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Der Strom der Verdammten

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Die Welt donnerte an ihnen vorbei, als würden sie in einem unsichtbaren Überschall-Düsenflugzeug sitzen. Der Luftzug war dabei derart brüllend, dass ihnen beinahe ihre Ohren um die Ohren flogen und jegliche Kommunikation unmöglich machte.

Nachdem sie alle in den ersten Momenten einfach nur aus Leibeskräften geschrien hatten, verstummten sie allmählich und registrierten ihre Umgebung. Dabei konnten sie die Welt unter sich schemenhaft erkennen und wie sie pfeilschnell dahin schoss. Sie sahen die weiten Flächen der heißen Ebene, auf der sich befunden hatten, dann mehrmals felsige Gebiete, Hügel, Berge und zwischen drinnen immer wieder auch Wasserflächen unterschiedlicher Größe.

Cynthia, Douglas und Alfredo wussten längst nicht mehr, wo sie waren, doch auch Razor und seine Leute hatten die Orientierung verloren. Allenfalls, dass sie sich Richtung Norden zu bewegen schienen, konnte der Schwarze gerade noch so erahnen.

Die anderen um sich herum konnte er kaum erkennen. Obwohl sie nur wenige Meter von ihm entfernt waren, zuckte der Hintergrund so schnell an ihm vorbei, dass er sie nur als verwischte Schemen wahrnahm.

Dann schien es nicht nur ihm so, als wolle der Lärm noch zunehmen und alles verschlingen. Sein Kopf drohte daran zu zerspringen und fast hätte er wieder geschrien, als urplötzlich jedes Geräusch um sie herum verstummte und eine totale Stille eintrat. Zumindest für wenige Augenblicke, dann nahm Razor ein leises Pfeifen wahr. Fast gleichzeitig spürte er einen deutlichen Luftzug an seinem Körper entlang gleiten, der seine Kleidung zum Flattern brachte und seinen Körper offensichtlich herumdrehte. Als das geschehen war und er – wie alle anderen auch – die schwarze Wand erkennen konnte, die rasend schnell näher kam, erschrak er derbe. Eine Sekunde später erkannte er, dass die Wand gar keine Wand war, sondern der Boden und das sie direkt darauf zu stürzten und da wich der Schreck und er – wie alle anderen auch – konnte nur noch schreien.

Wenige Sekunden später krachte die gesamte Gruppe nach einem wilden Fall aus gut dreihundert Metern Höhe mit dumpfen Schlägen auf die Oberfläche.

*

Für einen Außenstehenden, der den Sturz der Gruppe beobachtet hätte, wäre klar gewesen, dass Niemand ihn hätte überleben können. Ihre Körper waren mit einer so knüppelharten Wucht auf dem Boden aufgeschlagen, dass am Ende kaum weniger als ein matschiger, blutiger Haufen Fleisch hätte übrigbleiben dürfen.

Selbst die Tatsache, dass sie in eine Felsformation gestürzt waren, deren Innenwände wie die eines Kraters zur Mitte hin abfielen und sie auf eine dieser Wände stürzten und somit ein Gutteil ihrer potentiellen Energie in Bewegungsenergie oder besser Rutschenergie umgewandelt wurde, sollte daran nur wenig ändern.

Und doch…

*

Douglas war noch niemals zuvor derart hammerhart zu Boden geschlagen und eigentlich hätte er diesen Sturz nicht überleben dürfen. Aber anstatt zu sterben, schossen die widerlichsten Schmerzen durch seinen Körper, während er spürte, wie er auf einer rauen, harten Oberfläche in die Tiefe rutschte, sich dabei mehrmals überschlug und keinerlei Chancen hatte, die Kontrolle über sein Handeln zurück zu gewinnen.

Neben sich konnte er immer wieder für Sekundenbruchteile die anderen aus seiner Gruppe sehen, doch erging es ihnen augenscheinlich nicht viel anders, als ihm selbst.

Plötzlich dann endete sein Sturz abrupt und Douglas Körper wurde nochmals brutal zusammengestaucht. Er konnte sich ein schmerzhaftes, gequältes und ganz sicher erbärmliches Stöhnen nicht verkneifen, als er versuchte, genug Luft in seine Lungen zu bekommen, um nicht die Besinnung zu verlieren. Währenddessen fiel die Taubheit, die anstelle des Schmerzes getreten war, viel zu schnell wieder von ihm ab und er spürte jeden noch so kleinen Knochen in seinem geschundene Körper, was ihn weiter aufstöhnen und jammern ließ.

