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Es war Montag, der 16. Januar 2009. Gut drei Wochen lagen Oma Johannas Beerdigung und ihre Begegnung mit Dilan und Albert zurück. Christophs Täter saßen hinter Schloss und Riegel, sie im Münchner Büro, Handwerker gaben sich in ihrem Haus in Jork die Klinke in die Hand. Elli Finkemann, ihre von Frau Targen empfohlene Perle, schimpfte über den Dreck, die Welt drehte sich weiter.

»Petra? Hallo? Jemand zu Hause?« Als Kramer um kurz nach 13 Uhr das Büro betrat, war es überflüssig zu fragen, welche Gedanken seine geistesabwesende Kollegin beschäftigten. »Komm, Petra. Chris hätte nicht gewollt, dass du traurig bist.« Eine bananengelbe Papiertüte mit roter Schrift landete auf seinem Schreibtisch. »Du weißt, was er gesagt hat.« Er wartete einen Moment, öffnete die Tüte, wickelte ein Salami-Sandwich aus der Plastikfolie und biss hinein.

»Die Lebenden trauern und die Toten lachen sich eins ins Fäustchen, weil sie alles überstanden haben«, sagte Petra und rieb sich über die Augen. »Ja. Ich weiß. Das war seine Art mit dem Tod umzugehen. Aber ich weiß nicht, ob ich weiterarbeiten will.«

»Du musst weitermachen, Petra«, sagte Kramer mit vollem Mund. »Du bist eine verdammt gute Polizistin. Chris sagte, es ist deine Berufung.« Er beugte sich über den Schreibtisch und wischte eine Träne von Petras Nase.

»Berufung? Wofür, Bernie? Mörder einfangen, die bei guter Führung in ein paar Jahren auf Staatskosten gut genährt mit gestählten Muskeln den nächsten Supermarkt überfallen? Hilfsbereite Mitmenschen sinnlos und brutal abstechen? Familien zerstören? Ist das meine Berufung? Und der Prozess? Ich hab dir erzählt, was beinahe passiert wäre. Was ist beim nächsten Mal?«

Ihre Gedanken schweiften zurück zu der Verhandlung. Fest lag ihre Hand an der Waffe. Nur ein kleines Klicken des Sicherungshebels trennte sie und ihren toten Freund von der Gerechtigkeit. Sie spürte, wie Leere in ihrem Körper zu einer Gestalt unbändiger Wut heranwuchs, als die Täter mit grinsenden Gesichtern an ihr vorbei in den Gerichtssaal geführt wurden.

Wie ihre Rechte kaltes Eisen umklammerte, der Gedanke in ihrem Kopf, diese Menschen niederzuschießen, sich verselbstständigte. Ihr Leben beenden. Sie bestrafen, für das, was sie ihrem Freund Christoph und seiner Familie angetan hatten. Ihr angetan hatten.

Voller Hass hing ihr Blick an den Gesichtern auf der Anklagebank, auf jenen Moment wartend. Jener Moment, der zwischen Leben und Tod entscheidet und über den sie, in diesem Augenblick die Macht besaß, zu urteilen. Tief und schwer hob sich ihr Brustkorb, zuckten ihre Augenlider, verkrampften sich ihre blutleeren eiskalten Finger. Es wäre so leicht. Nur aufstehen und abdrücken und alles wäre vorbei.

»Ach, bewerte das nicht über«, Kramer schob den Zipfelrest Brot in den Mund, leckte sich den Daumen, »jeder hat mal einen schlechten Tag.«

»Einen schlechten Tag?«

Kramer zuckte die Schultern. »Ist ja nichts passiert.« Mit einer Papierserviette, groß wie ein gefaltetes Papiertaschentuch, wischte er sich den Mund ab. »Und jetzt komm, es gibt eine Mordserie zu klären, und das, bevor du in ein Kuhdorf hinter Hamburg abtauchst. Was wird dann eigentlich aus Klaus?« Er zog ein Zigarilloetui aus der Innentasche seiner flaschengrünen Wetterjacke.

Petra beobachtete das Spiel von Kramers Händen, die das Rauten verzierte goldene Etui wie ein Kinderspiel hin und her drehten, aufgeregt, endlich die kleine Kugel durchs Labyrinth ins ersehnte Ziel zu bringen. Ein blasser Hautstreifen seines rechten Ringfingers, der auf gebräunter Haut ins Auge fiel und weit mehr Tage brauchte, um sich anzugleichen, beschlich in jedem Betrachter die Frage nach dem Warum. Für einen kurzen Augenblick entrann sie Bernies Frage, dachte an Christophs Worte vom Glücklichsein. »Meine Gefühle fahren Achterbahn«, antwortete sie. »Klaus versteht das nicht. Er meint, ich benehme mich altjüngferlich und seine Spielereien seien eine Belebung unserer Beziehung …« Sie zögerte. »Du weißt schon.« Ihr Handy dudelte Elise. Albert ruft an, stand auf grün leuchtendem Display.

