Читать книгу Wenn die Nacht wach ist - Ana Catarina Lopes - Страница 8

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Mandy

Die Burg erscheint mir so vertraut. Aber woher kenne ich sie? Ich weiß, dass ich mich hier auskenne, obwohl ich nie hier gewesen bin. Aber woher? War ich doch schon irgendwann einmal hier gewesen, ohne mich jetzt erinnern zu können? Ich konnte mich nicht erinnern. Es ist eine leicht verschwommene Erinnerung in meinem Kopf. Aber was wusste ich wirklich davon?

Irgendwas verbindet mich mit dieser Burg. Ich spüre es. Tief in mir weiß ich es, aber ich habe keine Anhaltspunkte. Alles war so verzwickt in meinem Kopf.

Vorhin war ich noch auf einer Straße mit einem ziemlich heißen Kerl und jetzt an einem Ort, wo es nicht einmal Elektrizität zu geben scheint.

Bin ich in einer Traumschleife? Es würde mich nicht wundern, wenn ich auf Xenas Geburtstagsfeier einfach eingeschlafen wäre und nun von einem Traum auf den nächsten schalten würde, wenn es mir in den einem nicht mehr gefallen sollte.

Ich habe immer noch dieses komische Gefühl, dass irgendetwas mit mir anders ist. Das irgendetwas nicht stimmt.

Aber was?

Was ist wirklich los?

Und wo in drei Teufels Namen bin ich?

***

Ich schreite langsamen Schrittes zum Burgtor, ganz darauf bedacht nicht aufzufallen bei der langen Ansammlung von Personen davor, die nur darauf warten hineinzudürfen.

Die Burg selbst ist majestätisch gebaut, ganz nach altem Brauch in Europa. Stein um Stein war aufeinander drapiert worden. Mit der Zeit war die Farbe geblichen. Wo die Sonne draufscheint, leuchten die Steine rosafarben wie in einem Traum oder einem Märchen. Das Burgtor ist aus dunklem Holz. Es steht offen, damit jeder der in die Burg hinein will auch dort hineingelangen kann. Die Burg scheint sehr beliebt zu sein, denn es ist bereits eine Schlange an Menschen vor dem Burgtor, die sich mit Namen und Wesensart bei dem Burgverwalter melden. Oh ja, Wesensart. Ich mache eine Grimasse. Hier geht man ja aufs Ganze.

Ich schaue mir das Mädchen vor mir genauer an, sie hat eine violette durchscheinende Haut und leichte Rillen darauf wie Schuppen, grüne Augen wie Moos und blondsilberne Haare. Sie sieht aus wie aus einer anderen Welt. Das ist doch alles komisch. Diese Kombination habe ich noch nie gesehen.

Ihre Großmutter hatte ihr einst gesagt, dass sie mehr seien, als das äußere Auge zu erkennen gebe, kann es das denn wirklich geben?

Die Gabe der Wahrheit hatte ich anschließend auch von meiner Großmutter erhalten, damit ich auch bloß nicht auf alle Menschen hereinfalle. Sie meinte immer, dass es mehr gibt, als wir für möglich halten. Mehr als das äußere Auge zu sehen gibt, könnte vieles Bedeuten, aber in meinem Fall weiß ich ganz genau, was Großmutter meinte. Sie war nämlich eine Hexe gewesen und sie selbst ist es auch.

Also was ist das Mädchen vor mir dann? Ich lehne mich ein wenig nach hinten und versuche das Mysterium zu lösen, während ich sie mir anschaue. Vielleicht ist das zu offensichtlich, denn das Mädchen mit der violett durchschimmernden Haut dreht sich plötzlich zu mir um und lächelt mich breit an. Ihre grünen Augen blitzen spitzbübisch auf, während sie selbst mich von oben nach unten mustert. >>Hallo. << Winkt sie und zeigt dann auf sich. >> Ich bin Lessa und wie heißt du? << Lessa ist ja ganz aufgeweckt.

>>Ich bin Mandy. <<, flüstere ich ihr zur Antwort. Wo ist nur meine Stimme abgeblieben und lächle ihr auch zu. Sie ist ja so süß.

