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DER KREISLAUF

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Ich gehe mit meinem Freund, dem Trainer, am Hafen entlang, die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres fallen auf unsere Gesichter. Die ganze Stadt ist draußen. Eltern mit Kinderwagen, Pärchen eng umschlungen, Kinder auf dem Spielplatz. Vor den Restaurants sitzen Grüppchen bei Bier und Fischgerichten. Wir setzen uns auf eine Holztreppe am Wasser und teilen uns meinen letzten Tabak. Es ist Monatsende und wir sind beide pleite.

Der Trainer ist groß und muskulös. Er hat schwarze Haare, einen Zopf und ein strahlendes Lachen. Ich reiche ihm nur knapp über die Schulter und watschele ungelenk neben ihm her, während er sich geschmeidig durch die Straßen bewegt und dabei aussieht wie ein Krieger. Doch der Schein trügt, während ich aufbrausend und kämpferisch bin, ist er besonnen und sanftmütig.

Er ist behütet in Syrien aufgewachsen und liebt seine Familie. Er hat sein Abitur gemacht und sorglos in die Zukunft geschaut. In seiner Freizeit hat er Fußball gespielt oder im Betrieb seiner Familie mitgearbeitet. Und er hat keine Sekunde gedacht, jemals in ein anderes Land flüchten zu müssen.

»Bei Sonne ist es schön hier«, er schaut über das Meer. »Doch leider scheint sie fast nie.«

»Ja, ich verstehe inzwischen auch, warum hier alle hektisch rausrennen, sobald die Sonne scheint«, sage ich. »Sie könnten den einzigen Sommertag des Jahres verpassen.«

»Ich vermisse Syrien. Vor dem Krieg war es so ein schönes Land. Ich habe mir über Politik wenig Gedanken gemacht und einfach nur mein Leben genossen und das gute Wetter. Wobei ich erst jetzt weiß, wie schön es war.«

Der Trainer lernt fleißig Deutsch. »Danke, bitte, Entschuldigung«, perfektioniert er das Auftreten, das von einem guten Flüchtling erwartet wird, engagiert sich ehrenamtlich als Trainer und nimmt jede Arbeitsgelegenheit wahr.

»Ich werde mich vielleicht bald bei einem Sicherheitsdienst bewerben«, sagt er.

»Vielleicht solltest du lieber eine Ausbildung machen«, schlage ich vor. »Möglicherweise könntest du sogar studieren.«

»Aber das dauert doch ewig«, wehrt er ab und drückt die Zigarette aus. Er will unabhängig sein und sich selbst versorgen. »Mein Deutsch ist auch gar nicht gut genug.«

»Kennst du den Übersetzer, der in Syrien Deutsch studiert hat?«, frage ich ihn.

»Ja, der spricht fließend Deutsch und hat einen guten Job«, sagt der Trainer. »Der hat Glück im Unglück gehabt. Ich muss halt sehen, was ich ohne Ausbildung kriegen kann«, sagt er.

»Nicht, dass du Deutschland noch Geld wegnimmst, so wie ich«, grinse ich provokativ. Er guckt mich fragend an.

»Naja, einen Großteil meines Geldes vom Jobcenter kriegt mein Vermieter, dann kriegt mein Stromanbieter noch was und den Rest gebe ich fast komplett für Lebensmittel aus. Ich war im Kinderheim, in der Schule, im Krankenhaus, beim Arzt und in Gewahrsam der Grenzschutzpolizei. Das hat Steuergeld gekostet, das in diese Jobs geflossen ist. Ich habe bisher nur ein Mal so viel Geld gespart, dass ich ein kleines Paket mit Geschenken an meine Geschwister schicken konnte. Sonst habe ich persönlich noch nie Geld außer Landes gebracht. Ich kenne mich damit nicht wirklich aus. Aber glaubst du, dass ich Deutschland ärmer mache?«

»Aber willst du ewig vom Geld des Staates abhängig sein?«

»Nein, natürlich nicht«, sage ich. »Wer will das schon? Ich finde das genauso furchtbar wie du.«

»Ich bin aber auch sehr dankbar, dass ich hier nie verhungern muss.«

»Natürlich, das bin ich auch«. Ich drehe uns aus den allerletzten Tabakkrümeln zwei Zigaretten. »Mein Kühlschrank ist allerdings gerade genauso leer wie mein Tabakbeutel.«

Kafir

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