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Schmerzen

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Er wurde genau in dem Moment wieder wach, als er rüde und knallhart der Länge nach zu Boden schlug. Ob ihn der Schmerz darüber zurück in die Wirklichkeit holte oder er seine Augen schon eine halbe Sekunde vorher geöffnet hatte, vermochte er nicht zu sagen – es spielte am Ende auch überhaupt keine Rolle.

Allein wichtig war, dass Christopher innerhalb eines Wimpernschlags wieder hellwach war und sein ganzer Körper ein einziger, schierer Schmerz. Vor dem Aufschlag war nur tiefste Dunkelheit gewesen, doch jetzt, da er jeden Knochen im Leib spürte, wusste er auch wieder, was davor gewesen war.

Unter sich konnte er einen harten Untergrund spüren, vielleicht aus Beton. Er war glatt, aber mit einer dünnen Staubschicht überzogen, die jetzt an seinem schweißnassen Gesicht klebte und ihm einen gespenstischen Ausdruck verlieh und sich mit dem Speichel vermischte, der ihm aus dem Mund lief. Tiefe, schwere Atemzüge sollten ihm dabei helfen, den Schmerz besser zu verkraften und schneller wieder klar zu werden. Das Bild vor seinen Augen war anfangs etwas verschwommen. Er konnte zunächst nur den dunklen Untergrund erkennen und einige verzerrte Lichter, wenn er zur Seite blickte. In seinen Ohren war ein dumpfes Hämmern in einem schnellen Rhythmus zu hören und Christopher brauchte ein paar Sekunden, bis er erkannte, dass es sein eigener, wilder Herzschlag war.

Christopher nahm seine Kraft zusammen und drückte sich soweit in die Höhe, dass er sich auf seine Unterschenkel setzen konnte. Nach ein paar weiteren tiefen Atemzügen schärften sich die Bilder vor seinen Augen endlich und er konnte seine Umgebung erkennen.

Er befand sich in einer riesigen, rechteckigen Halle. Die Breite schätze er auf rund zwanzig Metern, die Länge auf etwa einhundert. Die Höhe vermochte er nicht zu bestimmen, denn die vermeintliche Decke war ein einziges blutrotes Etwas, dass pulsierte, wie Wolken im einem heftigen Sturm, sodass er nicht sicher war, ob er nicht wirklich direkt in den Himmel sah und dieser Raum am Ende gar keine Decke besaß.

Auf der rechten Wandseite konnte er nur wenige Meter von sich entfernt mehrere monströse Gestalten ausmachen, die er sofort als Dämonen klassifizierte, wenngleich sie etwas anders aussahen, als die, gegen die er noch vor wenigen Minuten gekämpft hatte. Zusammen mit seinen Freunden (alten – Gott, Douglas und Cynthia waren tatsächlich auch hier! und neuen – Bim, Horror, Terror und…Heaven…) und zusammen mit…MoonlightSilvia – seiner über alles geliebten Silvia. Doch wenn er jetzt an sie dachte, sah er sie auf diesem gottverdammten Razor sitzen, um sich von ihm nach allen Regeln der Kunst durchvögeln zu lassen. Zorn stieg in ihm auf, aber auch tiefer Schmerz, denn ihm war klar, dass Silvias Verhalten nur die Konsequenz seines langjährigen Betrugs an ihr war, er es sich also mehr als alles andere selbst zuzuschreiben hatte. Deshalb durfte er Silvia jetzt auch nicht böse sein, sondern musste ihr Verhalten als das akzeptieren, was es war: Das Resultat seiner Schuld.

Augenblicklich verspürte Christopher das große Verlangen, sofort zu ihr zu gehen, um ihr genau das zu sagen, doch in dem Moment, da er sich aufrichten wollte, bekam er einen knüppelharten Schlag ins Kreuz und er sackte mit einem Stöhnen nach vorn, wo er sich gerade noch auf seine Arme abstützen konnte, bevor er erneut unliebsamen Kontakt mit dem Boden gemacht hätte. Als er aufschaute, sah er einen weiteren Dämon schräg hinter sich stehen, der ihn hasserfüllt anfunkelte und bösartig grollte, ihn jedoch nicht anfiel.

