Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 9
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ОглавлениеSie setzten den Weg Richtung Norden fort. Kane war dich noch nicht schlüssig darüber, ob der die Grenze tatsächlich überschreiten sollte. Aber Nogales war in jedem Fall ein gutes Ziel. Es gab eine Stadt auf der Arizona-Seite der Grenze, die diesen Namen trug und eine mexikanische Stadt gleichen Namens. Dass sich die Truppen des französischen Interventionsheers auch bereits so weit im Norden breit gemacht hatten, war nicht anzunehmen.
Die drei Reiter gelangten in die Nähe der Stadt Cassita.
Von einer Anhöhe beobachteten sie im Dämmerlicht einen Trupp von mindestens fünfzig französischen Kavalleristen, die am Stadtrand kampierten.
„Du hast dich nicht getäuscht“, stellte Kane an Macondo gerichtet fest.
Der Ort Cassita bestand nur aus wenigen Häusern und einer Kirche. Unterkunft konnten so viele Soldaten dort nicht erwarten. Sie kampieren daher im Freien.
Kane, Macondo und Smith ritten in einem weiten Bogen um Cassita herum, um den Truppen aus dem Weg zu gehen.
Die Dunkelheit brach herein, aber um einen größeren Abstand zu den in Cassita lagernden Truppen zu bekommen, ritten sie mehr als die halbe Nacht weiterer. Der klare Sternenhimmel ermöglichte die Orientierung.
Es war lange nach Mitternacht, als sie schließlich doch für eine Weile Rast machten – den Pferden zu liebe.
Auf ein Feuer verzichteten sie.
Noch vor Sonnenaufgang ritten sie weite Richtung Norden.
Gegen Mittag des folgenden Tages erreichten sie ein ausgetrocknetes Flussbett.
Vergeblich suchten sie nach Wasser, aber sie hofften auf welches zu stoßen, wenn sie dem Flussbett folgten.
Sie fanden schließlich nur einen versalzenen Tümpel.
Dennoch - das Land, in das sie jetzt kamen, war deutlich fruchtbarer als die Wüste, die sie bisher durchquert hatten. Allerdings war ein Großteil der Vegetation vertrocknet.
Der Erschöpfung ihrer Pferde schuldeten sie schließlich eine Pause bei einer Gruppe halbverdorrter Bäume. In einen von ihnen musste mal der Blitz gefahren sein, denn er war in der Mitte gespalten.
„Wir werden beobachtet“, sagte Macondo plötzlich.
„Wer ist es?“, fragte Kane. „Indianer?“
„Nein, die wären geschickter.“
„Was schlägst du vor?“
„Wir reiten ruhig weiter.“
Kane wandte sich an den Mann, der sich Smith genannt hatte. „Sie haben uns nicht zufällig noch irgendetwas zu sagen?“
„Nein, Sir. Ich habe nichts verbrochen. Wir sind hier in einem Gebiet, das von Juaristas beherrscht wird. Ich würde mir nicht allzu viele Sorgen machen.“
Kane musterte ihn.
Gegenüber der Furcht, die er noch am Vortag überdeutlich gezeigt hatte, wirkte er jetzt sehr gelassen.
Er setzte noch hinzu: „Aber wenn Sie sich jetzt von mir trennen wollen, werde ich Sie nicht aufhalten.“
„Seltsam – gestern legten Sie noch großen Wert auf unsere Begleitung.“
„Gestern waren wir auch in einem Gebiet, in dem Soldaten sind!“, mischte sich Macondo ein.
Kane nickte. „Woher wissen Sie so genau, dass dieses Gebiet von den Rebellen beherrscht wird, Mister Smith?“
Er zuckte mit den Schultern. „Das sagt die Erfahrung. Meine geschäftlichen Interessen führen mich häufiger auf den Weg zwischen Hermosillo und Nogales. Momentan bin ich gezwungen, diesen Trail alle paar Wochen zu nehmen und da kann es lebenswichtig sein, stets über die neuesten Entwicklungen Bescheid zu wissen.“
Macondo zog das Sharps Gewehr aus seinem Scabbard, der bei ihm vorne am Sattel hing, was den Vorteil hatte, dass sich das Gewehr sehr schnell aus dem Lederschuh herausziehen ließ. Er stützte den Kolben auf dem Oberschenkel. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen geworden.
Er ließ den Blick schweifen.
Der Gedanke daran beobachtet zu werden, ließ die Gespräche unter den Männern auf ein Minimum reduzieren.
Sie erreichten ein zerklüftetes Gebiet. Schroffe Felswände ragten empor und ihr Weg führte durch schlauchartige Schluchten, die sich bei Regen wohl in Wasserläufe verwandeln konnten.
Der Baumbewuchs wurde seltener, die Kakteen dafür umso häufiger, was Kane irgendwie beruhigte. Kakteensaft schmeckte zwar bei weitem nicht so gut wie frisches Wasser und es war auch nicht gerade ratsam, sich damit Kaffee kochen zu wollen – aber die zahllosen Stachelgewächse, die hier oft in Mannshöhe aus dem Boden sprossen gewährleisteten zumindest immer einen ausreichenden Vorrat an Flüssigkeit.
