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DIE PRÜFUNG

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Am Tag meiner Einschulung spiegelte ich mich in den Fenstern aller Autos, an denen wir auf dem Weg zur Schule vorbeikamen. Ich war stolz auf mein weißes Hemd und die graue Hose meiner Schuluniform. Ich entdeckte erst einige Monate später, dass die Farben sehr unpraktisch waren.

»Warum hast du Schuhabdrücke auf deiner Hose und deinem Hemd?«

Meine Mutter sah mich ernst an, als ich von der Schule kam.

»Wir haben gespielt«, antwortete ich und wollte an ihr vorbeigehen.

»Beim Spielen kriegt man doch keine Fußabdrücke auf die Kleidung.«

Im Islamunterricht war ich der Klassenbeste. Auch die Buchstaben lernte ich schnell. Ich war wissbegierig und neugierig und oft platzte mir die Antwort auf eine Frage der Lehrer einfach raus. Trotzdem war ich das Gespött der Klasse. Das Rumsitzen langweilte mich. Ich kippelte oft mit dem Stuhl, manchmal fielen meine Schulhefte dann runter. Wenn ich sie aufheben wollte, entdeckte ich etwas Interessantes unter dem Tisch. Und wenn meine Lehrer mich dann etwas fragten, wusste ich oft nicht mehr, worum es gerade ging. Dann kicherten die anderen über mich.

Und in den Pausen lauerten sie mir auf. Sie ärgerten mich damit, dass ich eine Fehlstellung der Beine hatte und wie ein Pinguin mit den Füßen zu den Seiten ging. Sie lachten, wenn sie mich über den Schulhof trieben, denn beim Laufen sah es noch lustiger aus. Sie mussten mir meistens nicht mal ein Bein stellen. Ich fiel ganz von alleine hin und dann traten sie auf mich ein, bis meine große Schwester es sah und dazwischenging.

»Es wäre einfacher, wenn ich schneller laufen könnte«, sagte ich und guckte auf meine Füße.

»Gott hat sich etwas dabei gedacht«, sagte meine Mutter. »Gott prüft dich, du musst geduldig sein. Erinnere dich an den Propheten Ayyūb, der jede Prüfung ertrug und dafür von Gott belohnt wurde.«

Ich nickte und ging ins Haus. Ja, Gott hatte mich halt so geschaffen. Aber ich konnte nicht verstehen, was sein Plan damit war.

Ich versuchte immer, mich zu konzentrieren. Aber meine Augen, Ohren und Gedanken machten, was sie wollten. Ich bemühte mich auch, die Füße geradezubiegen, bekam sie aber genauso wenig in den Griff. Manchmal ging ich abends allein raus und übte Fußballspielen, aber ich kriegte weder meine Aufmerksamkeit noch die Füße auf den Ball gerichtet. Er flog in alle Richtungen, doch nie dorthin, wo er sollte.

In meiner Freizeit ging ich daher lieber in die Moschee als zum Ballspiel. Und als wir in den Schulferien die Möglichkeit bekamen, uns für Ferienkurse anzumelden, wählte ich ganz selbstverständlich lieber die Koranschule als den Sportkurs und kam am Ende der Ferien stolz mit meinem Zertifikat nach Hause: »Zor basha, sehr gut!«

Während der Schulzeit war der schulfreie Freitag mein Lieblingstag. Ich achtete genau auf die Uhrzeit, und sobald die Abfahrtzeit sich näherte, rannte ich aufgeregt durch das Haus und erinnerte meinen Vater und meine Brüder daran, dass sie sich für das Gebet fertig machen sollten. Meine Brüder hatten oft keine Lust mitzukommen, ich aber ließ kein Freitagsgebet in der Moschee ausfallen.

Manchmal freute ich mich so sehr darauf, dass ich mich nicht zurückhalten konnte und auf dem Weg zur Moschee laut aus dem Auto rief und Leute dazu anhielt, uns zu folgen.

In der Moschee angekommen, zog ich die Schuhe aus und stellte sie ins Regal, wusch mich gewissenhaft, betrat den Gebetsraum und stellte mich neben die Männer in die Reihe. Während des Gebets konnten meine Gedanken fliegen, wohin sie wollten, und meine Füße dahin zeigen, wohin es ihnen passte.

Niemand lachte über mich. Und der Imam mochte und lobte mich. Hier gehörte ich dazu. Denn vor Gott waren wir alle gleich.

Kafir

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