Читать книгу Steuererklärung 2020/2021 - Arbeitnehmer, Beamte - Angela Rauhöft - Страница 9
ОглавлениеAbgabepflicht und Abgabekür
Viele Arbeitnehmer und Beamte müssen nicht nachdenken, ob sie eine Steuererklärung abgeben. Sie sind dazu verpflichtet. Der Fiskus befürchtet in diesen Fällen, dass ihm ohne Steuererklärung etwas durch die Lappen gehen könnte. Also will das Finanzamt schwarz auf weiß und ganz genau sehen, was das Jahr über finanziell gelaufen ist. Unter dem Strich führen viele dieser „Pflichtveranlagungen“ aber trotzdem dazu, dass der Fiskus Geld zurückgeben muss.
Abgabepflicht
Arbeitnehmer müssen eine Steuererklärung abgeben, wenn sie im Jahresverlauf neben ihrem Arbeitslohn weitere steuerpflichtige Einkünfte oder Lohnersatzleistungen von mehr als 410 Euro eingenommen haben. Bis 410 Euro Nebeneinkünfte bleiben für Arbeitnehmer steuerfrei ( Seite 195). Wer beispielsweise Ackerland verpachtet, muss eine Steuererklärung abgeben, wenn die Pachteinkünfte 410 Euro übersteigen.
Die Abgabepflicht betrifft auch viele Ehepaare und eingetragene Lebenspartner. Ist etwa der eine Arbeitnehmer und der andere Freiberufler, Rentner oder Vermieter, wird eine Steuererklärung fällig, wenn Einkünfte aus diesen Quellen von mehr als 410 Euro vorliegen. Für Paare mit gemeinsamer Steuererklärung verdoppelt sich die 410-Euro-Grenze nicht. Wenn Ehepartner einzeln ihre Steuererklärungen einreichen, kann zwar jeder den Freibetrag erhalten. Allerdings besteht bei einer Einzelveranlagung dann auch wieder für beide Partner die Pflicht zur Abgabe.
Steuerpflichtige Nebeneinkünfte und Lohnersatzleistungen werden erfreulicherweise nicht zusammengerechnet. Ein Arbeitnehmer, der im Jahr zum Beispiel bis zu 410 Euro Einkünfte aus einer vermieteten Immobilie hat und dazu bis zu 410 Euro Kurzarbeitergeld erhält, ist nicht dazu verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben.
Eine Ausnahme von der Abgabeverpflichtung bilden Zinsen und andere Einkünfte aus Kapitalvermögen. Wurden private Kapitaleinkünfte pauschal mit 25 Prozent Abgeltungsteuer, Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer belegt, lösen sie keine Steuererklärungspflicht aus, egal wie hoch sie sind. Falls aber ein kirchensteuerpflichtiger Arbeitnehmer eine Sperrvermerkserklärung ( Seite 153) beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eingereicht hat, ist eine Steuererklärung in der Regel Pflicht. Wenn Arbeitnehmer die sogenannte Günstigerprüfung beantragen wollen, weil sie der Meinung sind, dass ihnen die Abgeltungsteuer Nachteile bringt, funktioniert das nur mithilfe einer Steuererklärung, einschließlich der Anlage KAP ( ab Seite 149).
Ehepaare, bei denen beide als Arbeitnehmer berufstätig sind, müssen dann eine Steuererklärung abgeben, wenn sie sich für die Steuerklassenkombination III/V oder für das Faktorverfahren ( ab Seite 204) entschieden haben. Bei Kombination IV/IV besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, eine Steuererklärung abzugeben. Dagegen löst die Klasse VI, die es für ein zweites und jedes weitere Arbeitsverhältnis gibt, bei Alleinstehenden wie bei Paaren Erklärungspflicht aus.
Wenn beim Lohnsteuerabzug im Jahresverlauf Freibeträge berücksichtigt wurden, führt das ebenfalls zur Pflichtabgabe. So können Freibeträge, etwa für Werbungskosten oberhalb des Arbeitnehmerpauschbetrags, für Unterhaltszahlungen, Krankheitskosten oder für Vermietungsverluste den laufenden Lohnsteuerabzug drücken ( Seite 183). Sie werden gewissermaßen „vorausschauend“ beantragt und genehmigt. Anhand der Steuererklärung prüft das Amt dann nachträglich, ob die beantragte Erwartung eingetroffen ist. Ausnahmen sind hier Behinderten- und Hinterbliebenenpauschbeträge ( Seite 47). Ihre Eintragung löst keine Abgabepflicht aus. Ebenfalls eine Ausnahme von der Abgabepflicht gilt auch für andere eingetragene Freibeträge, wenn Arbeitnehmer im Jahr 2020 nur einen Bruttojahreslohn bis 11 900/22 600 Euro (Alleinstehende/Ehepaare oder Lebenspartner) haben.
