nicht akzentfrei, aber sie sprach es trotz allem mit großer Deutlichkeit und guter Artikulation.

"Tasner braucht Investitionen der Saretto-Yilmaz-Gerland-Company", erklärte LeCarré. "Tasner hat unübersehbare Entwicklungsrückstände, die wir nur mit Hilfe von außen beseitigen können."

Susstu-Garlis wandte sich wieder dem Ersten Repräsentanten zu, wobei in ihrem Gesicht eine geringfügige Veränderung vor sich ging. "Es steht mir zwar kaum zu, zu solchen Fragen Stellung zu nehmen, Erster Repräsentant, da diese Dinge nicht in meinen Kompetenzbereich fallen und ich nichts davon verstehe, aber in diesem Fall liegt die Situation so eindeutig vor uns, daß sie sogar ein Einfacher von der Straße erkennen kann. Ich kann Ihnen nur zustimmen, LeCarré."

An Israt N'Gaba gewandt, meinte sie dann noch: "Vielleicht begegnen wir uns im Laufe dieser Party wieder?“

"Ich würde mich freuen."

Sie begann für einen Moment zu schmunzeln. Offenbar hatte Israt etwas Verkehrtes gesagt.

Als Susstu-Garlis mit dem Bemühen um Grazie davonstolzierte, sandte LeCarré ihr einen schwer zu deutenden Blick nach.

"Was meinen Sie?" fragte Israt etwas ungeduldig.

"Wie?" Der Gastgeber wandte sich um.

"Wie stehen die Aktien, Erster Repräsentant?"

LeCarré lächelte.

"Gut, N'Gaba. Ausgezeichnet sogar."

"Aber warum ist sie dann davongegangen? Warum haben wir nicht gleich hier die Modalitäten ausgehandelt? Es wäre doch ganz einfach gewesen, wo wir uns doch im Prinzip einig sind. Statt dessen: Nicht einmal ein konkretes Angebot, nicht einmal eine Zahl!"

"Man sieht, daß Sie noch eine ganze Menge über die hier geltenden Konventionen zu lernen haben, N'Gaba. Nein, solche Dinge werden später abgehandelt. Es wäre unfein gewesen, wenn sie gleich auf die Details gekommen wäre."

LeCarré wirkte gelöst.

Das Zusammentreffen zwischen Israt und der obersten Datenkontrolleurin schien zu seiner Zufriedenheit verlaufen zu sein.

"Glauben Sie mir", meinte er, "Sie werden bald von ihr hören!"

*


Es war ein eigentümliches Fest; alles ging seltsam steif und gezwungen zu, jeder schien sich absolut in der Gewalt zu haben und selbst die kleinste Regung der Gesichtsmuskulatur zu kontrollieren. Nachdem LeCarré sich mit Hinweis auf seine anderen Gäste entschuldigt hatte, irrte Israt N'Gaba zunächst etwas verloren zwischen all diesen um straffe Haltung bemühten Männern und Frauen herum.

Es herrschte eine faszinierende Atmosphäre von Disziplin und Beherrschung, die gleichzeitig auch sehr bedrückend war. Israt gelang es nicht, sich wohlzufühlen, und fast hatte er den Verdacht, daß Partys dieser Art auch nicht diesem Zweck dienten.

Einer der herumeilenden menschlichen Kellner (daran hatte Israt sich noch immer nicht vollständig gewöhnt - im Bereich der Inneren Planeten war das gastronomische Gewerbe zumindest auf der Service-Seite vollkommen in robotischer Hand) nahm ihm sein leeres Glas aus der Hand und ersetzte es durch ein Gefülltes.

Einige Minuten später traf er nochmals auf Oswaldo Heinrichs, den Handelsvertreter, der ihm bereits vorgestellt worden war. Auch er schien sich hier ganz offensichtlich nicht wohlzufühlen; das war ihm deutlich anzumerken.

Dennoch versuchte er zu verhindern, daß sein Unbehagen und Mißfallen allzu deutlich in den Zügen seines Gesichtes standen.

Sie waren beide fremd hier, und so kamen sie fast unweigerlich miteinander ins Gespräch:

Der Terraforming-Konzern, für den Heinrichs arbeitete, versuchte davon zu profitieren, daß man Tasner gezwungenermaßen 'halbfertig' gelassen hatte.

Aber die Sache war nicht ganz so einfach gewesen, wie der Mann aus Alpha Centauri ursprünglich gedacht hatte. Der Erste Repräsentant wollte nicht, daß einfach die ursprünglichen Pläne aus der Schublade gezogen und vollendet wurden. Schließlich seien diese Entwürfe bereits über fünfhundert Jahre alt.

"Na und?" fragte Israt in scheinbarer Verkennung der Lage. "Was ist daran so schlimm für Sie? Machen Sie ihm ein neues Konzept, eines, das die neuesten Erkenntnisse mitberücksichtigt - und er ist zufrieden..." In Gedanken fügte er hinzu: Oh, du heilige Unschuld. Ist dir nicht längst schon klar, daß es hier niemals eine Fortführung des Terraforming geben wird? Jedenfalls wird man alles tun, um es zu verhindern. Und wieso weißt du nichts von den diesbezüglichen Bemühungen der Venetzungsgegner, die selbst vor Mord und Bombenattentaten nicht zurückschrecken?

Doch dann runzelte er die Stirn: Nun, vielleicht belügst du mich ja auch nur und hast ganz andere Gründe? Genauso wie ich! fügte er noch in Gedanken hinzu.

"Weniger Profit", meinte Heinrichs. "Das Entwickeln neuer Pläne kostet natürlich Geld."

"Warum schlagen Sie das nicht auf den Preis drauf? Das wäre schließlich legitim."

"Schon möglich, N'Gaba, aber darum geht es hier kaum. Wir können den Preis nicht höher setzen."

"Warum?"

"Wußten Sie noch nicht, daß die Föderation ziemlich pleite ist?"

"Nein. Woher wissen Sie es?"

"LeCarré hat es mir selbst gesagt. Er meinte, sie müßten sich hier sehr genau überlegen, wofür sie ihr Kapital ausgeben; jeden Scheck dreimal umdrehen, sozusagen. Aber das Unverfrorenste kommt noch."

"Was...?"

"Es schien bereits alles mehr oder weniger abgemacht zu sein; okay, ich habe mit den Zähnen geknirscht, weil neue Entwürfe gemacht werden sollten, aber das Geschäft ist hart, die Konkurrenz unerbittlich - so ist das nun mal. Möglicherweise stimmten die Abgaben über die Finanzen der Föderation, die LeCarré machte, nicht; vielleicht war es nur ein Trick, um den Preis zu senken, aber ich dachte mir, so kommen wir hier erst einmal ins Geschäft. Es schien also alles nur noch eine Frage endgültiger Formalitäten zu sein, da ließ der Erste Repräsentant - übrigens durch einen Gesandten und nicht einmal persönlich - verlauten, die Administration des Planeten Tasner sei nicht mehr sicher, ob sie an einer Fortsetzung des Terraforming-Programms überhaupt noch interessiert ist. Alles werde einer erneuten Prüfung unterzogen. - Klingt wie eine höfliche Absage, wie?"

Israt zog beide Brauen hoch.

„Das ist ja interessant“, behauptete er. „Was mag den Stimmungsumschwung in der tasnerianischen Führungsspitze bewirkt haben?“

Ihm kam Susstu-Garlis in den Sinn und die Art, wie er (nach LeCarrés Voraussage) zu einer Übereinkunft mit ihr kommen würde. Mit Geld – mit Bestechung, um genauer zu sein.

Aber wenn man inzwischen nicht einmal offiziell mehr einen Hehl daraus machte, Terraforming sowieso verhindern zu wollen... Wieso wurde dann ihm gegenüber behauptet, er sei sozusagen auf der Siegerstraße?

Schließlich war bisher von nichts anderem die Rede als eben von... Terraforming! Das Angebot meiner Firma unterscheidet sich von dem Angebot dieser Firma ja lediglich darin, daß meine Firma zunächst die Kosten übernehmen würde – als Investition in die Zukunft, wenn weitere Planeten dem Beispiel von Tasner folgen würden. So jedenfalls die Planung, wie Israt sie von Lester Benjo kannte...

"Ah, was soll's? Jeder hat so seine Probleme; Sie sicher auch, nicht wahr, N'Gaba?"

Israt nickte.

Er dachte daran, daß sich seine eigenen Probleme bis jetzt immer fast von selbst gelöst hatten – zumindest scheinbar - was unzweifelhaft darin begründet lag, daß er unter der Protektion des Ersten Repräsentanten stand – wieso auch immer.

LeCarré schien an Israt interessiert zu sein, an Oswaldo Heinrichs jedoch weniger.

Wohlgemerkt: Es hatte nichts mit ihren Firmen zu tun, denn Israt zweifelte keinen Augenblick daran, daß LeCarré nach wie vor alles tun würde, um Terraforming auf seinem Planeten zu verhindern. Niemand hier wollte eine Veränderung der planetaren Ökologie.

Was wollten sie denn sonst von ihm -—Israt N’Gaba?

War es denn längst mehr als nur eine Ahnung, was umgekehrt er in Wahrheit von IHNEN wollte?

Oder wie waren sonst die Zusammenhänge zu erklären?

Eigentlich hätte Israt längst mit der Wahrheit herausrücken können. Er hatte es nicht getan, aus ihm selber nicht recht bewußten Gründen nicht.

Vielleicht aber lag genau darin das Geheimnis von Erfolg und Mißerfolg? Indem er stets den richtigen Zeitpunkt einhielt – von seinem untrüglichen Instinkt geleitet?

Und im nächsten Auzgenblick fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Ja, gewiß, es war besser gewesen, es nie anzusprechen, daß er längst nicht mehr hier war, um Tasner Terraforming im Auftrag von SYG zu verkaufen. Andererseits hatte er nämlich auch seit ihrer ersten Begegnung niemals mehr auch nur das Wort Terraforming in den Mund genommen!

LeCarré erwartete was völlig anderes von ihm!

ER erwartete genau das, was er, Israt LeCarré insgeheim anbieten wollte: Konsumgüter! Und zwar nicht den Import von solchen, der für Tasner sowieso nicht bezahlbar gewesen wäre, sondern die Möglichkeit, sie selber herzustellen!

Israts Herz schlug ihm schier bis zum Halse. Er suchte mit den Blicken Alana Susstu-Garlis, jedoch ohne jeglichen Erfolg.

Sie war nicht nur deshalb so eigenartig erschienen, weil sie sich an die Etikette gehalten hatte, sondern weil sie sehr genau wußte, daß sie bereits einverstanden waren mit Israts Angebot, noch ehe er dieses Angebot überhaupt gemacht hatte.

Israt dachte an seine „Vorgängerin“, an Tembora Gregory, die angeblich spurlos verschwunden war. Logisch, daß er nicht nach ihr hatte fragen können. Obwohl es ihn brennend interessiert hätte, was aus ihr geworden war.

Sie hatte wirklich nur das Angebot Terraforming im Handgepäck. Hatte sie das – ihr Leben gekostet?

Es sprach einiges dafür – vielleicht sogar... alles?

Und ich lebe nur deshalb noch, weil mich LeCarré von vornherein durchschaut hat? Weil er zumindst ahnte, daß ich auch noch anderes im Hangdgepäck habe außer Terraforming, das hier kein Mensch will?

Aber warum waren für LeCarré Konsumgüter wichtiger als die Vollendung des Terraforming-Programms, das Tasner zu einer Welt gemacht hätte, die viele Milliarden aufnehmen und ernähren konnte?

