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DAS GEMÄLDE

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»Ich war letztens bei zwei Syrern zum Essen eingeladen und die haben mir tatsächlich Spaghetti mit Tomatensoße gemacht«, erzählt mir meine Nachbarin, die Studentin, entsetzt. »Ich dachte, die orientalische Küche sei so besonders.«

»Das Kochen ist den Arabern genauso wenig in die Wiege gelegt wie den Franzosen. Die beiden haben vermutlich kein einziges Mal eine Küche von innen gesehen, bevor sie flüchten mussten.«

»Aber du kochst gut!«, sagt sie und nimmt sich noch etwas. Wir essen europäisch, am Tisch mit Besteck und strikt getrennten Tellern. Und ich bezweifle, dass ihr ein echtes orientalisches Essen gefallen würde, wo jemand sich einfach etwas von ihrem Essen nehmen oder ihr etwas hinzupacken könnte.

»Danke, aber das Tofugericht, das du gerade isst, ist kein kurdisches Nationalgericht«, entgegne ich leicht schnippisch. Ich bin es gewohnt, dass Leute mit mir über orientalische Kultur reden wollen. Dabei bin ich kein wirklich repräsentatives Exemplar meiner Art.

»Das kurdische Essen ist in Syrien viel besser als im Irak«, wirft mein Freund, der Künstler, ein. Er hat halblanges braunes Haar und einen Bart und sieht aus wie ein kubanischer Freiheitskämpfer. Er trägt indische Hemden, schwärmt für tschechische Literatur und italienische Filme. Aber wenn es um Kurdistan geht, ist er sehr heimatverbunden.

»Mach doch mal Musik an«, fordert er mich auf. Wir sitzen zu dritt in meiner Wohnung. Während viele meiner Freunde noch in Mehrbettzimmern in Unterkünften wohnen, habe ich eine eigene Wohnung. Eine wirklich schöne sogar, mit einer kleinen Küche und einem schönen Balkon. Ganz anders als die Bruchbuden, die einige Freunde angemietet haben. Sie haben viel Geld für die Vermittlung von Wohnungen bezahlt, in denen einem der Schimmelgeruch schon beim Betreten der Wohnung entgegenschlägt. Mit Verzweiflung lässt sich offenbar gut Geld machen.

Ich verbinde mein Telefon mit einer Bluetoothbox und wähle einen zufälligen Mix mit Popmusik auf YouTube. »Warum hörst du nie Musik aus Kurdistan?«, fragt der Künstler. »Es gibt so schöne kurdische Musik.«

Ich stöhne. »Ganz ehrlich? Ich bin nicht geflüchtet, um mir das Gedudel auch hier noch anhören zu müssen. Ich habe schon als Kind lieber koreanische Popmusik gehört«, sage ich und räume die Teller vom Tisch, während ich Oppa Gangnam Style singe.

»Na, ob das besser ist?«, kichert die Studentin.

Ich verschwinde schnell mit den Tellern in die Küche, schneide ein paar Limetten und mache drei Gläser mit Minz-Limetten-Limo und gehe wieder in das Wohnzimmer, wo die beiden sich unterhalten.

»Hast du die Revolution in Rojava miterlebt?«, fragt die Studentin. »Ist sie wirklich so toll?«

»Natürlich ist nach der Revolution nicht alles sofort gut gewesen, aber alles besser. Es hat uns wirklich Mut gemacht. Aber nun habe ich keine Hoffnung mehr. Wir haben die Welt vor dem Daesh geschützt und als Dank hat sie tatenlos zugeschaut, wie die Türkei mit deutschen Panzern in meine Stadt eingefallen ist und einen Großteil der Bevölkerung vertrieben hat. In meinem Haus wohnt nun ein arabischer Islamist, der ein kurdisches Mädchen mit Gewaltandrohung zu seiner Frau gemacht hat.«

»Hast du noch Familie in Syrien?«

»Ja, meine Oma lebt noch dort. Sie ist alt und möchte in ihrer Heimat sterben«, der Künstler holt seinen Tabak raus und dreht sich eine Zigarette. »Aber eigentlich gibt es diese Heimat gar nicht mehr. Ich bin heimatlos.«

»Erdoğan nennt seinen Einmarsch übrigens einen Erfolg gegen die Ungläubigen«, sage ich. »Genau wie Saddam seinen Genozid an den Kurden im Irak einen Krieg gegen die Ungläubigen genannt hat.«

»Tja, die Unterwerfung unter den Islam hat Kurdistan keine Sicherheit gebracht«, meint der Künstler.

Der Künstler ist sehr schlau und sehr traurig. Vermutlich macht die Welt einen umso trauriger, je besser man sie versteht. Er steht auf, geht auf den Balkon und raucht seine Zigarette. Wir schauen ihm nach. Der Wind bläst seine braunen Haare aus dem Gesicht. Durch das Fenster betrachtet sieht er aus wie eins seiner eigenen Gemälde, voller Trauer und Verzweiflung, genau wie die Musik, die er so mag.

»Und wie ist die Situation in deiner Heimat, im irakischen Teil?«, fragt die Studentin mich.

»Da ist es ganz anders. Der kurdische Teil Iraks hat seit Saddams Niederlage weitgehende Selbstständigkeit. Ich komme aus Hewlêr, also Erbil, der Hauptstadt der Autonomieregion. Meine ganze Familie lebt noch da.«

Kafir

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