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Trumpf-As

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Razor traute Francesco für keine fünf Cent.

Wie auch, schließlich war er ihm bis vor zehn Minuten vollkommen unbekannt gewesen? Zwar war da die Tatsache, dass er Moonlights Großvater war, die ihn hätte milde stimmen können, doch offensichtlich kam der Alte direkt aus dem verdammten Himmel und allein das machte ihn unsympathisch und wenig vertrauensselig. Razor allein und wohl auch seine Freunde wären also nicht mit ihm gegangen. Nur Moonlight zuliebe taten sie es, denn der Alte wollte Christopher befreien und Razor konnte in ihren Augen deutlich erkennen, dass sie diesen Typen noch immer liebte.

Keine halbe Stunde zuvor hatte er geglaubt, sie hätte sich für ihn entschieden - endlich. Moonlight war eine atemberaubend schöne Frau und sie hatte ihm vom ersten Moment an, da er sie gesehen hatte, sehr gefallen. Natürlich hatte er sich um sie bemüht, ehrlich, offen, aber nicht fordernd, doch Moonlight hatte keine Zweifel daran gelassen, dass sie kein Interesse hatte. Er brauchte ein paar Wochen, bis er erkannte, dass diese Ablehnung jedoch weder körperlicher, noch geistiger oder gar seelischer Natur war, sondern darin begründet lag, dass Moonlight noch immer Christopher im Herzen trug.

Doch Moonlight war, wie alle anderen auch, jeden Tag dem Grauen dieses fruchtbaren Ortes ausgesetzt; und auch wenn sie nicht auf dem normalen Weg hierhergekommen war, so musste sie sich trotzdem damit auseinandersetzen. Früher oder später – bei Moonlight waren es etwa drei Monate – veränderte dieser Ort den Menschen und aus der zarten, femininen und gutgläubigen jungen Frau wurde eine harte, gnadenlose und zunehmend verbitterte Kämpferin mit dem Herzen einer Löwin, dass es selbst Razor manchmal glatt den Atem verschlug.

Der Zufall wollte es, dass sie immer mal wieder aufeinandertrafen und Razor hatte jedes Mal das Gefühl, Moonlight würde sich ihm immer mehr nähern wollen. Er beschloss jedoch, sich ruhig zu verhalten, um sie nicht zu verschrecken.

Als dann ihr Typ auftauchte, war Razor klar, dass alles, was womöglich zwischen ihnen gewachsen war, vorbei war, doch es war deutlich zu spüren, dass das Verhältnis zwischen Moonlight und Christopher, wenn es denn einmal gut gewesen sein mochte, jetzt nicht mehr war. Und von Liebe konnte definitiv keine Rede mehr sein.

Dennoch war er mehr als überrascht, als Moonlight plötzlich in seinem Zimmer stand. Im ersten Moment mochte er es dann vielleicht noch verhindert haben wollen, doch spätestens als er Moonlights Lippen und ihre fordernde Zunge spüren und ihre harten Brustwarzen fühlen konnte, hatte er dem nichts mehr entgegen zu setzen. Er sollte es auch nicht bereuen: Moonlight war eng, feucht, gelenkig und tabulos und es wurde einer der besten Ritte seines Lebens.

Die Ernüchterung jedoch folgte auf dem Fuße, als ihr Typ sie beim Vögeln erwischte und einen mimosen Nervenzusammenbruch dabei erlitt, der ihm offensichtlich den Verstand nahm, da er nichts Besseres zu tun hatte, als schutzlos heulend aus dem Bunker ins Freie zu rennen. Und während er nach seiner Mama schluchzte, zog er die Dämonen an, wie ein Magnet.

Er selbst hätte diesen Schwachkopf seinem Schicksal überlassen, doch in Moonlights Augen konnte er von einer Sekunde zur anderen all das sehen, wovon sie zu Anfang immer geredet hatte: Die Liebe zu ihrem Christopher.

Und da wusste Razor sofort, dass er mit ihr gehen musste. Obwohl es so etwas wie Liebe hier in der Hölle nicht gab – alles, was er sich von Moonlight erhofft hatte, war guter Sex sooft es ging, bevor einer von ihnen getötet wurde – war er wohl doch noch nicht lange genug hier, um diese Empfindung nicht mehr zu kennen. Nein, er wusste noch sehr genau, wie sich dieses Gefühl anfühlte und er musste überrascht feststellen, das Moonlight ihm zumindest so viel bedeutete, dass er ihr helfen wollte, es zurückzubekommen.