War er an einer weiteren Erschließung des Planeten vielleicht einfach nicht interessiert? Und wieso? (Oder war es doch nur das Geld, dessen Segen er durch den Bau von Fabrikanlagen auf diesem öden Planeten als größer erachtete? In diesem Fall stellte sich jedoch die Frage, wer hinter dem Ersten Repräsentanten stand, wessen Marionette er war, denn es war kaum anzunehmen, daß er mit dieser Haltung allein dastand...)

Es war alles so verwirrend. Manchmal schienen die Motive der ihn umgebenden Tasnerianer klar und durchsichtig zu sein, leicht zu durchschauen für ihn, aber dann waren sie im nächsten Moment wieder rätselhaft...

Jedenfalls hatte er eines voll und ganz begriffen: Er hatte anfangs LeCarré, ja, den ganzen Planeten, unterschätzt – ganz erheblich sogar! Er hatte mit LeCarré sein Spielchen treiben wollen, und nun mußte er sich eingestehen, daß es eher umgekehrt war: LeCarré spielte ein sehr undurchsichtiges Spielchen mit ihm, Israt N’Gaba! Und der Ausgang dieses Spiels erschien ihm in diesem Augenblick ungewisser als je zuvor...

"Das Dumme bei der ganzen Sache ist für mich persönlich nur", erklärte Heinrichs unterdessen, der immer wieder auf sein besonderes Problem zurückkam, "daß sich mein Aufenthalt durch diese Geschichte erheblich verlängert. Verstehen sie?"

Israt verstand nicht – weil er sowieso nur mit halbem Ohr zuhörte.

"Was? Sagen Sie bloß, Sie wissen nicht..." Heinrichs schien ehrlich erstaunt zu sein und trank sein Glas aus.

"Was soll das, Heinrichs? Wovon sprechen sie?"

"Ich meine das Festival..."

"Das Festival?"

"Ja. Es ist nicht gerade angenehm, sich während der Festivalzeit hier aufzuhalten. Verdammt, ich habe bereits eines erlebt, und es scheint so, als müßte ich hierbleiben, bis das nächste stattfindet. Keine gute Aussichten..."

"Was geschieht während des Festivals?"

"Ach, lauter scheußliche Sachen. Eigentlich könnte man ja meinen, sich hier auf einem halbwegs zivilisierten Planeten zu befinden, aber wenn Sie einmal erlebt hätten...."

Jemand hatte sich zwischen den Umherstehenden hindurchgedrängelt, hatte schließlich den Mann aus Alpha Centauri erreicht und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Heinrichs Züge spannten sich daraufhin augenblicklich an. "Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, N'Gaba." Er schenkte dem Nigerianer noch ein gezwungenes Lächeln und folgte dann der Person, die ihn so unvermittelt angesprochen hatte.

*


Etwas später unterhielt Israt sich mit Nacini Changas, einer Frau vom Planeten Am-Abgrund, die ein sehr akzentbeladenes Randlingua sprach. Später hätte Israt gar nicht sagen können, wie sie eigentlich aneinandergeraten waren.

Sie schien ihn willkürlich aus der Menge herausgepickt zu haben, um mit Dingen über ihn herzufallen, die ihn im Moment kaum interessierten.

Gedanklich war Israt noch immer beim Festival, bei dem, was Oswaldo Heinrichs angedeutet hatte - und schließlich auch bei Ming Yaobang, der so fasziniert davon war.

"Haben Sie schon einmal den Himmel von Am-Abgrund gesehen, wenn er ganz schwarz ist?" fragte Changas.

Nein, das hatte er natürlich nicht.

Sie begann in unvollkommener Sprache und mit funkelnden Augen von den Schönheiten und Wundern von Am-Abgrund zu berichten, von der Stadt-am-Abgrund, von der 'Finsternis' und anderen Dingen, die Israt zum Teil nicht begriff.

Manchmal verfiel sie aus Versehen in ihre Muttersprache (sie sprach Tagalog), von der Israt natürlich kein Wort verstand. Und wenn sie es dann merkte, begann sie, herzhaft zu lachen (und Israt lachte mit ihr). Das lenkte jedesmal die Blicke einiger tasnerianischer Oligarchen auf sie beide und kennzeichnete sie als nicht von hier - denn sonst lachte hier niemand auf diese Weise.

Changas war katholisch (praktisch jeder auf Am-Abgrund war das) und als auf eine entsprechende Frage hin ihr Israt eröffnen mußte, Moslem zu sein, konnte man ein unsicheres, von Verlegenheit gekennzeichnetes Lächeln über ihr Gesicht huschen sehen.

Israt verzieh ihr das.

Sie war auf einer Welt mit homogener Bevölkerungsstruktur aufgewachsen, wo Abweichungen von der Norm Außergewöhnlichkeiten darstellten - während sie anderswo die Regel waren.

"Nun...", brachte sie dann hervor.

Er erwiderte: "Bin ich vielleicht der erste Moslem, dem sie begegnen?"

"Entschuldigen Sie vielmals, aber ich bin zum erstenmal auf einer anderen Welt als Am-Abgrund und muß mich erst daran gewöhnen, daß es hunderttausend verschiedene Lebensstile und Kulturen gibt - und anscheinend auch Götter."

"Ist der Gott der Moslems tatsächlich ein anderer als der Gott der Christen?"

"Ich weiß es nicht... Soviel ich weiß, glaubt ihr jedenfalls nicht daran, daß Jesus von Nazareth der Sohn Gottes war - und ist."

"Das stimmt. Nach dem Islam ist es unlogisch, daß Gott einen Sohn gezeugt hat, denn er hat ja keine Lebensgefährtin..."

Natürlich erwiderte sie sogleich etwas, fast reflexartig, aber Israt hatte keine Neigung, den theologischen Disput fortzusetzen.

Ein solcher Glaubensstreit mußte stets fruchtlos bleiben, das wußte er. Außerdem konfrontierte er ihn wieder mit dem, was er hinter sich gelassen zu haben glaubte: Seinem islamischen Erbe.

Sie unterhielten sich dann über andere Dinge, wobei sie den größeren Teil dazu beisteuerte.

Sie schien es zu mögen, über sich selbst zu sprechen, über Am-Abgrund, über die Sünde und das Böse im Menschen, das ihrer Meinung nach nicht auszurotten war.

Weshalb sie auf Tasner weilte, erfuhr Israt nicht.

Sie war ein Gast LeCarrés, und der Erste Repräsentant hatte offensichtlich recht eigenwillige Kriterien, nach denen er seine Gästezimmer füllte. (Changas war irgendeine niedere Beamtin einer föderalen Behörde, aber ob ihr Hiersein einen dienstlichen Grund hatte oder vielleicht einen anderen, fand Israt nicht heraus. Es interessierte ihn auch leidlich.)

Aber dann - Israt hatte bereits daran gedacht, das Gespräch auf höfliche Weise zu Ende zu bringen, da es ihn mehr und mehr ermüdete - kam sie unverhofft auf ein Gebiet zu sprechen, das ihn doch interessierte; er horchte auf.

Sie sprach davon, daß sie in zehn Tagen abreisen würde. Zurück nach Am-Abgrund.

Changas fragte plötzlich: "Wann werden Sie Tasner verlassen?"

"Oh, um ehrlich zu sein, ich weiß es noch nicht. Das hängt davon ab, wie schnell ich die mir gestellte Aufgabe erledigen kann."

"Ich weiß nicht, was für eine Aufgabe das ist, aber Sie sollten sehen, daß Sie in den nächsten Tagen eine Passage buchen."

"Weshalb?"

"Das Festival..."

"Das Festival?"

"Während der Festivalzeit sind die Raumhäfen geschlossen. Niemand kann diesen Planeten verlassen oder ihn betreten. Nehmen Sie meinen Rat ernst und buchen sie jetzt. Das Festival ist zwar erst in einem Tasner-Monat, aber die Schiffe sind kurz vorher meistens stark überbelegt: Es wollen mehr Leute weg als transportiert werden können."

"Warum ziehen Sie es vor, während der sogenannten Festivalzeit nicht auf Tasner zu sein?" fragte Israt.

Changas schien eine solche Frage absurd zu finden, das spiegelte sich überdeutlich in ihren Gesichtszügen wieder (die sie angenehmerweise nicht mit jener Perfektion unter Kontrolle halten konnte wie der Rest dieser hohen Gesellschaft). "Wissen Sie denn gar nicht, was während der Festivalzeit hier vor sich geht?"

"Ein Chinese hat mir einiges erzählt, aber es war zu wirr und verrückt. Ohne Zusammenhang, verstehen Sie? Er war vom Gedanken an dieses Festival einfach fasziniert. Nüchterne Auskünfte konnte man von ihm nicht bekommen."

"Dieses Festival ist die höllischste Ausgeburt heidnischer Barbarei. Sie können sich kaum vorstellen, was dann auf den Straßen dieser jetzt so friedlichen Stadt los sein wird."

"Haben Sie es bereits erlebt?"

"Nein, aber man kann überall Filmaufzeichnungen bekommen. Glauben Sie mir, dieses Festival übertrifft alles, was Sie sich an Barbarei und Grausamkeit vorstellen können: Selbst so noble und ehrenwerte Menschen wie unser gemeinsamer Gastgeber, der Erste Repräsentant von Tasner, werden dann zu unberechenbaren Bestien. Haben Sie seine Schwerter gesehen?"

"Ja."

Filmaufzeichnungen?

Kann man ÜBERALL bekommen?

Und wieso hatte er außer vagen Hinweisen NIRGENDWO etwas bekommen?

"Er hängt sie nicht zur Zierde an die Wand, nicht ausschließlich jedenfalls. Er benutzt sie."

"Sie meinen - er kämpft?"

"So ungefähr. Während der Festivalzeit ist das erlaubt. Dann ist fast alles erlaubt; die Gesetze gelten, mit ein paar Ausnahmen, nicht mehr. Jeder darf jeden töten, verletzen, vergewaltigen, wenn er stark genug dazu ist. Das Faustrecht gilt dann, und die Schwerter sprechen. Niemand ist davor sicher, niedergestochen zu werden. Es ist legal."

"Ich verstehe - darum verlassen so viele den Planeten."

"Das sind vor allem die Leute von anderen Planeten. Die Einheimischen bleiben seltsamerweise in ihrer Mehrzahl hier und berauschen sich an dieser Orgie von Gewalt und Perversion."

"Seltsam", meinte Israt. "Wenn man sich die Leute auf den Straßen ansieht oder auch diese Menschen hier - wirken sie nicht eher ausgesprochen ruhig und beherrscht?"

"Sie täten gut daran, meinem Rat zu folgen und Tasner während der Festivalwoche zu verlassen", sagte sie eindringlich.

"Sagen Sie, warum werden diese wilden Kämpfe eigentlich mit Schwertern ausgetragen?"

Changas war zunächst etwas verwirrt, da Israt nach Details dieser barbarischen Sitte fragte.

Kurz darauf antwortete sie ihm jedoch, ohne noch etwas von ihrer Verwunderung zu zeigen: "Laser und andere Handfeuerwaffen sind zu gefährlich."

"Ich verstehe nicht..."

"Sie würden zuviel Sachschaden anrichten, und man müßte Tasner nach jedem Festival zur Hälfte neu aufbauen. Das ist aber nicht der Sinn der Sache. Aus dem gleichen Grund gibt es auch gewisse Sperrzonen, zum Beispiel die Raumhäfen, die Datenbanken und ähnliches. Diese Gebäude werden vor Beginn der 'Feierlichkeiten' jeweils mit einem Festakt versiegelt und erst nach Ende des Festivals wieder geöffnet. Aber da sehen Sie die ganze Menschenverachtung, die in diesem Festival liegt: Es existieren zwar gewisse Tabus, aber die sind lediglich zum Schutz von Sachwerten errichtet: Unglaublich, nicht wahr?"

"Ja, da haben Sie recht. Es klingt unglaublich..." Es war Israt natürlich klar, daß es unmöglich war, seine Aufgabe bis zum Beginn des Festivals erledigt zu haben. Aber wenn er wollte, konnte er eine 'Dienstreise' unternehmen.

