Читать книгу Dämon III - Alfred Broi - Страница 15
Die Zwischenwelt
Оглавление„Ladys first?“ fragte Francesco, nachdem sie den Strom umrundet hatten.
Das Bild hier war kaum anders, als auf der Vorderseite. Es gab nur einen kleinen Unterschied. In der Mitte des Stroms war ein schmaler Streifen von vielleicht drei Metern Breite zu sehen, in dem – im Gegensatz zu dem Rest – das Licht nicht von oben in langen Fäden herabtropfte, sondern genau umgekehrt aus dem Boden heraus in den Himmel floss.
Heaven schaute ihn beinahe entgeistert an. „Sie sind wohl bescheuert? Ich geh da nicht zuerst rein!“ Dabei schaute sie die Lichtsäule in einer Mischung aus Argwohn und Angst an.
Anstatt ihre Antwort zu rügen, lachte der Alte einmal fröhlich auf. „War nur ein Scherz!“ Er wartete, bis Heaven ihn ansah und einmal brummte, dann fügte er hinzu. „Ich gehe zuerst!“
Ohne auf eine Reaktion der anderen zu warten, trat er – Christopher noch immer geschultert – direkt vor den Strom. Dort blieb er einen Moment reglos stehen, dann hob er den Kopf und schaute mit einem tiefen Atemzug direkt nach oben. „Trödelt nicht rum, damit wir zusammenbleiben, okay?“ Er senkte seinen Kopf wieder und machte dann einen Schritt nach vorn. Als er den Strom aus Licht berührte, verlangsamte sich seine Vorwärtsbewegung und ein merkwürdiges Blubbern war zu hören. Dann war sein Oberkörper komplett von Licht umgeben und noch während er sein linkes Bein nachzog, hob er bereits vom Boden ab.
Ein leises Raunen in der Gruppe war zu hören. Francescos Konturen verschwammen immer mehr und nach wenigen Augenblicken war er bereits so hoch, dass man nur noch einen dunklen Fleck in der Lichtsäule erkennen konnte.
„Na, dann los!“ Douglas trat mit einem freudlosen Grinsen vor den Strom und schaute zu Cynthia neben sich. Die nickte ihm zu und ergriff seine Hand fester. Dann traten sie gemeinsam nach vorn.
Douglas hatte sofort das Gefühl, als würde er tatsächlich in eine zähflüssige Masse, wie Sirup, eintauchen. Sie fühlte sich warm an und roch ein wenig nach Zitrone. Außerdem fühlte sie sich feucht an. Er spürte, wie sie sich um seinen ganzen Körper legte und irgendwie hatte er plötzlich Angst, sie würde an ihm festkleben und in seine Körperöffnungen fließen. Tatsächlich geschah auch genau das und so schnell, dass Douglas gar nicht richtig reagieren konnte. Er spürte nur, wie die Masse plötzlich in seine Nase rann und ihm war sofort klar, dass sie sie verstopfen würde. Sein Körper zuckte mehrmals, erzitterte einmal, dann riss er seinen Mund auf, um nach Atem zu ringen, nur um einen ganzen Schwall Sirup darin zu spüren, der ihn augenblicklich komplett ausfüllte und seine Luftröhre hinab in seine Lungen floss. Douglas spürte Panik aufkommen, doch gleichzeitig sank das Gefühl, um jeden Preis Atem holen zu müssen rapide und zwar aus dem einfachen Grund, weil er bereits Atem holte. Es bedurfte zwar etwas mehr Kraft dazu, als sonst, doch offensichtlich bekam sein Körper genug Sauerstoff, um zu überleben.
Erstaunt blickte er zu Cynthia, der er ansehen konnte, dass sie ähnliche Probleme gehabt hatte, wie er selbst, jetzt aber erleichtert und zugleich beeindruckt aussah.
Douglas brauchte einige Atemzüge, um sich an die veränderten Verhältnisse zu gewöhnen, dann schwand seine Nervosität und sein Puls sank auf Normalmaß zurück. Das klamme, fremdartige Gefühl jedoch blieb und sorgte dafür, dass es Douglas stets unangenehm war.
Einen Augenblick später bemerkte er, dass die Umgebung merklich dunkler wurde, doch er glaubte außerhalb des Stroms Wolken zu erkennen, die diese Veränderung verursachten.
Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gefasst, da blitzte es unerwartet grell um sie herum auf, nur um sofort wieder dunkel zu werden. In den nächsten Sekunden blieb dieses Wechselspiel aus Licht und Schatten, bis sie schließlich die dicke Wolkenschicht durchstoßen hatten. Das geschah so schnell, dass Douglas sicher war, dass sie ordentlich an Geschwindigkeit zugelegt hatten. Irgendwo in der Ferne gab es einen grell leuchtenden Punkt: Die heiß brennende Höllensonne! Sie zogen immer schneller daran vorbei, bis schließlich über ihnen ein unglaublich intensives rotes Licht erschien, in das sie geradewegs hineinschossen.
Urplötzlich gab es nichts mehr um sie herum, als dieses Licht, ja Douglas war nicht einmal in der Lage, Cynthia neben sich zu erkennen, konnte auch seine eigenen Gliedmaßen nicht mehr sehen und war sich urplötzlich nicht mal mehr sicher, ob er überhaupt noch einen Körper besaß.
Mit einem Male endete der Zug nach oben abrupt und Douglas merkte, wie er hinten über fiel. Der Aufprall jedoch war keineswegs hart, sondern so sanft, dass er beinahe kaum zu spüren war.
Dann trat absolute Ruhe ein. Keine Bewegung, keine Geräusche.
Und nur einen Augenblick später umhüllte ihn das wohl grellste Licht, dass er je gesehen hatte, doch bevor es unangenehm werden konnte, erlosch es auch schon wieder und Douglas konnte klar sehen.
Und das erste, das er wahrnahm, war seine Frau Cynthia, die sich direkt neben ihm befand und ihn ebenso irritiert anschaute, wie er sie. Dann zuckte beider Blick nach rechts, wo sie Francesco erkennen konnten. Der Alte stand auf seinen Beinen, wirkte absolut entspannt. Christophers toter Körper lag neben ihm, obwohl schweben wohl der bessere Begriff zu sein schien, denn er befand sich etwa in Hüfthöhe und eine Art Bahre oder so etwas, worauf er hätte liegen können, war nicht zu sehen.
Überhaupt war neben Cynthia, dem Alten und Christopher überhaupt nichts Weiteres hier zu erkennen. Alles war in einem absolut reinen, strahlenden Weiß gehalten, doch konnte Douglas keinerlei Wände ausmachen, geschweige denn eine Decke oder den Boden. Daher konnte er auch nicht sagen, ob sie sich tatsächlich in einem Raum befanden. Sie konnten ebenso gut auch irgendwo durch die Unendlichkeit treiben.
„Wo sind wir hier?“ fragte Cynthia und drückte sich in die Höhe. Sie tat das, als würde sie sich aus einem Sessel erheben und Douglas tat es ihr sofort gleich. Überrascht stellte er fest, dass er tatsächlich das Gefühl hatte, seine Arme auf Lehnen abgestützt zu haben. Der Untergrund unter seinen Füßen fühlte sich hart und fest an.
„In der Zwischenwelt!“ erwiderte Francesco. Als er seinen Kopf in ihre Richtung drehte, ertönte ein leises Zischen in der Nähe und urplötzlich schwebte Alfredo durch den Boden, kippte hinten über und sank auf einen imaginären Sitz, wo er nach ein paar Sekunden die Augen öffnete.
Wieder nur wenige Augenblicke später ertönte ein weiteres Zischen und Bim stieß durch den Boden. Er hatte Silvia noch immer geschultert, doch als er hintenüber sank, war ein tiefes Stöhnen von ihr zu hören und während der Schwarze auf seinem Sessel zum Erliegen kam, rollte Silvia in einer halben Drehung von seiner Schulter und fand sich schließlich auf einem eigenen Sessel wieder. Allerdings war sie noch lange nicht wieder hellwach, sondern kämpfte noch mit den Auswirkungen der Bewusstlosigkeit.
Schon ertönte ein neuerliches Zischen und Heaven erschien, danach die beiden Zwillingsbrüder Horror und Terror und zum Abschluss Razor.
Alle hatten natürlich sofort die gleiche Frage: „Wo sind wir hier?“ Und alle erhielten die gleiche Antwort mit der sie sich halb beeindruckt, halb unsicher zufrieden gaben.
*
Cynthia war zu Silvia gegangen und hatte sich neben sie gehockt. Geduldig wartete sie, bis ihre Freundin sich orientiert hatte.
„Wo…?“ Silvia blickte sich um. „Wo sind wir?“
„In der Zwischenwelt!“ Cynthia lächelte freundlich.
„Zwischen…welt?“ Silvia kräuselte die Stirn.
