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Auf der Brücke der STERNENKRIEGER herrschte Ratlosigkeit.

“Die Ortungsanzeigen ergeben keine Sinn”, sagte Lieutenant Wiley Riggs. “Sämtliche Anzeigen scheinen verrückt zu spielen. Ich kann Ihnen weder sagen, wo wir uns befinden, noch was um uns herum ist!”

“Und das Yroa-Schiff?”, fragte Sunfrost.

“Negativ. Keinerlei Ortungszeigen, die ein sinnvolles Bild ergeben würden. Wir könnten überall sein. Im Zwischenraum, in einem Wurmloch, im Nichts zwischen den Kontinuen ...” Wiley Riggs zuckte mit den Schultern.

“Sämtliche Kommunikation nach außen ist ausgefallen”, meldete unterdessen Susan Jamalkerim. “Die bordinterne Kommunikation funktioniert jedoch einwandfrei.”

“Irgendetwas hat dieser Yroa gemacht”, murmelte Sunfrost.

“Sie sprechen nur von einem der beiden ungleichen Klonbrüder”, stellte Bruder Guillermo fest.

“Ja ...”, murmelte Sunfrost.

“Sie hatten mentalen Kontakt zu einem von ihnen?”

“Ja.”

“Und das hat Sie die Entscheidung treffen lassen, die Space Marines und den Jäger zurückzuziehen.”

Sunfrost schluckte. Sie versuchte, sich genau an das zu erinnern, was sie in dem Moment gedacht und empfunden hatte. Aber das war nicht einfach. Alle Augen waren in diesem Moment auf sie gerichtet.

“Ja”, gab sie dann zu.

“Es war der Stärkere der beiden - Shafor. Was war mit dem anderen?”, hakte Bruder Guillermo nach.

Sunfrost lächelte verhalten. “Die sprichwörtliche Empathie der Olvanorer-Mönche scheint doch nicht ganz so groß zu sein, wie man immer sagt, Bruder Guillermo.”

“Wie meinen Sie das?”

“Es war der Schwächere der beiden. Fairoglan ... Mit ihm hatte ich Kontakt.”

“Und jetzt?”

“Nichts. Aber ich bin überzeugt davon, dass es seine Absicht war, uns zu retten.”

“Ob ihm das gelungen ist, könnte durchaus zweifelhaft sein”, meinte jetzt Van Doren. Er sah auf die Anzeigen seiner Konsole. “Wir könnten im Zwischenraum oder einem anderen Kontinuum, das die Yroa zum Überlichttransport benutzen, verloren gegangen sein.”

“Ohne die Chance auf Rückkehr ins Einstein-Universum, wie ich annehme”, fügte Rudergänger John Taranos hinzu.

“Nein, unsere Umgebung entspricht eher dem Inneren einer Raumverzerrungsblase”, erklärte Bruder Guillermo. “Und von so etwas war das Yroa-Schiff zuletzt umgeben.”

“Allerdings dürfte eine technisch so fortgeschrittene Zivilisation wie die der Yroa über eine Technik verfügen, die dafür sorgt, dass ihre Ortungstechnik trotzdem funktioniert - im Gegensatz zu unserer”, glaubte Van Doren.

Sunfrost hob die Augenbrauen.

“Wenn Sie Recht haben, Bruder Guillermo, dann sind wir immer noch gewissermaßen im Schlepptau des Yroa-Schiffs.”

“Ja, das ist zu vermuten”, stimmte der Olvanorer-Mönch zu.

“Wir wollen es hoffen”, meinte Van Doren.

“Eine andere Frage wäre, wohin die uns bringen - falls Ihre Hypothese zutrifft, Bruder Guillermo”, sagte Sunfrost.

“Unser beschränktes Wissen über die Yroa reicht nicht mal ansatzweise aus, um darüber auch nur Spekulationen anstellen zu können”, stellte Bruder Guillermo klar.

Auf einem der Nebenbildschirme meldete sich Chefingenieur Erixon aus dem Maschinentrakt.