Vielleicht nach Centrum? – Es wäre sicher nicht uninteressant, das Gesicht von Kransom zu sehen, der ihn wahrscheinlich längst „abgeschrieben“ hatte.

Oder nach Ikarus?

Sowohl von dort als auch von Centrum aus hätte er Kontakt mit seinem Konzern aufnehmen können. Um beispielsweise Lester Banjo hinhalten zu können. Vielleicht auch, um ihn darauf vorzubereiten, daß bald eine größere Bestechungssumme fällig werden könnte. Es mußte dabei ja nicht erwähnt werden, daß Nutznießer davon keineswegs der Konzern SYG sein würde...

Jedenfalls: Von hier aus hatte er bisher keinerlei Möglichkeit eröffnet bekommen, Kontakt mit außerhalb des Planeten aufzunehmen!

LeCarré, du wirst sicherlich deine Gründe haben! dachte er zerknirscht. Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich diese Gründe nicht kenne – wenigstens NOCH nicht?

Noch einmal: Einen Vorwand würde er leicht finden, um Tasner zu verlassen.

Warum in aller Welt hatte man ihn in Athen auf Alpha Centauri 2 über die besonderen Sitten der Tasnerianer nicht unterrichtet?

Wußte man vielleicht nichts davon? Das war gut möglich. Er mußte nicht gleich annehmen, daß ihn Benjo sozusagen ins offene Messer hatte rennen lassen. Die Informationen über den Rand waren äußerst spärlich - und die, die man finden konnte, waren zumeist überaltert.

'Saretto-Yilmaz-Gerland sollte vielleicht doch mal erfahren, was hier vor sich geht', überlegte Israt. Um seinen Vorgesetzten die Lage zu schildern, würde er auf jedenfall von „außerhalb“ einen Hyperfunkspruch absenden müssen. Und wenn schon, dann möglichst vor Beginn des Festivals.

In jedem Fall wollte er so schnell wie möglich eine Passage buchen, denn eines stand für ihn jetzt unverrückbar fest: Wenn auf Tasner die Zeit der Barbarei begann, wollte er nicht mehr hier sein.

Das konnte niemand von ihm erwarten.

So wichtig konnte nichts sein, auch seine insgeheimen Planungen nicht, die er auch noch danach würde fortführen können.

Blieb nur zu hoffen, daß er sich mit Susstu-Garlis zuvor noch über den Datentransfer einigen konnte, um wenigstens einen Teilerfolg gesichert zu haben.

Immerhin bestand die Möglichkeit, daß die Oberste Datenkontrolleurin bei den zu erwartenden Wirren ums Leben kam und er sich mit ihrem Nachfolger vielleicht weniger leicht einigen konnte.

An die Möglichkeit, daß man ihn vielleicht gar nicht abreisen lassen würde... Ja, an diese Möglichkeit dachte er gar nicht. Sicher, weil er es einfach verdrängte...

*


Israt verlor Nacini Changas wieder aus den Augen und drängte sich zwischen den illustren Gästen, hörte, wie der ihm bereits vorgestellte oberste Richter der Stadt Val-Duun, Galnak Ion Tuy, sich über irgend etwas heftig erregte - obwohl auch diese Erregung wohl einen genau definierten Zweck erfüllte -‚ schnappte einige Gesprächsfetzen auf und sah dann inmitten der Menge plötzlich die Gestalt Mings.

Der Chinese diskutierte eifrig mit einer Frau und einem Mann, und während Israt ihn beobachtete, begann, ihn tiefe Abneigung zu erfüllen.

Andere liefen vor dem Festival davon, aber Ming war nur seinetwegen hier: Wie konnte es so etwas geben?

Ein leichter Kälteschauer überfiel Israt, als er daran dachte, was aus diesen so zivilisierten Menschen während der Festivalwoche werden würde.

Später dann erfüllte sich tatsächlich LeCarrés Voraussage: Alana Susstu-Garlis sandte einen Boten zu Israt, der diesen diskret in ein Nebenzimmer führte, wo die Oberste Datenkontrolleurin bereits auf ihn wartete.

Man wurde sich schnell einig, obwohl ihre Forderungen sehr unverschämt waren. Aber Israt hatte keine andere Wahl.

Die einzelnen Modalitäten wurden geregelt, wobei Israt darauf bestand, daß alles so schnell wie möglich und vor Festivalbeginn vonstatten ging. Er erwähnte dabei natürlich nicht, daß die illegal freigegebenen Daten, die ein komplettes Profil der Bevölkerung ermöglichten, nicht wirklich dem Konzern zukamen, der ihn entsandt hatte, nämlich SYG...

"Ah, wie ich sehe, scheinen Sie sich bereits etwas in unsere lokalen Verhältnisse eingearbeitet zu haben, Herr N'Gaba. Sie scheinen zu fürchten, daß ich während der Festwoche umkomme. Habe ich recht?"

"Nun, das wäre doch möglich, oder nicht?"

Sie trat nahe an ihn heran, und ihre Augen nahmen für einen kurzen Moment einen drohenden, gefährlichen Ausdruck an. "Ich habe gelernt, wie man mit einem Schwert umgeht, Herr N'Gaba: Sie brauchen sich nicht zu sorgen – zumindest nicht um mich."

"Nun, dennoch wäre es mir lieber, wenn alles vorher über die Bühne gehen würde." In Gedanken fügte er hinzu: Dann kann ich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ich setzte mich mit Banjo in Verbindung und lasse SYG bezahlen, was Sussta-Garlis von mir bekommt. Ich strecke es also nur vor. Und die Daten werden gleichzeitig ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt...

Die Oberste Datenkontrolleurin gab nach. Es brachte ihr auch keinerlei Vorteile, auf ihrem Standpunkt zu beharren und sich jetzt noch allzu großzügig Zeit zu lassen; außerdem war sie viel zu geldgierig für weitere Verzögerungen.

*


Hinterher hoben sie die Gläser und stießen an. "Sie scheinen ein bemerkenswerter Mann zu sein, N'Gaba", meinte Alana Susstu-Garlis, nachdem sie etwas getrunken hatte. "Xa LeCarré hat mir viel von Ihnen erzählt. Er scheint Sie zu mögen."

Israt wußte nicht, was er darauf zu erwidern hatte. Irgendwie schien sich seine momentane Ratlosigkeit auf seinem Gesicht wiedergespiegelt zu haben, denn Alana meinte plötzlich: "Es ist schon gut, Sie brauchen nichts dazu sagen. Aber gestatten Sie mir, wenn ich Ihnen einen guten Rat gebe: Verscherzen sie sich die Sympathien LeCarrés nicht - niemals: Unter seiner Protektion werden sie es leicht haben, aber gegen ihn..."

"Ich verstehe..."

"Das ist gut. Ich mag Sie, und es würde mich freuen, Sie erfolgreich zu sehen."

Dann gingen sie auseinander, verließen das Nebenzimmer und mischten sich wieder unter die Gäste.

Im Hintergrund war jetzt Musik zu hören, leise, dumpf und einschmeichelnd, und Israt mußte an den Mann aus Alpha Centauri denken: Oswaldo Heinrichs...

Ja, so konnte es einem ergehen, wenn man nicht den richtigen Protektor hatte.

Das war fast überall so.

Die Spielregeln unterschieden sich nur in Details, nicht vom Prinzip her. Israt fühlte, daß er es auf Tasner zu etwas bringen konnte - letztlich. Mit Hilfe von LeCarré jedenfalls würde es ihm nicht nur gelingen, seinen persönlichen Wohlstand noch zu vergrößern (der sowieso schon einen Umfang erreicht hatte, von dem Banjo, sein Auftraggeber von SYG, dem Konzern, den er sowieso hatte verlassen wollen, mit Sicherheit nicht einmal etwas ahnte), sondern auch - Macht.

Doch diese Gedanken erfüllten ihn nicht nur mit Freude.

Ihm kam das Festival in den Sinn; die Schwerter des Ersten Repräsentanten sah er plötzlich vor sich, und er dachte an die Toten. Mit all dem würde er sich irgendwie arrangieren müssen, daran führte kein Weg vorbei.

Grauen überkam ihn, als er an diese Dinge dachte, aber es gelang ihm, sie beiseite zu schieben.

Heute war sein Erfolgstag.

Er wollte ihn genießen, wollte sich in die Flut der Gäste hinein stürzen und sich an dem Austausch von Banalitäten beteiligen. Wer wußte schon, wie der nächste Tag sein würde?

*


Am nächsten Morgen bekam er die Erlaubnis, Verbindung mit „außerhalb“ aufzunehmen! Dahinter steckte zweifelsohne Alana Susstu-Garlis. Nicht, weil sie sonst um ihr Bestechungsgeld hätte fürchten müssen, denn das stand ihr bereits zur Verfügung: Die hiesige Bank hatte keinerlei Beschränkungen, wenn es darum ging, Verbindung mit „außerhalb“ aufzunehmen.

Israt nutzte die Gelegenheit und sandte einen Hyperfunkspruch nach Alpha Centauri ab, mit Angaben zum Festival und der Bitte, man möge ihn für die Dauer dieser besonderen Woche von seinen Pflichten entbinden. Von seinen Erfolgen jedoch berichtete er nichts. Denen doch nicht...

Wann würde die Antwort eintreffen? Anderthalb Wochen brauchte eine Nachricht von hier nach Athen.

Jedenfalls erfuhr Israt, daß von nun an die Hyperfunkverbindung für ihn jederzeit offenstand.

Bis auf Widerruf wahrscheinlich! dachte er flüchtig – und verglich es automatisch mit den Möglichkeiten, die sich einem auf den Inneren Planeten eröffneten: Nicht nur, daß es da keinerlei Begrenzungen der Hyperfunkverbindungen gab, sondern man hatte mittels seines CyberSensor sowieso jederzeit und unbegrenzt Zugriff auf alles – nicht nur auf den jeweiligen Planeten begrenzt, auf dem man sich befand...

Und hier muß ich auf eine Antwort anderthalb Wochen warten! Nun denn, dabei kann ich froh sein, daß man mir überhaupt erlaubte, eine Nachricht abzusenden...

Er hatte keine Ahnung, ob das, was er übermittelt hatte, nicht sowieso überwacht worden war. Vielleicht würde man sich jetzt wundern, daß er es versäumt hatte, die Daten zu übermitteln, die man ihm illegal zur Verfügung gestellt hatte? Aber es würde kein Problem sein. Davon war er überzeugt. Jedenfalls, diejenigen, denen er die Daten tatsächlich zugedacht hatte, würden noch früh genug informiert werden. Zuerst mußte er hier auf Tasner einen weiteren Schritt vorangekommen sein. Vielleicht sogar erst nach dem Festival?

Als Israt dann etwas später in einem der Salons seines Gastgebers den Ersten Repräsentanten traf, konnte er an dessen Gesicht ablesen, daß sie beide durchaus nicht zufällig zusammentrafen.

Sie begrüßten sich, aber LeCarré war ausgesprochen kühl. Israt erschrak ein wenig. Was mochte geschehen sein?

"Glücklicherweise konnte der Abgang ihrer Funknachricht noch rechtzeitig verhindert werden, N'Gaba", stellte LeCarré mit einem Hochziehen der linken Augenbraue fest. Seine Züge wirkten konzentriert, seine Augen angriffslustig.

"Was...?" Israt konnte einfach nicht fassen, was er da gehört hatte.

„Sie haben vollkommen richtig gehört. Ihr Funkspruch ist nur von dem Gerät in ihrem Quartier zur Hyperfunkzentrale Val-Duun gegangen. Nicht weiter - wir konnten es glücklicherweise verhindern."

