Читать книгу Dämon III - Alfred Broi - Страница 12
Ein würdiges Ende
ОглавлениеDen toten Körper Christophers über der linken Schulter hängend rannte Francesco, was das Zeug hielt. Glücklicherweise verspürte er keinerlei der Handicaps, die er in diesem Moment in seinem richtigen Leben verspürt hätte. Dort wäre er jetzt sicherlich am Rande eines Herzinfarktes zusammengebrochen und hätte übelst gekotzt, ach was, zum Teufel, er hätte Christopher ja nicht einmal hochheben können. Hier aber war das anders: Er schwitzte nicht, kam nicht außer Atem, verlor nicht an Kraft und Ausdauer. Mit einer geradezu erfrischenden Leichtigkeit hastete er durch den langen Gang, erreichte den Ausgang der Burg und flitzte den Weg den Berg hinab.
Dabei empfand er ein großes Gefühl von Dankbarkeit für Razor. Ihm allein hatte es der Alte zu verdanken, dass er überhaupt die Chance zu dieser überraschenden Flucht bekommen hatte. Der Schwarze hatte ihm zugehört und offensichtlich auch verstanden. Er verspürte großen Respekt vor dem Anführer der Gruppe.
Noch mehr, als er die vielfachen Geräusche hinter sich hören konnte, denn neben den zornigen und wütenden Schreien Samaels, die ihm zeigten, dass ihn der Dämon verfolgte, waren mehrfache Detonationen zu hören, die ihm auch zeigten, dass Razor und sein Trupp ihm weitere Schützenhilfe gaben.
Hoffentlich aber vergaßen sie dabei nicht, sich selbst in Sicherheit zu bringen, denn eines war jetzt mal klar: Die Hölle würde gleich noch viel heißer werden.
*
Razor spürte all seine Knochen, als er am Fuß der Bergflanke angekommen war und er konnte nur mit Mühe einen schmerzhaften Aufschrei verhindern. Ein Gutes aber hatte seine unfreiwillige Rutschpartie gehabt: Er hatte beinahe zu der Gruppe vor ihm aufgeschlossen.
Ohne zu zögern und auf seine Schmerzen zu achten, sprang Razor auf und rannte hinter den anderen her. Dabei erkannte er das Problem sofort: Moonlights anfängliche Lethargie war gewichen und an ihre Stelle Angst und Verzweiflung getreten. Mit aller Kraft, die diese zierliche Frau besaß – und Razor wusste nur zu genau, dass sie davon in den letzten Monaten mächtig zugelegt hatte – stemmte sie sich schreiend und um sich schlagend gegen Heaven und Cynthia. Selbst Douglas, der zur Hilfe geeilt war, war nicht in der Lage, sie zu bändigen. Der ganze Trupp geriet ins Stocken.
Razor erkannte, dass er handeln musste. Er beschleunigte seine Schritte und hatte die Gruppe nach wenigen Sekunden erreicht. Er hielt direkt auf Moonlight zu, die ihn jedoch scheinbar nicht wahrnahm. „Hey!“ rief er deshalb. Moonlights Augen zuckten kurz zu ihm, doch kämpfte sie jetzt fast noch stärker gegen die anderen an. „Sieh mal, Christopher!“ Razor streckte seinen linken Arm aus und deutete nach links. Für einen winzigen Augenblick zuckte auch sein Kopf in diese Richtung. Moonlight zeigte die erhoffte Reaktion und folgte seinem Blick. Das reichte ihm aus, um ihr einen kurzen, aber harten Kinnhaken zu verpassen, der ihr sofort die Besinnung raubte. Ihr Körper sackte augenblicklich mit einem Stöhnen in sich zusammen.
„Was zum Teufel tun sie da?“ rief Douglas ziemlich sauer.
„Wir haben keine Zeit für solche Spielchen!“ erwiderte Razor ungerührt und gab Bim ein Zeichen, zu ihm zu kommen.
„Aber…!“ Cynthia Stimme klang vorwurfsvoll, aber auch schmerzhaft. „…sie haben doch gesehen, was passiert ist!“
Razor nickte. „Ja, habe ich!“ Bim trat neben ihn. „Trotzdem!“ Er blickte zu dem Riesen. „Nimm du sie!“ Bim nickte und legte sich Moonlight mit spielender Leichtigkeit über die Schulter. Dann wandte sich der Schwarze wieder an Cynthia und Douglas. „Ich bin für die ganze Gruppe verantwortlich. Ihr Schmerz in Ehren, aber…!“ Wie auf Kommando ertönte aus den Trümmern der Burg ein bösartiges Brüllen und erste Gesteinsbrocken flogen wild durch die Luft. Außerdem war vermehrte Bewegung um sie herum zu erkennen. Die Anzahl der Dämonen nahm deutlich zu. „…er wird uns noch alle umbringen!“
Douglas wollte etwas erwidern, doch auch er konnte sehen, was um sie herum geschah und so nickte er nur mit traurigem Blick. „Es ist nur, weil er auch mein Freund war!“
Razor lächelte müde, dann klopfte er seinem Gegenüber auf die Schulter. „Willkommen in der Hölle, Mann!“
*
Als Francesco den Berg hinter sich gelassen hatte und auf die Ebene hinauslief, konnte er den Trupp um Razor etwa fünfzig Meter links von sich erkennen. Sofort änderte er seine Laufrichtrung und hielt direkt auf sie zu.