Plötzlich war Hufschlag zu hören.
Mindestens ein Dutzend Reiter kamen ihnen entgegen.
Kane zügelte sein Pferd.
Die anderen folgten seinem Beispiel.
Einen Moment lang überlegte Kane, ob es nicht das Beste war, einfach wieder zurück zu reiten, doch auch von dort erklang Hufschlag.
Schüsse peitschten plötzlich. Kane blickte empor und sah ein Dutzend Mann oben an den Kämmen der felsigen Hänge auftauchen, die zu beiden Seiten der Schlucht emporragten.
Macondo riss das Sharps Gewehr hoch, aber Smith, der neben ihm ritt, griff zu ihm hinüber und drückte den Lauf nach unten, sodass der erste Schuss sich in den steinigen Untergrund brannte.
Der Indianer riss seine Waffe los und sah Smith zornig an.
„Das waren doch Warnschüsse!“, belehrte Smith den Apachen. „Die haben in die Luft geschossen! Also machen wir die Lage nicht unnötig kompliziert!“
„Mister Smith hat recht“, stellte Kane fest.
Macondo knurrte etwas Unverständliches vor sich hin. Kane war sich nicht ganz sicher, ob er dabei die Apachensprache benutzt hatte.
Jedenfalls wurden nun die umliegenden Anhöhen von bewaffneten Männern umsäumt. Sie trugen die typischen großen Sombreros, wie sie in Mexiko üblich waren. Viele von ihnen hatten Patronengurte über Kreuz geschnallt. Zweifellos waren sie sehr gut bewaffnet.
Kane erkannte Repetiergewehre, wie sie in der Unionsarmee während des Bürgerkrieges Standard gewesen waren.
Von beiden Seiten preschte eine Reiterschar heran.
Der Anführer war ein dicker, schwarzbärtiger Mann in einem weißen Hemd, das fast bis zum Gürtel geöffnet war. Darüber trug er eine Lederweste. An dieser hing in Brusthöhe etwas, das nach einem militärischen Orden aussah.
Zwei Revolver ragten aus den Holstern am Gürtel. Der Hut hing ihm an einer Kordel über den Rücken und der dunkle Bart wucherte ihm fast bis unter die Augen, währen sein Haupthaar nur noch aus einem dünnen Kranz in Ohrhöhe bestand.
Der Schwarzbart hob die Hand, woraufhin seine Männer stoppten.
„Sieh an, wen haben wir denn da!“, sagte er in akzentschwerem Englisch. Sein Blick war dabei auf den Mann gerichtet, den Kane und Macondo als „Mister Smith“ kennen gelernt hatten. „George Allison! Welche Ehre, Sie mal wieder bei uns begrüßen zu dürfen!“
„Die Freude liegt ganz auf meiner Seite“, sagte der Anzugträger schmallippig.
Der Bärtige drückte seinem Gaul die Hacken in die Weichen und trieb es näher heran. Er streckte die Hand in Richtung jenes Mannes aus, der offenbar in Wirklichkeit George Allison hieß.
„Anderthalb Tagesritte sind es noch bis nach Nogales und Sie wären beinahe an meiner Hazienda vorbei geritten, Mister Allison, ohne ein paar Worte unter guten Freunden und Geschäftspartnern zu wechseln. Was soll ich denn davon halten?“
Allison langte in die Innentasche seiner Jacke und holte ein Bündel mit Dollarnoten hervor, das er kurz abzählen wollte.
Der Bärtige riss es ihm einfach aus der Hand, zählte selber kurz durch und steckte es dann in seine Westentasche.
„Sie wollen doch nicht etwa behaupten, Sie hätten Ihren guten Freund Juan Montalbán vergessen!“
„Natürlich habe ich ihn nicht vergessen“, antwortete Allison. Kane verzog nur das Gesicht. Er hatte inzwischen eine Ahnung von dem, was hier ablief. Offenbar bezahlte Allison - oder wie immer diese zwielichtige Mann nun auch in Wahrheit heißen mochte – die Juaristas in der Gegend dafür, dass sie ihn ungehindert passieren ließen, damit er seinen wahrscheinlich ziemlich zweifelhaften Geschäften in Hermosillo nachgehen konnte.
Aber dieses Mal hatte Allison offenbar den Betrag einsparen wollen...
Kane wechselte einen Blick mit Macondo.
Die Lage gefiel beiden Männern nicht.
Eigentlich war es ihrer beider fester Vorsatz gewesen, sich in keiner Weise in die innermexikanischen Angelegenheiten hineinziehen zu lassen.
Blieb abzuwarten, in wie weit das möglich war.