"Sie hören mich ab? Sie lassen mich überwachen?" Israt war entrüstet – obwohl er sowieso fest damit gerechnet hatte. Er hatte zumindest geglaubt, daß die Überwachung keine negativen Folgen für ihn haben würde – nicht jedenfalls in dieser Weise. Schließlich hatte er davon ausgehen dürfen, seinen Gastgeber fest auf seiner Seite zu haben und ihm bis zu einem gewissen Grad vertrauen zu können - worauf er im übrigen aus mehreren Gründen auch angewiesen war. "LeCarré, das ist eine unglaubliche Tatsache: Wieso?“

"Herr N'Gaba, verstehen Sie das Ganze am besten als eine Art Fürsorge-Maßnahme. Ich habe Sie davor bewahrt, großen Schaden anzurichten."

"Ich verstehe nicht..."

"Das habe ich mir gedacht, und deshalb will ich Ihnen auch verzeihen. Sehen Sie, die Festival-Sitten von Tasner sind auf den inneren Welten so gut wie unbekannt. Sie werden höchstens in Anthropologen-Kreisen diskutiert. Ich habe kein Interesse daran, daß dieser Zustand verändert wird. Wenn eine Firma wie Saretto-Yilmaz-Gerland ihren Vertreter wegen des Festivals vorübergehend von Tasner zurückziehen muß, kann das für uns negative Publicity bedeuten, die wir zur Zeit nicht gebrauchen können. Wissen Sie, es herrschen da gewisse Vorurteile gegenüber Dingen, die hier praktiziert werden... Sie wissen sicher, was ich meine, nicht wahr? Ich verlange von niemandem, der es nicht will, an diesem Fest teilzunehmen, und ich habe durchaus Respekt vor den ethischen Positionen anderer. Aber ich verlange diese Toleranz auch für mich und Tasner. Ich möchte nicht, daß Greuelmärchen über diesen wunderbaren Planeten und seine Menschen das Geschäftklima verderben, bevor die zarten Pflänzchen, die wir gesetzt haben, überhaupt aus der Erde gekommen sind. Im Augenblick kann uns ein solches Negativ-Image noch sehr schaden - in einigen Jahren sind wir vielleicht weniger verwundbar, wer weiß? Jedenfalls möchte ich nicht, daß über gewisse Tatsachen mehr bekannt wird, als unbedingt notwendig ist. Es steht Ihnen frei, den Planeten jederzeit zu verlassen, aber ihre Firma muß davon nicht unbedingt unterrichtet werden. Wenn Sie wollen, trage ich sogar die Unkosten, damit Sie ihr Spesen-Konto nicht über Gebühr zu strapazieren brauchen."

"Saretto-Yilmaz-Gerland wird ohnehin alles erfahren, LeCarré. Schließlich bin ich nicht der einzige Mann von den inneren Welten hier draußen:"

"Schon möglich, N'Gaba. Schon möglich. Aber Sie können mir ruhig abnehmen, daß ich es keinesfalls nötig habe, mich auf irgendeinem Gebiet von Ihnen belehren zu lassen: Also... Sind Sie nun an guten Geschäftsbeziehungen zwischen Tasner und Saretto-Yilmaz-Gerland interessiert oder nicht?" Er beugte sich einwenig näher und sagte im Verschwörerton und mit gedämpfter Stimme: „Oder an den Geschäftsbeziehungen mit welcher Company auch immer?“

Er wich wieder zurück und erschien gerade so, wie eine Sekunde davor.

"Natürlich", antwortete Israt mechanisch.

"Dann unterlassen Sie Scherze wie den heutigen in Zukunft. Ich habe Ihnen einmal verziehen, weil Sie unwissend waren. Das heißt aber nicht, daß ich es das nächste Mal auch tue: Vergessen Sie nie, daß ich es bin, der hier die Bedingungen diktiert:

Die Marktlage ist nun einmal so, daß es Dutzende von Konzernen gibt, die exakt dasselbe herstellen und ebenfalls liebend gern auf diesem Planeten Geschäfte machen würden. Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen und sie sind hier. Das wäre doch sicherlich nicht in Ihrem Sinne, oder?"

Sie schwiegen beide eine Weile.

Israt mußte an Alana Susstu-Garhis denken, die ihm geraten hatte, die Protektion des Ersten Repräsentanten auf keinen Fall zu gefährden... Es schien tatsächlich unklug, das zu tun; Israts Erfolg war zu eng mit dem Wohlwollen LeCarrés verbunden.

Er mußte sich fügen.

"Ich bin Ihr Freund, N'Gaba. Vielleicht glauben Sie mir das jetzt nicht mehr, aber es ist tatsächlich so." Er sprach jetzt wieder leiser, war wieder näher an sein Gegenüber herangetreten und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. "Aber das würde mich nicht daran hindern, eventuell erbarmungslos gegen Sie vorzugehen, wenn es die Situation und mein Interesse erforderten."

Israt spürte, daß LeCarré die Wahrheit sagte. Und er dachte auch an die Warnungen von Egon Kransom auf Centrum.

Nein, er mußte unter allen Umständen einen Bruch verhindern...

*


Als er später per Videophon (welch eine uralte, unendlich langsame Technik!) eine Passage nach Ikarus gebucht hatte und ohne etwas zu tun zu haben durch die Straßen Val-Duuns schlenderte, hatte sich vom äußeren Bild her hier nichts geändert.

Es herrschte immer noch dieselbe Ruhe, in der Magnetbahn drängelte niemand, man schien Zeit zu haben. Alles ging seinen geordneten Gang, so wie jeden Tag, aber was sich geändert hatte, war Israts Einstellung zu dem, was er sah.

Einige zrachistische Mönche gingen an ihm vorbei. Sie fielen in der Menge durch ihre grauen Roben und geschorenen Köpfe auf. Wenn Israt länger hier blieb, würde er die rituellen Raubfischjagden dieser Leute miterleben können.

Es war seltsam, aber er hatte sich in seinem Innersten bereits darauf eingestellt, für länger hierzubleiben.

Natürlich würde er für die Festival-Woche Tasner verlassen; das stand fest.

Aber danach...

Er hatte unbestreitbar gute Karten, wenn auch nicht, was die Erledigung seines Auftrages für Saretto-Yilmaz-Gerland anging.

Ja, er hatte gute Karten, aber sie waren ihm zugesteckt worden, und das machte die ganze Sache noch komplizierter als sie ohnehin schon war.

Er trieb sich am Strand herum, in der Stadt, überall.

Er ließ sich einfach im Menschenmeer von Val-Duun treiben und versuchte vergeblich, die Vorstellung abzuschütteln, wie aus all diesen friedlichen und zivilisierten Menschen Bestien wurden.

'Es scheint, als hätte ich das besondere Wesen der tasnerianischen Gesellschaft noch nicht verstanden', dachte er.

Zurückgekehrt in sein Quartier bei LeCarré, sah er sich Video-Aufzeichnungen verschiedener früherer Festivals an und wunderte sich dabei nicht, wie leicht es ihm diesmal gefallen war, überhaupt daran zu kommen. Wenn er bedachte, daß man ihm noch vor kurzem jeglichen Zugang geschickt verwehrt hatte...

Er war zutiefst entsetzt. Unter anderem erkannte Israt die Gestalt seines Gastgebers wieder, wie sie an der Spitze einer mit Hieb- und Stichwaffen bewaffneten Horde von Männern und Frauen auf Angehörige einer anderen, ebenfalls bewaffneten Gruppe, eindrosch.

Mehrmals hielt Israt dabei die Bildfolge der Videobänder an, um sich ganz sicher sein zu können. Aber es konnte da keine Zweifel geben - es war LeCarré! Alles Zivilisierte war auf diesen Bildern von ihm abgefallen, sein Gesicht war grotesk verzerrt und ein wildes Tier schien von ihm Besitz ergriffen zu haben.

*


Die Tage schleppten sich in gewohnter Zähflüssigkeit dahin. Einmal wurden ihm einige Datenspeicher gebracht: Mindestens siebzig Prozent der in den Dateien von Tasner gespeicherten Fakten. Von allgemeinen Strukturdaten bis hin zu detaillierten Angaben über die Gewohnheiten jedes einzelnen Bürgers war alles vorhanden.

Das war ein Vielfaches von dem, was er überhaupt erwartet – und zunächst auch nur bekommen hatte.

Als er den wertvollen Handkoffer bekam, strich Israt fast zärtlich über den grauen Kunststoff. Hier hielt er den Schlüssel zur ökonomischen Eroberung einer Welt in den Händen: Seine Karten waren jetzt wirklich sehr gut - aber unweigerlich kehrten seine Gedanken immer wieder zu seinem Mentor zurück, zu LeCarré, in dessen Händen unbestrittenermaßen die Macht lag.

Ab und zu traf er Nacini Changas in den Salons, und sie unterhielten sich ein wenig. Meistens sprach sie von den religiösen Erfahrungen, die man auf Am-Abgrund machen könne.

Sie erzählte ihm immer und immer wieder dieselben Dinge, und er begriff sie jedesmal gleich wenig.

Aber er spürte die Faszination, mit der Changas von ihrer Heimatwelt sprach, und etwas davon übertrug sich auch auf ihn, so daß er sich vornahm, irgendwann, wenn er dies alles hinter sich hätte, diesen Planeten am Rande des intergalaktischen Nichts zu besuchen.

"Haben Sie bereits eine Passage gebucht, N'Gaba?"

"Ja, nach Ikarus." Ikarus umkreiste dieselbe Sonne wie Tasner, die Passage war kurz.

Sie lächelte etwas geringschätzig. "Ikarus ist eine unbedeutende und uninteressante Welt."

"Schon möglich, aber ich kann es mir nicht leisten, mich zu weit von Tasner zu entfernen."

"Wenn Sie mit mir nach Am-Abgrund gehen würden..." Sie sprach den Satz nicht zu Ende.

"Ich werde sicherlich einmal dorthin kommen. Aber zunächst einmal habe ich eine Aufgabe..."

"Eine Aufgabe? Die einzige Aufgabe ist das Leben selbst, ist Erfahrung, wissen Sie?"

Israt verstand schon - oder glaubte es zumindest -, aber er war an der Art Erfahrung, die Changas meinte, nicht interessiert. Das gehörte alles zu den Dingen, die er hinter sich lassen wollte.

„Für wen erfüllen Sie diese Aufgabe?", fragte sie dann plötzlich.

Beinahe hätte sich Israt versprochen und gesagt: „Für mich! Für wen denn sonst?“ Aber er bekam rechtzeitig die Kurve und log: "Für wen? Für Saretto-Yulmaz-Gerland!"

„Aha, dachte ich es mir doch!“ Es klang nachdenklich.

Er runzelte die Stirn. Woher wußte sie diesen Namen? Hatte er ihn ihr gegenüber erwähnt? Er erinnerte sich nicht mehr genau.

"Oder für LeCarré?" fügte sie unvermittelt hinzu.

"Alles, was ich tu, tu ich für mich selbst", rutschte es ihm heraus. Jetzt war es nicht mehr zurückzunehmen. Auch als er relativierend nachschob: „Gewissermaßen...“ Und noch etwas leiser: "Ich möchte etwas werden, verstehen Sie?" Man konnte nicht sagen, ob sie verstand. Ihr Gesicht war entspannt wie immer; es war jedenfalls keinerlei Veränderung feststellbar.

"Sind Sie nicht genug?" fragte sie dann schließlich in die entstandene Stille hinein.

Israt schüttelte leicht den Kopf.

"Nein. Ich möchte mehr sein, als ich bin." Es fiel ihm einfach nichts Besseres ein, auch wenn er es noch so sehr verfluchte.

"Sie möchten Macht..." Es war eine Feststellung, die da über die Lippen der Frau von Am-Abgrund ging, keine Frage.

Israt schwieg.

