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1. Computerprogramme

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Wie bereits oben dargestellt, sind Computerprogramme den Sprachwerken zugeordnet (§ 2 I Ziff. 1 UrhG). Dementsprechend finden die für Sprachwerke geltenden Vorschriften Anwendung, soweit in den §§ 69a ff. UrhG nichts anderes bestimmt ist (§ 69a IV UrhG).

Was die Systematik angeht, so waren für die Einfügung eines besonderen Abschnittes über den Softwareschutz für den Gesetzgeber insbesondere Gründe maßgebend, die in wesensmäßigen Unterschieden zwischen der neuen Werkart Computerprogramm und den klassischen Werkarten liegen. Ein Computerprogramm ist nichts Isoliertes, in sich Abgeschlossenes, wie etwa ein Buch, ein Bild, sondern ist als Industrieprodukt darauf angelegt, mit anderen Elementen eines Datenverarbeitungssystemes zusammenzuwirken, erfordert also Kompatibilität. Der Inhalt eines Computerprogrammes erschließt sich nicht für jedermann ohne weiteres im Gegensatz zu den traditionellen Werkarten, wo jeder etwa ein Bild betrachten, ein Buch lesen kann. Computerprogramme liegen an der Grenze zwischen dem Urheberrecht traditioneller Art und anderen Rechtssystemen zum Schutz geistigen Eigentums (vgl. BT-Drucks. 12/4022 vom 18.12.1992, S. 7 f.).

Schutzgegenstand von Computerprogrammen sind nach § 69a I UrhG Programme in jeder Gestalt. Wir haben es hier mit einer weit gefassten Begriffsbestimmung zu tun, die weiteren Entwicklungen Rechnung trägt. Zum Computerprogramm gehört auch dessen Entwurfsmaterial.

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Wie wir bereits wissen ist für Werke Konkretisierung in einer wahrnehmbaren Formgestaltung erforderlich. Dies gilt auch für Computerprogramme. Geschützt ist allein die Ausdrucksform, nicht geschützt sind Ideen, wissenschaftliche Lehren, Theorien sowie grundlegende Prinzipien. Dementsprechend sind nach § 69a II, 2 UrhG Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze, nicht geschützt.

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Den wesentlichen Unterschied zu den traditionellen Werkarten bringt für Software § 69a III UrhG. Danach werden Computerprogramme bereits geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden. Maßgebend ist hier also die Individualität. Was die konventionellen Werkarten angeht, so sind nach § 2 II UrhG Werke nur persönliche geistige Schöpfungen. An solche stellt die Rechtsprechung bestimmte Anforderungen; die Gerichte verlangen, wie wir bereits wissen (Rn. 28 ff.), über Routinemäßiges, über die Masse des Alltäglichen, über Übliches Hinausgehendes. An die Individualität nach § 69a III UrhG werden jedoch geringere Anforderungen gestellt als an § 2 II UrhG. Das ist die erklärte Absicht des Gesetzgebers. Das bedeutet, dass nach § 69a III UrhG für Computerprogramme geringere Schöpfungshöhe ausreicht als nach § 2 II UrhG. Bereits ein durchschnittliches Computerprogramm genießt – Individualität vorausgesetzt – Urheberrechtschutz. Bringen wir dies vereinfacht in eine griffige Formel: Bei der Werkart Computerprogramm wird Urheberrechtsschutz die Regel und fehlende Gestaltungshöhe die Ausnahme sein, in der Tendenz also anders als bei den traditionellen Werkarten.

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Das Urheberrecht an einem Computerprogramm steht dessen Schöpfer zu (§ 7 UrhG). Ist dies ein Arbeitnehmer und hat er das Computerprogramm in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen, so ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart worden ist (§ 69b UrhG).

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Das Urheberrecht an einem Computerprogramm beinhaltet das ausschließliche Recht, dass allein der Rechtsinhaber, also der Schöpfer oder der Arbeitgeber, die Vervielfältigung, die Bearbeitung und jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken vornehmen darf. Des Weiteren steht nur ihm das Recht der drahtgebundenen oder drahtlosen Wiedergabe eines Computerprogrammes zu einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist (§ 69c Ziff. 1, 4 UrhG).

Was die Verbreitung angeht, so haben wir den Erschöpfungsgrundsatz bereits kennen gelernt. In Bezug auf Computerprogramme gilt diesbezüglich § 69c Ziff. 3, S. 2 UrhG: Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in Bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts.

Beispiel:

Das Unternehmen U hat bei dem Anbieter für Datenbanksoftware S eine Volumenlizenz erworben. Im Gegensatz zu Einzelplatzlizenzen erlauben Volumenlizenzen das Herunterladen der Lizenz von einer sicheren Website und die Verteilung der Einzellizenzen mittels eines Volumenlizenzschlüssels. Als U die Software nicht mehr im ursprünglichen Umfang benötigt, verkauft er einen Teil der Lizenzen aus der Volumenlizenz an den Händler H, der mit Gebrauchtsoftware handelt. H bietet nun diese Lizenzen zum Verkauf im Internet an. Hiergegen wehrte sich U mit einer Klage, die sich auf § 69c UrhG beruft. H auf der anderen Seite beruft sich auf den Grundsatz der Erschöpfung des Urheberrechts. Fraglich ist nun, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch für den Weiterverkauf einer per Internet-Download gekauften Software gilt.

Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof im Jahr 2012 in seinem Urteil im Fall UsedSoft gegen Oracle geklärt. Dieses wurde vom BGH im Jahr 2013 bestätigt (I ZR 129/08). Beide Gerichte bekräftigen die prinzipielle Zulässigkeit des Vertriebs von gebrauchten Softwarelizenzen. Auch der Weiterverkauf einer per Internet-Download gekauften Standardsoftware kann nicht mehr untersagt werden. Darüber hinaus ist nun das Aufspalten von Volumenlizenzen in Einzellizenzen sowie deren Weitervertrieb ebenfalls gestattet.

Im Ergebnis kann sich H auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen. Er darf einzelne Lizenzen aus einer Volumenlizenz herauslösen und diese per Internet-Download weiterverkaufen.

Was die Vervielfältigung betrifft, so ist das Gesetz hier wesentlich strenger: Ohne Zustimmung des Rechtsinhabers ist es nicht gestattet, Kopien von Computerprogrammen zu erstellen, auch nicht, diese weiterzugeben. Diese Verbote gelten selbst dann, wenn dies lediglich zu rein privaten Zwecken geschieht.

§ 69d UrhG macht 3 Ausnahmen von diesen Vervielfältigungs- und Verbreitungsverboten, wobei hier nur auf die Zulässigkeit des Erstellens einer Sicherungskopie hingewiesen sei (§ 69d II UrhG).

§ 69e UrhG ermöglicht unter bestimmten Bedingungen die Dekompilierung, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten.

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Wer das Urheberrecht an einem Computerprogramm verletzt, den treffen neben den allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Sanktionen der §§ 97 ff. UrhG auch die speziellen des § 69f UrhG: Vernichtung aller rechtswidrig hergestellter, verbreiteter oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmter Vervielfältigungsstücke. Dies kann der Rechtsinhaber vom Eigentümer oder Besitzer verlangen.

Vgl. Fall 47.

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