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Die Berufslehre

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Die Berufsausbildung für Handwerker unterstand im Mittelalter den Zünften. Die mehrjährige Berufslehre wurde mit der Aufnahme in die entsprechende Zunft abgeschlossen. Handwerker, die keiner Zunft angehörten, wurden Stümper genannt. Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Berufslehre von der kosten- und zeitsparenden Anlehre ausserhalb der zünftischen Kontrolle unterwandert. Bei neuartigen Berufen in der vorindustriellen Heimarbeit ohne bestehende Zünfte, etwa bei Webern, Strohflechtern, Strumpfstrickern und -wirkern wurde die Anlehre im 18. Jahrhundert zum Normalfall. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden Fabriken, die ungelernte Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Kinder beschäftigten. Die Macht der Zünfte im Gewerbe wurde in der Schweiz jedoch erst durch die verschiedenen kantonalen Verfassungsänderungen der 1830er-Jahre gebrochen und in der zweiten Bundesverfassung von 1874 durch die Handels- und Gewerbefreiheit beendet. So wurde die Berufslehre erst 1880 durch Reformen an die frühe und ausgeprägte Industrialisierung der Schweiz angepasst. Das Schweizer Modell der Berufslehre stand wie die Volksschule, die seit den 1830er-Jahren von den meisten Schweizer Kantonen eingeführt worden war, unter dem Einfluss der ab 1875 abgehaltenen pädagogischen Rekrutenprüfungen. Aufgrund der teilweise schlechten Resultate an den Prüfungen, an denen Schulfächer wie Mathematik, Deutsch oder Vaterlandskunde getestet wurden, kam es zu Anpassungen im Schulsystem. Ergänzend zur Berufslehre in einem Betrieb sollte an Berufsschulen der Volksschulstoff ausgeweitet und Berufskunde vermittelt werden. Mit dem Bundesbeschluss von 1884 zur Subventionierung der beruflichen Bildungsanstalten wurde der Grundstein für das duale Bildungssystem gelegt – beruhend auf zwei Lernorten, dem Betrieb und der Berufs- oder Gewerbeschule. Ein eidgenössisch anerkanntes Lehrabschlussdiplom gilt seither als Garant für Qualität. Der Einfluss der Verbände auf die Berufsbezeichnungen und Fähigkeitsausweise wurde aber vom Volk begrenzt, als es 1954 den Bundesbeschluss über den Fähigkeitsausweis in einer Referendumsabstimmung ablehnte.

Die Berufslehre ist eine Schweizer Erfolgsgeschichte und stösst immer mehr auf internationales Interesse. So haben etwa Lehrabsolventinnen ein bedeutend geringeres Risiko, arbeitslos zu werden, als Akademiker. Länder wie die Schweiz oder Österreich, die das duale Bildungssystem praktizieren und Diplome für Berufslehren ausstellen, weisen eine markant tiefere Arbeitslosigkeit auf. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts absolvierten in der Schweiz mehr als die Hälfte aller Jugendlichen eine von 230 zur Verfügung stehenden Berufslehren.

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