Changas sah das Erstaunen in seinem Gesicht und lächelte. "Sie können es ruhig zugeben. In ihrem Innersten wissen Sie, daß ich recht habe."

"Woher...?"

"Ich weiß es eben. Und LeCarré weiß es eben auch."

"LeCarré?"

"Ja. Durch ihren Machthunger sind Sie käuflich, N'Gaba. LeCarré weiß das. Das ist der Grund für ihn, Ihnen das entgegenzubringen, was er 'Freundschaft' nennt. Sie wollen Macht, wissen aber, daß sie nur aufsteigen können, wenn LeCarré seine starken Arme über Ihr Haupt hält - darum sind Sie ihm hörig und werden es so lange bleiben, wie diese Abhängigkeit besteht." Sie seufzte, strich mit der Hand über ihr Kinn und lächelte dann erneut. "Vielleicht ist das das Geheimnis von LeCarrés Erfolg: Er hat eine phänomenale Gabe, die Schwachpunkte von Menschen auszumachen. Ich glaube, es gibt niemanden, den er nicht kaufen könnte..."

"Ich bin etwas verwirrt", behauptete Israt. In Wahrheit jagten sich seine Gedanken, aber keineswegs als Ausdruck von Verwirrung. Er dachte darüber nach, was er soeben gehört hatte – und fragte sich am Ende: Wer nutzt hier wen aus? LeCarré mich – oder ich LeCarré? Nun, so lange wir beide unseren Vorteil davon haben, ist es in Ordnung...

Er konzentrierte sich wieder auf die Frau von Am-Abgrund.

"Das kann ich verstehen", meinte sie gerade.

"Ich jedenfalls verstehe zum Beispiel nicht, weshalb er mich - und damit die Company so fördert", sagte Israt und beobachtete sie dabei genau. Es war unglaublich schwer, in ihrem Gesicht zu lesen, wenn nicht unmöglich. Er versuchte es trotzdem. Was dachte sie wirklich? Warum sagte sie dies alles?

"Sie stellen Konsumgüter her, nicht wahr?"

Israt unterdrückte ein Nicken. „Mein Konzern, abgekürzt nennt er sich SYG, macht Terraforming. Allerdings nicht nur...“ Er brach ab. Es war schon ziemlich viel, was er damit sagte. Sie sollte nur soviel hören, daß sie weiter redete. Vielleicht würde Israt von ihr etwas erfahren, was von Wichtigkeit war? Er konnte es sich zwar nur schwer vorstellen, bei all den Belanglosigkeiten, die sie bislang von sich gegeben hatte, aber hier und heute hatte sich das schlagartig geändert, und es war für Israt zumindest nicht uninteressant, mehr davon zu hören.

"Sehen Sie, wenn LeCarré dafür sorgt, daß es endlich ein billiges Konsumgüterangebot auf Tasner gibt, dann hilft ihm das, die nächste Wahl zu gewinnen und sein Amt zu behalten."

Ihm wurde jetzt doch schwindlig: Sie sprach so etwas von selbstverständlich vom sogenannten Konsumgüterangebot, als hätte er Terraforming noch nicht einmal erwähnt. Sie schien keine Sekunde daran zu zweifeln, daß haargenau das sein Auftrag war – schon immer. Terraforming war absolut kein Thema für sie.

Verdammt! Dachte er. Wer ist sie? Was hat sie vor? Das ist doch kein Zufall, daß ich sie kennenlernte!

Es war ihm, als würde ihn ein Blitz durchzucken:

Die Vernetzungsgegner!

LeCarré ist einer der Haupträdelsführer – und Chuang wohnt bei ihm – ohne erkennbares Motiv...

Er schluckte schwer.

"Sie scheinen hier gut informiert zu sein. Stehen Sie in engerem Kontakt zum Ersten Repräsentanten?. Warum sind Sie hier auf Tasner? Was tun Sie hier und...?" Er brach wieder ab. Nein, er hatte diese drängenden Fragen einfach nicht länger zurückhalten können. Gut informiert? Eine gelinde Untertreibung, denn schließlich wußte sie von seinen eigentlichen Absichten, obwohl er mit niemandem bisher darüber gesprochen hatte – auch mit LeCarré nicht.

Als könnte sie... Gedanken lesen?

"Bitte..." Sie schaute ihn ernst an. "Keine solchen Fragen. Das braucht Sie nicht zu interessieren."

Damit war das Gespräch beendet für diesmal.

*


Aber sie trafen sich nach wie vor, auch wenn Israt nicht mehr daran glauben mochte, daß es sich jedesmal um Zufall handelte.

Ein anderes Mal fragte Israt sie, weshalb LeCarré eine Vollendung des Terraforming-Programms offensichtlich boykottiere. Er fragte es, ohne die Hoffnung, überhaupt eine Antwort darauf zu erhalten.

Sie sagte:

"Können Sie sich das wirklich nicht denken, N'Gaba?"

"Dann würde ich nicht fragen!"

"Solange Tasner nicht 'fertig' ist, wird die Bevölkerung nur unwesentlich wachsen. Wenn dies aber eine erdgleiche Welt geworden ist, werden Millionen hierher strömen, um sich hier niederzulassen. Nach dem Föderationsvertrag haben sie das Recht dazu, denn es gibt auch hier im Rand-Gebiet übervölkerte Planeten. Aber das würde bedeuten, daß die nicht einmal zwei Millionen Tasnerianer sehr schnell majorisiert würden. Die Neuankömmlinge hätten sicherlich kaum Verständnis für diese Kultur, was zum Beispiel das 'Festival' angeht. Irgendwann würde es vermutlich verschwinden, weil die Mehrheit dagegen wäre. Und das will LeCarré verhindern. Er liebt das Festival."

Er sah sie an und wußte definitiv, daß dies nicht die ganze Wahrheit war. Es steckte noch etwas dahinter – etwas, was wirklich ein gravierender Grund war. Denn auch seine anfängliche Meinung, die Ablehnung wäre einfach nur in der Borniertheit der Außenweltler zu sehen, stimmte bei weitem nicht.

Was also war dieser gravierende Grund?

Er konnte sich das Hirn darüber zermartern, aber er kam einfach nicht darauf. Noch nicht einmal annähernd.

Vielleicht hatte sie in einem recht, und es hatte irgendwie auch mit dem Festival zu tun?

*


Während dieser Tage (die Zeit des Festivals rückte unaufhaltsam näher) begannen die Tasnerianer damit, ihre öffentlichen Gebäude zu versiegeln. Auf Empfehlung LeCarrés hin nahm Israt an einigen der dazugehörigen Festakte teil: So unter anderem bei der Versiegelung des Obersten Gerichtshofs von Val-Duun (wo er Galnak Lon Tuy wiedertraf) und der Datenbank, wo er sich der Aufmerksamkeit Alana Susstu-Garlis' gewiß sein konnte.

Überall, in den Straßen, in den Cafés, in der Magnetbahn, war jetzt die Nähe des Festivals zu spüren. Festivalwaffen erlebten einen Boom, und natürlich stiegen die Preise.

Ein allgemeines Fieber breitete sich auf dem Planeten aus und störte die sonst übliche Ruhe. Plötzlich sah man Menschen sich beeilen, sich hektisch umdrehen; Feindseligkeit und Angst glänzten in vielen Augen.

Es war eine Seuche, und niemand schien sich der Ansteckung entziehen zu können.

Eine große Veränderung hatte Tasner erfaßt, und jeder Tag brachte neue Vorboten der künftigen Barbarei.

Auf den Straßen und in den Cafés konnte man Drohungen hören, die Magnetbahnwagen waren von zänkischem Stimmengewirr erfüllt. Man spürte den in der Luft liegenden Haß, der von Tag zu Tag zuzunehmen schien und nur darauf wartete, sich entladen zu können.

Aber so abstoßend die allgemeine Verwandlung auch war, auf einer anderen, unterschwelligen Ebene wirkte sie auch wieder faszinierend auf Israt. Die Zivilisation schien sich von Tasner zurückzuziehen, um für eine Weile wieder einem früheren Zustand Platz zu machen.

Schließlich kam der Tag, an dem Naomi Changas zurück nach Am-Abgrund flog. Israt hatte kaum erwartet, daß sie sich vorher noch von ihn verabschieden würde, aber sie tat es und suchte ihn hierfür sogar direkt in seinem Quartier auf.

"Sie haben eine Passage nach Ikarus gebucht, nicht wahr?" fragte sie völlig unnötigerweise.

"Ja. Warum?"

"Wenn sie Ihren Aufstieg ein wenig fördern wollen, dann sollten sie... nicht fliegen!"

"Sie meinen, es wäre günstig für mich, wenn ich während des Festivals hier auf Tasner bliebe?"

"Ja.“

"Aber..

"Ich weiß, was Sie jetzt erwidern wollen. Aber bedenken Sie, um wieviel Grad Sie in der Gunst des Ersten Repräsentanten steigen würden... Sie können mir vertrauen, N'Gaba. Ich kenne LeCarré - vielleicht sogar besser als er sich selbst."

Sie zuckte mit den Schultern, und Israt dachte: Als wenn ich nicht längst schon mit diesem Gedanken gespielt hätte. Weniger noch, um damit LeCarré zu imponieren, sondern mehr aus Neugierde heraus: Was steckt wirklich hinter den Motiven der Außenweltler, wenn sie Terraforming so rigoros ablehnen?

Und nicht nur auf Tasner wird Terraforming überwiegend abgelehnt, wie er wußte. Aber vielleicht ist das Festival so etwas wie der Schlüssel zu dem Geheimnis, das möglicherweise hinter allem steckt?

Ein Geheimnis zumal, das offenbar nicht jedem Außenweltler offenbar ist, denn sonst würde es keine Außenweltler geben, die so sehr FÜR das Terraforming als ihrer Meinung nach bestem Anfang für einen hoffnungsvollen Neubeginn der Föderation stimmten. Wie zum Beispiel der Präsident der Förderation. Oder wie sein Sicherheitsminister Egon Kransom.

Er lauschte wieder den Worten von Nacini Changas: "Sie müssen selbst wissen, was Sie tun, N'Gaba. Ich wollte Ihnen diesen Aspekt des Problems jedoch nicht vorenthalten."

Als sie ging, ließ sie ihn etwas ratlos zurück.

'Nein', dachte er schließlich, 'ich habe keine Lust, als zerfetzter Leichnam hier irgendwo in den Straßen Val-Duuns zu enden.'

Nichts schien dieses Risiko rechtfertigen zu können; auch der Erfolg nicht. Genauso wenig wie das Ergründen eines Geheimnisses, dessen Hintergründe ihn mehr und mehr zu quälen begannen. Und doch... Er war sich nicht vollends sicher.

*


Einige Tage später übermittelte er per Hyperfunk und mit ausdrücklicher Genehmigung des Ersten Repräsentanten den Inhalt der Datenbänder. Nicht an SYG, sondern an seine Zentrale in Lagos.

Niemand wunderte sich darüber, daß er sie nicht SYG übermittelte!

Aber er hatte nichts anders erwartet, und er hatte außerdem beschlossen, nicht mehr länger das Versteckspielen aufrecht zu erhalten. Zumindest nicht, was seine eigentlichen Absichten betraf. Wenn man hinter seinem Rücken schon so offen darüber sprach...

ER hatte schließlich nicht umsonst den Konzern verlassen wollen – zu einem Zeitpunkt, an dem er den Konzern sowieso nicht mehr brauchte. Weil er genügend Geschick bewiesen hatte beim Spekulieren an der interplanetarischen Börse, daß er längst ein reicher Mann geworden war.

Aber das Angebot von Lester Banjo hatte er dennoch nicht ablehnen können. Von Anfang an wollte er zweigleisig fahren: Er wollte den Auftrag betreffend Terraforming erfüllen und gleichzeitig den sich selbst gestellten Auftrag, Tasner zum wichtigsten Industrieplaneten zu machen, den es unter den Außenwelten gab!