Mit einer kurzen Bewegung drehte er sich auf die linke Seite und konnte im Schleier seiner noch etwas zittrigen Augen einige andere Gestalten erkennen, die ebenso schmerzhaft stöhnten und schwerfällig agierten. Eine davon war Cynthia. Ihr Körper war total mit Staub und Schmutz überzogen, der Schweiß in ihrem Gesicht gab ihr ein gespenstisches Aussehen. An mehreren Stellen hatte sie Schürfwunden, doch fluchte sie bereits wieder in einer Intensität, die Douglas zeigte, dass sie ansonsten wohl okay war und er sich ein sanftes Lächeln nicht verkneifen konnte.

„Was gibt es da zu grinsen?“ raunte sie, jedoch mehr aus Schmerz, als aus Verärgerung, während sie sich mühsam auf die Beine quälte.

Douglas hatte das bereits eine Sekunde zuvor getan und schaute sie erneut lächelnd an. „Ich liebe dich!“ Er spürte, wie er langsam wieder zu Kräften kam.

Cynthia jedoch hatte noch immer arge Probleme, sich auf den Beinen zu halten. Schweratmend und keuchend streckte sie ihren rechten Arm aus und krallte sich in Douglas Gürtel. „Prima!“ stöhnte sie, machte einen halben Schritt auf ihn zu, drückte sich dabei in die Höhe und lehnte sich schließlich an ihren Mann, der sofort einen Arm um sie legte. „Such du uns eine ruhige Ecke…!“ Sie hob ihren Kopf an und schaute ihm direkt in die Augen. „…dann vergessen wir den ganzen Scheiß hier und machen einfach nur schmutzigen, hemmungslosen Sex, okay?“

Douglas musste wieder lächeln, doch es war nicht nur fröhlich. Die Art und Weise, wie Cynthia es gesagt hatte und die Tatsache, dass sie genau dazu jetzt am allerwenigsten in der Lage war, war amüsant und irgendwie total süß, doch in ihren Augen konnte Douglas auch deutlich den echten Schmerz erkennen, der ihm sagte, dass die Dinge die Kräfte seiner Frau – und nicht nur im körperlichen Sinne – arg ausreizten. Und wenn er ehrlich war, ging es ihm nicht anders. „Später Schatz!“ Er zog sie an sich und küsste liebevoll ihre Stirn. „Ich bin gerade nicht in Stimmung. Irgendwie fehlt mir ein wenig Kerzenlicht und ohne Barry…?“ Er verzog die Mundwinkel. „Ich weiß nicht!“

Jetzt lächelte auch Cynthia, was Douglas jedoch nicht sehen konnte, und schmiegte sich noch etwas fester an ihren Mann.

*

„Alles okay?“ Francesco trat zu ihnen und schaute sie mit besorgter Miene an.

Douglas erwiderte seinen Blick mit einem tiefen Atemzug, doch nickte er. Dabei fiel ihm auf, dass der Alte überhaupt keine Anzeichen von Schwäche zeigte. Während Cynthia noch mit sich zu kämpfen hatte und Douglas und der Rest des Trupps ebenfalls noch die Nachwirkungen ihres Sturzes spürten, war Francesco überhaupt nichts davon anzusehen. Er stand aufrecht, atmete ruhig, hatte keinerlei Schürfwunden und auch seine Klamotten waren beinahe blitzsauber. Und als wenn all das noch nicht ausgereicht hätte, trug er auch noch weiterhin den toten Körper Christophers wie selbstverständlich über der Schulter. Bei diesem Anblick war Douglas sofort frustriert, erinnerte sich dadurch aber sogleich an Silvia, die ja ebenfalls bewusstlos war. Ein Blick in die Runde zeigte ihm, dass dem auch noch so war. Bim schulterte sie gerade, nachdem Razor sie offensichtlich kurz untersucht hatte und mit einem Nicken zu verstehen gab, dass alles in Ordnung war.

„Prima!“ Francesco nickte und wandte sich wieder um.

„Wo zum Teufel sind wir?“ fragte Heaven und handelte sich einen mürrischen Blick des Alten ein.

„Hoch im Norden!“ antwortete er dann jedoch freundlich.

„Moment mal!“ hob plötzlich Horror an. Seine Augen waren weit geöffnet, sein Blick forschend. „Ich glaube, ich weiß, wo wir sind!“ Er blickte die anderen an und sah, dass sie ihn ihrerseits erwartungsvoll anschauten.

