Читать книгу Der Horoskop-Killer - Angela L. Forster - Страница 28
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Sie wischte die Tränen aus dem Gesicht und rannte durch die Diele. Bestimmt war es jemand der nicht wusste, dass Großmutter verstorben war. Jemand, dem sie Rede und Antwort stehen musste. Sie, als Erbin trug Verantwortung.
Oder es war Klaus, der zum hundertsten Male mit Wünschen kam, die seiner Ansicht heutzutage nicht normwidrig seien. Sie müsse sich nur mit dem Gefilde des Fetischs befassen. Was du brauchst, das brauchst du, hatte sie ihm gesagt. Ihm versucht zu erklären, dass sie keinerlei Vorurteile hegte, ihn verstand, es zumindest versuchte, aber nicht die Richtige für ihn sei.
Klaus verstand nicht, wollte nicht verstehen. Sein debiles Gejammer ging ihr auf die Nerven.
Vielleicht war es auch ihr Bruder, der sie ständig mit Handyanrufen belagerte und Erbanspruch forderte. Tief atmete sie ein und hob den Hörer.
»Hallo Bernie. Schön, dass du es bist, ich dachte …«
»Petra.« Kramers Stimme klang ernst, viel zu ernst und stoppte die Freude über seinen Anruf. Zögernd quälten sich die Worte ihres Kollegen durchs Telefon. Worte, die Petra trafen wie messerscharfe Wurfgeschosse.
Christoph Eichberger war tot.
Er starb vor zwei Stunden. Heute, am ersten Weihnachtsfeiertag, am Nachmittag um 16 Uhr. Er starb für eine billige Flasche Wodka, weil er einem Kioskbesitzer zu Hilfe eilte, als dieser von zwei deutsch-russischen Jugendlichen überfallen wurde.
Ohnmächtig vor Schmerz, den zweiten lieben Menschen in so kurzer Zeit zu verlieren, sank Petra zu Boden. Zwei Wochen weinte sie in die Kissen. Schrie ihre Trauer durchs Haus. Rannte über die Weide im größten Regen. Aß nichts, kämmte sich nicht die Haare, riss sämtliche Telefonstecker aus den Leitungen, verriegelte die Tür, vergrub sich in abgedunkelten Zimmern.
Niemand konnte sie erreichen.
Außer den zwei Menschen, die zaghaft an den Küchentürrahmen klopften, wie Familienangehörige, die einen anderen nicht erschrecken wollten, weil der in die Zeitung vertieft war. Petra las keine Zeitung.
Ihr Kopf lag auf dem Holz des Küchentisches, die Arme an den Seiten baumelnd, wie ein Selbstmörder, der sich gerade erschossen hatte. Rotz und Wasser liefen ihr aus der Nase, bildeten einen See, wie aus einem verschütteten Bierglas. Ihre Zunge klebte am Gaumen, die Lippen zitterten im Takt ihres röchelnden Atems, die verweinten geschwollenen Augen waren geschlossen. Ein Trauerspiel.
Als sie ein Klopfen wahrnahm, das immer fordernder wurde, und sie dies nicht als ihren hämmernden Schädel identifizierte, schoss sie senkrecht auf, als kniffe sie der Teufel persönlich in den Nacken. Wobei sie dem Teufel mit ihrer eingeschweißten Ungläubigkeit, selbst in jetziger Verfassung, eher die Bratpfanne über den Schädel gezogen hätte, als sich zu erschrecken.
»Verdammt«, schrie sie und griff zur Pernodflasche, die auf dem Tisch stand. »Wer seid ihr? Was macht ihr hier? Wie seid ihr reingekommen. Was wollt ihr von mir?«
»Äh, wir … wir heißen Dilan und Albert«, antwortete Albert schüchtern, dann galt sein Blick der Flasche, die Petra in der Hand hielt wie Miss Liberty ihre Fackel und aus der letzte Reste einer transparenten Flüssigkeit auf den Fliesenboden tröpfelten.
»Na und, weiter.«
»Yasar und Dammann.«
»Interessiert mich nicht.« Petra wehrte kopfschüttelnd ab. Ihre dunklen Locken hingen ihr wirr im Gesicht und ihr Stehvermögen war auch nicht gerade das Beste. »Ich will wissen, was ihr auf meinem Hof treibt? Was habt ihr in meinem Trauerspiel zu suchen?«
»Wir leben hier. Ich meine, da hinten im Winkelzimmer«, sagte Albert.
»Die sind alle verschlossen. Ich habe …« Die dunkelgrüne Flasche kreiste, zum Abwurf bereit, in Petras Hand.
»Oma Johanna gab uns einen Schlüssel.«
»Ihre Oma Johanna?«
»Nein, Ihre Oma Johanna. Sie nahm uns auf, weil …«
»Setzen«, sagte Petra und stellte die Flasche zurück auf den Tisch. »Und jetzt alles von vorn.« Hatte sie die ganze Pulle Anisschnaps geleert? Oder hatte sie damit schon gestern angefangen? Vorgestern? Als Teenie hatte sie dieses Zeug, das sich in Wasser wie von Zauberhand in die Farbe von Kokosmilch verwandelte, literweise gesoffen. Aber wann hatte sie eigentlich das letzte Mal was Vernünftiges getrunken? Gegessen? Sich gewaschen?