Von Tasner aus sollte die industrielle Revolution für sämtliche Außenwelten beginnen, und wenn es ihm wirklich gelang, würde er dadurch der mächtigste Mann werden, den es jemals in diesem Universum gegeben hatte!

Denn die Firma, die nicht nur das Konzept für Konsumgüterherstellung, sondern gleich auch komplexe Fabrikationsanlagen dazu verkaufte... Von dieser Firma war niemand anderes als er selbst Hauptanteilseigner!

Er hatte das fatale Gefühl, als wäre das LeCarré von Anfang an bekannt gewesen – wie auch immer...

Und nicht nur LeCarré: Er dachte nicht zufällig dabei auch an Naomi Changas!

Dabei hatte er wirklich alles getan, es ein Geheimnis bleiben zu lassen. Aus vielerlei Gründen. Der Hauptgrund war wohl, daß er davon ausging, wenn man auf den Außenwelten schon so vehement gegen Terraforming war – wie groß würden dann erst die Bedenken sein, wenn es um Konsumgüterherstellung ging?

Diese Bedenken hatte er erst ausräumen wollen. Und dann hätte er auch nur zugegeben, daß er gewissermaßen so ganz nebenbei auch Handelsvertreter in diesen Dingen war. Er hatte jedenfalls keinen Sinn darin gesehen, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Ganz im Gegenteil: Er wäre jede Wette eingegangen, daß dies ein schlimmer Fehler gewesen wäre.

Jetzt sah er alles in einem völlig anderen Licht. Es kam ihm beinahe lächerlich vor, daß er eine solche Geheimniskrämerei überhaupt veranstaltet hatte.

*


Weitere Tage vergingen und seine Passage nach Ikarus rückte in bedrohliche Nähe. Schließlich verging auch der Tag, an dem sein Schiff ihn zum Nachbarplaneten Tasners hatte bringen sollen, ohne daß er Val-Duun verlassen hatte.

Als Israt LeCarré von seinem endgültigen Entschluß berichtete, während des Festivals den Planeten nicht zu verlassen, schien dieser zunächst überrascht und dann erfreut zu sein.

Israt fragte seinen Gastgeber auch, an wen man sich wenden müsse, um ein gutes Schwert zu bekommen.

Daraufhin schwieg LeCarré zunächst.

Langsam breitete sich ein freundliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. Ein seltsamer Glanz lag in seinen sonst so nüchternen, Intelligenz ausstrahlenden Augen.

"Sie scheinen allmählich das Wesen dieser Gesellschaft zu begreifen, N'Gaba. Das freut mich."

Israt wußte nichts zu erwidern.

Er erinnerte sich an die Video-Aufzeichnungen, die er gesehen hatte, an die abscheulichen Bilder und an die Bestie, die sein Gastgeber sein konnte... Ein fremdes, ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengegend bemerkbar; irgend etwas schien sich zusammenzukrampfen. Er wußte, was es bedeutete...

'Ich kann keine Rücksicht nehmen', dachte er.

"Ich werde Ihnen ein Schwert schenken, N'Gaba", sagte LeCarré plötzlich. "Betrachten Sie das als Zeichen meiner Gunst."

*


Die Tage der Barbarei waren wie ein atavistischer Alptraum, aber es stellte sich heraus, daß das Überleben wesentlich einfacher war, als Israt ursprünglich gedacht hatte. Es war nicht so, daß in jedem Fall willkürlich irgendwer auf irgendwen einschlug, sondern es existierte ein kompliziertes System von Koalitionen.

LeCarré, der Israt auch in den Gebrauch seiner Waffe einführte, bot seinem Favoriten die Koalition an, ebenso Ming Yaobang, als er erfuhr, daß der Nigerianer den Planeten während des Festivals nun doch nicht verlassen würde.

Während des ganzen Tages tobten in den Straßen Val-Duuns wilde Schlachten, bei denen mehr Blut floß als Israts empfindliches Erdmenschen-Gemüt ertragen konnte:

Allein am ersten Festivaltag mußte er sich dreimal übergeben. Man schien keine Anlässe zum Kämpfen zu brauchen, man kämpfte um des Kämpfens willen.

Nach Sonnenuntergang war Waffenruhe, und die Verletzten wurden von Medo-Robotern aufgelesen und in die umliegenden Kliniken gebracht, wo man sie wieder zusammenflickte, soweit das noch möglich war.

Innerhalb der Häuser wurde nur selten gekämpft. Die Gefahr, Sachschaden anzurichten, war einfach zu groß, das finanzielle Risiko für den Kämpfer ebenfalls, denn nach dem tasnerianischen Gesetz mußten auch während des Festivals zerstörte Sachwerte dem Geschädigten (beziehungsweise dessen Erben) ersetzt werden. Man ging also lieber auf die Straße.

Der erste Tag hatte Israt schwer mitgenommen. Das einzige, das er nach Eintritt der Waffenruhe noch empfinden konnte, war eine gewisse Befriedigung darüber, daß er überhaupt bis überlebt hatte – bis jetzt jedenfalls.

Er hatte sich ziemlich orientierungslos durch die mit geballtem Haß qefüllten Straßen bewegt, war eher ausgewichen, als sich zu stellen, hatte sich mehr verteidigt als agressiv anzugreifen.

Für einen kurzen Augenblick hatte er Alana Susstu—Garlis mitten im Getümmel zu sehen vermeint, war sich später jedoch nicht mehr hundertprozentig sicher, ob es tatsächlich sie gewesen war.

Der zweite Tag war bereits einfacher. Israt hatte an Härte gewonnen, wenn er auch des inbrünstigen, unbegründeten Hasses, der ihm überall entgegenschlug, selbst nicht fähig war.

In der Nähe des Seeufers erschlug er einen zrachistischen Mönch, der sich ihm drohend in den Weg gestellt hatte. Es schien so einfach, das Töten.

In der Magnetbahn metzelte er einen Mann und zwei Frauen nieder, die, zuvor noch im gegenseitigen Streit verwickelt, sich plötzlich gegen ihn zusammengeschlossen hatten.

Ja, ohne Zweifel war LeCarré ein guter Fechtlehrer. Mochte Allah ihn schützen.

*


Am dritten Tag erwischte es ihn.

Ein Schwert verwundete ihn am Kopf, und er war mehrere Tage bewußtlos.

Als er in der Klinik erwachte, wußte er nicht, wieviel Zeit vergangen war. Er fühlte kaum etwas, nur, daß er noch lebte und daß etwas mit ihm nicht stimmte. Ansonsten war er völlig ausgeleert.

Dieses erste Erwachen nach der Verwundung, die man ihm zugefügt hatte, kam ihm wie eine Art Wiedergeburt vor.

Er mußte es immer wieder denken, es war das einzig Klare, das sich in seinem Gehirn manifestierte: Eine Wiedergeburt. Dann dämmerte er wieder in die Bewußtlosigkeit hinüber.

Als er das nächste Mal erwachte, ging es ihm bereits besser. Das erste, das er wahrnahm, war das große Insektenauge des Medo-Robots neben seinem Bett.

'Ein primitives Modell', dachte Israt. 'Auf den Inneren Planeten würde man eine Behandlung mit dem Ding wohl als Körperverletzung empfinden!'

"Wie geht es Ihnen, Herr N'Gaba?" fragte die Maschine in akzentfreiem Rand-Lingua.

"Ich weiß nicht - besser, wie es scheint."

"Haben Sie irgendwelche Wünsche?"

Israt antwortete nicht sogleich.

"Soll ich Ihnen etwas bringen?"

"Nein."

Als er von der Maschine erfuhr, daß das Festival bereits vorüber war, atmete er erleichtert auf. 'Ich denke, jetzt wird mich niemand mehr aufhalten können', dachte er, von Euphorie ergriffen. Er fühlte sich paradoxerweise sehr stark. Er hatte das Festival überlebt. Das war wichtiger als alles andere.

*


Israts Zustand verbesserte sich zusehends (obwohl der Standard der tasnerianischen Medizin niedrig war), und bald konnte er bereits wieder sein Quartier bei LeCarré einnehmen.

Eine Hyperfunknachricht kam: Seine Company hatte die Daten ausgewertet. Ganze Produktionsanlagen würden nach Tasner geschickt werden können und er, Israt N'Gaba, würde (da er sich so intensiv mit den lokalen Verhältnissen vertraut gemacht habe) der Leiter von allem. Nicht nur, weil er die Anteilsmajorität der Company hatte.

Sein Traum begann, Wirklichkeit zu werden.

Er mußte nur erst mit LeCarré endlich darüber sprechen...

Es gab keinerlei Schwierigkeiten, von LeCarré empfangen zu werden. Ganz im Gegenteil: LeCarré empfing ihn wie seinen besten Freund, und das gab Israt den Mut, den er brauchte, endlich sein Geheimnis zu lüften – ein Geheimnis allerdings, das offenbar sowieso schon lange keins mehr war: „Ich bin nicht nur der Handelsvertreter von SYG, sondern vertrete auch meine eigene Firma – die Israt-Company, wie ich sie seit Übernahme der Aktienmehrheit nenne!“

LeCarré lächelte wohlwollend, hielt sich aber zurück und wartete darauf, daß Israt fortfuhr.

Dieser tat es dann auch: „Ich habe bereits auf Centrum erfahren, daß sich wohl kaum für Terraforming eine Mehrheit finden läßt. Deshalb wollte ich...“

Jetzt brach er doch ab.

LeCarré lächelte. Dann nickte er ihm aufmunternd zu.

Zögernd fuhr Israt fort: „Es ist doch so: Die Planeten der Außenbezirke sind ja nicht nur gegen Terraforming, sondern es gibt auch Vernetzungsgegner. Selbst Transmitter sind nicht erwünscht – um es einmal so zu umschreiben. Die Gegner der Vernetzung schrecken vor nichts zurück, um sich durchzusetzen. Dabei gibt es einen ganz anderen Weg, den Wohlstand der Föderation zu fördern – ohne Terraforming und letztlich sogar ohne Vernetzung, wenn man diese immer noch nicht haben will: Hier ist man verständlicherweise gegen Konsumgüter aller Art eingestellt, grundsätzlich, aber doch nur, weil diese Konsumgüter teuer von den Inneren Planeten importiert werden müssen. Wenn aber einer der Planeten der Föderation in die Lage versetzt werden würde, diese Produkte selbst herzustellen, würde das nicht nur die wirtschaftliche Lage des betreffenden Planeten ziemlich schlagartig verändern...“

LeCarré nickte abermals, und jetzt lachte er sogar. Es war ein wohlwollendes Lachen.

„Dies alles ist nicht so ganz neu für mich, wie Sie schon richtig vermuten, werter Freund!“ Und dann gratulierte er ihm sogar: "Sie haben Ihre Sache wirklich gut gemacht!“

Ohne dich hätte ich überhaupt nichts geschafft! dachte Israt indessen, aber eigentlich ohne Groll darüber, daß LeCarré in einem solchen Maße die ganze Zeit über mit ihm sein Spiel getrieben hatte.

LeCarré sagte inzwischen: „Ihre Vorgesetzten bei SYG haben Sie lange genug unterschätzt, nicht wahr? Sie wurden unterdrückt, regelrecht boykottiert, hatten kaum Aufstiegschancen. Vor allem dieser Lester Banjo... ER ist ja mehr ein Feind denn ein Freund, nicht wahr?"

Israt suchte vergebens nach' einem ironischen Unterton.

"Wenn Sie das sagen..." Und dann wurde ihm erst bewußt, daß hier ganz offen von Lester Benjo gesprochen wurde, obwohl er diesen Namen mit Sicherheit noch niemals erwähnt hatte.