“Captain, wir verzeichnen hier starke Energieschwankungen”, stellte Erixon fest. “Sie ähneln den Schwankungsmustern, die wir immer kurz vor der Rückkehr vom Zwischenraum ins Normaluniversum verzeichnen.”

“Dann steht uns gerade ja vielleicht etwas Ähnliches bevor”, glaubte Sunfrost.

“Bildschirmanzeige und Ortungsfunktionen rekonfigurieren sich”, meldete Riggs.

“Die Instrumente verzeichnen einen K-Faktor, der typisch für den Wiedereintritt ins Einstein-Universum ist”, sagte Rudergänger John Taranos.

Auf dem Hauptbildschirm der STERNENKRIEGER-Brücke waren plötzlich wieder normale Sternenkonstellationen zu sehen. Außerdem das Yroa-Raumschiff.

“Das Raumverzerrungsfeld ist anscheinend aufgelöst”, stellte Bruder Guillermo fest.

“Wir treiben manövrierunfähig im All”, erklärte John Taranos. “Zugriff auf die Steuerungssysteme weiterhin negativ, Captain. Unsere gegenwärtige Geschwindigkeit liegt bei ungefähr vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit.”

“Mit anderen Worten: Normalgeschwindigkeit beim Austritt aus dem Sandström-Kontinuum”, analysierte Van Doren.

“Wir werden von einem Traktorstrahl des Yroa-Schiffs erfasst”, meldete Riggs.

“Sie nehmen uns ins Schlepp”, lautete John Taranos’ Kommentar. “Im Augenblick ist das wohl auch die einzige Möglichkeit, um unserem chaotischen Flug eine Richtung zu geben.”

“Wo könnte das Ziel dieser Reise sein?”, fragte Van Doren.

“In der Nähe befindet sich ein sehr merkwürdiges stellares Objekt”, sagte Riggs. “Der Masse nach müsse es sich um eine Sonne vom solaren Typ handeln. Aber die emittierte Energiemenge ist viel zu niedrig und findet außerdem ausschließlich im Infrarot-Bereich statt.”

“Gibt es Planeten?”, fragte Sunfrost.

“Es gibt Objekte, die als Trabanten in Frage kommen”, sagte Riggs. “Ganz gleich, wie man das Objekt und seine Begleiter jetzt klassifizieren will.”

“Lieutenant Jamalkerim, versuchen Sie eine Verbindung zum Yroa-Schiff herzustellen - vorausgesetzt, unsere Außenkommunikation funktioniert wieder.”

“Ja, Captain.”

Ist das wirklich notwendig?, erreichte Sunfrost in diesem Moment ein Gedanke.

“Fairoglan ...”, murmelte sie.

“Wollten Sie etwas sagen, Captain?”, fragte Van Doren.

“Nein, I.O.”

“Das IST eine Sonne!”, stieß Bruder Guillermo schließlich hervor. Er hatte die ganze Zeit über konzentriert auf die Anzeige seiner Konsole gestarrt und sich nacheinander mehrere Kolonnen von Daten dreidimensional anzeigen lassen. “Es ist eine Sonne - und wahrscheinlich die Heimat der Yroa! Oder zumindest eine Kolonie dieser Spezies!”

“Aber ... da ist nichts!”, widersprach Lieutenant Riggs.

“Da ist vermutlich etwas, das man auch als Dyson-Sphäre bezeichnet. Eine kugelförmige Membran umschließt einen Stern und konserviert nahezu vollkommen dessen Energie. Lediglich etwas Wärme in Form von Infrarot-Strahlung wird noch abgegeben, alles andere wird von den Habitaten im Inneren der Kugel-Sphäre verwendet ... Fantastisch!”

“Aber bislang gibt es dafür noch gar keine gesicherten Daten!”, widersprach Riggs.

“Nein, selbst aus dieser vergleichsweise nahen Distanz ist die Kolonie so gut wie unsichtbar! Schon im 21.Jahrhundert, vor der Entdeckung der ersten extraterrestrischen Zivilisationen, haben Wissenschaftler gefordert, man sollte das Universum nach genau solchen Objekten absuchen, wie wir sie hier vor uns haben! Theoretisch wäre es möglich, dass sogar ein Netz solcher Kolonien die gesamte Galaxis durchzieht und sich sogar in dem Raum, der von den Humanen Welten beherrscht wird, bislang unentdeckte Dyson-Sphären zu finden sind.”

