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Dilan und Albert sahen erst sich und dann Petra ängstlich an, bevor sie Händchen haltend nebeneinander an die Längsseite des langen Hoftisches rutschten.

»Ich brauch erstmal einen Kaffee.« Petra stand auf und plumpste sofort zurück auf den Stuhl. »Später«, sagte sie, »erstmal raus mit der Sprache.«

»Wir lieben uns«, sagte Dilan.

»Das sieht ein Blinder.« Petra grinste schief, roch in den Ausschnitt ihres Shirts und zog die Nase kraus.

»Oma Johanna. Ihre Oma Johanna …«

»Petra. Ich heiße Petra Taler. Und sagt bloß du. So alt …« Sie winkte ab, ihre Hand klatschte unkontrolliert auf den Küchentisch, landete in der Wasserpfütze.

Dilan nickte verschüchtert. Betrunkene Frauen waren ihr unheimlich. Betrunkene Polizistinnen gaben ihr Zuversicht, dass unter Uniformen und Zivilkleidung Menschen steckten, die mit einem ebenso gewissen selbstzerstörerischen Zynismus klarkommen mussten. »Ihre, deine Oma hat uns aufgenommen«, sagte sie waghalsiger als zuvor. »Sie war die Einzige, der ich von unserer Liebe erzählte. Sie hat gesagt, sie verstünde uns gut, sie sei zwar eine alte Frau, aber wüsste um die Liebe. Und dass wir kommen sollten, wenn wir sie bräuchten.«

Petra nickte. »Ja, Oma Johanna war eine kluge Frau.«

»Eine kluge liebe Frau«, fügte Dilan hinzu. Sie senkte kurz den Blick. »Jede Woche, wenn ich ihr die Einkäufe brachte, erzählte sie mir von ihrem Mann, dem feindlichen Engländer, in den sie sich noch während des Krieges verliebte und ein Kind unter dem Herzen trug. Wie ihre Eltern mit ihr und ihrem Geliebten von Bremervörde ins Alte Land nach Jork zogen. Aber auch davon, dass es schwere Zeiten waren, sie es aber nie bereute«, sagte Dilan leise.

»Und was sagen eure Eltern? Ich meine …«

»Ich bin Kurdin und Albert ist Deutscher. Ich bin abgehauen. Mein Vater wollte, dass ich in vier Wochen, gleich nach dem Schulabschluss, heirate. Firats Eltern hätten Ende des Jahres ihre Rückkehr in die Türkei beschlossen und wollten vorher ihren Sohn verheiratet sehen. Und ob wir nun dieses oder nächstes Jahr heirateten, schlüge keinen Nagel krumm, meinte er. Ich habe mich gewehrt. Geheult, gesagt, dass ich Firat nicht lieben würde, es mir scheißegal sei, was unsere Eltern beschlossen hätten, ich wäre in Deutschland aufgewachsen. Es half nichts. Es wurde alles nur schlimmer. Meine Brüder ließen mich keine Sekunde mehr aus den Augen. Sie brachten mich zur Schule und holten mich ab wie eine Grundschülerin. Nach der Schule sperrten sie mich ein. Keinen Schritt durfte ich alleine gehen. Ich sah Albert nicht und auch Oma Johanna nicht. Nur einmal, als meine Brüder unterwegs waren und Vater und Mutter im Schlafzimmer stritten, schaffte ich es zu telefonieren. Ich rief Albert an und erzählte ihm, dass sie mich einsperrten und Vorbereitungen für die Hochzeit Ende September trafen.« Dilan machte eine kurze Pause, stand auf, ging wie selbstverständlich zum Küchenschrank, holte zwei Gläser und füllte sie mit Wasser.

»Albert sagte, er gehe zu Oma Johanna. Dass sie uns bestimmt aufnähme. Und die einzige Möglichkeit sei, dass ich auf der Hochzeit verschwände. Ich fragte ihn noch, wie er sich das vorstelle. Wie ich im Brautkleid vom Borsteler Hafen, gute drei Kilometer bis Jork Königreich zu Oma Johanna laufen solle.« Dilan stellte ein Glas vor Albert auf den Tisch, während sie das andere in Petras Richtung schob, die sofort danach griff und es in einem Zug leerte. »Zum Glück war der Festsaal in Buxtehude belegt und mein Vater musste die Annemarie am Borsteler Hafen buchen. Alberts Hof, der Hof seiner Eltern, liegt schräg gegenüber.« Dilan lächelte zu Albert. »Eine Stunde, bevor der Hodscha kam und uns vor unserer Religion verheiraten wollte, entschuldigte ich mich bei Firat. Es ginge mir nicht gut, ich bräuchte eine kurze Pause.«

»Moment«, wandte Petra ein. »Wenn mein Hirn das vernünftig zusammenkramt, heißt das, du bist noch unverheiratet. Was ist mit Standesamt und dem anderen Gedöns?« Sie hielt Dilan das leere Glas entgegen. »Mehr«, sagte sie.

»Ja, meist wird bei uns erst gefeiert. Zu der Feier kommt der Hodscha und der Standesamttermin kann ein, zwei oder auch drei Tage später sein.« Dilan füllte das Glas neu.

»Schwein gehabt.« Petra lächelte und trank auch das zweite Glas auf Ex. »Aber was ich nicht verstehe, woher wusste deine Familie, dass du abgehauen bist? Ich meine, du hättest ja auch auf Toilette gehen oder einen Spaziergang unternehmen können.«

»Ich habe die rote Schleife, die meine Jungfräulichkeit symbolisiert, im Auto gelassen. Das war ein klares Zeichen. So wusste meine Familie sofort, dass ich erstens keine Jungfrau mehr bin«, sie lächelte zu Albert, »und dass ich nicht wiederkomme. Beides ist bei uns eine furchtbare Schande.«

»Und wie ging es dann weiter?« Petra war äußerst neugierig auf den Ausgang der Flucht.

Ohne zu ahnen, dass diese erst begonnen hatte.

Der Horoskop-Killer

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