Bevor er eine diesbezügliche Frage abschießen konnte, winkte LeCarré mit beiden Händen ab. Und dann sorgte er dafür, daß Israt gleich wieder seine Frage vergaß:

"Vermissen Sie die Verbundenheit mit dem GalaxyNet eigentlich sehr?"

Die Frage kam für Israt ziemlich unvermittelt.

Er sah LeCarré erstaunt an.

"Ich habe schon lange nicht mehr darüber nachgedacht", bekannte er dann zu seinem eigenen Erstaunen.

Und dann gingen die beiden daran, die näheren Umstände zu erläutern, unter denen die erste Fabrikanlage auf Tasner verwirklicht werden sollte.

Daß dabei so etwas wie menschliche Arbeit mit einkalkuliert wurde, das war eine Eigenheit von Tasner – und wohl auch von den übrigen Randwelten. Israt beschloß, sich darüber lieber nicht auszulassen, daß hier menschliche Arbeitskraft billiger war als robotische...

*


Oswaldo Heinrichs weilte noch immer auf Tasner, wenn auch seine Hoffnungen bezüglich eines geschäftlichen Erfolgs inzwischen auf Null gesunken waren.

Während des Festivals hatte er sich mehr oder weniger ständig in seinem Quartier verbarrikadiert; jetzt hing er meistens in den Straßenlokalen herum, seltener fand man ihn auch in den Salons LeCarrés.

Als Israt ihn nach seiner Genesung zufällig in einem Café traf, konnte der Mann aus Alpha Centauri seinen Neid nicht verbergen. Heinrichs wirkte matt und müde, seine Wangen waren eingefallen, sein Gesicht hatte die Farbe verloren.

"Wie geht es Ihnen, Heinrichs?"

"Nicht gut, N'Gaba. Nicht gut, wirklich..."

"Das tut mir leid."

Heinrichs zuckte mit den Schultern und machte mit der Hand eine wegwerfende Geste. "So ist das Leben. Ich hatte einfach kein Glück, das muß ich akzeptieren."

"Werden Sie noch lange hierbleiben?“

"Nein, ich werde zurückfliegen. Ich habe eingesehen, daß es keinen Sinn mehr hat, hier weiterzumachen. Der Erste Repräsentant empfängt mich nicht einmal mehr persönlich."

Sie schwiegen einige Momente.

Heinrichs blickte in sein Glas.

"Wie ich hörte, waren Sie verletzt, N'Gaba."

"Das ist richtig, ja."

Er blickte wieder auf; in seinen Augen funkelte es angriffslustig.

"Ziemlich gefährlich, dieses Festival, nicht wahr? Habe ich Ihnen ja gesagt." Eine höchst unangenehme Atmosphäre kam plötzlich zwischen ihnen auf. Israt spürte die unterschwellige Feindseligkeit des anderen. "Alles gut verheilt?"

"Ja."

"Sie haben unverschämt viel Glück, N'Gaba. Viel mehr, als Ihnen eigentlich zusteht."

*


Langsam begann das öffentliche Leben auf Tasner, aus seinem Festivalschlaf zu erwachen. Die öffentlichen Gebäude wurden ebenso feierlich wieder eröffnet, wie sie vorher versiegelt worden waren; das Fieber in den Straßen war verschwunden und die alte Ruhe breitete sich wieder aus. Diese zweite Verwandlung war nicht weniger erstaunlich als die erste.

Es war eine gute Zeit für Israt.

Es gab für ihn nichts zu tun, als Land zu kaufen und auf die Fabrikationsanlagen zu warten.

LeCarré bot ihm eines Tages das planetare Bürgerrecht an. "Damit können Sie öffentliche Ämter bekleiden, wählen, sich hier unbegrenzt lange aufhalten, et cetera."

Wahrend die Tasner-Monate vergingen, trafen laufend Schiffe mit Maschinenteilen der Israt-Company ein. Produktionsanlagen schossen aus dem Boden und begannen zu produzieren.

*


Oswaldo Heinrichs hätte nie gedacht, in seinem Leben noch einmal in diese Gegend der Galaxis zu kommen.

Tasner...

Er dachte nicht gern an das zurück, was für ihn mit diesem Namen verbunden war.

Fast zehn Standardjahre waren seit damals vergangen und Heinrichs war noch immer in der selben Position, tat exakt die selben Dinge: Es schien so, als würde das bis zu seinem Lebensende so bleiben. Er war in jeder Beziehung mittelmäßig: zu schlecht, um aufzusteigen, zu gut, um abzufallen. In sein Leben war Stillstand gekommen, es hatte sich im Zustand eines unbefriedigenden Gleichgewichts eingependelt.

'Nichts Neues mehr im Universum', dachte er. Er konnte den weiteren Verlauf seines Lebens so scharf und exakt voraussagen, daß es innerlich schmerzte.

Heinrichs wohnte seit 1,1 Standardeinheiten im Grand-Hotel von Ikarus-Stadt. Wenn es auf Ikarus je sternenklare Nächte gegeben hätte, hätte man von hier aus Tasner als leuchtenden Punkt am Himmel sehen können...

Er war auf der Durchreise und würde einige Standardeinheiten lang auf eine Schiffsverbindung warten müssen.

Auf dieser Seite von Ikarus war gerade Nacht, und deshalb befand er sich auch fast allein in der Bar des Grand-Hotels. Der Gin wurde in viereckigen Gläsern serviert, und es war eine eigene Kunst, daraus zu trinken. Die bis zu dieser späten Stunde in der Bar verbliebenen Gäste brüteten mehr oder weniger alle schweigsam vor sich hin und schienen an einem Gespräch wenig interessiert zu sein.

Daher sprach Heinrichs den Barmann an, der große Tränensäcke und hervorstehende Augen hatte. "Sagen Sie..."

Dar Barmann schaute auf, eine Flasche in der Hand, und zog die Brauen hoch. Dann kam er ein paar Schritte heran. "Was?"

"Wissen Sie, ob man auf Tasner inzwischen das Terraforming-Programm beendet hat?"

"Was?"

"Verstehen Sie nicht?" Heinrichs versuchte, es ihm zu erklären, aber es nützte nichts. Der Mann hatte hatte keine Ahnung.

'Schade', dachte Heinrichs.' Ich hätte gerne gewußt, ob jemand anderes diesen Auftrag ergattern konnte. Damals, als er Tasner verlassen hatte, er erinnerte sich noch genau, war er vollkommen fertig gewesen. Selbst die Erinnerung daran war niederschmetternd.

Tasner war das letzte Glied in einer Kette von Mißerfolgen gewesen; Heinrichs hatte an sich selbst zu zweifeln begonnen und war durchgedreht. Psychische Erschöpfung war die Diagnose gewesen. Es hatte Monate gedauert, bis er seine Arbeit wieder hatte aufnehmen können.

Inzwischen hatte er seine Hoffnungen auf einen Aufstieg in die obersten Etagen endgültig aufgegeben.

Er hatte resigniert.

Sein Glas war leer, und der Barmann füllte nach. Heinrichs' Blick blieb an einem der verbliebenen, vor sich hinbrütenden Gäste hängen. Dieses Gesicht... Nein, das konnte nicht sein:

Der Mann, auf den sein Blick gefallen war, saß in einer Nische vor seinem Glas und starrte stumm vor sich hin. Tiefe Falten furchten sein Gesicht, sein Haar war ergraut, sein Gesicht tiefschwarz - konnte es möglich sein? Heinrichs rief den Barmann abermals zu sich und fragte leise nach der Identität des Schwarzen.

"Sein Name ist N'Gaba."

"Wohnt er hier im Hotel?"

"Seit heute."

Heinrichs schaute zu dem allein an seinem Tisch sitzenden Mann hinüber und musterte ihn eingehend. Ja, es war unzweifelhaft dasselbe Gesicht. Er hatte sich nicht getäuscht.

"Was tut er hier?" fragte er den Barmann, ohne sich umzudrehen.

"Ich weiß es nicht. Wir pflegen unsere Gäste nicht auszufragen. Ich weiß nicht einmal, woher er kommt."

N'Gaba hatte Heinrichs nicht bemerkt. Unzweifelhaft schien der Schwarze stark gealtert zu sein und zwar unverhältnismäßig zu den Jahren, die vergangen waren. Er sah nicht glücklich aus.

In Heinrichs' Bewußtsein war N'Gaba seit ihrem Zusammentreffen auf Tasner immer eine Art Sinnbild des Erfolges gewesen. Neid und unterschwelliger Haß hatten an ihm genagt.

Er hatte verzweifelt versucht, diesen Namen aus seinem Bewußtsein zu verbannen.

Nachdem Heinrichs Tasner verlassen hatte, hatte er kaum noch etwas von dem Mann der Saretto-Yilmaz-Gerland-Company gehört. Einmal war eine Meldung in seine Hände gelangt, ein gewisser N'Gaba sei zum Ersten Repräsentanten von Tasner aufgestiegen... Er konnte sich nicht mehr genau entsinnen, wann das ungefähr gewesen war. Einige Jahre waren sicherlich vergangen. Und nun sah er ihn hier vor sich, ganz und gar nicht in der Pose des strahlenden Siegers. Was mochte inzwischen geschehen sein?

Heinrichs war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, zu N'Gaba hinzugehen, mit ihm zu sprechen und seine Neugier zu befriedigen - und seiner Furcht vor ihm.

*


Als Israt plötzlich die Gestalt Oswaldo Heinrichs' vor seinem Tisch auftauchen sah, erschrak er ein wenig.

Heinrichs hatte sich in seinem Äußeren kaum verändert, was wohl darauf zurückzuführen war, daß er sich kosmetische Behandlungen leistete.

"Warum setzen Sie sich nicht, Heinrichs?"

Heinrichs setzte sich zu ihm an den Tisch, noch immer stumm. "Wie geht es ihnen, N'Gaba?"

Israt zuckte mit den Schultern.

"Ich habe gehört, Sie wären zum Ersten Repräsentanten avanciert."

"Das ist wahr, ja. Ich war eine zeitlang Erster Repräsentant von Tasner." Israts Stimme klang müde, seine Art konnte man fast apathisch nennen. Er schien mit den Gedanken nicht wirklich beim Gespräch zu sein.

"Haben Sie dieses Amt jetzt nicht mehr inne?"

"Nein."

"Sie haben Tasner verlassen?"

"Ja." Und nach einer Pause: "Was wollen Sie von mir, Heinrichs?" Er trank sein Glas aus. "Wollen Sie mich quälen?"

Ohne auf das von Israt Gesagte einzugehen fragte Heinrichs: "Was machen Sie hier auf Ikarus, N'Gaba?"

"Ich bin auf der Durchreise – wie Sie."

'Welch eine Veränderung', dachte Heinrichs. Und plötzlich begann er, fast so etwas wie Mitleid zu empfinden. "Warum haben Sie Tasner verlassen? Sie waren doch ziemlich erfolgreich, wenn ich mich recht entsinne..."

"Oh, ja, das stimmt: Ich war sehr erfolgreich. Mir unterstanden mehrere Dutzend Fabriken für Konsumgüter aller Art – allein auf Tasner, ganz zu schweigen von den anderen Welten: Ich konnte soviel Geld scheffeln, daß ich längst sogar Saretto—Yilmaz-Gerland übernehmen konnte. Eine tolle Gelegenheit, Lester Banjo, meinen ehemaligen Chef, zu feuern. Auch wenn ich es dann doch nicht tat, denn ohne den wäre ich vielleicht erst später nach Tasner gekommen, vielleicht auch überhaupt nicht?" Er grinste flüchtig, dabei seinen abwesenden Blick beibehaltend. "Ich habe mehr Geld als Sie sich überhaupt vorstellen könnten."

"Wie kam es, daß Sie Erster Repräsentant wurden?"

"Ich wurde dazu gewählt, nachdem LeCarré nach Am-Abgrund emigrierte."