„Und wo?“ fragte sein Zwillingsbruder in einer Mischung aus Ungeduld und Zweifeln.

„Der Strom der Verdammten!“ Horrors Stimme klang ehrfurchtsvoll und seine Augen wurden noch ein wenig größer.

„Der Strom der…?“ Douglas Stirn legte sich Falten. „Was soll das sein?“

Bevor Horror jedoch antworten konnte, fragte Razor: „Hat er Recht?“ und schaute dabei Francesco mit ernster Miene an.

Der Alte erwiderte seinen Blick einen Moment ausdruckslos, dann huschte ein müdes, ernstes Lächeln über seine Lippen. „Ja...!“ Er nickte. „...hat er!“

Für einen Moment trat Stille ein, in der sich alle nur überrascht und wenig begeistert anblickten. Bevor dann Douglas nochmals fragen konnte, was der Strom der Verdammten sei, fuhr ihm Heaven dazwischen.

„Na toll!“ Ihre Stimme klang total angesäuert. „Und was wollen wir hier?“

„Wieso?“ Horror grinste sie breit an. „Gefällt es dir hier etwa nicht?“

„Hier ist es überall gleich beschissen!“ erwiderte die junge Frau emotionslos.

„Und warum dann die Aufregung? Geht dir ein Date flöten, oder was?“ Horror grinste jetzt aufreizend.

„Pass auf, dass dir nicht gleich deine Männlichkeit flöten geht!“ raunte Heaven gereizt zurück.

„Haltet eure Schnauzen!“ fuhr Bim genervt dazwischen. „Blöder Kinderkram!“ Er blickte die beiden Streithähne mürrisch an und sie senkten ihre Blicke. „Aber Heaven hat Recht!“ Bim wandte sich an den Alten. „Was genau wollen wir hier?“

Francesco blickte den schwarzen Riesen einen Moment stumm an, dann meinte er. „Um Christopher zurückzuholen, muss ich selbst zurückgehen!“

„Zurück?“ Terror war sichtlich verwirrt. „Wohin?“

Francesco antwortete ihm nicht mit Worten, sondern blickte nur in den Himmel!

„Okay!“ Razor nickte. „Und warum ausgerechnet hier? Von allen verdammten Orten in dieser Hölle ist er doch wohl der Verfluchteste!“

Doch zur Überraschung aller schüttelte der Alte sofort den Kopf. „Das stimmt nicht!“

„Moment mal!“ rief Horror. „Wollen sie damit etwa sagen, man könne mit dem Strom auch nach oben fahren?“

Francesco nickte. In vielen Gesichtern war sofort deutliche Verblüffung zu sehen. „Oh verdammt!“ meinte Horror. „Und ich dachte immer, das wäre ein One-Way-Highway in die Finsternis!“

Jetzt schüttelte Francesco mit einem Lächeln den Kopf. „Nein. Ganz und gar nicht! Wenngleich…die andere Spur auch nur sehr selten genutzt wird!“

„Sorry Leute…!“ rief Douglas mit fester Stimme dazwischen. In den letzten Sekunden war er immer verwirrter geworden und da er sich ohnehin schon körperlich total beschissen fühlte, konnte er dergleichen im geistigen Sinne einfach nicht verknusen. „…aber könnt ihr mal ein Break machen und uns Unwissenden erklären, was zur Hölle der verdammte Strom der Verdammten ist?“

„Was denn?“ meinte Terror mit einem breiten Grinsen. „Habt ihr etwa den Reiseführer vorher nicht gelesen?“

Douglas ging nicht darauf ein, sondern warf ihm nur einen genervten Blick zu und schaute dann wieder zu Francesco.

Der Alte lächelte wissend. „Erklären?“ Er schüttelte sanft den Kopf. „Kommen sie!“ Er winkte Douglas zu sich. „Ich zeige es ihnen!“

Douglas folgte zunächst etwas widerwillig, auch, weil er erst jetzt erkannte, wo genau sie sich befanden. Die Wände des Trichters, in den sie gestürzt waren, waren sicherlich fünfzig Meter hoch und an ihren Enden wild gezackt, weil Wind und Wetter daran gearbeitet hatten. Da er selbst am Boden jedoch kaum größer war als zehn Meter im Durchmesser, wirkte er sehr beengt und ließ nur den Blick direkt nach oben zu. Als Douglas dem Alten folgen wollte, deutete Cynthia an, dass sie mitkommen wollte. Auch Alfredo war neben ihnen. Der Rest des Trupps folgte in einigen Metern Abstand. Die Lichtverhältnisse im Trichter waren allenfalls mäßig und erst als sie quasi direkt davorstanden, erkannte Douglas überrascht eine schmale Öffnung in der Außenwand, durch die der Alte jetzt schlüpfte.