Deshalb folgte er ihr. Als sie Christopher jedoch erreichten, war es schon zu spät – eigentlich, denn dann kam der Alte urplötzlich mit einem gleißenden Blitz buchstäblich aus dem Himmel gefahren und verkündete, dass sie Christopher um jeden Preis würden retten müssen. Er faselte etwas von einem Tor zum Himmel, vom Ende der Welt und von einem Kerl namens Samael. Razor versuchte ihm zu glauben, doch fiel ihm das echt schwer. Einzig die Tatsache, dass er Moonlights Typen offensichtlich wirklich retten wollte, hielt ihn bei der Stange.

Überrascht musste er dann feststellen, dass der Alte tatsächlich diverse Kräfte zu besitzen schien, die ihnen die Dämonen vom Hals hielten. Näher als zehn Meter kam keiner mehr an sie heran. Auch als sie sich trennten, blieb das so.

Während er dem Alten hinterher schaute, wie er die Rampe zum großen Tor der Burg hinaufging, hoffte er, dass er wusste, was er tat.

Dann wandte er sich ab und betrachtete die Burg vor ihnen. Der Alte wollte Unterstützung und Razor wollte sie ihm geben. Da sie scheinbar unbehelligt von angreifenden Dämonen agieren konnten, wusste er auch schon wie.

Mit einem kurzen Handzeichen deutete er den anderen an, ihm zu folgen.

*

Als er um die letzte Biegung herum war, konnte er das Tor erkennen und davor zwei mächtige Dämonen, die offensichtlich als Wachtposten fungieren sollten.

Francesco zögerte für einen kurzen Moment, weil er nicht sicher war, was er tun sollte, doch dann hielt er einfach weiter auf sie zu.

Natürlich wurden die beiden Kreaturen auf ihn aufmerksam. Für einen kurzen Augenblick waren sie sichtlich überrascht, einen einfachen Menschen – wenngleich auch von einer merkwürdig schimmernden Aura umgeben – hier zu sehen, dann aber siegte ihre Gier und sie gingen zum Angriff über. Zumindest wollten sie das. Doch als sie sich dem Alten näherten, spürten sie, dass etwas nicht stimmte. Die Aura um ihn herum weitete sich und als sie auf ihre Körper traf und pures Licht sie umgab, schien es ihnen, als würde eine unerträgliche Hitze versuchen, sie zu verbrennen. Mit unsicherem Fauchen und Knurren, in das sich schmerzvolles Stöhnen mischte, wichen sie zurück. Der Mensch jedoch ging unbeirrt weiter und so mussten sie schließlich das Tor freimachen und ihn passieren lassen.

Überraschenderweise schloss sich kein Burghof an, sondern das Tor führte direkt in einen langen Flur, an dessen Ende sich auf der rechten Seite eine gewaltige Halle anschloss. Während er sich mit festen, forschen Schritten weiter darauf zu bewegte, konnte Francesco neben einem intensiven, tiefen und bösartigen Knurren eindeutig die qualvollen Schmerzensschreie eines Menschen hören. Er war sofort sicher, dass es sich dabei um Christopher handelte. Damit war klar, dass er keine Zeit verlieren durfte.

*

Er musste einfach schreien. Es gab Nichts, was er diesem unglaublichem Schmerz, der seinen gesamten Körper einnahm, auch nur andeutungsweise entgegen zu setzen hatte. Normalerweise, das wusste er, hätte er längst ohnmächtig sein müssen. Doch diese Schutzfunktion seines Körpers war ganz offensichtlich ausgesetzt worden und Christopher war klar, dass dies nur sein Gegenüber getan haben konnte.

Dabei wäre Christopher in diesem Moment nicht einmal in der Lage gewesen, den Schmerz zu beschreiben, weil er noch niemals zuvor etwas Derartiges gespürt hatte. Anfangs war es ein irrsinniges Brennen gewesen, als sich die feuerrote Rauchsäule auf seinen Rücken gelegt hatte und sich glühend heiße Finger in sein Innerstes gegraben hatten. Das war gerade noch so auszuhalten gewesen. Dann aber, Christopher konnte gar nicht mehr sagen, was eigentlich passiert war – schwoll dieses Brennen schlagartig um ein Vielfaches an. Es war, als würde eine Kugel aus flüssigem Metall, die direkt an seiner Wirbelsäule saß, sich sekündlich immer weiter aufblähen und dabei sein Innerstes kochen und dann verdampfen. Das dabei entstehende Druckgefühl schien seine Haut zerreißen zu wollen. Christopher wurde beinahe wahnsinnig dabei. Instinktiv versuchte er dem Schmerz auszuweichen, doch die stahlharten Klammern um seine Oberarme gaben um keinen Deut nach. Eine Schmerzwelle nach der anderen ergoss sich in seinen Körper, schien sich am Ende zu einer einzigen nie enden wollenden Qual aufzutürmen, die schließlich sein Gehirn erreichte und komplett einnahm, dass ihn bereits erste Wellen puren Wahnsinns erfassten und die Realität vor seinen Augen verschwamm.