Cynthia nickte. „Dein Großvater hat uns hierhergebracht!“
„Mein…?!“ Augenblicklich verdunkelte sich ihr Blick zusehends. Ruckartig drückte sie sich auf ihre Unterarme und ihr Kopf zuckte zu dem Alten, der jedoch gerade auf eine Frage Horrors lauschte. Natürlich sah Silvia dabei auch Christophers leblosen Körper auf der unsichtbaren Trage liegen und sofort hatte sie die totale Erinnerung. „Großvater!“ rief sie und war mit einer weiteren ruckartigen Bewegung auf den Beinen.
Bevor der Alte auf sie reagierte, konnte Cynthia in den Augen ihrer Freundin erkennen, was gleich geschehen würde. Sie stellte sich daher vor sie. „Silvia, warte…!“
Doch ihre Freundin drückte sie einfach nur achtlos beiseite. „Großvater!“ rief sie nochmals und ihre Augen waren fest auf ihn geheftet.
Jetzt nahm sie Francesco wahr und er erkannte die Situation sofort. Auch er fixierte den Blick seiner Enkeltochter, in dem er neben Schmerz und Tränen eines deutlich erkennen konnte: Aufkommenden Hass! „Stopp!“ Mit versteinerter Miene hob er seine rechte Hand.
Silvia erschrak für einen Sekundenbruchteil sichtlich und man sah ihr deutlich an, welch inneren Konflikt sie durchfocht: Die Liebe zu ihrem Großvater im Gegensatz zu dem, was sie mit eigenen Augen gesehen hatte. „Warum…?“ Ihre Stimme war brüchig und ihre Augen flackerten. „…hast du das getan?“
Francesco wartete, bis sich ihre Augen wieder trafen. „Weil ich es tun musste!“ Seine Kiefer malten dabei sichtbar aufeinander.
„Aber…?“ Silvias Schmerz wurde größer, aber auch erneut ihr Hass. „Du hast ihn getötet!“
„Ja!“ erwiderte der Alte sofort. „Das habe ich!“ Er atmete kurz tief ein. „Das musste ich!“
„Aber…er ist doch mein Leben!“ Ihre Stimme brach ab, sie musste schlucken, Tränen rannen über ihre Wangen.
„Ich weiß!“ Jetzt verloren auch Francescos Worte an Härte und seine Augen wurden feucht. „Und ich könnte es dir niemals nehmen…!“ Er suchte ihren Blick.
„Was…soll das heißen?“ Silvia war sichtlich verwirrt.
„Tot ist nicht gleich tot!“ Francesco lächelte sanft.
„Du meinst?“ In Silvias Gesicht zuckte ein Lächeln, so voller Hoffnung, dass es beinahe strahlte, doch sofort wurde es überdeckt von tiefen Zweifeln, einem falschen Gedanken aufzusitzen.
Der Alte aber nickte mehrmals. „Ihr werdet eure zweite Chance bekommen!“
„Und…wie?“
Jetzt lächelte Francesco wieder. „Komm mit, ich zeige es dir!“ Er machte einen Schritt vor und küsste seine Enkeltochter auf die Stirn. Die war sichtlich überglücklich, weinte vor Freude und umarmte ihn. „Ihr anderen wartet hier! Es wird nicht lange dauern!“ Francesco blickte zu Douglas und Razor, die ihm zunickten. Dann schob er Silvia sanft von sich und ging zu Christopher. Als Silvia an Cynthia vorbeischritt, drückte ihre Freundin kurz fröhlich ihren Unterarm. Auch Heaven lächelte ihr zu, doch glaubte Silvia auch Wehmut darin zu erkennen.
„Und was sollen wir hier so lange machen?“ Horror war einen Schritt vorgetreten.
Francesco, der Christophers Körper mit sich zog, als würde er auf einer fliegenden Bahre liegen, drehte sich um. Ein Lächeln umflog seine Mundwinkel. „Wie wäre es mit Essen?“
„Essen?“ Terror schien nicht zu verstehen.
Francesco nickte.
„Gern!“ Das war Bim, der sehr erfreut wirkte. „Wo?“
Francesco schniefte kurz durch die Nase, dann deutete er mit dem Zeigefinger der linken Hand achtlos schräg hinter die Gruppe. „Da!“ Und ohne auf eine Reaktion zu warten, drehte er sich wieder um und entfernte sich mit festen Schritten und seiner Enkeltochter auf der anderen Seite der unsichtbaren Bahre von ihnen.
*
„Oh wow!“ Douglas hörte Terrors entzückten Ruf, doch schaute er dem Alten und seinen Freunden weiterhin einfach nur hinterher.
„Hey, der Wahnsinn!“ Das war Bim und weil der große schwarze Bär einen Enthusiasmus in der Stimme hatte wie ein kleines Kind, wandte sich Douglas doch um.
