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Moral

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Am Sonntag um halb zwölf tagte der Hofrat im Auricher Schloss. Dieses Gremium hatte den Fürsten in seinen Amtsgeschäften zu beraten. Vertreten waren die beiden größten Landtagsparteien – in der Regel waren das Regierungs- und Oppositionspartei – sowie Vertreter und Vertreterinnen des öffentlichen Lebens. Dazu kamen vier berufene Mitglieder, zu denen auch Johannes Fabricius zählte.

Wie immer empfing der Fürst alle elf Mitglieder mit Handschlag und wartete mit der Begrüßung, bis alle die erste Tasse Tee ausgetrunken und die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht hatten, damit dann die volle Aufmerksamkeit sichergestellt war.

Fürst Carl Edzard hatte als Gast Kriminaldirektor Uphoff eingeladen, der kurz von den ersten Ermittlungen berichtete. Tjarksen musste etwa zwischen halb drei und vier Uhr morgens erschossen worden sein. Die Blutuntersuchung hatte ergeben, dass er stark alkoholisiert gewesen war. Nicht lange nach dem Eintritt des Todes musste er dann erhängt worden sein.

Es gab viele mögliche Hinweise, aber keine wirkliche Spur. Auch das erste Gespräch mit seiner Familie hatte nichts Konkretes ergeben.

»Wissen Sie, mit welcher Waffe Tjarksen erschossen worden ist?«, fragte Fürst Carl Edzard.

»Jetzt kommt’s: Mit einer Walther PPK, Kaliber sieben Komma fünfundsechzig. Ein modifiziertes Modell der berühmten Walther PP«, erläuterte Gerrit Roolfs. »Beide Pistolen waren im Zweiten Weltkrieg unter deutschen Offizieren verbreitet. Die Walther PPK ist noch kleiner als die Walther PP und kann verdeckt getragen werden.«

»Konnten Sie die Waffe sicherstellen?«, fragte der Fürst nach.

»Nein«, antwortete Kriminaldirektor Uphoff.

»Herr Doktor Oosterhuis«, rief der Fürst den Vorsitzenden der Oppositionspartei auf, der sich schon während des Berichtes von Uphoff mehrfach zu Wort gemeldet hatte.

Wie immer, wenn Gerald Oosterhuis redete, lehnte sich Landesbischöfin Irene Sanders, die als Vertreterin der evangelischen Landeskirche Ostfrieslands in diesem Gremium saß, besonders aufmerksam nach vorn. Zwischen ihr und Oosterhuis herrschte ein hohes Maß an gegenseitiger Abneigung.

»Das ist ja nicht nur ein persönlich sehr, sehr trauriger …«, begann Oosterhuis und nickte seinen eigenen Worten zu.

»… Fall«, ergänzte die Bischöfin. »Herr Doktor Oosterhuis, es ist ein Zeichen von Höflichkeit, seine Sätze zu Ende zu sprechen.«

»Gewiss, verehrte Frau Bischöfin, Sie werden sicher … Aber worauf ich hinaus will, ist, dass der Fall ja auch eine innenpolitische Dimension … hat. Auch Ihre Kirche hat ja Herrn Tjarksen in der Vergangenheit nicht gerade christlich behandelt, Frau Bischöfin.«

»Vielleicht nicht nach einem Verständnis von christlicher Moral, wie es in Ihrer Partei zum Maßstab gemacht wird. Aber für uns ist auch ein ehrlicher Streit …«

»Immerhin haben auch Sie öffentlich Stellung genommen gegen Tjarksen und seine Aktionen«, unterbrach Oosterhuis sie empört. »Und Ihre Pastoren … Da ist auch so manches gepredigt und geschrieben … Da stehen Sie nicht weit zurück hinter den Gewerkschaften!«

»Bitte, bitte«, unterbrach der Fürst. »So kommen wir jetzt nicht weiter. Wir wissen überhaupt nicht, ob der Mord an Herrn Tjarksen etwas mit seinem Engagement in der vergangenen Zeit und den damit verbundenen Kontroversen zu tun hat. Es könnten ja auch durchaus private Motive dahinterstecken, oder ein ganz anderer Hintergrund.«

Angriffslustig fuchtelte Oosterhuis mit dem Zeigefinger in der Luft. »Gewerkschaften, Kirche und Regierung haben Stimmung gegen einen verdienten Pionier des Einzelhandels gemacht, der über siebzig Arbeitsplätze in unserem Fürstentum … Und nun sollen auf einmal persönliche Motive herhalten?«

Die Runde schwieg betreten. Der Fürst erhob sich schließlich. »Herr Doktor Oosterhuis, glauben Sie wirklich, die Bischöfin oder ich hätten Tammo Tjarksen persönlich auf dem Gewissen?«

Morgen kommt der Weihnachtsmann

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