Seine eigenen Schreie nahm er nur noch wie durch einen dichten Schleier dumpf und verzerrt war. Sie klangen dennoch schrill und erbärmlich. Christopher war sich plötzlich ziemlich sicher, dass er seine Blase und womöglich auch seinen Darm entleert haben musste und er spürte ein gewisses Schamgefühl, was ihn jedoch gleichzeitig irgendwie belustigte, weil er sich in diesen grauenvollen Momenten darum sorgte, dass er sich in die Hose gepisst und vielleicht auch geschissen haben könnte.

Einen Augenblick später durchschnitt ein tiefer, kraftvoller, offensichtlich verärgerter Schrei den Schleier um sein Gehirn. Er klang so vollkommen anders, wie all seine Schreie zuvor und irgendwie schien er auch gar nicht aus ihm zu kommen. Doch bevor er sich darüber wundern konnte, spürte er eine kurzen Luftzug und einen stechenden Schmerz in seinen Knien. Gleichzeitig ließ der furchtbare Schmerz in seinem Rücken schlagartig nach. Christopher öffnete überrascht seine Augen und musste feststellen, dass er auf seine Knie gefallen war und die eisenharten Klammern an seinen Oberarmen verschwunden waren.

Im nächsten Moment hörte er erneut dieses tiefe, verärgerte, aber auch irgendwie überraschte Brüllen direkt vor sich. Christopher zwang sich, seinen Kopf anzuheben. Über ihm schwebte noch immer die Fratze des Dämons in der nebellösen Blase. Ihre Augen starrten ihn direkt an.

Was ist das?

Christopher hatte nicht die geringste Ahnung, was sie damit meinte, konnte sich jedoch nicht mehr länger aufrecht halten, weil sein Oberkörper zusammenzuckte und vornüber fiel, wo er gerade noch seine Hände zum Abstützen zwischen sich und dem Boden bringen konnte, bevor er sich wuchtig und krampfhaft erbrach.

Während er glaubte, dass sein Kopf zerspringen wollte, weil so unglaublich harte Kopfschmerzen gegen seine Innenwände donnerten, dass sein Blick verschwamm, hörte er über sich das Brüllen der Bestie, dass deutlich an Verärgerung und Zorn zunahm.

Was ist das?

Die Worte waren so laut, so tief und so intensiv gesprochen, dass sie in der Halle widerhallten, wie der Schlag einer großen Glocke.

Christopher spürte eine immense Hitze, die sich wie eine Decke über seinen Körper legte und sofort unangenehm war und eine innere Stimme sagte ihm, dass sein Leiden, dass ihn bereits jetzt an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, doch gerade erst begonnen hatte.

*

„Nimm deine verdammten Drecksfinger von ihm!“ Francescos Stimme donnerte durch die Halle und sofort hatte er alle Aufmerksamkeit auf sich.

Er stand schon seit einigen Sekunden am Eingang und hatte das Szenario vor ihm betrachtet. So sehr ihm Christopher auch leid tat, er musste erst die Lage sondieren, bevor er agieren konnte. Das aber war einfacher, als er erwartet hatte. Er konnte etwa zwei Dutzend Dämonen an der rechten Seitenwand ausmachen, die Christopher in der Mitte der Halle unverhohlen anstarrten. Sie, ebenso wie der Dämon der schräg hinter Christopher stand, waren keine Gefahr für ihn. Mit ihnen würde er leicht fertig werden. Sein Problem war Samael. Francesco konnte die Rauchwolke direkt vor Christopher erkennen, doch wusste er sofort, dass dies nicht der eigentliche Dämon war, sondern nur ein Bild, das dieser dem Menschen suggerierte. Die eigentliche Kreatur befand sich am Ende der Halle hinter einer undurchsichtig wabernden Nebelwand.

Natürlich war Christopher kein Gegner für ihn, daher brauchte er sich nicht selbst zu bemühen. Die furchtbaren Schmerzensschreie des jungen Mannes zeigten deutlich, wie Recht er damit hatte. Dennoch musste Francesco sehr vorsichtig agieren, doch als er sehen und hören konnte, was Samael offensichtlich zu tun versuchte und wie sehr ihn sein Scheitern erzürnte, wusste er, dass er eine bessere Gelegenheit als diese nicht bekommen würde.

