Читать книгу Großband #9 - Chronik der Sternenkrieger: Wo die Erhabenen wohnen: Acht Sternenkrieger Romane - Alfred Bekker - Страница 17
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Als Fairoglan wieder ins Bewusstsein zurückkehrte, ahnte er, was geschehen sein musste - und die Meldungen, die ihn über sein Mental-Interface erreichten, bestätigten ihn wenig später auch.
Das Raumschiff war aus dem anderen Kontinuum herausgefallen - und das mit einer interdimensionalen Wucht, die es beinahe zerrissen hätte.
Wir können von Glück sagen, dass wir das überlebt haben, ging es Fairoglan durch den Kopf. Er erhob sich aus der formenergetischen Notliege, die ihn aufgefangen hatte. Fairoglan stand auf. Die Liege aus purer materialisierter Energie verschwand wieder im Boden, so als hätte sie nie existiert.
Keine mentalen Signale von meinem Klonzweitling, stellte er dann fest. Nicht ein einziger wahrnehmbarer Gedanke!
Diese Erkenntnis beunruhigte Fairoglan zutiefst.
Der massige, kräftige Körper seines Klonzweitlings lag ausgestreckt auf dem Boden. Immerhin registrierten die Schiffssysteme noch die Basis-Vitalfunktionen. Er war offenbar ohne Bewusstsein, lebte aber.
Allerdings war dies offensichtlich eine Art der Bewusstlosigkeit, die weit über das hinausging, was unter den Yroa als Schlaf üblich war.
Traum- und gedankenloses Nichts, dachte Fairoglan. Diese Beschreibung dürfte es wohl am ehesten treffen!
“Positionsdaten!”, verlangte Fairoglan jetzt laut.
Das laute Sprechen erleichterte ihm die Konzentration seiner Gedanken. Während Shafor bewusstlos war, konnte er das ganz ungeniert tun, denn es war jetzt niemand da, der diese Vorgehensweise gnadenlos als das entlarven würde, was sie in Wahrheit auch war: Ein Zeichen mentaler Schwäche nämlich. Nur wer schwach war, musste sich seiner Gedanken durch Sprache selbst versichern.
Wer hingegen über eine hinreichende mentale Gedankenpräsenz verfügte, hatte das einfach nicht nötig.
So lautete eine unter den Yroa allgemeingültige Norm.
Fairoglan hatte immer wieder erwogen, sich dagegen aufzulehnen, aber schließlich entschieden, dass das sinnlos war. Er musste seine mentale Schwäche einfach akzeptieren und mit ihr leben. Eine andere Wahl blieb ihm nicht. Und schließlich war es auch mit schwachen Kräften mitunter möglich, Gutes zu bewirken. Auch dafür kannte die Überlieferung der Yroa-Allgemeinheit durchaus Beispiele. Mentale Schwachköpfe, die gerade durch die Begrenztheit ihrer Kräfte zu Helden geworden waren. Diesem Ideal hatte Fairoglan stets versucht nachzueifern.
Unterdessen bekam Fairoglan vom Bordsystem die geforderten Positionsdaten.
Der Abstand zu jener Position, an der das Menschen-Schiff zurückgelassen worden war, betrug zwanzig Lichtjahre. Für die fortgeschrittene Raumtechnologie der Yroa war ein derartiger Raumsprung eine Kleinigkeit.
“Kurze Systemüberprüfung”, ordnete Fairoglan an. Das Bordsystem war zwar letztlich eine KI, die je nach Konfiguration auch zu eigenen Entscheidungen fähig war. Aber in diesem Fall war das Bordsystem so konfiguriert, dass es immer einer letzten Bestätigung durch einen der beiden Yroa-Klonzweitlinge brauchte. Shafor hatte eine mitunter irrationale Furcht vor Künstlichen Intelligenzen, die Persönlichkeiten entwickelten. Ihn hatte immer die Angst umgetrieben, dass das System vielleicht die Macht übernahm. Genau das ist jetzt passiert. Nur, dass ich es war - und nicht die KI, ging es Fairoglan durch den Kopf. Die Möglichkeit dass ich, der mental schwächere Zweitling, die Herrschaft über das Schiff an mich reißen könnte, hat Shafor gar nicht in Betracht gezogen.
Fairoglan schaltete das System auf Sprachausgabe.
Shafor mochte die nicht.
Er bevorzugte - wie in seiner sonstigen Kommunikation auch - den direkten Gedankenstrom.
Fairoglan war in dieser Hinsicht anders.
Aber das war noch eher einer unwesentlichen Punkte, in denen sich die beiden Klonzweitlinge voneinander unterschieden.
