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1.1 Gruppencodes und Tabuisierungen in Klassen und Schulen

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Die Codes, die sich in einer Schulgemeinschaft entwickeln, werden nicht explizit gemacht. Sie werden selten aufgeschrieben und den Eltern oder den Lehrpersonen kommuniziert. Sie gelten, ohne dass man darüber spricht und ohne dass man sie reflektiert. Die meisten Lernenden erkennen die jeweiligen Codes und richten sich automatisch danach, passen sich ihrer Bezugsgruppe an. Sie realisieren etwa, dass man sich als Mädchen in einer bestimmten Klasse nicht die Haare färbt, dass man für eine bestimmte Musikgruppe schwärmt oder sich in einem bestimmten Fach anstrengt. Codes beeinflussen das Denken und die Wahrnehmung der Klassenmitglieder. Alle finden einen bestimmten Mitschüler hässlich, alle finden Staudämme langweilig.

Es gibt Codes, die sowohl für die Lehrpersonen als auch für die Lernenden Gültigkeit haben, andere gelten nur für die Lernenden. Die Klassengemeinschaft grenzt sich durch sie von den Erwachsenen ab. Oft widersprechen die Klassencodes den Leitlinien, die in der Schule aufgestellt wurden. In einer Klasse begannen die Jungen periodisch ein körperliches Kräftemessen zu organisieren. Sie wollten die Hierarchien unter sich klären. Diese Praxis stand im Gegensatz zu den offiziellen Verlautbarungen und Abmachungen der Klasse. Die Schüler hatten sich in einem Vertrag verpflichtet, keine Gewalt auf den Pausenplätzen zu tolerieren. Den Widerspruch lösten die Jungen für sich, indem sie in ihren Auseinandersetzungen »Friedenskämpflein« sahen. In ihrer Wahrnehmung handelte es sich nicht um Gewalt. In einer anderen Klasse war abgemacht, dass man die Musiklehrerin »doof« fand. Die arme Musiklehrerin konnte sich noch so bemühen, sie hatte gegenüber diesem Klassencode keine Chance. Auch wenn Schüler oder Schülerinnen ­eigentlich zufrieden waren mit ihrem Unterricht, durften sie es sich nicht eingestehen. Der Klassencode verbot es. Codes entwickeln sich im Laufe der Schulzeit, haben eine bestimmte Zeit Gültigkeit, bevor sie wieder verschwinden. Wenn man als Lehrperson über diese Codes reden, sie verändern oder kritisieren will, geraten die Lernenden in ein Dilemma. Einige merken vielleicht, wenn ein Code einem deklarierten Wert widerspricht. Meistens verdrängen sie den Widerspruch, weil sie keinen Ärger wollen, eine Strafe befürchten oder die Lehrperson nicht überfordern wollen. Gegenüber der Lehrperson geben die Schülerinnen und Schüler immer vor, dass sie natürlich »gegen Gewalt« sind, »niemanden ausgrenzen« oder »Alkohol selbstverständlich ablehnen«. Sie präsentieren sich gegen außen so, wie es verlangt wird, und verdrängen die Tatsache, dass es in der Klassengemeinschaft ganz anders abläuft, dass andere Codes herrschen.

Von Gangstern, Diven und Langweilern

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