Also sprach er seine Worte so laut, dass er sicher sein konnte, dass alle ihn hören würden. Zeitgleich machte er einen Schritt nach vorn und setzte dabei seine ihm innewohnenden Fähigkeiten ein. Innerhalb eines Wimpernschlages überbrückte sein Körper die Entfernung zu Christopher und schoss quer durch die Halle direkt hinter den Dämon hinter ihm. Seine Silhouette wurde dabei extrem verzerrt und ein kurzes Zischen war zu hören. Dann stand der Alte direkt hinter dem Dämon, der nicht einmal ansatzweise wusste, was gerade geschah, formte seine rechte Hand zu einer Kralle und hämmerte sie der Bestie in ihren Rücken. Der Dämon stöhnte mehr erschrocken, als alles andere auf, doch als Francesco seine Hand spielend leicht schloss und seine Finger dabei die dicke, knorpelige Wirbelsäule umfassten, wurde daraus echter Schmerz, den die Kreatur quiekend hinausschrie. Der Alte aber war gnadenlos, drückte seine linke Hand gegen den Rücken und riss die rechte dann mit einem kurzen Ruck beinahe mühelos zu sich. Ein ekelhaftes Reißen ertönte, ein letzter Schrei des Dämons, dann sackte er seitlich weg und klatschte als unförmiger Fleischberg zu Boden. Hinter ihm stand Francesco und hatte seine feuchte, von grünem Blut triefende Wirbelsäule, samt kleineren Fleischbrocken in der Hand und blickte ausdruckslos auf den Toten.

Im nächsten Moment ertönte ein höchst überraschtes und bösartiges Fauchen und als Francesco seinen Blick wieder anhob, erkannte er, dass es von der Fratze in der Rauchblase kam. Der Anflug eines Lächelns huschte über seine Lippen, dass aber sogleich einem angeekelten Gesichtsausdruck wich. „Verschwinde!“ zischte der Alte und riss seine Unterarme in die Höhe und nach außen, wie ein Exhibitionist, der ruckartig seinen Mantel öffnete. Doch hier kam kein nacktes Fleisch zum Vorschein, sondern die Luft vor Francescos Körper wurde wie bei einer kugelförmigen Druckwelle von ihm geschleudert. Als sie auf die Fratze traf, zerstob die Rauchblase augenblicklich und wurde bis zur Nebelwand am Ende der Halle zerfetzt.

Während von dort ein tiefes, zorniges Brüllen zu hören war und der Nebel sichtbar in Wallung geriet, ließ Francesco die Wirbelsäule des Dämons achtlos zu Boden fallen, machte einen Schritt auf Christopher zu und riss den jungen Mann, der von den jüngsten Geschehnissen kaum etwas mitbekommen hatte, weil er noch immer vordringlich um seine Besinnung kämpfte, zurück auf dessen wackelige Beine. Francesco warf einen kurzen Seitenblick auf ihn und obwohl er ein absolut erbärmliches, bemitleidenswertes Bild abgab, verzog der Alte keine Miene. Ganz im Gegenteil. „Halten sie sich senkrecht, Mann!“ raunte er ihm zu und während Christopher ihn total planlos anschaute zog Francesco ihn mit einem weiteren kräftigen Ruck so vor sich, dass sein Körper ihn schützte. Dabei schaute er sich kurz um. Die Dämonen an der rechten Seite waren stinksauer, doch vermochten auch sie seine Aura nicht zu durchbrechen und mussten zwangsläufig Abstand halten, wenngleich sie begannen, ihn zu umkreisen. Dann hob er seinen Blick an und schaute hinauf zur Decke. Als er erkannte, was er dort zu sehen hoffte, wandte er sich zufrieden wieder nach vorn.

*

Douglas hatte sich anfangs gefühlt, als würde er durch eine nicht wirklich reale Welt schweben, weil allein schon die Tatsache, dass er sich in der Hölle befand, in seinem Gehirn wohl als derart irrsinnig eingestuft wurde, dass es sich irgendwie zu weigern schien, es als Realität zu akzeptieren.

Wenn er seine Frau Cynthia ansah, dann konnte er eigentlich nur den Kopf schütteln, denn im Gegensatz zu ihm, schien sie voll auf der Höhe, sehr entschlossen und extrem energiegeladen zu sein; ja, es schien ihm fast so, als würde sie ihren Aufenthalt hier gar genießen!

Weil er selbst sich jedoch noch nicht richtig auf diese extreme Situation einstellen konnte, überließ er zunächst anderen die Führung.

Allmählich aber änderte sich seine Einstellung und ihm wurde bewusst, was vor sich ging. Er erkannte, was mit Christopher geschehen war und ihm war klar, dass sie ihn retten mussten.

Die Sache mit Francesco war dabei echt krass und verrückt, aber er wäre ein wahrer Narr gewesen, wenn er sich hier noch über irgendetwas gewundert hätte.