>>Du siehst hübsch aus. << Und legt dabei den Kopf schief und kneift die Augen zusammen als könnte sie so besser sehen. >> Du bist doch eine Hexe, nicht wahr? Du heißt ja wie die Burgherrin. << Und zeigt dabei auf die Burg, vor der wir anstehen. >> Weißt du, sie ist eine Seherin? Ich hoffe sie kommt bald wieder. Sie war so lange weg. Schon zu lange. Einige haben Angst, dass sie gar nicht mehr zurückkommt. << Das Mädchen redete und redete und fuchtelt ein wenig unbeholfen mit ihren Händen. Ein kleines aufgeregtes Mädchen mit einem riesigen Bedarf an Kommunikation.>>Hast du eine Ahnung, ob sie bald wiederkommt? Es ist nämlich schon sehr, sehr lange her? << Ihr trauriges Gesicht und die herunterhängenden Schultern zeigen, wie sehnsüchtig sie auf die Rückkehr der Burgherrin ist.

Ich schüttle den Kopf. >>Ich weiß nicht genau. Ich bin erst das erste Mal hier, wenn ich mich richtig erinnere. Wie lange ist sie denn nicht mehr hier gewesen? <<

>>Mutter sagte, dass es hunderte Jahre her sei, wenn es nicht schon länger her ist. Sie hatte damals gegen die Hexen gekämpft. <<, ihre Stimme zittert vor Ehrfurcht.

>>Du sagtest sie wäre die Seherin der Burg gewesen, verzeih, ist. Dann ist sie doch eine Hexe! Warum sollte sie gegen ihr eigenes Volk gekämpft haben? <<, frage ich dann doch etwas erstaunt. Ich wusste nichts von einer Hexe, die gegen das eigene Volk gekämpft hätte.

Lessa macht ein unbeholfenes Gesicht. >>Ich weiß auch nicht so recht. Mutter meinte… << Lessa hält es anscheinend besser in diesem Punkt zu schweigen und schaut mich dann hoffnungsvoll an.>>Du bist doch auch eine Hexe? Wann würdest du gegen dein eigenes Volk kämpfen? <<

>>Wenn…<< Ich überlege kurz, denn was ist so wichtig, um gegen das eigene Volk zu kämpfen? >>Ich weiß nicht so recht.

Es müsste schon einen sehr guten Grund geben…<< Ich kaue auf meine Lippe und nehme doch meinen Mut zusammen. >> Was bist du eigentlich, Lessa? <<

Sie macht ein erschrockenes Gesicht. >>Habe ich das gar nicht erwähnt? Ich bin eine Meerjungfrau. << Wie kann man so etwas ganz natürlich sagen. Es ist so als würde ich sagen, dass ich ein Einhorn bin. Meine Kinnlade findet den Boden. Besser kann ich es nicht ausdrücken und schaue mir Lessa von oben bis unten und dann von unten nach oben an. Ich kann nicht erkennen wie das möglich sein soll und das schien auch Lessa mittlerweile zu bemerken, denn sie lacht mich kurz aus.

>> Also wirklich! Ich bin doch nicht im Wasser, um einen Fischschwanz zu haben und selbst dann kann ich mich immer noch entscheiden, ob ich den brauche oder nicht. << Ein bisschen Empörung höre ich auch raus, anscheinend bin ich wohl doch nicht die Einzige, die sie das fragt. >>Immerhin wäre es doch komisch, wenn ich in die Menschenwelt gehe und versuchen sollte mich unter ihnen zu mischen. Findest du nicht auch? << Darauf erwartet sie glücklicherweise keine Antwort, denn sie fährt fort. >>Die würden mich doch sonst gleich erkennen. Und was würden die dann mit uns armen Meerjungfrauen machen? Selbst jetzt, obwohl wir uns verstecken, sind einige sind schon immer misstrauisch uns gegenüber gewesen, als ob wir absichtlich die Boote in die Tiefe der Meere abstürzten lassen wollen! Pah! Die machen doch nur, dass das Meer traurig und verletzt wird. << Ihr lief tatsächlich eine Träne von den Augen. Selbst Lessa ist traurig. >>Das Meer hält das nicht mehr lange aus, wenn die Menschen weiterhin so viel Müll produzieren und mit ihren verschmutzten Schiffen durch die Ozeane fahren. << Sie wischt sich mit dem Handrücken übers Gesicht um die Tränen, die ihr aus den Augen gelaufen sind zu trocknen. >>Die Menschen sind in Wahrheit gar nicht so unschuldig wie sie tun, weißt du? << Sie schnaubt. Ein Geräusch, dass ich nicht mit einem kleinen zuckersüßen Kleinkind zugetraut hätte, auch die Rede, die sie gerade auf das Meer hält, hätte ich nicht von ihr erwartet, aber sie erstaunt mich. >>Wir wolle ja auch nicht ihre Schiffe oder die Menschen selbst, die darauf sind. Sie sind aber alle viel zu sehr von sich eingenommen, wenn sie uns sehen oder hören, dann sehen sie Geld und wollen uns gefangen nehmen und dann weint das Meer um uns. << Sie schnieft. Also ist wohl schon so etwas in der Art passiert. Ich lege ihr eine Hand auf die zarten Schultern, hocke mich auf den Boden und versuche sie in die Arme zu nehmen, um sie zu trösten. >>Ach komm her, meine kleine starke Lessa. << Und breite damit meine Arme für sie aus und sie schmiegt sich in meine Arme und schnieft noch ein wenig in meine Schulter.

