Читать книгу Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern - Andreas Minkoff - Страница 27
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III. Abhängigkeit gem. § 17 AktG
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Wichtige Folge der Abhängigkeit wiederum ist die damit verbundene Konzernvermutung gem. § 18 Abs. 1 S. 3 AktG. Ergebnis ist somit eine mehrstufige Vermutungskette.[1] Liegt eine Mehrheitsbeteiligung eines Unternehmens an einem anderen Unternehmen vor, so wird gem. § 17 Abs. 2 AktG ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Unternehmen vermutet. § 18 Abs. 1 S. 3 AktG vervollständigt diese Kette, indem die Regelung ihrerseits aus dem Abhängigkeitsverhältnis die Vermutung für das Vorliegen eines Konzerns im engeren Sinne ableitet.
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Jedoch entfaltet die Abhängigkeit gem. § 17 AktG bereits losgelöst von der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG erhebliche Bedeutung. Denn zahlreiche Regelungen knüpfen bereits an das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses an, ohne dass dabei auch ein Konzernverhältnis i.S.d. § 18 AktG bestehen muss.[2] So regeln etwa §§ 311 bis 318 AktG den Schutz abhängiger Gesellschaften außerhalb von Vertrags- und Eingliederungskonzernen, wobei das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses genügt. Weitere anknüpfende Normen finden sich in § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG, der die persönlichen Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder regelt, sowie in § 136 Abs. 2 AktG betreffend den Ausschluss des Stimmrechts eines Aktionärs im Rahmen der Hauptversammlung.[3] Auch außerhalb des Aktienkonzernrechts finden sich Regelungen, die lediglich ein Abhängigkeitsverhältnis gem. § 17 AktG, nicht aber zwingend eine Konzernverbindung i.S.d. § 18 AktG voraussetzen.[4] Bedeutsames Beispiel ist etwa § 36 Abs. 2 S. 1 GWB, wonach Unternehmen im Abhängigkeitsverhältnis ein einheitliches Unternehmen i.S. des Wettbewerbsrechts darstellen.[5]
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Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen beherrschenden Einfluss auf ein anderes nehmen kann.[6] Im Rahmen von Aktiengesellschaften kann sich die Möglichkeit zur Einflussnahme insbesondere aus der Möglichkeit ergeben, über die Hauptversammlung gem. § 101 AktG die Zusammenstellung des Aufsichtsrates der beherrschten Gesellschaft entscheidend zu beeinflussen.[7] Zwar kann ein Mehrheitsaktionär nicht unmittelbar auf die Führung der Gesellschaft einwirken, über die Hauptversammlung und den Aufsichtsrat lässt sich somit aber wenigstes mittelbar Einfluss auch auf den Vorstand der beherrschten Gesellschaft nehmen, da dieser immerhin gem. § 84 AktG durch den Aufsichtsrat bestellt und abberufen wird.[8] Nach der Rechtsprechung des BGH kann damit selbst eine Minderheitsbeteiligung Abhängigkeit begründen, sofern etwa eine Aktiengesellschaft zahlreiche, kleinere Anlegeraktionäre aufweist, die der Hauptversammlung üblicherweise fernbleiben und einem Aktionär mit großer Minderheitsbeteiligung somit faktische Hauptversammlungsmehrheit überlassen.[9] In der GmbH ist die Einflussnahme eines beherrschenden Gesellschafters nochmals deutlich erleichtert, sofern es hier gem. § 46 Nr. 5 GmbHG zu seinen eigenen Aufgaben gehört, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen.[10]
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Ein Abhängigkeitsverhältnis kann damit dann angenommen werden, wenn ein Gesellschafter in der Lage ist, entscheidend Einfluss auf die Personalpolitik zu nehmen, indem die geschäftsführenden Organe mit Personen besetzt werden, die insbesondere aus Interesse an ihrer Wiederwahl bzw. Weiterbeschäftigung in seinem Interesse handeln.[11] Nach der Rechtsprechung kommt es in der Folge darauf an, ob der beherrschende Gesellschafter zumindest in der Lage ist, auf längere Sicht Konsequenzen für die Verwaltung herbeizuführen, wenn seinem Willen nicht entsprochen wird.[12] Unerheblich ist dabei, ob die Beherrschung auch tatsächlich ausgeführt wird. Maßgeblich ist alleine die Möglichkeit der entsprechenden Einflussnahme.[13]
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Bedeutsam ist dabei, dass sich die Abhängigkeit aus gesellschaftsrechtlichen Instrumentarien ergeben muss.[14] Nicht ausreichend sind damit Beherrschungsmöglichkeiten aus anderen Gründen, wie etwa Kreditverhältnissen oder Lieferverträgen.[15] Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge sind als Elemente des Aktienrechts hingegen geeignet, um eine Abhängigkeit i.S.d. § 17 AktG zu begründen.[16] Nicht gesellschaftsrechtliche Einflüsse können allenfalls in Verbindung mit der Ausübung von Beteiligungsrechten, nicht aber losgelöst von diesen eine Abhängigkeit begründen.[17]
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Die Abhängigkeit muss sich dabei grundsätzlich auf den gesamten Tätigkeitsbereich des beherrschten Unternehmens erstrecken.[18] Nicht ausreichend ist jedenfalls die Abhängigkeit in einzelnen Teilbereichen, vielmehr müssen die wichtigsten Geschäftsbereiche erfasst sein.[19]
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Schließlich ist für das Vorliegen von Abhängigkeit ausreichend, wenn der herrschende Einfluss nur mittelbar herstellbar ist, etwa durch die Hinzuziehung einer beherrschten Tochtergesellschaft, die ihrerseits über Anteile und Stimmrechte am betroffenen Unternehmen verfügt und zusammen mit der Obergesellschaft damit eine beherrschende Einflussnahme ermöglicht.[20] Entsprechendes gilt für den Fall der Mehrmütterschaft, in dem zwei oder mehr Obergesellschaften erst durch koordiniertes Zusammenwirken herrschenden Einfluss erhalten.[21]
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Um die Rechtsfolgen der Abhängigkeit zu vermeiden, muss ein Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG widerlegen.[22] Denkbar ist dies mittels Abschluss eines Entherrschungsvertrags, der die Einflussnahme der Obergesellschaft verhindert und die Autonomie der Verwaltung der vermeintlich abhängigen Gesellschaft stärkt.[23]
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Gleiches gilt für die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG. Auch hier müssen Unternehmen in einem Abhängigkeitsverhältnis einen Nachweis erbringen, möchten sie die rechtliche Einordnung als Konzern i.S.d. § 18 AktG verhindern.[24]