Der Trupp um Razor schien schon länger an diesem idyllischen Ort des Grauens zu sein und obwohl er den Schwarzen nicht besonders mochte (weil er mit Silvia gebumst und damit Christopher ja eigentlich erst in diese vertrackte Situation gebracht hatte – eigentlich), vertraute er darauf, dass er wusste, was er tat und folgte ihm stumm.

Schnell erkannte er dabei, dass der Schwarze sich auf die rechte Seite der Burg schlug. Sie hetzten die teilweise sehr steile Bergflanke hinauf und standen dann vor der Längsseite einer ziemlich gewaltigen Halle. Am linken Ende erhob sich der Berg bis an ihr Dach und Razor flitzte ohne zu zögern dort hinauf.

Als sie ihr Ziel erreicht hatten, hatte Douglas das Gefühl, seine Lungen würden gleich platzen und er musste, wie alle anderen aber auch, erst einmal heftig verschnaufen. Dabei jedoch erkannte er sehr schnell, dass Razor für sie einen beinahe perfekten Platz gefunden hatte. Das Dach der Halle war nämlich kein gewöhnliches Dach, sondern schien eine undefinierbare Masse aus einem matt glänzendem schwarz-rotem Material zu sein, das halb durchsichtig war und einen ganz ordentlichen Blick auf das Innere des Gebäudes freigab.

Dort konnte er sofort Christopher ausmachen, der gerade vornüberkippte und sich heftig erbrach. Irgendeine Art Rauchsäule befand sich direkt vor ihm und er konnte eine mächtige, dröhnende Stimme hören. Ziemlich direkt unter ihnen saßen um die zwanzig Dämonen. An der Stirnwand waberte wie dicke Rauschwaden auf ihrer gesamten Fläche ein dichter blutrot-schwarzer Nebel. Douglas war sich nicht sicher, ob er sich vor der eigentlichen Wand befand oder aber die Wand selber war.

Plötzlich vernahm er die Stimme Francescos und schon einen Augenblick später war der Alte – wie auch immer – mit einer deutlichen Leuchtspur direkt hinter den Dämon gewuscht, der wiederum direkt hinter Christopher stand. Einen Augenblick später tötete er die Bestie, wie diese sonst Menschen töten und wieder nur eine Sekunde später schoss eine deutlich sichtbare Druckwelle von dem Alten quer durch die Halle und zerstob die Rauchsäule vor Christopher bis an die wabernde Nebelwand.

Douglas war irgendwie beeindruckt und fasziniert. Schon konnte er sehen, wie Francesco Christopher mit einem Ruck auf die Füße brachte, sich dann hinter ihn stellte, seinen Blick zu ihnen anhob, sie offensichtlich erkannte und sich dann mit einem sanften Lächeln wieder umwandte.

Douglas fiel mit einem Male ein, dass er gar nicht wirklich wusste, was der Alte nun vorhatte, um seinen Freund zu befreien, doch angesichts der eben gezeigten Kräfte war er fast guten Mutes und beschloss, sich überraschen zu lassen.

*

Francesco wartete und er musste nicht lange warten.

Der Nebel an der Stirnwand verdunkelte sich zusehends und wallte immer mehr auf. Dem Alten war klar, dass gleich etwas geschehen würde.

Tatsächlich zuckte nur einen Augenblick später eine riesige Qualmhand mit vier dicken, wulstigen Fingern aus dem Nebel hervor, schoss quer durch die Halle und wollte die beiden Personen dort ergreifen, doch rund drei Meter bevor sie sie erreicht hatte, stieß sie gegen eine scheinbar unsichtbare Wand und kam nicht weiter.

Bei genauerem Hinsehen war es jedoch keine Wand, sondern eine in einem sanften, schwachen Gelb schimmernde Kugel, die Francesco um sich und Christopher als Schutzhülle aufgebaut hatte.

Ein überraschtes, missgelauntes Brummen war zu hören und die Hand versuchte noch einmal, vorwärtszukommen. Als auch dieser Versuch misslang, wurde aus dem Brummen ein bereits äußerst zorniges Brüllen, die Hand wurde zur Faust geballt, sie zuckte noch weiter nach vorn und dann krachte sie mit schier unbändiger Wucht von oben auf die Schutzhülle um Francesco und Christopher. Die Kugel erzitterte sichtlich, ihre schwache gelbe Färbung wechselte in deutlicheres Rot. Schon donnerte die Faust ein zweites Mal, ein drittes Mal darauf. Schwarze Linien zuckten wie Blitze auf der Außenhülle der Kugel entlang, die von einem harten Knistern begleitet wurden, die Färbung der Schutzhülle wurde nochmals dunkler und kräftiger. Doch noch hielt sie der brutalen Wucht der Schläge Stand.

