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“Eine interessante, wenn auch genetisch bereits erfasste Spezies”, sagte Fairoglan.

Per Gedankenkontrolle bediente der humanoide Yroa die internen Systeme des Raumschiffs.

“Sie sind primitiv”, antwortete Shafor, sein Klonzweitling.

Fairoglan blickte in Richtung seines Klonzweitlings.

Er spürte dessen mentale Präsenz.

Eine mentale Präsenz, die so viel gewichtiger war als die seine. Ihre körperliche Verschiedenheit - Fairoglan, der schlanke, grazile Humanoide und Shafor mit seiner Körperfülle und Kraft - spiegelte sich in ihrer beider Physis ebenso wider wie in ihren Persönlichkeiten und charakterlichen Eigenschaften. Dasselbe genetische Material mit größtmöglicher Verschiedenheit in zwei Organismen manifestiert. Das war es, was einen Yroa und seinen Klonzweitling ausmachte.

Varianz ist Überleben.

Diversität ist Überleben.

Verschiedenartigkeit ist die Existenzversicherung gegen den unvermeidlichen Wandel der Evolution.

So lauteten die Maximen der Yroa.

Es war Verschwendung, aus einem nur eines zu machen.

Und so hatte jedes Individuum in ihrer Kultur einen Klonzweitling. Genetisch identisch aber innerhalb der möglichen Varianz in einer maximalen Abweichung.

Das Erzeugen identischer Klone wiederum galt als Sakrileg. Als ein Verbrechen gegen die Grundsätze zur Diversität, die unter den Angehörigen dieser Spezies als höchster Wert galt. Eine Ausnahme wurde nur dann gemacht, wenn zur zahlenmäßig adäquaten Besiedlung einer Yroa-Kolonie sehr viele Klone erforderlich waren.

Aber in diesem Fall galten die massenhaft erzeugten Klone auch rechtlich nicht als Klonzweitlinge.

Der Diversitäts-Algorithmus errechnet die größtmögliche Differenz, die sich bei Yroa-Individuen mit identischer genetischer Basis erzielen lässt, ging es Fairoglan durch den Kopf. Und das Ergebnis führte in diesem Fall zu Shafor und mir. Vielleicht sollte ich zumindest in meinem Fall eine Modifizierung des Diversitäts-Algorithmus erwägen ...

Aber bis er das abschließend für seine Person entscheiden musste, würde noch viel Zeit vergehen.

Yroa hatten eine Lebenserwartung, die im Vergleich mit fast allen anderen vergleichbaren Spezies astronomisch hoch war. Sie vermehrten sich nicht häufig. Und zumeist auch nur, wenn die Notwendigkeit dazu bestand, etwa wenn eine neue Kolonie gegründet werden sollte.

Notfalls ermöglichte der Diversitäts-Algorithmus genug genetische Varianz für die Klonierung von Millionen Yroa auf der Basis der Zellen eines einzelnen Individuums.

“Wir sollten die Besatzung des Menschen-Schiffs einbeziehen”, sagte Fairoglan in die Stille hinein.

Ahhhhhh! Der Gedanke von Shafor hatte eine so brutale Präsenz, dass selbst Fairoglan davor zurückschreckte und ihm schauderte. So heftige Ablehnung hatte Fairoglan bei seinem Klonzweitling nicht erwartet.

Wir kennen diese Spezies! Wir sind ihr bereits begegnet! Shafors Gedanken waren von einer Intensität, die selbst Fairoglan jetzt als bedrängend empfand.

“Du hast eine Analyse durchgeführt?”

Natürlich!

Fairoglan versuchte sich etwas mehr mental abzuschirmen. Er wusste, dass die übermäßige Präsenz letztlich nichts anderes als eine Demonstration der Macht war. Und er wusste auch, dass er der überlegenen Kraft seines Klonzweitlings im Zweifel nur wenig entgegenzusetzen hatte.

Zumindest, wenn es um eine direkte Konfrontation ging.

“Wir kennen ihre Spezies zwar, aber das heißt nicht, dass wir nicht weiteres Material von ihnen integrieren könnten”, sagte Fairoglan laut.

Überflüssig!, erreichte ihn der abweisende Gedanke von Shafor. Vollkommen überflüssig.

“Entscheidest du seit neuestem für alle Yroa, was überflüssig ist?”, fragte Fairoglan nicht ohne einen gewissen Spott. Einen Spott, dem er durchaus eine gewisse und für ein so begabtes Wesen wie Shafor deutlich spürbaren mentale Präsenz verlieh. Aber das war so gewollt. Shafor sollte diesen Spott spüren. Er sollte sich darüber ärgern.

Manchmal war es einfach ein Spiel zwischen ihnen.

Aber Fairoglan gefiel dieses Spiel immer weniger. Er hatte schon daran gedacht, sich von seinem Klonzweitling dauerhaft zu trennen. Für Zeiträume, die für sich genommen länger als ein ganzes Menschenleben waren, hatte er das auch schon getan. Einfach, um frei zu sein und die mentale Präsenz seines Klonzweitlings nicht andauernd spüren zu müssen. Das war nämlich nicht nur ausgesprochen anstrengend. Es belastete Fairoglan auch innerlich auf eine Weise, die er manchmal nur schwer zu ertragen vermochte.

“Es nähern sich ungezählte Einheiten Canyaj”, stellte Fairoglan nun fest. Das Mental-Interface, das sich mit dem Schiff verband, zeigte ihm dies an. Es war eigentlich unmöglich, dass Shafor dies nicht auch bemerkt hatte.

Ja, sie kehren zurück!, räumte Shafor mit einem Gedanken ein. Und sie sind sehr viele ...