Ich weiß nicht so recht, was ich mir dabei denken soll. Das ist doch alles ziemlich verrückt! Eine Meerjungfrau, die zwei normale Beine zum Gehen hat?! Und noch dazu anmerkt, dass die Boote, die im Meer versinken, dass Meer traurig machen? Und den Klimawandel spricht sie auch noch an. Für so ein junges Mädchen, kann sie sich wirklich gut ausdrücken. Hoffentlich bin ich in einem sehr absurden Traum! Was das wohl über meine eigene Psyche verrät? Bin ich vielleicht dabei verrückt zu werden oder bin ich es bereits? Allerdings halte ich gerade immer noch eine sich sehr echt anfühlende Lessa in meinen Armen und auch meine von ihren Tränen nasse Schulter, lassen eher etwas anderes vermuten. Eigentlich kann ich gar nicht verrückt sein, da ich selber merke, dass das Ganze verrückt ist. Ernsthaft!

Was soll das Ganze?!

Lessa ist ja ganz bezaubernd, aber ich weiß nicht so recht was ich von ihr halten soll. Was ich wiederum weiß, ist, dass ich eine Hexe bin. Gibt es also doch mehr Wesen? Warum alles in dieser Welt erzählt das dann keiner? Man sollte vielleicht für alle Eventualitäten gewappnet sein?!!! Warum hat mir Großmutter nicht alles erzählt, bevor sie von uns gegangen ist? Hatte sie vielleicht nicht genügend Zeit gehabt? Und warum hatte mir meine Mutter nicht erzählt, was sie wusste? Warum war ich eigentlich auch noch hier? Was ist eigentlich los? Zu viele Fragen und doch keine einzige Antwort.

***

Nach einer Weile löst sich Lessa von meinen Armen und schaut mich fragend an. >>Du sagst ja gar nichts. Geht es dir gut? << Ihr Ton ist ein wenig besorgt. Sie war doch diejenige, die in meinen Armen geweint hat, wäre das nicht eher meine Frage gewesen? Ich lächle sie an.

>>Du bist anscheinend sehr mit dem Meer verbunden und das finde ich wirklich gut und es ist auch wichtig. Ich glaube, dass die meisten Menschen nicht darüber nachdenken, was sie tun und was für Konsequenzen das im Anschluss auf alle haben kann. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, ob es mir gut geht. Ich weiß auch gar nicht, was ich eigentlich weiß und was nicht. Es ist alles so verzwickt. << Ich schaue zu den Personen vor uns. Die Schlage vor uns wird immer kleiner und dann wieder zu Lessa, während ich mich wieder aufrichte. >>Wo sind wir hier eigentlich? Ist das das Konsulat? << Lessa scheint auf meine Frage hin verblüfft zu sein.

Eigentlich kennt ein jedes Wesen das Konsulat. Es war das Einzige der Wesen. Jeder konnte herkommen und das erläuterte sie mir auch in einem stolzen Ton, wohl weil sie mir etwas beibringen konnte, von dem man ausgehen konnte, dass das jeder weiß.

Meine Erinnerungen kommen so langsam wieder zurück. Bruchstückhaft. Besser als gar nichts und während Lessa mir mehr über die Burg erzählt, schwindet so langsam auch die Menge an Personen vor uns, sodass wir nun dran sind. Vor dem Eingang der Burg steht der Wächter. Es ist Simonius. Er hat eine Lederkluft an, dunkle fast schwarze Haar und stechend grüne Augen. Er ist einer der Diener und Hüter der Burg. Hauptsächlich dient er einzig seiner Herrin, die allerdings seit ihrem letzten Lebenszyklus nicht mehr in der Burg gewesen war.

Bis jetzt.

Als er mich erblickt, fangen seine Augen an zu leuchten.

Wenn die Nacht wach ist

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