„Hör auf!“ rief Francesco. Er stand noch immer aufrecht und zuckte trotz der wilden Schläge der Qualmfaust keinen Millimeter zusammen, als wäre er sich seiner Sache sehr sicher. Nur in seinen Augen flackerten erste Zweifel auf. „Das hat keinen Sinn. Du kannst diese Hülle nicht zerstören!“

Ein wütendes Brüllen ertönte, dann schien es, als wolle die Nebelwand an der Stirnseite explodieren, stattdessen aber schälte sich eine monströse Gestalt daraus hervor und kam mit gewaltigen Schritten näher. Vier Arme waren zu sehen, zwei davon mit Pranken mit je vier Finger, die beiden anderen mit langgezogenen, gekrümmten Klauen. Zwei mächtige Beine, deren Oberschenkelknochen offensichtlich der Länge nach zweigeteilt waren und soweit auseinanderlagen, dass zwischen ihnen ein deutliches Loch zu erkennen war. Die Füße lang gezogen und mit einem deutlichen Knorpelfortsatz im Hackenbereich, der beim Gehen den Boden wie der Absatz eines Damenschuhs berührte. Auf dem Rücken war ein unförmiges Gewirr von Knochen und Knorpeln zu sehen; sowie zwei lederartige Aufsätze, die wirkten wie Segel. Das alles aber war nichts im Vergleich zu dem mächtigen Schädel. Er besaß sehr tiefliegende, tiefschwarze Augen, hohe scharfkantige Wangenknochen, eine faltige, hervorschießende Stirn, mehrere knöcherne Hörner in unterschiedlichen Größen, Formen und Ausrichtungen aus dem Kopf und ein breites Maul mit fleischigen Lippen, mehreren Reißzähnen in Ober- und Unterkiefer und rasiermesserscharfen Zahnreihen. Das alles war zu erkennen, obwohl die gesamte Kreatur noch immer von feinen Rauchschwaden umgeben war, die ihre Konturen immer wieder mehr oder weniger verwischten. Das Monstrum dahinter aber war klar auszumachen und ließ keinen Zweifel an der Kraft, der Gnadenlosigkeit und der Macht, die es besaß und die so viel größer war, als alles, was sie alle bisher gesehen und erlebt hatten. Wer bist du? Die Worte dröhnten durch die Halle, ließen sie erzittern, doch noch immer bewegte sich der Mund der Bestie dabei nicht.

„Mein Name ist unwichtig!“ rief Francesco, während er die Kreatur keine Sekunde aus den Augen ließ. „Wichtig ist nur, dass ER mich geschickt hat!“

Kaum hatte der Alte das eine Wort gesagt, richtete sich die Bestie blitzschnell mit einem wütenden Aufschrei zu ihrer vollen Größe auf. ER? Die Kreatur machte einen Schritt nach vorn, ballte ihre Hände wieder zu Fäusten. ER? Das Brüllen wurde noch lauter, noch dröhnender, noch intensiver. Dann hämmerte der Dämon wild und wie von Sinnen auf die Schutzhülle ein und nahm dabei auch seine messerscharfen Klauen zu Hilfe.

Die Kugel ächzte erbärmlich, wurde teilweise eingedrückt, die Blitze zuckten so vielzahlig über die Außenhaut, dass sie fast schwarz wirkte, das Knistern war ohrenbetäubend.

„Hör auf!“ brüllte Francesco, so laut er nur konnte. Angesichts des Spektakels vor ihm zeigte er jetzt echten Mut, dass er noch immer nicht wankte. „Hör auf!“

Plötzlich hielt das Monstrum tatsächlich inne. Warum schickt ER dich? Ein weiterer rüder Schlag mit einer Faust. Der Knall donnerte in der großen Halle laut wider. Was willst du hier? Ein neuerlicher Schlag Warum mischt ER sich hier ein? Wieder ein Schlag. Verschwinde von hier. Du hast hier nichts verloren!

*

Christopher war wirklich nur noch einen Hauch davon entfernt, einfach aufzuhören zu atmen, weil ihn all das, was mit ihm und um ihn herum geschah dermaßen gegen den Strich ging, dass er schlicht keine Lust und auch keine Kraft mehr hatte, dem Ganzen auch nur noch eine Minute länger beizuwohnen.

Nachdem er sich herzhaft, aber widerlich sauer übergeben hatte, wäre er am liebsten liegengeblieben, doch nach nur wenigen Augenblicken wurde er schon wieder auf die Beine gerissen. Durch den nebelösen Schleier aus taubem, pochendem Ganzkörperschmerz, Kraftlosigkeit und Übelkeit, glaubte er Francesco zu erkennen, doch war das ja wohl kaum wirklich möglich, schließlich war der Alte vor einem Jahr auf dem Dach des WTC vor seinen Augen gestorben.