Sie stand auf, ging drei Meter weiter ans Fester und nahm das Gespräch an. »Ja«, sagte sie. »Hab ich gesehen, ja. Wie? Sekunde. Ich geh mal eben raus«, sagte sie zu Kramer und verschwand auf dem Flur. »Also, Albert, was ist los? Langsam und ruhig.«

»Ein Polizist war bei dir am Haus. Er hat durch alle Fenster geschaut und Sturm geklingelt. Dilan hat sich vor Angst im Keller versteckt und traut sich nicht mehr raus.«

»Ok, ok, Albert. Möglich ist, dass ein Nachbar abends Licht im Haus gesehen hat. Dilan soll vorsichtig sein. Besser sie zieht die Jalousien runter und zusätzlich noch die Gardinen zu, wenn sie Licht macht. Und sie soll auf keinen Fall aus dem Winkelzimmer rauskommen, wenn sie vorne Handwerker und Frau Finkemann, meine Perle, hört. Verstanden! Vielleicht schaffe ich es, nächstes Wochenende zu kommen. Ich habe was mit euch zu besprechen. Haltet aus. Beruhige Dilan. Sag, wir kriegen das schon hin.« Sie hasste diesen Zweckoptimismus, der nur dazu da war, eine entspannte Situation zu schaffen, die möglicherweise kurz davor war in eine Katastrophe umzuschlagen. »Um die Polizei kümmere ich mich. Bis dann, grüß mir Dilan. Pfüatdi.«

»Verdammt«, fluchte Petra und wählte die Rufnummer der Jorker Polizeiwache.

»Oberkommissarin Petra Taler, München Revier 47. Herr von Felde, einen schönen guten Tag.«

»Ach, Frau Taler. Das ist ja schön, dass Sie anrufen. Haben Sie die Nachricht über meinen Besuch gefunden?«

»Ja. Sie wollten mich besuchen und als neue Kollegin begrüßen. Was für eine nette Geste.«

»Äh. Ja. Nein. Ich wollte …«

»Und ich war wieder mal nicht da. Ja, leider werde ich voraussichtlich erst Ende des Jahres eine Jorkerin. Das Haus ist eine Ruine. Es muss von Grund auf renoviert werden. Tag und Nacht gehen Handwerker und die Putzfrau ein und aus. Es ist ja jahrelang nichts mehr gemacht worden. Oma Johanna war zweiundneunzig. Ach, sollte mal was sein, dann hat Frau Targen, meine Nachbarin, den Schlüssel. Aber gehen Sie bloß nie alleine ins Haus, warten Sie immer auf den Tischler, Zimmermann und Elektriker. Die Balken sind morsch und Sie könnten einbrechen. Ich sag es Ihnen, wenn Sie erst einmal im Keller liegen, da hört und findet Sie so schnell niemand. Und dann die Elektrik. Neulich, da hat doch meine Putzfrau einen Schlag abgekriegt, der stehen noch die Haare zu Berge. Aber was quatsche ich. Sie haben sicherlich andere Dinge zu tun. Und bei mir ruft auch die Pflicht. Ich wünsche noch einen schönen Abend, Kollege, Pfüatdi.«

Petra grinste, während sie eine SMS an Albert auf ihrem Handy eintippte. »Ich denke, ihr werdet fürs Erste Ruhe haben, aber passt trotzdem auf. Komme bald. P.«

Als sie ins Büro zurückkam, tippte Kramer auf der Tastatur seines Computers. Er sah auf und schloss die Seite.

»Sag mal«, sagte Petra, »weißt du, was mich völlig kirre macht?«

»Nee, was?«

»Dass wir nicht wissen, an welchem Ort der Hoki das nächste Mal zuschlägt.« Sie rutschte hinter ihren Schreibtisch. »Heute ist schon der 16. Januar. Sonntag ist der letzte Tag des Steinbockzeichens … Verdammt, Bernie, warum kriegen wir das Schwein nicht?«

»Weil er schlauer ist als wir.«

»Er ist nicht schlauer, wir sind unfähig, das ist es, Bernie.« Der Hoki warf alle ihre jahrelangen Ausbildungsjahre, die Fortbildungskurse, die psychologischen Weiterbildungen in den Graben. Sie fühlte sich ausgelaugt und machtlos. Wenn das so weiterging, dann durfte sie bald Streife laufen.

Der Horoskop-Killer

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