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“Es ist deine Schuld!”, dröhnte Shafors Stimme. Der breit gebaute Yroa brüllte seinen vergleichsweise schmächtigen Klonzweitling geradezu an. Das graublaue Gesicht veränderte leicht die Färbung. Es wurde zuerst blasser und bekam dann einen deutlich Stich ins Rötliche. Unterlegt waren Shafors Worte mit intensiven telepathischen Botschaften und Gedanken, die ganz bewusst möglichst bedrängend wirken sollten.

So war Shafor immer vorgegangen, wenn er seinem Klonzweitling Fairoglan gegenüber seinen Willen durchsetzen wollte.

“Du versuchst mal wieder die Tatsache auszunutzen, dass meine telepathische Begabung schwächer ist als deine”, stellte Fairoglan fest. Er ließ einen Schalensitz in der Mitte der Zentrale des Yroa-Schiffs entstehen, um sich zu setzen. Eine Sicherheitsmaßnahme. Schließlich wollte er seinem Klonzweitling nicht den Triumph gönnen, ihn mit einem einzigen Gedanken womöglich so sehr zu bedrängen, dass er im wahrsten Sinn des Wortes das Gleichgewicht verlor, weil ihm schwindelig wurde.

So etwas war in der Vergangenheit schon vorgekommen.

Aber Fairoglan hatte sich vorgenommen, dass nun eine neue Zeit angebrochen war. Eine Zeit, in der er nicht mehr gewillt war, sich von seinem Klonzweitling alles bieten zu lassen.

Dass Shafor das nicht gefiel, war schon daran zu erkennen, dass er seine Gedanken jetzt sprachlich formulierte. Offenbar hielt er das für notwendig, um Fairoglan deutlich zu machen, wo dessen Grenzen lagen.

Höflichkeit oder Entgegenkommen gegenüber dem telepathisch unbegabteren Fairoglan war das jedenfalls auf gar keinen Fall.

Da war Fairoglan sicher.

“Du bist schuld!”, wiederholte Shafor nun. “Du bist schuld, dass die alten Feinde uns bis hierher verfolgt haben.”

“Sie wären uns auch so gefolgt”, stellte Fairoglan fest.

“Nein, dafür gibt es keinerlei Indizien!” Und nur in Gedanken setzte Shafor noch hinzu: Die Canyaj wollen irgendetwas von den Fremden. Den Menschen. Was es auch immer sein mag, es muss ihnen viel wert sein. Und es ist ihnen offenbar auch gleichgültig, dass sie sich im Konflikt mit einer Yroa-Kolonie nur blutige Nasen holen können!

“Wenn du so optimistisch bist, was den Ausgang dieses Konflikts angeht, dann verstehe ich nicht, weshalb du jetzt noch immer so ein Aufhebens darum machst”, sagte Fairoglan.

Wir hätten sie nicht retten dürfen!

“Aber wie du selbst zugegeben musst, sind alle daraus eventuell resultierenden Probleme lösbar, Shafor. Davon abgesehen ist unserer Feindschaft zu den Canyaj so uralt, dass sie wahrscheinlich gar keinen Grund brauchen, um uns anzugreifen. Auch das solltest du bedenken.”

In diesem Augenblick blinkte eine Warnmeldung auf - und zwar in allerschönsten dreidimensionalen Yroa-Zeichen.

Schriftzeichen! So was Primitives!, dröhnten Shafors Gedanken daraufhin auf eine unangenehme Weise in Fairoglans Kopf. Wie ich so etwas hasse ...

Unangenehm, aber erträglich waren diese Gedanken für Fairoglan inzwischen. Und in einem sehr tief verborgenen Winkel seines Bewusstseins gestattete es sich Fairoglan inzwischen sogar, sich über die mentalen Wutausbrüche seines Klonzweitlings lustig zu machen.

Ein guter Anfang, dachte Fairoglan zufrieden.

Allerdings beschäftigte ihn nun zunächst die Alarmmeldung.

Mit einer Handbewegung und einem Gedankenimpuls veränderte er die Projektion. Dutzende von Canyaj-Schiffen materialisierten nun. Sie kehrten aus dem anderen Kontinuum ins Normaluniversum zurück. Die Art und Weise, wie sie sich gruppierten, war typisch für ihre Kampfformation.

In der Vergangenheit hatten auch Fairoglan und Shafor bereits einige unerfreuliche Begegnungen mit Angehörigen dieser anorganischen Spezies gehabt. Gerüchten zufolge stammten sie aus einem anderen Universum - und es waren Yroa gewesen, die sie von dort mitgebracht und ihnen den Zugang zu diesem Universum eröffnet hatten.

Aber das waren mythische Erzählungen, deren Wahrheitsgehalt sich wahrscheinlich nicht mehr überprüfen ließ.

Zu lange lag dieses Ereignis bereits zurück, sofern es überhaupt stattgefunden hatte. Zu lange, selbst an den Maßstäben der Yroa gemessen.

Auf der Projektion war nun zu sehen, dass die Canyaj vom Verteidigungsnetz der Kolonie Kala-Dar bereits erwartet wurden.

Es war ein Netz aus Sonden, die sich über ein großes Raumareal hinweg in einem dreidimensionalen Gitternetz positioniert hatten.

In gewisser Weise ähnelte dieses Gitternetz der atomaren Struktur eines Kristalls.

Es gab jedenfalls für die Canyaj-Schiffe durch dieses Netz kein Durchkommen, davon war Fairoglan zutiefst überzeugt.

Dabei ließen die aus zusammengeballten Nano-Partikeln bestehenden Sonden natürlich eigentlich mehr als genug Raum zwischen sich, um jedes Objekt jeder beliebigen Größe passieren zu lassen. Die Sonden waren meistens kaum größer als ein Daumennagel. Die größten hatten etwa die Größe einer Yroa-Hand.

Und selbst dann, wenn es eine ungeschlachte Menschen-Pranke gewesen wäre - sie waren vergleichsweise winzig.

Winzig und unberechenbar.

Keine zentrale Befehlseinheit steuerte sie, kein Oberkommando gab Befehle. Es gab eine übergeordnete Direktive, mehr nicht. Der Nano-Schwarm bestand aus winzigen Einheiten, die autonom zu agieren vermochten und dabei immer der Direktive folgten.

Ein so dezentral aufgebautes Verteidigungsnetz war schwer zu überwinden.

Und die Canyaj wussten, was sie erwartete.

Dass sie es trotzdem versuchten, machte deutlich, wie wichtig ihnen das war, was sie bei den Menschen zu finden hofften.

Sunfrost und die anderen werden mir einiges zu erklären haben, dachte Fairoglan.

“Und du glaubst wirklich, dass dir diese mentalen Schwächlinge irgendetwas erklären werden?”, dröhnte jetzt Shafors höhnisch klingende Stimme durch den Raum.

Und die Woge von entsprechenden Gedanken, die im selben Moment über Fairoglans Bewusstsein hereinbrach, war auch alles andere als ein mentaler Hochgenuss für Fairoglan.

Fairoglan versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

In Anwesenheit eines mächtigen Telepathen war das nicht ganz einfach. Der Schlüssel zur Beherrschung einer Situation ist die Selbstbeherrschung, dachte Fairoglan. Und magst du mir auch ansonsten in jeder anderen Hinsicht überlegen sein - was das betrifft, bist du es zweifellos nicht!


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