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Kapitel Zehn

Donnerstag, 14. April 2016

06:02 Uhr

Nervös führt meine Hand die abgegriffene Maus. Auf der glatten Oberfläche bildet sich ein leichter Schweißfilm. Der Pfeil auf dem Monitor tänzelt und passiert den Blick in den Taunus, die erste Seite des Online-Wochenblatts Frankfurter Stadtkurier. Er findet die Rubrik Adlerauge und strebt weiter zu den Kolumnen. Nein, Kolumne kann es nicht sein. Hektisch scrolle ich nach unten. Nun verfolgt der Cursor die weiteren Überschriften auf der Homepage. Die letzten Meldungen: Pro und Kontra des verkaufsoffenen Sonntags, Frankfurt – die Stadt wächst weiter oder Straßenambulanz – Rettungsanker für viele. Mein Seufzer charakterisiert das bisherige Ergebnis der Suche: Nichts. Die Maus arbeitet weiter und öffnet die aktuelle Ausgabe des Frankfurter Stadtkurier. Seite für Seite blättere ich online: Lokalpolitik nein. Wirtschaft nein. Sport nein. Lokales. Die Seiten rascheln nicht, während ich sie hektisch umblättere und mit den Augen abscanne. Nichts. Weiter. Auf der letzten Seite angekommen klicke ich diese Stadtkurierausgabe mit einem enttäuschten Stöhnen weg. Im Archiv öffnet der von mir geführte Pfeil den Stadtkurier der Vorwoche. Das Prozedere beginnt von vorn: Lokalpolitik, Wirtschaft, Sport nein. Lokales! Wieder hält meine Hand inne, während meine Augen die Überschriften checken. Nichts. Ungeduldig ziehe ich die abgenutzte Tastatur zu mir und beginne zu tippen. Frankfurter Neue Presse. Auf Befehl der Entertaste erscheint die Online-Ausgabe behäbig auf dem Monitor. Der Pfeil wandert auf das Suche-Feld. Die Tastatur klappert während meine Finger schreiben: Verkehrsunfall mit Fahrrad. Enter. Die Archivsuche ergibt 101 Einträge, beginnend mit den aktuellsten. Rentner mit Fahrrad tödlich … Nein. 12-jähriges Mädchen stirbt bei … Nein. Nein. Nein. Schnell scrolle ich mit der Maus nach unten. Verkehrsrowdy bringt Radfahrer zu Fall. Meine Hand auf der Maus hält einen Moment inne. Mein Atem auch. Dann wandert der Pfeil auf das Datum, doch das passt nicht und ich muss weiter nach unten streben. Die Überschrift Aus dem Polizeibericht erregt meine Aufmerksamkeit. Mit verengtem Blick saugen meine Augen den Inhalt der Meldung auf: … Zufahrt Untermainkai zum Mainuferpark … Nacht … Freitag zu Samstag (8./9. April 2016) ein Verkehrsunfall … eine 35-jährige Frau aus … Sachsenhausen erheblich … verletzt … Ich bleibe erschrocken an dem letzten Wort hängen. Verletzt. Meine Hände fangen leicht an zu zittern. Mein Magen rumort. Dieses Wort passt nicht. Ich atme hektisch, spüre, dass es nicht richtig ist, was dort steht, ja, es ist total falsch, das Falscheste, was hätte vermeldet werden können. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Alles in mir spannt sich an.

»Guten Morgen«, tönt es plötzlich fröhlich von der Seite. Meine rechte Faust öffnet sich blitzschnell, greift die Maus, und während mein Blick starr auf den Bildschirm gerichtet bleibt, lasse ich die letzte Seite auf dem Monitor in den Weiten des Internets verschwinden. Nach einem Moment wende ich mich gespielt entspannt zur Seite.

»Ja, äh, guten Morgen.«

Der Unfall

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