Douglas und Cynthia folgten ihm.

Nach wenigen Schritten standen sie außerhalb der Felsformation. Francesco hatte mittlerweile abgestoppt, sich zu ihnen herumgedreht und lächelte sie offen an.

Douglas konnte jedoch vor ihnen nichts erkennen, als ein gespenstisches Halbdunkel, sodass er erneut etwas nervös wurde. „Wo?“ fragte er und blickte den Alten mit großen Augen an.

Der deutete mit einer kurzen Bewegung seines Kopfes nach rechts und als Douglas und Cynthia seinem Blick folgten, erstarrten sie abrupt, als sie erkennen konnten, was Francesco ihnen zeigen wollte.

Im ersten Moment wussten beide nicht, was sich dort vor ihnen auftat, obwohl es sich sehr deutlich von dem dunklen Hintergrund abhob. Es war eine Art Lichtsäule, die in allen nur erdenklichen Farben matt leuchtete. Sie mochte etwa zehn Meter breit sein und sie ragte senkrecht in den Himmel. Erst die Wolkentürme hoch oben verschluckten sie, doch konnte man deutlich sehen, dass sie dort nicht endete. Am Boden schien sie eine Art niedrigen Sockel zu besitzen, der etwas breiter war, als die Säule selbst und ein wenig heller leuchtete. Er schien in einem langsamen Rhythmus zu pulsieren, als wären dort Qualmwolken, die sich träge bewegten. Das Licht auf der Säule selbst schien in langen dünnen Fäden wie zähflüssiger Sirup direkt aus dem Himmel zu fallen.

Francesco deutete ihnen an, ihm zu folgen.

„Was ist das?“ fragte Cynthia, die mittlerweile wieder zu Kräften gekommen war. „Ist das Licht?“

„Sieht eher aus wie…Wasser!“ meinte Douglas. „Oder wie Sirup!?“

Beide schauten den Alten fragend an.

„Es ist Licht!“ erklärte Francesco daraufhin. „Aber derart hoch komprimiert, dass es wie dickflüssiger Sirup wirkt!“

„So wie Honig!“ warf Bim ein, als er neben sie trat.

„Ja…!“ meinte Heaven und trat von der anderen Seite neben sie. „…süßer Honig zum Frühstück in der Hölle!“ Ihre Stimme klang so furchtbar emotionslos hoffnungslos, dass Douglas für einen Moment fröstelte.

„Und wozu ist er hier?“ fragte Cynthia.

„Es ist eine Verbindung!“ meinte Razor und seine Stimme klang beinahe hasserfüllt.

„Eine Verbindung wozu?“ Douglas ließ nicht locker.

„Zum Himmel!“ erwiderte Horror mit angewidertem Gesichtsausdruck.

„Quatsch!“ widersprach Francesco jedoch sofort. „Es gibt keine direkte Verbindung zwischen Himmel und Hölle. Was soll der Blödsinn?“ Er funkelte Horror angesäuert an. „Es ist eine Verbindung zu dem, was allgemeinhin als Zwischenwelt bezeichnet wird!“

Cynthia schaute den Alten einen Moment ausdruckslos an, dann nickte sie. „Der Ort, wo man geprüft wird!?“

„Richtig!“ bestätigte Francesco. „Die, bei denen nicht sicher ist, wo sie hinsollen, kommen zunächst dorthin und werden geprüft. Erst dann wird entschieden, ob sie auffahren oder abfahren!“ Er schaute in die Runde. Cynthia, Douglas und auch Alfredo hörten gespannt zu, der Rest schien einfach nur gelangweilt. „Wenn die Entscheidung negativ ausfällt, kommen sie in den Strom der Verdammten und auf direktem Wege hierher!“ Mittlerweile hatten sie die Lichtsäule fast erreicht. Aus der Nähe wirkte sie sehr beeindruckend. Und wie zur Bestätigung dessen, was Francesco gerade gesagt hatte, schwebte ein dunkles Rechteck langsam zu Boden. Das Licht und das stetige Farbenspiel verhinderten einen klaren Blick darauf, doch je näher das Rechteck kam, umso deutlicher waren menschliche Konturen zu erkennen. Dann sank die Gestalt in den Sockel hinein, verschwand für einen Augenblick darin, bevor sie seitlich aus dem Licht heraus trieb und für einen Moment mit geschlossenen Augen auf dem Rücken auf dem Boden zum Erliegen kam. Alle hatten gerade die Zeit, zu erkennen, dass es sich bei der Gestalt um eine noch relativ junge Frau mit lockigen blonden Haaren in einem hübschen Sommerkleid handelte, als sie ihre Augen aufschlug, für einen Moment unschlüssig in alle Richtungen blickte, bevor sie sich langsam erhob und auf sie zukam.