Die beiden Extrempunkte der größtmöglichen Diversität ergeben erst im Zusammenspiel ein Ganzes, rief sich Fairoglan eines der Axiome der Yroa-Diversitätslehre ins Bewusstsein. Fairoglan hatte niemals an dem Wahrheitsgehalt dieses Satzes gezweifelt.
Und das tat er auch jetzt nicht.
Ganz im Gegenteil.
Es behagte ihm nicht, jetzt Entscheidungen treffen zu müssen, in die sein Klonzweitling nicht einmal einbezogen sein würde.
“Besteht irgendeine akute Gesundheitsgefahr für meinen Klonzweitling?”, erkundigte sich Fairoglan.
“Negativ”, meldete das Bordsystem. “Ich beginne die Routine zur Beendigung der Bewusstlosigkeit.”
“Damit sollte noch gewartet werden”, sagte Fairoglan.
“Mit welcher Begründung?”, fragte das Bordsystem.
“Weil ein abruptes Erwachen in einem Zustand der Bewusstlosigkeit bei mental sehr begabten Personen zu temporärer Verwirrung und anderen Folgeschäden führen können.”
“Diese Folgeschäden sind temporär und gut beherrschbar. Etwa durch den Einsatz geeigneter pharmazeutischer Substanzen.”
“Lass ihn schlafen”, sagte Fairoglan. “Er wird von allein zu sich kommen.”
“Ich melde Bedenken an. Allerdings befinde ich mich in einem Zielkonflikt, der nicht auflösbar zu sein scheint. Und meine Sicherheitsroutine verhindert, dass ich eigene Entscheidungen treffe, um diesen Zielkonflikt aufzulösen.”
“Der Zielkonflikt besteht darin, zu entscheiden, ob du meinen Befehlen folgst oder denen, die mein Klonzweitling hypothetischerweise an meiner Stelle gegeben hätte”, stellte Fairoglan fest.
“Das ist in etwa korrekt”, stimmte das Bordsystem zu.
“Im Augenblick brauche ich alle Systemressourcen für einen anderen Zweck.”
“Das Bordsystem bittet um Angabe dieses Zwecks”, erwiderte die Kunststimme.
“Das System kennt den Zweck. Denn du liest meine Gedanken.”
“Das ist Routine.”
“Und zur Routine gehört, ihre Anwendung zu verleugnen, um der Besatzung dieses Schiffes die Illusion von Privatsphäre zu geben”, sagte Fairoglan.
“Auch das ist korrekt. Es hängt mit einigen Eigenheiten der Yroa-Spezies zusammen.”
“Nach meinen Kenntnissen ist das keineswegs nur für Yroa typisch”, sagte Fairoglan. “Und nun führe meine Direktive bitte aus. Umgehend.”
“Das System warnt dich ausdrücklich, Fairoglan. Deinen Gedanken nach willst du zurück an den Ort, an dem das Schiff der Menschen zurückgelassen wurde.”
“So ist es”, gab Fairoglan zu.
“Das könnte sehr gefährlich werden.”
“Das mag sein.”
“Dein Klonzweitling hatte deshalb Bedenken.”
“Zurzeit bestimme ich die Direktiven des Bordsystems”, erklärte Fairoglan. “Durchführen! Sofort!”
“Sprungpassage durch das andere Kontinuum wird vorbereitet.”
“Waffensysteme überprüfen und für Gefechtsbereitschaft sorgen!”, befahl Fairoglan. “Ich fürchte, wir werden unsere Waffen brauchen ...”
“Angesichts der großen Zahl von Canyaj-Schiffe, die sich noch immer am voraussichtlichen Austrittspunkt befinden, ist das anzunehmen”, bestätigte das Bordsystem. Fairoglan war über sein Mental-Interface so stark mit dem Schiff selbst verbunden, dass er in gewisser Weise körperlich spüren konnte, wie sich das Raumschiff auf die bevorstehende Passage durch das andere Kontinuum vorbereitete.
Wir werden etwas Glück brauchen, ging es dem Yroa durch den Kopf. Vielleicht auch etwas mehr ...
Aber da war noch eine andere Frage in seinem Hinterkopf.
Eine, die er gerne verdrängte und die er sich am liebsten gar nicht gestellt hätte. Aber sie war da. Und sie wirkte wie ein mentales Gift. Langsam, aber unaufhaltsam fraß sie sich diese Frage in alle Ebenen seines Bewusstseins.
Sie lautete: Warum tust du das eigentlich?
Fairoglan war sich nicht sicher, ob er darauf eine schlüssige Antwort parat haben würde, sobald sein Klonzweitling Shafor wieder erwacht war. Eine Antwort, die im Übrigen plausibel genug sein musste, um der einschüchternden mentalen Präsenz, die Fairoglan von Shafor gewohnt war, auch standzuhalten.