Sofort war Christopher zurück in der Realität. Gottverdammt, sie hatten gegen diese Bestien gekämpft und er war dabei überwältigt worden. Daher seine Ohnmacht. Warum zum Teufel aber lebte er überhaupt noch? Wenn er von Dämonen gefangen genommen wurde, warum feierten sie jetzt nicht mit seinem Rückenmark eine Orgie? Warum stand diese furchtbare Kreatur nur ein halben Schritt von ihm entfernt und griff ihn dennoch nicht an, obwohl er im Gesicht der Bestie ihre Blutgier mehr als deutlich erkennen konnte?

Christophers Gehirn arbeitete auf Hochtouren, doch so sehr er sich auch bemühte, eine Erklärung hierfür zu finden, gelang ihm genau das nicht.

…weil ich es so befohlen habe!

Christopher erstarrte und seine Augen zuckten nervös umher. Die Stimme war unglaublich tief und schien sowohl die komplette Halle, als auch seinen Körper vollkommen einzunehmen und ihn zum Vibrieren zu bringen. Doch den Verursacher dieser Worte auszumachen, vermochte er nicht. Er blickte sich um und konnte erkennen, dass die Blicke der anderen Dämonen nach vorn zum Ende der Halle gerichtet waren. Christopher folgte ihnen, konnte dort jedoch keine Gestalt erkennen, lediglich ein ähnlich pulsierendes Licht, das deutlich dunkler war, als das an der Decke, jedoch auch irgendwie intensiver und kräftiger.

Du suchst mich… Die unendlich kraftvolle Stimme klang ein wenig belustigt. Die Richtung stimmt! Christopher blickte wieder an das Ende der Halle und bemerkte, dass das Licht dort, für einen Augenblick ein wenig heller geworden war. Aber du wirst mich nicht finden. Nur… Das Licht am Ende der Halle blitzte kurz auf, dann schoss ein armdicker, tiefschwarzer Strahl aus dichtem Rauch blitzschnell auf Christopher zu, senkte sich zu Boden, stoppte nur wenige Zentimeter abrupt vor ihm ab, schoss soweit in die Höhe, dass er direkt vor seinem Gesicht zum Stehen kam und quoll dann zu einer Art Blase auf, die ungefähr doppelte Kopfgröße besaß. Der ganze Vorgang dauerte keine Sekunde und Christopher hatte überhaupt keine Chance, zu reagieren. Er erschrak und versteifte sich, doch konnte er sich – selbst, wenn er es gewollt hätte – nicht einen Millimeter bewegen, weil er das Gefühl hatte, sein ganzer Körper wäre wie aus Fels gemeißelt.

Aber fühlen konnte er und das erste, was er empfand, war ein widerlich faulig verwesender Geruch, den die Rauchblase verströmte. Dann quollen feurig-gleißende Flammen wie flüssige Lava aus dem Inneren der Blase und Christopher spürte deutlich die enorme, trockene Hitze auf seinem Gesicht, die den Schweiß darauf innerhalb weniger Augenblicke verdampfte.

Währenddessen kristallisierte sich aus den Flammen immer klarer der unförmige, furchterregende Schädel eines wahren Monsters heraus, das ihn aus toten, schwarzen Augen fixierte. Gewaltige, Reptilien-ähnliche Kiefer, an denen sich fingerlange, rasiermesserscharfe Reißzähne entlang schoben, öffneten sich und näherten sich ihm immer weiter. Fast glaubte Christopher, es wolle ihm den Kopf abbeißen, was ihm wohl auch ohne Probleme gelungen wäre, und er es hätte hilflos geschehen lassen müssen, da er sich noch immer absolut nicht bewegen konnte. Doch im letzten Moment zuckte die Fratze zurück und ein fast diebisches Grinsen legte sich auf die widerlich fleischigen Lippen und entblößte ein furchterregendes Gebiss. …wenn ich es will! Die dröhnenden Worte waren dieses Mal beinahe sanft gesprochen, obwohl sich der Mund der Bestie dabei nicht bewegte.

Für einen Moment entstand eine erwartungsvolle Stille, in der der Schädel weiterhin grinste, Christophers Gesicht jedoch seinen verschreckten Ausdruck verlor, weil er mittlerweile seine Angst wieder unter Kontrolle hatte. „Du bist...!“ Er blickte äußerst angewidert. „…so hässlich!“

Blitzschnell verschwand das Grinsen auf der Fratze und für einen Augenblick funkelten ihn die toten Augen zornig an, doch dann kehrte das Lächeln dorthin zurück. Findest du? Und ich dachte immer, dieses Antlitz würde euch Menschen erschrecken und Angst einjagen. Bei vielen vor dir hat es prima funktioniert.