"LeCarré nach... Am-Abgrund?"

"Ja. Da war eine Frau, eine Katholikin, die hatte einen großen Einfluß auf ihn. Er hat sich bekehren lassen und versucht nun, Buße zu tun. So jedenfalls die offizielle Version." Ein heiseres Lachen kam aus seinem Mund.

"Und Sie sind jetzt ebenfalls ausgewandert, nicht wahr, N'Gaba?"

"Na ja...“

"Warum eigentlich? Hatten Sie keinen Spaß mehr an diesen... Festivals? Haben diese Dinge für Sie allmählich ihren Kitzel verloren? Ist Ihnen mit der Zeit sogar die Macht langweilig geworden?" Ein spöttisches Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht von Heinrichs, aber Israt schaute ihn nicht an. „Oder ist es bei Ihnen dasselbe wie bei LeCarré und Sie sind von Ihren Schuldgefühlen und Ihrem schlechten Gewissen schließlich vom Sockel gestoßen worden?" Heinrichs nickte überheblich und im Gefühl moralischer Überlegenheit.

Er fühlte die Chance, N'Gaba in den Dreck zu treten, den Aufsteiger und Günstling so klein zu machen, wie er nie zu hoffen gewagt hätte. "Der Aufstieg hat seinen Preis gefordert, nicht wahr? Sie haben sich an ein Gesellschaftssystem barbarischster Sorte anpassen müssen, um nach oben zu kommen. Sie haben Ihre Identität und Ihr Gewissen verraten, aber das ist schließlich alles wieder auf Sie zurückgefallen. Dieses Abschlachten in den Straßen..."

Plötzlich blickte Israt auf. Er war jetzt vollkommen wach, die Apathie schien verschwunden.

Die Augen des Schwarzen bohrten sich in die seines Gegenübers - und Heinrichs verstummte.

„Jetzt haben Sie mir noch gar nicht erzählt, was Sie hier zu suchen haben, Heinrichs?“ Es klang irgendwie... sanft. „Wollen Sie etwa nach... Tasner? Und wenn ja: wieso?“

„Das geht Sie nichts an!“ sagte Heinrichs feindselig – und auch verwirrt ob der so unerwarteten Wandlung seines Gegenübers.

„Es ist Unsinn, länger um den heißen Brei zu reden, Heinrichs: Sie sind hier, weil ich das so wollte!“

„Sie?“ echote Heinrichs ungläubig.

„Ich bin nicht nur unermeßlich reich, seit meine Produkte auf den Äußeren Planeten reißend Absatz finden – und längst auch bis in den Bereich der Inneren Planeten vorgedrungen sind, sondern ich habe mehr Macht als jemals ein lebender Mensch zuvor im ganzen Universum.“

Er ist wahnsinnig geworden! Das ist es! schlußfolgerte Heinrichs.

Israt sah seine Skepsis und schüttelte den Kopf. „Sie müssen mir nicht glauben, Heinrichs. Sie müssen gar nichts glauben. Sie sind hier, und nur das zählt. Sie werden weiterreisen nach Tasner, aber ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Ihnen dabei persönlich zu begegnen.“

Seine Hand schnellte unerwartet vor und griff Heinrichs in den Nacken. „Erinnern Sie sich noch daran, an meine Verletzung während des Festivals?“

Heinrichs versuchte, die Hand des Schwarzen abzuwehren. Dieser bewies ungewöhnliche Kraft und unterdrückte die Gegenwehr von Heinrichs mühelos. „Der CyberSensor in Ihrem Nacken! Ich habe schon lange keinen mehr. Seit meiner Verletzung. Sie haben ihn mir entfernt. Deshalb auch meine lange Bewußtlosigkeit. Die Chirurgie auf Tasner war damals noch ziemlich unterentwickelt, müssen Sie wissen. Es war ein Risiko dabei.“

„Aber die konnten Ihnen doch nicht einfach...?“

Israt zog seine Hand wieder zurück und starrte auf die Tischplatte. „Ich habe mich auf dies alles eingelassen, um mächtig zu werden. Das wurde ich, aber zu welchem Preis...“ Er sah wieder auf. „Ich wurde sogar Erster Repräsentant von Tasner, aber wissen Sie, warum ich wirklich dieses Amt aufgeben mußte?“

Heinrichs schaute ihn nur ausdruckslos an. Er hatte panische Angst vor N’Gaba und hoffte dabei, daß dieser es nicht bemerkte. Ein Wahnsinniger wie er war unberechenbar. Das wußte man schließlich.

„Sie haben den Barmann nach Terraforming gefragt? Ausgerechnet! Es wird niemals Terraforming geben – auf keinem Planeten, wo es einst begonnen wurde. Denn diese Planeten haben ein Geheimnis, Heinrichs! Dieses Geheimnis heißt auf Tasner Zrach, aber es heißt auf jedem Planeten anders. Und daß nicht alle Außenweltler gegen Vernetzung und Terraforming sind, hat einen ganz einfachen Grund: Das Geheimnis betrifft nicht alle Planeten, sondern nur die Planeten, auf denen Terraforming begonnen, aber nie vollendet wurde.“

Heinrichs vergaß beinahe seine Angst vor dem Schwarzen. War er nicht Vertreter für Terraforming gewesen - damals? Und der Schwarze? Der nicht auch? Und hatte der nicht letztlich Erfolg gehabt? Wenn nicht mit Terraforming – womit denn sonst?

„Sie haben sich zu wenig mit dem politischen Geschehen beschäftigt in den letzten Jahren, Heinrichs. Deshalb sind Sie so ahnungslos: Es wird nämlich auch niemals eine Vernetzung in der Föderation geben. Das Geheimnis ist daran schuld. Und es ist auch daran schuld, daß ich hier bin. Sie werden morgen weiterreisen nach Tasner – und ich werde zurückkehren zu meinem Ursprung: Nigeria auf der Erde! Dort habe ich eine Aufgabe zu erledigen. Ich kann nicht nur Erster Repräsentant von Tasner sein, um am Ende einzugehen in Zrach.“

Heinrichs hatte überhaupt keine Angst mehr, sondern war jetzt nur noch neugierig. „Was ist wirklich geschehen – damals?“

„Nun, LeCarré hat alles inszeniert. Nicht allein, klar. Und Tembora Gregory hat ihn auf mich erst gebracht. Sie ist nicht wirklich untergetaucht oder gar verschwunden. Lester Benjo hat mich belogen. Nicht ganz freiwillig natürlich. Tembora Gregory hat ihn dazu gezwungen, im Auftrag von LeCarré und auch Egon Kransom, dem Sicherheitsminister der Föderation. Ich sollte von Banjo nach Tasner geschickt werden. Kransom sorgte dafür, daß durch ein von ihm selbst inszeniertes Bombenattentat niemand anderes als er höchstselbst mich empfing, und als ich dann endlich LeCarré gegenüberstand, wußte dieser sogleich, daß sich Tembora Gregory nicht getäuscht hatte: Ich bin der Auserwählte!“

„Der... Auserwählte?“ erkundigte sich Heinrichs. In seinen Augen flackerte es. Am liebsten wäre er jetzt davongelaufen, aber seltsamerweise faszinierte ihn die Geschichte mehr als daß sie ihn erschreckte.

Israt N’Gaba tat so, als würde er die Skepsis seines Gegenübers gar nicht bemerken.

„Zrach heißt das Wesen von Tasner, die Energie des Planeten, sein eigentliches Leben, seine Intelligenz, alles, was Tasner ausmacht! Tasner durch Terraforming zu einem perfekten Abbild der Erde zu machen, das würde bedeuten, Zrach die Lebensgrundlage zu entziehen. Zrach würde zwar nicht sterben – aber leiden, und damit würden alle Ureinwohner des Planeten leiden, deren Geist aufgegangen war in Zrach, und deshalb gab es ja auch kaum noch Leben auf Tasner – genauso wie auf allen anderen Welten, die man mittels Terraforming soweit veränderte, daß Menschen darauf wenigstens existieren können. Es war das äußerste, was Zrach und seine Brüder auf den anderen Welten ertragen konnten. Sie hätten es ganz verhindert, wären sie nicht neugierig geworden auf die Menschen. Und unter den Menschen gab es ebenfalls welche, die würdig waren, aufzugehen in Zrach.

Wissen Sie, Heinrichs, nicht alle nehmen nämlich am Festival teil. Es gibt eine ganze Menge Leute, die sich während des Festivals verstecken. Denn sie haben nichts davon, wenn sie während dem Festival zu Tode kommen. Nur die Zrach-Jünger haben etwas davon, denn sie sterben nicht, sondern verlassen nur ihren Körper, um einzugehen in Zrach.

Sie toben sich aus, geben ihren negativen Gefühlen freien Lauf – um ein Jahr lang ausgeglichen und friedfertig zu sein.

Und ich bin der Auserwählte noch unter den Auserwählten. Ich entstamme einer lange Ahnenreihe von afrikanischen Schamanen, denn ich habe ein erhebliches PSI-Potential. Aber nicht nur, daß mir dieses niemals bewußt wurde, es wurde auch noch durch meine Vernetzung unterdrückt. Deshalb mußte der CyberSensor entfernt werden! Meine PSI-Fähigkeiten konnten sich danach entfalten, und so wurde ich letztlich Erster Repräsentant.

Anders als LeCarré, denn der hatte dafür seinen Vorgänger enthaupten müssen, damit dieser eins wurde mit Zrach.

LeCarré war noch nicht reif genug, um aufzugehen in Zrach. Deshalb verließ er den Planeten, um mir den Weg frei zu machen. Er verließ den Planeten mit Nacini Changas. Denn auf Am-Abgrund gibt es nicht wirklich Katholiken! Es gibt dort nur Menschen, die nach den Vorgaben der christlichen Bibel ein Wesen anbeten, das kein wirklicher Gott ist, sondern ein Bruder von Zrach.“

„Und wieso haben Sie...?“ Heinrichs brach ab. „Warum haben Sie mich kommen lassen, wie Sie es ausdrücken?“

„Sie sind ebenfalls ein PSI-Mensch, Heinrichs. LeCarré hat es an Ihnen entdeckt. Deshalb hat er Sie bei sich wohnen lassen. Und dann ließ er Sie ziehen. Sie waren noch nicht soweit. Inzwischen ist das anders. Sie kotzt es an, wie Sie leben, nicht wahr, Heinrichs? Und ich biete Ihnen den einzig richtigen Ausweg! Ich will Ihnen damit einen Gefallen tun! Ja, werfen Sie ihr bisheriges und nutzloses Leben einfach weg. Werden Sie ein Jünger von Zrach. Und auch wenn Sie mir jetzt noch nicht glauben: Sie werden nach Tasner kommen und dort eingeweiht. Würde wirklich keine Chance bestehen, Ihre Seele zu retten, wären Sie längst schon aufgestanden und hätten mich verlassen.“

„Und Sie? Wie geht es weiter?“

„Schauen Sie mich an. Was glauben Sie, warum ich so schlimm aussehe? Ich habe einen Teil von Zrach in mir. Nur mir ist so etwas möglich. Deshalb gelte ich ja auch als der Auserwählte. Und ich bin inzwischen geübt im Umgang mit meinen PSI-Kräften, um meine Aufgabe auch wahrnehmen zu können. Die Saat wird aufgehen. Und ich habe so großen Einfluß auf allen Welten – dank meines Reichtums -, daß ich die Frohe Botschaft letztlich auf allen Welten verbreiten kann - ungehindert.“

Er stand auf und verabschiedete sich mit den Worten: „Zrach ist mit Ihnen, Oswaldo Heinrichs, und mit all seinen Jüngern!“

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ENDE

Kreuzweg vieler Welten : Science Fiction Sammelband: 1000 Seiten Roman Paket

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