„Wo bin ich?“ fragte sie. Sie war nicht nur jung, sondern auch ziemlich hübsch und hatte schmale, feste Formen.

„Im Himmel!“ erwiderte Terror ohne mit der Wimper zu zucken.

„Im…Himmel?“ Die junge Frau schaute ihn ziemlich überrascht an. „Aber…?“ Sie blickte sich mit großen Augen in der trostlosen Landschaft um.

„Was hast du verbrochen?“

„Ich war drogensüchtig und schwanger. Aber ich konnte uns nicht beide durchbringen, das wusste ich, deshalb habe ich…!“ Sie schaute an sich hinab und streichelte ihren flachen Bauch. Augenblick war in allen Gesichtern um sie herum eine Mischung aus Trauer, Schmerz und Frust zu erkennen. „Wohin soll ich gehen?“ fragte die junge Frau, als alle stumm blieben.

„Vollkommen egal, Süße!“ erwiderte Terror. „Hier findest du in jeder Richtung immer das Gleiche!“

Die junge Frau nickte, obwohl man ihr ansah, dass sie Terrors Worte nicht verstand. „Und was werde ich dort finden?“

„Alles!“ meinte Heaven und lachte verächtlich auf. „Nur nie das, was du suchst!“

„Werden wir uns widersehen?“

Sie erhielt keine Antwort darauf, nur ein mehrfaches Kopfschütteln.

Doch damit schien sich die junge Frau zufrieden zu geben. „Lebt wohl!“ sagte sie noch, dann drehte sie sich um und ging mit langsamen, aber kräftigen Schritten davon.

Alle schauten ihr stumm und mit traurigem Gesichtsausdruck hinterher.

„Wenn es keine direkte Verbindung zwischen Himmel und Hölle gibt…?“ hob Razor an. „…wie sind sie dann hierhergekommen?“

Francesco musterte den Schwarzen einen Moment stumm, dann sagte er. „Ich bin nicht aus dem Himmel gekommen!“

„Sondern?“ Das war Heaven.

„Aus der Zwischenwelt!“

„Dann…!“ Horrors Blick verriet, dass er seinen eigenen Gedanken im Geiste nochmals durchging. „…sind sie gar kein Engel!?“

Francesco Blick wurde ernst, sein rechtes Auge zu einem Schlitz. „Das habe ich auch nie behauptet!“ Er blickte in die Runde und erkannte teils überraschte, teils ablehnende Blicke. „Ich habe in meinem Leben weiß Gott genug Fehler gemacht, um mir den Weg dorthin zu verbauen. Tatsächlich war ich sehr überrascht, nicht gleich hier zu landen, sondern in der Zwischenwelt. Was ER sich dabei gedacht hat, weiß ich nicht, aber…!“

„Aber was?“ fragte Bim.

„Ich denke, diese Mission ist Teil meiner Prüfung!“

„Na dann…!“ hob Heaven an und lächelte den Alten freudlos an. „Herzlichen Glückwunsch und alles Gute. Bis dann irgendwann!“ Sie hob ihre rechte Hand zum Abschiedsgruß.

„Was?“ Terror schrie förmlich auf. „Aber…das geht nicht!“ Er schaute Heaven beinahe flehentlich an.

„Doch das geht!“ erwiderte die junge Frau ungerührt. „Christophers Rettung war seine Mission, nicht unsere. Er war erfolgreich, jetzt kann er über den Strom zurück in die Zwischenwelt…!“ Sie schaute den Alten direkt an. „Richtig?“ Francesco nickte. „Genau!“ Heaven nickte beinahe zufrieden. „Er wird Christopher, Cynthia, Douglas und Alfredo mitnehmen!?“ Wieder schaute sie Francesco fragend an und er nickte abermals. „Ach, und Moonlight!“ Sie blickte erst zu Bim, der die bewusstlose Silvia noch immer geschultert hatte, dann zu Razor, in dessen Augen sie Schmerz erkennen konnte. „Sie hat ohnehin nie wirklich hierhergehört, nicht wahr?“ Sie wartete, bis Razor widerwillig nickte, dann wandte sie sich zurück zu Terror. „Du siehst also, das alles geht geradezu prima. Die Mission ist vorbei. Sie gehen zurück. Er…!“ Sie deutete auf Francesco. „…wird ein Engel…!“ Sie lachte leise, aber nicht verächtlich auf. „…und wir gehen zurück, wo wir hergekommen sind. Basta, Ende, Aus!“

„Aber…!“ Terror wollte nochmals anheben, doch er sank förmlich in sich zusammen, weil er offensichtlich erkannt hatte, das Heaven auf ganzer Linie Recht hatte.