Christopher lachte einmal heiser auf. „Ja, ich hab schon als Kind in der Geisterbahn immer nur gelacht!“

Die schwarzen Augen sahen ihn einen Moment lang ausdrucklos und kalt an. Dein Lachen wird dir vergehen, sei unbesorgt. Die Selbstsicherheit, mit der die Stimme sprach, ließ Christopher frösteln. Aber du scheinst wirklich etwas Besonderes zu sein. Das gefällt mir. Nicht ängstlich und schwach, wie all die anderen, die ihr Leben ausgehaucht haben. Du bist stark und mutig. Woher kommt das? Die Stimme sprach jetzt beinahe in einem freundschaftlichen Plauderton.

„Ich kann euch Kackfressen einfach nur nicht leiden. Vielleicht liegt es daran!?“

Die toten Augen fixierten ihn. Es war totenstill in der Halle. Dann – urplötzlich – zuckten zwei weitere Rauchsäulen nach unten aus der Blase, schossen auf seine Arme zu und umschlossen sie, dass Christopher sofort das Gefühl hatte, sie wären in hydraulische Schraubzwingen geraten. Nur mit Mühe konnte er seinen Schmerz zumindest soweit unterdrücken, dass er stöhnte und nicht schrie.

Ruckartig wurde er zu der Fratze gerissen, dabei verloren seine Beine Bodenkontakt und sie baumelten hilflos in der Luft. Sein Gesicht befand sich jetzt nur noch wenige Zentimeter von der Bestie entfernt und der furchtbare Gestank raubte ihm zusätzlich den Atem.

Wie steht es mit ein bisschen Schmerz? Die Stimme klang, als wolle sie ihm noch ein weiteres Stück Kuchen zu einem Tässchen Kaffee anbieten. Christopher fehlte die Luft zum antworten. Er konnte nur hilflos mit ansehen, wie sich eine dritte Rauchsäule aus der Blase löste und sich langsam auf seinen Bauch legte. Diese Säule jedoch war feuerrot und hatte leuchtend gelbe Punkte. Als sie Christopher berührte hatte er das Gefühl, als würden ihm brennende Pfeile durch den Körper schießen. Wieder hatte er größte Mühe, nicht zu schreien, obwohl er sich vor Schmerz krümmte. Während die Säule seinen Körper abzutasten begann und sich dabei zunächst auf die Vorderseite konzentrierte, hatte er das Gefühl, als würde dieses Abtasten keineswegs nur oberflächlich geschehen, sondern als würden glühend heiße Finger einer Hand auch in seinem Inneren forschen.

Christopher musste immer mehr Kraft aufbringen, um nicht zu schreien, der Dämon aber genoss seine Qual sichtlich.

Dann ließ er von der Vorderseite seines Opfers ab und wandte sich seiner Rückseite zu. Und es dauerte nur wenige Augenblicke, da verharrte die Säule abrupt und ein überraschtes, aber auch irgendwie lustvolles, kehliges Stöhnen war zu hören. Christopher spürte, wie die glühend heißen Finger in diesem Bereich durch sein Innerstes fuhren, als würden sie auf den Tasten eines Klaviers spielen. Anfangs war er etwas verwundert, doch dann war ihm klar: Es war sein Rückenmark, das den Dämon so verzückte…was denn auch sonst?

Plötzlich war ein zufriedenes Brummen zu hören und die Rauchsäule zuckte aus seinem Rücken. Christopher atmete sofort erleichtert aus und holte mehrmals hektisch Luft.

Das hat wehgetan?

Christopher rang nach Atem. Noch immer konnte er sich kaum bewegen, seine Arme befanden sich nach wie vor in den Schraubstöcken der beiden anderen Rauchsäulen und seine Beine hingen in der Luft. Dennoch erwiderte er gepresst: „Überhaupt nicht! Ich fühle mich sogar etwas lockerer im Rücken. Ich glaube, der Mist hat meine Verspannungen gelöst!“

Jetzt zeigte sich wieder ein breites Grinsen auf dem Gesicht der Bestie. Doch hat es! Aber weißt du was?

„Was?“ stieß Christopher gequält hervor, obwohl er schon ahnte, was die Stimme als nächstes sagen würde.

Das war erst der Anfang. Wenn ich mit dir fertig bin, wird Schmerz eine gänzlich neue Dimension für dich haben. Und wenn du das erkannt hast, werde ich von vorn beginnen. Und weil du dann weißt, was dir bevorsteht, wird es noch viel schlimmer werden. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis du den Verstand verlierst.