Zwanzig Sekunden später hatte er sie erreicht.
„Sie…!“ brüllte Douglas wütend auf. „…Bastard!“ Er sprang den Alten förmlich an und wollte ihm eindeutig an die Kehle. Auch Cynthia trat mit hasserfülltem Blick zu ihm. Horror und Terror hatten Mühe, die Beiden im Zaum zu halten.
Francesco rümpfte nur die Nase und schaute Bim an. „Was ist mit meiner Enkeltochter?“
„Das fragen sie jetzt nicht wirklich, oder?“ raunte Heaven.
Der Alte schien tatsächlich verwirrt, als alle ihn anstarrten. „Was ist denn?“
„Was los ist?“ rief Cynthia. „Sie haben Christopher getötet!“
„Von allen anderen hätte ich das ja fast erwartet…!“ meinte Bim. „….aber von ihnen? Sie sind doch ein Engel, verdammt nochmal!“
„Das ist kein Engel!“ erwiderte Heaven und funkelte den Alten böse an. „Das ist ein Arschloch!“
„Ach das meint ihr?“ Er warf einen kurzen Blick auf den Körper auf seiner Schulter, dann lachte er einmal auf. „Halb so wild!“
„Was?“ Douglas explodiert förmlich und hätte sich beinahe losreißen können. „Wie können sie nur so …!“
Weiter kam er nicht, denn Francesco hob abwehrend seine Hand. „Beruhigen sie sich!“ Er wartete, bis Douglas ihn ansah. „Der Schein trügt!“
Für einen Augenblick starrten ihn erneut alle an, nur dieses Mal aus totaler Verblüffung.
„Wollen sie damit etwa sagen…?“ begann Cynthia.
„Nein!“ fuhr Francesco dazwischen und schüttelte mit ernster Miene den Kopf. „Christopher ist tot! Samael lässt sich nicht täuschen, ich hatte daher keine andere Wahl!“ Der Alte verstummte und schaute in die Runde. Trauer und Schmerz hatte sich wieder in ihre Gesichter geschlichen. „Aber…!“ hob er dann an und ein sanftes Lächeln huschte über seine Lippen.
Heaven schaute ihn forschend an und ihr rechtes Auge verengte sich zu einem Schlitz. „Aber was?“
„Wir können ihn noch erretten!“
„Erretten?“ Horror Blick verfinsterte sich. „Was soll das heißen? Tot ist tot, oder?“
Jetzt wurde Francescos Lächeln etwas breiter. „Der Tod ist relativ!“ Er atmete kurz durch und wurde dann von dem zunehmenden Lärm aus Richtung Burgruine abgelenkt. Schon im nächsten Moment war die mächtige Gestalt Samaels zu erkennen, die auf direktem Wege zu ihnen war. „Aber wir müssen uns beeilen!“ Francesco schaute in die Runde. „Fasst euch an den Händen!“
„Wieso?“ fragte Terror säuerlich. „Wollen sie jetzt Polonäse tanzen, oder was?“
"Terror!“ Razor rief ihn mit ernstem Blick zur Ordnung und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Tut, was er sagt!“ Er deutete mit besorgter Miene auf Samael. „Nun macht schon!“
Dieses Mal folgten alle der Aufforderung.
„Und jetzt?“ fragte Heaven schließlich.
Francesco trat einen Schritt zu ihr und ergriff mit einem verschwörerischen Zwinkern ihren linken Unterarm. „Schon mal geflogen?“
Doch bevor Heaven oder auch einer der anderen etwas darauf erwidern konnte, frischte urplötzlich der Wind extrem auf. Innerhalb weniger Sekunden war ein enormer Luftwirbel um sie herum entstanden, der den Blick nach außen immer mehr erschwerte. Samael, die anderen Dämonen, die Welt um sie herum verwischte zu kreiselnden Lichtfetzen. Es war, als befänden sie sich im Inneren eines gewaltigen Wirbelsturms. Zunächst erfuhren sie selbst jedoch davon keine Veränderungen, dann aber fiel der Sturm über ihnen zusammen und sie wurden von dem irrsinnigen Sog mitgerissen.
*
Als Samael die Gruppe Menschen in der Ebene erblickte, empfand er abgrundtiefen Hass, aber auch die Genugtuung, dass sie ihm letztlich nicht entkommen konnten.
Doch als er sich ihnen näherte, spürte er, wie der Boden unter seinen Pranken zu vibrieren begann. Gleichzeitig veränderte sich die Luft um sie herum und schon nach wenigen Sekunden umgab sie ein immenser Luftstrom, der ihre Konturen verwischte.