“Jetzt geht die Fantasie mit Ihnen durch, Bruder Guillermo”, meinte Robert Ukasi. “Von einer einzigen Dyson-Sphären-Kolonie, deren Existenz bislang nur hypothetisch ist, auf ein Netz von Kolonien zu schließen ... Das ist schon gewagt.”

“Ich kann mir einfach nur schwer vorstellen, dass Geschöpfe, die so leistungsfähige Raumschiffe wie die Yroa herzustellen wissen, sich auf die Besiedlung einer einzigen Kugel-Sphäre beschränken sollten”, hielt Bruder Guillermo Ukasi entgegen. “Manche Dinge fügen sich einfach in einer zwangsläufigen, immanenten Logik zusammen.”

“Wir haben Kontakt zum Yroa-Schiff”, meldete jetzt Jamalkerim.

Das Gesicht von Fairoglan erschien auf einem der Nebenbildschirme.

“Wir haben euer Schiff unter Kontrolle und werden es zur Yroa-Kolonie Kala-Dar mitnehmen”, sagte Fairoglan.

Wo ist dein Klonzweitling?, ging es Sunfrost durch den Kopf.

Das blaugraue, haarlose Gesicht des Yroa wirkte ausdruckslos und ruhig. Seine Stimme formte die Worte in sonore, gleichförmig klingender Tonlage. Worte in Yroa-Sprache. Der Translator der STERNENKRIEGER übersetzte. Aber nun wechselte Fairoglan in das Standard-Idiom der Humanen Welten. Warum tut er das? , wunderte sich Sunfrost. Um zu demonstrieren, wie schnell er zu lernen vermag? Wie perfekt seine Verbindung zu einer die Sprache analysierenden Translator-KI ist? Weiß der Geier, wie er das macht, aber beeindruckt hat er mich.

Fairoglan fuhr fort: “In der Kugel-Sphäre von Kala-Dar wird man euer Schiff wieder in einen manövrierfähigen Zustand versetzen können.”

“Ich danke Ihnen”, sagte Sunfrost.

“Ich gehe davon aus, dass Sie einen angenehmen Aufenthalt in den Sonnengefilden von Kala-Dar haben werden”, sagte Fairoglan ungerührt.

“Wir sind auf jeden Fall sehr neugierig”, erklärte Sunfrost.

Die Verbindung wurde unterbrochen. Sunfrost wandte sich an Bruder Guillermo. “Es hat den Anschein, als könnten Sie sich auf einen unerwarteten Forschungsaufenthalt freuen können.”

“Ich kann es in der Tat kaum erwarten”, erklärte der Olvanorer.

“Vielleicht erhalten wir hier ein paar Antworten auf unsere Fragen”, hoffte Van Doren. “Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass man hier noch nichts von den Lichtsonden gehört hat.”

“Oder der Tatsache, dass die Etnord sich aus einem ganzen Sektor der Galaxis zurückgezogen haben”, ergänzte Sunfrost.

“Vielleicht gehen Sie von falschen Voraussetzungen aus”, mutmaßte Bruder Guillermo.

Sunfrost sah ihn an. “Inwiefern?”

“Sie gehen davon aus, dass sich die Bewohner von Kala-Dar überhaupt dafür interessieren, was im Rest des Universums geschieht. Aber vielleicht tun sie das gar nicht. Vielleicht sind sie einfach zufrieden damit, unbemerkt zu bleiben und ihr Leben fortzusetzen. Sie haben alles, was sie brauchen. Energie für Millionen Jahre zum Beispiel. Und die Gefahr, dass irgendwelche Feinde auf sie aufmerksam werden, ist extrem gering.”

“Ich gebe zu: Auch wir würden unter Umständen vermutlich an dieser Kugel-Sphäre vorbeifliegen”, gab Van Doren zu.


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