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EINLEITUNG

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Was geht wirklich in den Köpfen und Herzen unserer Lernenden vor? Merken wir als Lehrpersonen, was die Klasse beschäftigt? Wie können wir Themen wie Freundschaft, Verrat, Angst oder Mut aufgreifen?

Als Lehrperson möchten wir den Unterricht auf die Lernenden abstimmen und Themen behandeln, die in ihrem Leben bedeutsam sind. Wenn wir ihre Stimmungen, Ängste und Sorgen kennen, wenn wir wissen, mit welchen Themen sie sich beschäftigen und identifizieren, dann steigt unsere Chance auf erfolgreichen Unterricht.

Aber leider bleibt uns oft verborgen, was die Klasse wirklich umtreibt und interessiert: Ein Schüler wird gemobbt, ein Konflikt zwischen Untergruppen bahnt sich an, oder die Lernenden sind vor allem vom Thema »Erfolg und Misserfolg« absorbiert.

Wegen der Alterskluft und der unterschiedlichen Positionen und Funktionen besteht zwischen Lernenden und Lehrpersonen eine natürliche Barriere. Allein schon dies hat zur Folge, dass die Lernenden ihren Lehrpersonen nicht jedes Anliegen spontan mitteilen werden. Außerdem sind wir bekanntlich alle bei gewissen Themen besonders vorsichtig. Über Sexualität, persönliche Probleme, existenzielle Fragen oder Schwierigkeiten mit sich selbst äußert man sich ungern. Lernende handeln wichtige Fragen unter sich ab, oder sie wissen nicht recht, wie sie ihre Lehrperson miteinbeziehen können.

Break-Thru (Durchbruch) versucht, solche Schranken zu durchbrechen. Bei diesem Programm geht es zunächst einfach um Unterstützung von Lehrpersonen, die ihre Schüler und Schülerinnen verstehen wollen. Ihnen will Break-Thru auf spielerische Weise den Einstieg in die Welt der Jugendlichen ermöglichen. Dabei wird mit Geschichten gearbeitet. Sie dienen als Lernmedium. Geschichten helfen, das Verhalten der Menschen einzuordnen und zu verstehen.[1] Geschichten dienen als Zwischenglied zur Schülerschaft. Anhand von Geschichten erfahren aber auch die Lernenden selbst die Hintergründe und Dynamiken des Sozialverhaltens.[2] Nicht jede Geschichte ist indes für unsere Zwecke geeignet. Lehrgeschichten, moralisierende oder zu brave Geschichten langweilen oder irritieren. Damit eine Geschichte spannend wird, muss sie auf eine Differenz oder etwas Ungewöhnliches hinweisen. Wir entwickeln Geschichten, um von der Norm Abweichendes einzufangen und zu verstehen.[3] Break-Thru beschreibt, welchen Kriterien Geschichten genügen müssen, damit sie die Lernenden erreichen und man mit ihnen ins Gespräch kommt. So sollten Geschichten zum Beispiel ungewohnte Bilder enthalten, und es sollten darin Szenen geschildert werden, die man nicht erwartet. Dank solchen mental movers wird der Denkhorizont der Schüler und Schülerinnen erweitert, sie legen dann eher ihre sozial angepasste Maske ab und berichten von ihren Wünschen, Erlebnissen und Fantasien. Break-Thru zeigt, wie man als Lehrperson Geschichten einsetzt, wie man sie erzählt und dabei ungewohnte Themen und Anliegen der Lernenden aufgreifen oder vertiefen kann. Dabei werden die Geschichten nicht nur über Worte vermittelt, sondern auch durch spezielle Bilder untermalt oder konterkariert.

Bei Break-Thru handelt es sich also um ein Programm, das den Dialog zwischen Lehrpersonen und Lernenden fördern will: Lehrpersonen sollen mit ihren Lernenden über Fragen ins Gespräch kommen, die selten im Klassenrahmen geäußert werden, weil die Schülerinnen und Schüler vielleicht glauben, dass sie die Themen nicht ansprechen dürfen, oder weil ihnen dazu schlicht die Worte fehlen. Oft verhindern auch die Mechanismen der sozialen Anpassung,[4] dass Lernende ihre Anliegen, Gedanken und Sorgen gegenüber der Lehrperson offenlegen. Sie schweigen, weil sie einen guten Eindruck machen möchten. Sie halten sich zurück. Selbst sehen es die Lernenden anders. Viele sind überzeugt, dass sie sich über alles äußern können.

Sie täuschen sich jedoch. Ihre Selbstbeschreibung stimmt nicht mit ihrem Verhalten überein. Ihre Aussagen werden durch das Schulsetting bestimmt. Da sie sich anpassen, merken sie nicht, dass sie Gedanken und Emotionen ausschließen, die nicht in den sozialen Kontext passen. Das Schulsetting, die Erwartungen der Kolleginnen und Kollegen und die der Lehrpersonen bestimmen, worüber geredet werden darf. Break-Thru soll den Lernenden helfen, solche inneren und äußeren Widerstände zu überwinden. Break-Thru dient aber noch einem weiteren Zweck. An den Reaktionen der Lernenden auf die Geschichte, an der Art, wie sie weiterfantasiert und gespielt wird, erkennt die Lehrperson auch, was sonst noch in der Klasse abläuft. Welchen Einfluss und welche Machtpositionen haben die einzelnen Schülerinnen und Schüler? Wie ist der Klassengeist? Wird jemand gemobbt? Da die Schülerinnen und Schüler oft nicht über das Geschehen und die Dynamik in der Klasse sprechen, ist es für Lehrpersonen nicht leicht zu erkennen, was zwischen den einzelnen Lernenden abläuft. Break-Thru hilft dabei, auf eine bestimmte Fragestellung eine Antwort zu erhalten.

Break-Thru entstand auf der Basis der Interventionen, die ich bei Schulklassen mit speziellen Problemen im Rahmen meiner Anstellung als Leiter der Abteilung Gruppenpsychotherapie der kantonalen Erziehungsberatung, Regionalstelle Bern und des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich durchführte.[5] Zu solchen Kriseninterventionen kam es, wenn Lehrpersonen mit unüberwindbaren disziplinarischen Problemen konfrontiert waren oder wenn Gewaltvorfälle bewältigt werden mussten. Um die Schulklassen zur Kooperation zu bewegen, reichten herkömmliche Ansätze wie das Gespräch oder der Hinweis auf Schulhausregeln nicht. So begann ich, mit Geschichten zu arbeiten. Auf diesem Weg gelang es mir und meinen Kollegen und Kolleginnen, die Schulklassen zu überzeugen, dass sie mitarbeiteten und konstruktive Lösungen suchen halfen.[6] In den letzten zwanzig Jahren wurden unzählige Kriseninterventionen mithilfe des Mythodramas und unter meiner Anleitung in der Schweiz, aber auch in Schweden, den USA (Connecticut) und Georgien durchgeführt.[7] Aufgrund dieser erfolgreichen Interventionen wurde die Methode im Rahmen von Projekttagen auf reguläre Schulklassen übertragen und schließlich zum Modell Break-Thru entwickelt. Dies mündete endlich in ein Projekt der Pädagogischen Hochschule Zürich, bei dem in Zusammenarbeit mit einer Oberstufe[8] Lehrpersonen untersuchten, wie sich Geschichten als Mittel der Klassenführung einsetzen lassen.

Von Gangstern, Diven und Langweilern

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