Und war im nächsten Moment total baff, denn ein paar Meter hinter der Gruppe befand sich jetzt eine verdammt große, übervoll gedeckte Tafel, auf die die anderen gerade mit großer Freude zustrebten. Douglas musste unwillkürlich lächeln. Auch er verspürte plötzlich großen Hunger, doch drehte er sich wieder zurück zu Francesco und den beiden anderen. Mittlerweile waren ihre Konturen nur noch verwischt zu erkennen und einen Augenblick später hatte sie das strahlend weiße Licht komplett eingehüllt und sie waren nicht mehr zu sehen, schienen sich einfach in Luft aufgelöst zu haben. Als Douglas das sah, zuckten seine Augenbrauen irritiert, weil er nicht sicher war, ob er das gutheißen sollte oder nicht. Da spürte er, wie eine Hand seine rechte Hand umschloss und im selben Moment trat Cynthia mit einem sanften Lächeln neben ihn. Douglas blickte zu ihr herab, konnte seine Sorge aber offensichtlich nicht verbergen.
„Es wird funktionieren!“ sagte seine Frau daraufhin, stellte sich direkt vor ihn und streichelte sanft sein Gesicht. „Vertrau dem Alten!“ Sie lächelte aufmunternd.
Douglas erwiderte ihre Geste und küsste sie auf den Mund. „Du hast Recht!“ Er streichelte sie nun ebenfalls.
„Komm, lass uns zu den anderen gehen!“ Sie nahm wieder seine Hand. „Ich habe auch Hunger!“
Douglas nickte und folgte ihr stumm.
Als sie dann direkt vor der Tafel standen, war Douglas nochmals total verblüfft, denn sie war bestimmt zehn Meter lang und gut einen Meter breit und bog sich beinahe, bei all den herrlich duftenden und anzusehenden Speisen, die sich darauf türmten.
„Alter...!“ rief Terror entzückt aus und biss herzhaft in einen deftigen Hamburger. Augenblicklich stöhnte er fast wollüstig, schloss seine Augen und sein Körper sackte entzückt ein Stück in sich zusammen. „Ist das geil!“
„Verdammt!“ stöhnte Bim und schaute fast hilflos drein. „Ich weiß nicht, was ich zuerst nehmen soll!“ Er schwankte zwischen etwas, das aussah wie gebratenes Huhn und einem großen Stück Pizza.
„Mann…!“ Das Wort war im ersten Moment nur zu erahnen, denn Horror hatte sich gerade ein ziemlich großes Fleischbällchen in Tomatensauce in den Mund gestopft und kaute herzhaft darauf herum. „…wenn das hier nur die Zwischenwelt ist, möchte ich echt wissen, wie das erst im Himmel werden wird!“
„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du da jemals hinkommen wirst, oder?“ Heaven schaute ihn über die Tafel hinweg direkt an, doch ihr Blick verriet sofort, dass sie ihn nur ärgern wollte. Schon im nächsten Moment hatte auch sie ihre Augen geschlossen und ein leises, wollüstiges Stöhnen entfuhr ihr, als sie sich eine Gabel voll von dem griechischen Salat mit Schafskäse, Paprika und Oliven in den Mund steckte.
„Im Himmel?“ Razor hatte ein kleines Stück Rinderfilet auf eine Gabel gespießt und betrachtete es in einer Mischung aus Ehrfurcht und Misstrauen. „Da ist die Auswahl auch nicht größer!“ Sein Tonfall war eher gelangweilt und gefrustet, deshalb hielten die anderen in ihren Bewegungen inne und starrten ihn verwundert an. Razor steckte sich das Filet in den Mund und kaute langsam darauf herum. Dann brummte er und plötzlich war ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. „Allerdings…!“ fügte er hinzu und kaute jetzt genüsslich. „…gibt es da bestimmt ein paar halbnackte Playboy-Bunnys, die dir die Teller reichen!“ Er grinste breit.
„Playboy-Bunnys?“ rief Heaven und verzog das Gesicht. „Pah! Und was mache ich?“
„Werde lesbisch!“ meinte Horror sofort ungerührt.
„Von wegen!“ erwiderte die junge Frau. „Ich suche mir einen knackigen, jungen Dreamboy...!“ Ihr Gesicht hellte sich sichtbar auf. „Und während ihr euch hier eure Bäuche vollschlagt…!“ Ein breites Grinsen erschien auf ihren Lippen. „…vögele ich mir den Verstand aus dem Leib!“ Und bei diesem Gedanken strahlte sie förmlich.