„Verdammter Bastard!“ raunte Christopher. „Warum bringst du mich nicht einfach um und nimmst dir mein verdammtes Knochenmark? Du sabberst doch schon vor Gier nach ihm!“

Die Fratze begann zu lachen und die Stimme dröhnte gewaltig dabei. Dich töten? Oh nein, ich werde dich nicht töten. Ich werde mir nur nehmen, was ich brauche und dich dann immer und immer wieder quälen. Unendliches Leid. Das hier ist die Hölle, mein Freund. Schon vergessen?

Christopher starrte die Bestie an. Ihre letzten Worte hatte er nicht mehr wahrgenommen. Etwas anderes hatte ihn stutzig gemacht. „Was meinst du mit: Du nimmst dir, was du brauchst? Du willst dich doch wohl nicht unsittlich an mir vergehen, oder?“

Die Fratze schaute ihn einen Moment stumm, aber lächelnd an, dann lachte sie heiser auf. Du hast keine Ahnung, warum du hier bist!? Diese Erkenntnis schien die Stimme ehrlich zu erstaunen.

„Ihr braucht noch einen dritten Mann zum Skatspielen!?“ Christopher hatte keinen blassen Schimmer, was der Dämon meinen könnte.

Nein! Jetzt grinste die Bestie beinahe diebisch. Zeitgleich zuckte die feuerrote Rauchsäule wieder in seinen Rücken und drang dort zwischen den Schulterblättern direkt an der Wirbelsäule in seinen Körper ein. Es war die gleiche Stelle, wo der Dämon zuvor Halt gemacht hatte. Wegen dem hier! Die Stimme klang fast ehrfürchtig. Im nächsten Moment drangen die glühenden Finger tiefer in Christophers Körper und urplötzlich war es ihm, als würde sein gesamtes Innerstes im gleichen Atemzug gekocht, gegrillt, verbrannt und verdampft werden. Er schrie wie am Spieß aus voller Kehle und seine Schreie hallten in dem riesigen Raum hart wieder, während sein Körper wild und unkontrolliert umher zuckte, um den glühenden Fingern und dem Schmerz zu entgehen, was jedoch angesichts der Schraubzwingen an seinen Oberarmen ein sinnloses Unterfangen war. Sein Kopf lief puterrot an, seine Augen quollen hervor, Schweiß trat aus jeder Pore, als würde man einen gefüllten Schwamm ausdrücken, Speichel floss ihm aus Mund und Nase. Christophers Gehirn war wie leergefegt und wieder gefüllt mit einem derart tiefen, allumfassenden und furchtbaren Schmerz, wie er ihn noch niemals zuvor in seinem Leben gespürt hatte. Es schien ihm, als würde er eine Achterbahnfahrt in einem Hochgeschwindigkeitszug geradewegs in den Wahnsinn machen.

Die ganze Tortur dauerte nur wenige Augenblicke, doch für Christopher wirkten sie beinahe endlos. Dann riss der Dämon die feuerrote Rauchsäule ruckartig wieder aus seinem Körper. Obwohl die Schmerzen daraufhin fast abrupt endeten, registrierte Christopher diesen Umstand erst Sekunden später und dann auch nur wie durch einen dichten Nebelschleier aus taubem Schmerz.

Als er zumindest wieder halbwegs klar denken und blicken konnte, sah er in die breit grinsende Fratze des Dämons, der sich an seinem Schmerz – wie auch nicht anders zu erwarten – köstlich weidete. Obwohl Christopher klar war, dass er wohl kaum noch einen Nachschlag würde verkraften können, bäumte sich sein Ego nochmals auf und er wollte der Bestie ihren Triumph nicht gönnen. „Woher weißt du, wo mein G-Punkt liegt, Alter?“ stöhnte er abgehackt. „Noch ein bisschen mehr davon und ich krieg echt einen Steifen!“

Das Grinsen verschwand aus dem Antlitz des Dämons und die toten Augen funkelten verärgert. Daraufhin musste Christopher lächeln, weil er sah und spürte dass seine Worte Wirkung zeigten.

Die Strafe in Form von weiteren furchtbaren Schmerzen folgte auf dem Fuße und während er wieder aus Leibeskräften schrie, wusste er absolut nicht, ob es nicht vielleicht das letzte Mal in seinem Leben war.

Dämon III

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