„Nicht ganz, junge Dame!“ Francesco Stimme klang klar und kräftig und sein Blick war auf Heaven fixiert. Als die junge Frau sich umdrehte, schaute er sie für einen Moment stumm an, dann sagte er. „Warum wohl habe ich sie mit hierher mitgenommen?“

„Keine Ahnung!“ Sie zuckte achtlos mit den Schultern. „Vielleicht um etwas Raum zwischen uns und Samael zu bringen!?“

„Samael?“ Terror war sichtlich irritiert. „Was hat der damit zu tun?“

„Was glaubst du denn?“ fragte Heaven. „Wir sind jetzt ganz bestimmt seine verfluchten Lieblinge!“

„Aber was nützt es dann, uns hierherzubringen?“ rief Horror. „Dieses Mistvieh wird uns doch überall finden!“

„Stimmt!“ Heaven nickte.

„Verdammt, das ist nicht fair!“ rief Terror.

„Stimmt auch. Aber das war auch nicht Bedingung, oder?“

„Glauben sie wirklich, ich hätte sie hierher mitgenommen, nur um sie dann zurück zu lassen?“ rief Francesco und seine Stimme zeigte deutlich, dass er ziemlich verärgert war.

„Warum dann?“ Das war Razor und er schaute den Alten mit ernster Miene an.

Francesco erwiderte seinen Blick geradeheraus, aber beinahe mit noch finstererer Miene. „Ihre Mithilfe bei der Sache hat ihnen eine zweite Chance eingebracht!“

„Wie bitte?“ Bim war total perplex.

„Wer will, kann mich begleiten und…!“ Er schaute in die Runde und fixierte jeden für einen kurzen Moment. „…dann wird ihre Sache neu verhandelt werden!“

„Und wer nicht will?“ fragte Terror. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er total verwirrt und irgendwie ängstlich war.

„Bist du doof, Mann?“ Bim starrte sein Gegenüber mit großen Augen an. „Wer zum Teufel sollte das nicht wollen?“

„Reg dich ab!“ meinte Horror und trat zu seinem Zwillingsbruder. „Er ist nur…verwirrt!“

„Also?“ Francesco schaute in die Runde.

„Also was?“ fragte Heaven.

„Wer kommt mit mir?“

„Was?“ Die junge Frau lachte einmal heiser auf. „Mit ihnen gehen und all die wunderschönen Erlebnisse hier zurücklassen? All die Herausforderungen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, die herrlichen Landschaften, die wundervollen Bauwerke, das prachtvolle Wetter? All meine Freunde zurücklassen, alle meine liebgewonnen Routinen und meinen geregelten Tagesablauf...?“ Sie lachte noch einmal und schüttelte tatsächlich den Kopf.

„Aber Heaven…!“ Horror sah sie beinahe entgeistert an. „Heißt das, du willst nicht gehen?“

Die junge Frau schaute ihn einen langen Moment stumm und ausdruckslos an und tatsächlich herrschte für diese Zeit totale Stille, weil alle auf Heavens Antwort warteten. Dann atmete sie einmal tief durch und zog dabei ihre Augenbrauen in die Höhe. Ihr Gesicht wirkte in diesem Moment unglaublich müde, schwach und ausgelaugt. Als sie dann ihren Mund öffnete, schloss sie dabei die Augen. „Bin ich bekloppt, oder was?“ Als sie ihre Augen wieder öffnete, verzog sie ihre Mundwinkel, verdrehte die Augen und lächelte wirklich belustigt.

Und irgendwie schien das alle anzustecken, denn urplötzlich wurden alle wieder locker und lachten und grinsten ebenfalls.

Für wenige Augenblicke herrschte eine gelöste Stimmung.

„Okay!“ Francesco nickte zufrieden. „Dann wollen wir jetzt keine Zeit mehr verlieren!“

Dämon III

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