Dann sah er die monströse, in dunkle Rauchschwaden gehüllte Kreatur aus dem Nebel an der Stirnwand schießen, nur damit sie jetzt wie wild auf einer Art unsichtbaren Kugel herum hämmern konnte.

Und das war dann einfach zu viel für Christopher. Diese Kräfte, die er in den letzten Minuten erleben und spüren musste, die irrsinnige Wucht, mit der sie agierten, all das zeigte ihm mehr als deutlich, dass hier Mächte am Werk waren, die seinen Verstand, ja sein ganzes Sein schlichtweg meilenweit überstiegen und er besser daran täte, vor ihnen zu kapitulieren und zu sterben.

Oh wie gern hätte er einfach nur aufgehört zu atmen, doch war es ihm trotz all der Schmerzen, die er hatte und all der Kraftlosigkeit, die es ihm so unendlich schwer machte, sich überhaupt auf den Beinen zu halten, nicht möglich, diese verdammte Stimme in seinem Kopf zum Verstummen zu bringen, die ihn immer und immer und immer wieder anschrie, jetzt nicht aufzugeben, sondern sich im Gegenteil zusammenzureißen, sich aufzurichten und für das, was ihm wichtig war zu kämpfen.

Was war er doch für ein nervendes Arschloch tief in seinem Inneren!

Dennoch konnte er nicht verhindern, dass diese Stimme die Oberhand über sein Handeln gewann. „Fuck!“ stieß er deshalb unvermittelt hervor. Francesco wandte sich überrascht zu ihm um und konnte in Christophers Gesicht eine Mischung aus Schmerz, Frust und Entsetzen erkennen, als würde er eigentlich gar nicht reden wollen, es aber irgendwie nicht verhindern können. „Alter…!“ Er sprach dieses Wort etwas lang gezogen aus. „…nun komm mal wieder runter, Mann!“ Christopher schaute den mächtigen Dämon direkt an. Komischerweise hielt die Kreatur tatsächlich inne, weil sie sichtlich überrascht war, ihn sprechen zu hören. „Der Mann hier…!“ Er deutete auf Francesco und musste sofort seine Augenbrauen zusammenziehen, weil ihm die Ähnlichkeit dieser Person mit Silvias Großvater erneut total verblüffte. „…sieht doch nun wirklich so aus, als könne man mit ihm reden!“ Er grinste den Alten kurz an, dann wandte er sich wieder an die Bestie. „Da muss man doch nicht so rumschreien, verdammt!“

*

Francesco war sichtlich perplex, als er Christophers Worte hörte und auch über die Art und Weise, wie er sie aussprach. Keine Spur von Angst. Genau so, wie er den jungen Mann auch kennengelernt hatte. Unerschrocken, geradlinig, mutig und extrem gefährlich in allem, was er tat. Nicht umsonst hatte der erste Dämon so große Probleme gehabt, sich ihm vom Hals zu halten.

Eigentlich passte er ganz hervorragend zu seiner Enkeltochter, wenn er nur endlich mal seinen Schwanz unter Kontrolle halten konnte und Rumvögeln nicht zu seiner ersten Leidenschaft machen musste. Verdammter Hurensohn, aber vor allem verdammter Idiot.

Doch jetzt hatte Christopher absolut Recht und der Alte nutzte die Gelegenheit sofort aus. „Ich bin hier, um dir einen Deal vorzuschlagen!“ sagte er mit lauter Stimme.

Samael, der verstummt war und Christopher noch immer ziemlich überrascht anschaute, reagierte erst nach einer Sekunde auf seine Worte. Was für einen Deal könntest du mir schon anbieten, du Wurm?

Francescos rechtes Auge verengte sich für einen kurzen Moment und sein Gesicht wurde sehr ernst. Innerlich jedoch musste er grinsen, denn die Tatsache, dass der Dämon Kraftausdrücke wie du Wurm gebrauchte, zeigte, dass er, wenn auch nur ganz leicht, verunsichert war. „Mein Leben gegen das dieses Menschen!“

„Was?“ Das war Christopher und jetzt stand echte Überraschung in seinem Gesicht geschrieben. Sein Schmerz und alles andere waren wie weggeblasen.

*

„Was?“ Cynthia zog ihre Augenbrauen zusammen. Hatte sie eben richtig gehört? Sie blickte zu ihrem Mann. Douglas hatte seine Augenbrauen weit in die Höhe gezogen. Damit war klar, dass sie sich nicht getäuscht hatte.

