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»Naja, ich habe mich in das Brautauto gesetzt und auf Alberts Zeichen gewartet. Als Firat sich mit Freunden unterhielt, bin ich ausgestiegen, über die Straße gerannt, mit Albert in den Hofladen und von da über die Treppe bis in den Kriechboden. Als Firat und meine Eltern mein Verschwinden bemerkten, gab es einen riesigen Tumult auf der Straße und am Hafen. Unsere Familien, die Verwandten und alle Gäste liefen umher wie eine Herde wütender Stiere. Sie schrien, heulten, klagten und fluchten in einem fort. Zwei Beamte der Jorker Polizei standen keine drei Meter vom Bodenraum entfernt. Albert und ich lugten durch einen Dachspalt und hörten, wie sie sagten, es wäre normal, dass die Braut entführt wird, dies sei ein alter Brauch. Zudem könnten sie nichts machen, da ich, zwar erst in zwei Tagen, aber das sei uninteressant, volljährig sei. Sie würden die Kollegen informieren und die Augen offen halten. Mehr wäre nicht zu machen. Sollte ich nach vierundzwanzig Stunden nicht wieder auftauchen, würden sie eine Vermisstenmeldung aufnehmen. Mein Vater schimpfte, dass sei kein Brauch für eine kurdische Hochzeit, sie außerdem meine rote Schleife im Van fanden, dies genügend aussagte, und ich eine Schande für die Familie der Braut und des Bräutigams wäre. Und wenn die Polizei nichts unternähme, dann müsste er das eben selber tun. Und er schrie: Namus lu Erkek sözünü tutar. Ein ehrenhafter Mann steht zu seinem Wort. Das heißt, er wird mich töten, wobei das meine Brüder übernehmen werden.«

»Nein«, sagte Albert und griff nach Dilans Hand. »Ich habe versprochen, dass ich das nicht zulassen werde. Und ich halte mein Versprechen. Wenn nur Oma Johanna noch leben würde.«

»Was hat Oma Johanna mit eurem Versprechen zu tun?«, fragte Petra.

»Oma Johanna sagte, wir dürften hierbleiben, bis wir genügend Geld gespart haben, um nach Kolumbien auszureisen, dann …«

»Wo wollt ihr hin?«

»Nach Kolumbien, genauer gesagt nach Cali, in den Norden von Kolumbien. Meine Tante wohnt dort. Ich will auch eine kleine Farm kaufen, Tabak anbauen oder am Golfo Tortuga eine Strandbar errichten«, führte Albert euphorisch aus.

»Aha.« Petra nickte. Auswanderträume. Fernsehberichte über Menschen fielen ihr ein, die geschieden, ohne Geld, aber mit viel Heimweh nach Deutschland zurückkehrten.

»Und wann wird das sein? Ich frage nur, weil …«

»Ich will noch einen zweiten Job annehmen, von mir weiß ja niemand, dass ich hier bin«, sagte Albert, »aber Dilan findet, mit dem Zeitungsaustragen und den Klausuren beim Abi habe ich genug zu tun. Womit sie auch recht hat.«

Ein Mann, der auf eine kurdische Frau hört. Da ist die Steigerung in der Evolution, auf die wir alle gewartet haben.

»Heiliger Bimbam«, Petra stöhnte auf und blies die Wangen voll Luft. »Da habt ihr euch ja ordentlich was eingebrockt. Aber sagt mal, ihr Zwei. Oma ist am 18. Dezember verstorben, wir haben aber bereits Mitte Januar. Heißt das, dass ihr …«

»Nein«, nahm ihr Albert das Wort aus dem Mund. »Ich wohne zu Hause. Aber so oft es geht bin ich hier und bringe Dilan Lebensmittel und alles, was sie braucht.«

»Das heißt«, begann Petra kopfnickend erneut, »du«, sie sah in Dilans schwarze Kulleraugen, »hast hier schon gewohnt, als Oma noch gelebt hat. Wie lange geht das schon so?«

»Seit Ende September, dreieinhalb Monate.«

»Aber ich bin bereits seit Heiligabend hier. Soll das heißen, du schleichst seit fast drei Wochen täglich um mich herum und sagst keinen Ton.«

»Woher sollte ich wissen, wer du bist. Ich dachte, du wärst eine Landstreicherin, die Unterschlupf sucht.«

»Ich? Eine Landstreicherin?« Petra verzog den Mund. Obwohl ein Bad, frische Kleidung, eine warme Mahlzeit und acht Stunden Schlaf würden sicherlich Wunder bewirken.

»Es war schrecklich, dich weinen und schreien zu hören. Aber ich wollte dich nicht stören. Und ich hatte Angst.«

»Ich bin traurig«, sagte Petra. Ein bekanntes Gefühl bohrte sich in ihre Magengrube. Warum war sie nicht bei ihrer Oma gewesen, als sie starb? Sie hätte sie in den Arm nehmen, ihr die Hand halten, sich an sie schmiegen und ihr sagen sollen, wie lieb sie sie hatte. Warum hatte sie sich nicht in den Flieger gesetzt und auf das Urlaubsverbot geschissen. Und warum musste sich Christoph mit seinem Gerechtigkeitssinn überall einmischen? Sie wischte eine Träne von der Wange.

»Wir waren bei ihr, als sie …«, sagte Dilan, als ahnte sie Petras Gedanken. »Sie war eine tolle Frau. Sie hat uns viel von Ihnen … von dir erzählt.«

»Mehr als toll«, sagte Petra, wischte sich über die Nase und die Haare aus dem Gesicht. »Aber nun wieder zu euch. Von euch hat mir Oma Johanna nämlich nichts erzählt.«

»Sie dachte, sie bringt dich in einen Gewissenskonflikt, weil du doch bei der Polizei arbeitest.«

»Ich bin bei der Mordkommission, nicht beim Kindernotdienst. Entschuldigung. War nicht so gemeint. Wie alt seid ihr eigentlich?«

»Ich bin achtzehn, sagte ich doch schon. Albert ist neunzehn.«

»Na, wenigstens volljährig. Das macht die Sache leichter.« Hoffte Petra. Etwas Beruhigendes im Hinblick auf die momentanen Umstände.

Der Horoskop-Killer

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