„Mi Amigo!“, stieß Juan Montalbán an Allison gerichtet hervor und tickte mit dem Finger dabei gegen den Orden an seiner Brust. „Wissen Sie, wer mir das hier verliehen hat, Mister Allison? Das war unserer geliebter Presidente Benito Juarez persönlich! Ich habe mich um die Republik verdient gemacht und kontrolliere jetzt im Auftrag der Revolution das Gebiet zwischen Cassita und der Grenze! Dieser Orden gibt mir das Recht, Truppen zu unterhalten. Aber können Sie mir sagen, wie ich das machen soll, ohne Zölle und Steuern zu erheben, Mister Allison?“
„Sie sollten nicht zu lautstark herumjammern, Mister Montalbán!“, erwiderte Allison. „Schließlich haben Sie einen Großteil Ihrer Waffen von unserer Regierung bekommen!“
„Ausgediente Repetierer der Army – naja, man dankt, Amigo!“ Montalbán verzog das Gesicht und wandte sich jetzt an Kane und Macondo. „Apache?“, fragte er.
„Was spielt das für eine Rolle?“, fragte Kane.
„Ist dein Begleiter stumm?“
„Lassen Sie uns einfach weiter reiten, Mister Montalbán und wir werden beide keine Probleme haben“, erwiderte Kane.
„Aber vorher werden wir auch von Ihnen unseren Wegzoll nehmen. Schließlich wollen Sie doch auch, dass in Mexiko wieder geordnete Verhältnisse einkehren und nicht eine Art französischer Kolonie errichtet wird!“
„Das ist mir persönlich völlig gleichgültig“, erklärte Kane. „Ich will einfach nur meinen Weg fortsetzen. Das ist alles.“
„Carlos! Francisco! Durchsucht seine Sachen! Vielleicht finden wir da etwas, was wir brauchen können. Zum Beispiel denke ich, ist es purer Luxus, dass dieser Mann zwei Gewehre am Sattel trägt. Beides Winchester-Karabiner?“
„Das geht Sie nichts an!“, versetzte Kane, der den Kopf etwas drehte.
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er die Männer seitlich von ihm.
Die Lage war prekär.
Kane traute es sich ohne weiteres zu, mit dem Revolver sechsmal hintereinander zu schießen und zu treffen, bevor auch nur einer der Mexikaner seine Waffe gezogen, gezielt und abgedrückt hatte. Aber was war, wenn die sechs Schüsse in der Trommel seines 45er Peacemakers verbraucht waren?
Die Bande zähle einfach zu viele Mitglieder, um sich auf eine Schießerei einlassen zu können. Andererseits war er nicht allein. Und manchmal reichte schon ein entschiedenes Auftreten, um eine Meute wie diese in Schach zu halten. Eine Meute, die, wie Kane überzeugt war, im Grunde aus Feiglingen bestand. Keiner dieser Männer wäre im Zweifelsfall bereit gewesen, aufs Ganze zu gehen und alles auf eine Karte zu setzen.
Kane hatte gelernt, wie man in Gesichtern lesen musste. Er konnte ziemlich abschätzen, wie weit ein Gegner zu gehen bereit war.
Und diese Männer waren ihm ganz gewiss an Entschlusskraft und Kompromisslosigkeit unterlegen.
Nur wenn sie in der Überzahl und schwer bewaffnet waren, zeigten sie Mut.
Noch bevor die beiden Männer, die Montalbán angesprochen hatte, sich in Bewegung setzten, griff der Mann, der Laredo Kid genannt wurde zu seinem 45er an der Hüfte.
Eine gleitende, fast katzenhafte Bewegung.
Den Bruchteil eines Augenaufschlags später hatte er das Eisen in der Hand. Der Lauf zeigte auf den Kopf des Anführers.
Mit einem Klicklaut wurde der Hahn zurückgezogen.
Montalbáns Gesicht erstarrte zu einer Maske des Schreckens. Damit hatte er nicht gerechnet.
Seine Rechte umfasste den Griff eines seiner Revolver, aber er wagte nicht, die Waffe zu ziehen, denn er wusste, dass dies sein sofortiges Ende zur Folge gehabt hätte.
Macondo reagierte im selben Moment.
Fast so, als hätte er die Reaktion Kanes vorausgeahnt.
Er riss das Sharps Gewehr hoch und zielte auf den Kopf eines der Männer, denen Montalbán den Befehl gegeben hatte, Kanes Sachen zu durchsuchen.
„Sorry, Mister Montalbán, ich habe nichts gegen Benito Juarez und Ihre Revolution“, sagte Kane. „Aber ich weigere mich, sie aus meiner Schatulle zu finanzieren. Wenn sich jemand nähert, sind Sie tot.“
„Sie kämen hier niemals lebend weg!“, gab Montalbán zu bedenken.
„Mag ja sein, aber Sie eben auch nicht.“
„Sie pokern hoch! Aber Sie sollten wissen, dass sich mit Juan Montalbán niemand ungestraft anlegt!“
„Mit mir aber auch nicht.“
Für Augenblicke hing alles in der Schwebe.
Die Männer warteten auf ein Zeichen ihres Anführers. Und George Allison saß wie erstarrt in seinem Sattel und schwitzte.