„Was?“ Neben Douglas saß Silvia. Als sie die Worte ihres Großvaters hörte, wich sofort alle Farbe aus ihrem Gesicht und sie war absolut geschockt.

„Aber der Alte ist doch schon tot!“ merkte Horror sofort an.

Daraufhin strafte ihn Heaven mit einem vernichtenden Blick. „Halt bloß die Klappe, Horror!““

„Er ist ein verdammter Engel, Mann!“ raunte ihm auch Bim zu. „Weißt du, was das heißt?“

Horror sank förmlich in sich zusammen und man sah ihm deutlich an, dass er sich für seine Worte schämte.

Doch bevor er etwas sagen konnte, meinte Razor. „Trotzdem…!“ Er schaute Moonlight direkt an. „…ich denke, der Alte führt was im Schilde!“

*

Dein Leben für seines? Der Dämon starrte ihn mit seinen schwarzen, toten Augen an.

Francesco nickte. „Genau!“ Er lächelte fast schon zufrieden.

Das wäre kein guter Tausch! Die Stimme klang fast höhnisch.

Francesco verlor augenblicklich sein Lächeln.

„Augenblick mal…!“ hob Christopher an und seine Stimme klang leicht verärgert.

Doch der Alte deutete ihm mit einem Kopfschütteln an, den Mund zu halten. „Du weißt aber schon, was ich bin?“ meinte er dann.

Der Dämon lachte heiser auf, seine Stimme dröhnte kurz durch die Halle. Natürlich! Aber ich bin mir sicher, du weißt auch, wer er ist!

„Er?“ Francesco lachte beinahe verächtlich auf und warf Christopher einen abschätzigen Seitenblick zu. „Er ist ein räudiger Bastard, der sein Gehirn im Schwanz herumträgt! Vollkommen unwichtig und nutzlos!“

„Hallo?“ Christopher war sichtlich geschockt und sah den Alten mit großen Augen an. „Sag mal geht´s noch?“ Doch Niemand reagierte auf ihn.

Samael lachte heiser. Ich sehe etwas anderes in ihm!

Jetzt lachte auch Francesco auf. „Ich weiß, aber…!“ Sein Blick wurde urplötzlich sehr ernst. „….es wird dir nicht gelingen, es an dich zu bringen!“

Für einen kurzen Moment schwand das Leuchten aus den Augen der Kreatur, dann aber lächelte sie wieder. Ich denke doch!

„Ich konnte sehen, dass du es bereits versucht hast,…!“ Der Alte fixierte den Blick des Dämons. „…vergeblich!“ Als Antwort erhielt er ein mürrisches Brummen. „Das Tor ist perfekt in ihm platziert…!“ Francesco merkte, wie Christophers Blick sich verfinsterte. „Du kannst es nicht an dich nehmen, ohne ihn zu töten!“

„Tor?“ Christopher war sichtlich total verwirrt, aber auch wenig geduldig. „Platziert? Häh?“

„Und damit ist es nutzlos für dich!“ fuhr Francesco fort.

„Kann mir einer sagen, was hier los ist?“ Christopher starrte die beiden mit ärgerlicher Miene an. „Wovon redet ihr da, verdammt?“

Samael blieb einen Moment stumm, dann lächelte er wieder sanft und selbstsicher, was ihn nur noch bedrohlicher wirken ließ. Das werden wir sehen. Ich habe alle Zeit der Welt. Irgendwann werde ich schon einen Weg finden!

Francescos Gesicht verzog sich zu einer gequälten Grimasse. „Das dachte ich mir!“ Seine Stimme klang etwas geschafft und er atmete tief durch.

„Was dachten sie sich?“ fragte Christopher, der noch immer total verwirrt war. Wenn er sich nicht so schwach gefühlt hätte, hätte er sich den Alten schon vorgeknöpft, so aber hatte er nicht die Kraft dazu.

„Und deshalb…!“ Francesco warf Christopher einen fast mitleidigen Blick zu, den dieser überhaupt nicht einordnen konnte. „…werde ich…!“ Der Alte schniefte kurz durch die Nase. In den Augenwinkeln konnte Christopher sehen, wie seine rechte Hand aus einer Seitentasche in seinem Umhang hervorkam. Für einen Wimpernschlag glaubte er, etwas Metallisches aufblitzen zu sehen. „….das Trumpf-As aus dem Spiel nehmen!“ endete Francesco seinen Satz.

Sowohl Christopher als auch Samael schauten ihn überrascht an.

Was willst du? fragte der Dämon abschätzig.

„Ich werde ihn töten!“ Und in einer flüssigen Bewegung riss er ein verdammt großes Messer in die Höhe und rammte es Christopher schräg unterhalb des rechten Schulterblattes bis zum Anschlag in den Körper.

Dämon III

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