“Mehr als wir besiegen könnten.”

Die Canyaj sind die Pest des Universums. Anorganische Lebensformen, die mit uns so viel gemein haben, wie ein Stein mit Yroa. Aber sie sind gefährlich. Und sie werden mächtiger. Für uns sind sie keine Gefahr.

“Für uns nicht. Aber für das Menschenschiff.”

Die Canyaj werden es vernichten, glaubte Shafor. Der massige Klonzweitling wandte seinen stiernackigen Kopf. Etwas, was ein menschlicher Betrachter vielleicht für ein etwas verzerrtes Lächeln gehalten hätte, war jetzt in den Zügen des Klonzweitlings zu sehen. Sein graues Gesicht veränderte im Stirnbereich etwas die Farbe. Die Haut wurde leicht rötlich.

“Das ist Schicksal”, sagte Shafor laut. Die gedankliche Präsenz, die mit diesen Worten einherging war überwältigend. Selbst für Fairoglan.

“Wir könnten die Menschen retten”, sagte Fairoglan.

Das könnten wir. Aber wir sollten es nicht.

“Wir haben es bereits einmal getan, Shafor!”

Weil du es wolltest. Es war unnötig. Ich habe den Kurs des Schiffs bereits gesetzt. Es beschleunigt bereits. Wir werden in Kürze in das andere Kontinuum eintreten und diesen Ort verlassen ...

Fairoglan wusste, dass Shafors Gedanken der Wahrheit entsprachen. Über das Mental-Interface war er ebenso mit dem Schiff verbunden wie Shafor. Dessen Kräfte waren allerdings so groß, dass er ein solches Interface gar nicht brauchte, um die Schiffstechnik beherrschen zu können.

Das Yroa-Schiff beschleunigte.

Es beschleunigte auf eine Weise, wie sie sich die Besatzung des Menschenschiffs vermutlich nicht einmal vorzustellen vermochte.

“Die Canyaj eröffnen das Feuer”, stellte Fairoglan fest.

Mit einer Handbewegung und einem Gedankenbefehl öffnete er eine große Projektion. Eigentlich wäre das nicht unbedingt notwendig gewesen. Er hätte die Information, sie auf dieser dreidimensionalen Projektion veranschaulicht wurden, auch ohne Hilfsmittel wahrnehmen können. Über das Mental-Interface direkt in seinem Yroa-Gehirn.

Aber manchmal bevorzugte es Fairoglan, wenn die Dinge außerhalb seiner selbst dargestellt wurden.

Als Projektion.

Manche Yroa standen auf dem Standpunkt, dass dreidimensionale Projektionen oder noch primitivere Veranschaulichungsmedien etwas für primitive Geister waren. Hilfen für Schwachsinnige.

Fairoglan benutzte sie trotzdem hin und wieder.

Es fiel ihm dann leichter, die notwendige Distanz zu wahren. Und Distanz war mitunter für eine zutreffende Beurteilung der Lage ausgesprochen wichtig.

Distanz zu sich selbst.

Und Distanz zum Klonzweitling.

Aber das war ein eigenes Thema ...

Auf der Projektion waren die herannahenden Raumschiffe der Canyaj deutlich auszumachen.

Ahhhh! Unsere alten Feinde! Sie sind unseretwegen hier, Fairoglan! Unseretwegen! Um uns zu töten!

Shafors Gedanken waren voller Hass. Hass und da war noch etwas, was Fairoglan nur sehr selten in der Präsenz des Klonzweitlings gespürt hatte.

Furcht.

Aber es konnte in dieser Hinsicht keinerlei Zweifel geben. Shafor fürchtete die Canyaj. Und wahrscheinlich fürchtete jeder Yroa sie mehr oder weniger stark. Auch Fairoglan war keineswegs frei davon.

Und doch erstaunte ihn die Heftigkeit, mit der sich die Furcht vor den Canyaj bei Shafor offenbarte. Es war ein Merkmal der Schwäche. Und Fairoglan dachte darüber nach, wie er diese Schwäche für sich ausnutzen konnte. Für sich und eine größere Selbstständigkeit gegenüber seinem Klonzweitling.

Denn bei aller Verbundenheit - manchmal wünschte sich Fairoglan mehr Unabhängigkeit.

Es war nicht so, dass er nicht auf sich gestellt leben konnte. Wenn nötig sogar über Zeiträume hinweg, die für menschliche Begriffe ungeheuer lang waren. Fairoglan hatte in der Vergangenheit Reisen unternommen, die ihn an sehr entfernte Orte im Universum gebracht hatten und lange Zeiträume in Anspruch genommen hatten.

Und doch war das unsichtbare Band, dass es zwischen und seinem Klonzweitling gab, niemals abgebrochen. Auch wenn sie über lange Zeiten hindurch getrennt waren. Fairoglan verglich das oft mit der spukhaften Fernwirkung von zwei Quanten, bei der der räumliche Abstand ebenfalls keine Rolle spielte. Möglicherweise funktionierte die mentale Verbindung zwischen ihm und Shafor auf eine ganz ähnliche Weise.

Wir verschwinden!, kündigte Shafor an, kurz bevor das Yroa-Schiff ins andere Kontinuum wechselte und sich auf diese Weise den Angriffen der Canyaj entzog.

“Es ist falsch”, sagte Fairoglan.

Das ist eine irrelevante Kategorie, Fairoglan!, antwortete ihm Shafors Gedanke, der sich dröhnend in Fairoglans Bewusstsein ausbreitete und dabei eine beinahe schmerzhafte Präsenz entwickelte.


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