Samael aber würde sich nicht aufhalten lassen und beschleunigte seine Schritte. Gerade jedoch, als er den Luftwirbel erreicht hatte, gab es einen lauten Knall und der Sturm fiel in sich zusammen, nur um sofort danach als Ellipsen-förmiger Körper direkt in den Himmel zu schießen. Da Samael bereits zu dicht daneben stand, wurde er von dem Sog einen Augenblick mitgerissen, bevor er im hohen Bogen durch die Luft flog und schließlich hart zu Boden schlug, wo er sich mehrmals überschlug.
Die umstehenden Dämonen hatten das ganze Szenario natürlich genau beobachtet und als sie Samael zu Boden stürzen sahen, ging ein Aufschrei durch ihre Reihen, der zu einem nervösen, ja fast ängstlichem Wimmern wurde, als sie die Wut in den Augen des gewaltigen Dämons erblicken konnten, nachdem er sich mühsam wieder aufgerichtet hatte.
Samaels Zorn zeigte sich sogleich in einem irrsinnig donnernden Brüllen, das über die Ebene hinwegfegte, wie eine sichtbare Schallwelle. Dabei breitete er seine vier Arme aus und in seinem Gesicht stand tiefster Hass. So verharrte er und während die Schallwelle verklang, schien die Luft in einem größeren Bereich um ihn herum nach wie vor zu flirren. Die Dämonen, die innerhalb dieses Radius standen, begannen plötzlich wild und unkontrolliert zu zucken, während sich auf ihrer Haut unzählige Blasen bildeten, als würde sie kochen. Die Blicke der Kreaturen und ihre Ausrufe zeigten nackte Angst, doch hatten sie nicht die geringste Chance, sich dagegen zu wehren oder dem zu entkommen. Schon platzten die Blasen auf und ihr eigenes Blut quoll heraus, ihre Haut brach an immer mehr Stellen auf, begann, sich selbst zu verflüssigen. Die Schreie der Kreaturen wurden immer grauenvoller, bis schließlich ihre gesamtem Körper innerhalb weniger Augenblicke in sich zusammenfielen, wie Wachs auf einer heißen Herdplatte und nur noch ein ekelhaftes Zischen und grauenhaftes Gurgeln zu hören war.
Die Luft vibrierte noch einige Sekunden länger, dann erst senkte Samael seine Arme und entspannte sich ein wenig. Zumindest äußerlich, denn innerlich schäumte er noch immer vor Wut. Und das auch, weil er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte, der ihm letztlich sogar sein eigenes Leben kosten konnte.
Denn als ihm bewusst wurde, dass das Himmelstor, das bisher nur als Mythos galt, nicht nur tatsächlich existierte, sondern sich auch in seiner unmittelbaren Umgebung befand, hatte er eine derartige Nervosität und Vorfreude in sich wahrgenommen, wie er sie noch nie zuvor gespürt hatte. Sein umgehendes Handeln war dann vorbildlich gewesen, doch schließlich hatte er einen Fehler gemacht: Er hatte den Menschen, in dessen Körper sich das Himmelstor eindeutig befand, zu sich bringen lassen, anstatt ihn auf direktem Wege zum Schreienden Berg zu schaffen, damit der Gebieter es in seine widerlichen Finger bekam.
Hätte er so gehandelt, hätte ihm das sicherlich großen Ruhm und Ehre und Vergünstigungen eingebracht, sicherlich sogar einen Platz in seiner Nähe, so aber hatte er nicht nur den Menschen wieder verloren, der es in sich trug, sondern dessen Tod hatte das Tor selbst zerstört. Alles in allem also ein totaler Fehlschlag, der ihm das Leben auf so unfassbar grausame und furchtbare Weise kosten würde, wie es sich Menschen niemals je würden vorstellen können.
Doch genau darauf hatte Samael überhaupt keine Lust. Nicht etwa Angst davor, obwohl er wusste, wie schmerzhaft es sein würde, nur eben kein Interesse daran, wie ein gewöhnlicher Versager behandelt zu werden.
Er war schließlich ein Dämon des obersten Ranges und als solcher würde er sich nicht wie gewöhnliches Vieh bestrafen lassen.
Dass sein Ende besiegelt war, konnte er jedoch nicht mehr verhindern, doch er wollte, dass es ein Ende werden sollte, an das man sich noch lange erinnern würde.
Und als er sich umdrehte, um zurück zur Burg zu gehen – oder besser zu dem kümmerlichen Rest, der von ihr übriggeblieben war – schaute er zufällig den Berg hinauf und als er dort auf dem Plateau nahe dem Gipfel Bewegung sehen konnte, machte sich schlagartig ein breites, fröhliches, aber gleichzeitig auch extrem widerwärtiges Grinsen in seinem Gesicht breit, weil ihm klar wurde, dass er ein brillantes Werkzeug besaß, um dieses Ende seiner würdig werden zu lassen.