Arbeitnehmer und Beamte sind grundsätzlich verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wenn die vom Arbeitgeber pauschal berücksichtigten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung höher ausgefallen sind als die tatsächlich gezahlten Beiträge. Das betrifft viele Beamte ( Seite 209). Die Pflichtabgabe entfällt aber auch in diesem Fall bei Bruttoarbeitslöhnen bis 11 900 beziehungsweise 22 600 Euro (Alleinstehende/Paare).
Schließlich wird auch dann eine Steuererklärung fällig, wenn das Finanzamt eine sehen will und zur Abgabe auffordert. Dem sollte man besser nachkommen. Wenn nicht, darf das Amt Zwangsgeld oder einen Verspätungszuschlag festsetzen und Einnahmen und Ausgaben schätzen. Persönliche steuermindernde Beträge werden dann nur ausnahmsweise berücksichtigt, sodass die Steuer dann entsprechend hoch ausfällt.
Abgabekür
Menschen in den Lohnsteuerklassen I, II und IV sowie Alleinverdiener in Klasse III sind grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Sie müssen abgeben, wenn einer der zuvor genannten Pflichtgründe auf sie zutrifft. Ungeachtet dessen ist es oft vorteilhaft, freiwillig eine Steuererklärung abzugeben. Das nennt sich „Antragsveranlagung“ und wenn mindestens einer der folgenden Umstände zutrifft, haben Sie Aussichten auf eine Steuererstattung:
Die Werbungskosten liegen oberhalb des Arbeitnehmerpauschbetrags. Das ist oft schon der Fall, wenn der Betrieb weiter als 15 Kilometer von der Wohnung entfernt liegt. Auch bei Auswärtstätigkeit, doppelter Haushaltsführung, Fortbildung, einem Arbeitszimmer oder verschiedenen Arbeitsorten kann sich eine Steuererklärung lohnen. Was alles zu den Werbungskosten gehört, finden Sie ab Seite 86.
Sie können höhere Versicherungsbeiträge geltend machen, daneben weitere Sonderausgaben oberhalb der mageren Pauschale von 36/72 Euro (Alleinstehende/Ehe- und Lebenspartner), zum Beispiel für die Kirchensteuer, für Spenden oder für eine erste Berufsausbildung ( ab Seite 39).
Sie können das Finanzamt an höheren Krankheitskosten, an Ausgaben für die Unterstützung bedürftiger Angehöriger oder an weiteren außergewöhnlichen Belastungen beteiligen ( Seite 51).
Sie waren nicht das gesamte Jahr über angestellt. Dadurch werden Pauschalen, die Ihnen ganzjährig zustehen, beim laufenden Lohnsteuerabzug nur für einen Teil des Jahres berücksichtigt ( Seite 14).
Private Lebensumstände haben sich aus steuerlicher Sicht zum Besseren verändert, etwa durch Hochzeit oder eine Geburt.
Sie können Ausgaben für Haushaltshilfen, für Handwerker- und andere Dienstleistungen im Privathaushalt geltend machen. Gefördert werden auch Kosten für Treppenreinigung und den Hauswart, die in sehr vielen Haushalten anfallen, oder auch für den Winterdienst und für Gartenarbeiten ( Seite 56).
Sie haben Verluste aus verschiedenen Einkunftsarten zu verrechnen oder in andere Jahre zu übertragen. Bei solchen Fällen sollte in der Regel ein professioneller Berater ( Seite 213) helfen.
Bei Zinsen und anderen Kapitalerträgen kann es sich lohnen, eine Steuererklärung abzugeben: beispielsweise, wenn der eigene Grenzsteuersatz unter 25 Prozent liegt ( Seite 258) oder wenn der Altersentlastungsbetrag ( Seite 253) auch für Zinsen, Dividenden, Kursgewinne und andere Kapitalerträge nutzbar ist.
Sie können Kinderbetreuungskosten für Ihr Kind bis zum 14. Geburtstag geltend machen. Diese Ausgaben sind als Sonderausgaben abzugsfähig ( Seite 136).
Zum Beispiel das Ehepaar Bianka und Ben B.
Beide haben Lohnsteuerklasse IV, wohnen in Köln und arbeiten im selben Betrieb. Die 25 Kilometer dorthin fährt das kinderlose Ehepaar an 220 Tagen im Jahr mit Bens privatem Pkw. Bianka verdient monatlich 2 500 Euro brutto, Ben 3 000 Euro. Weitere steuerlich relevante Einnahmen oder Ausgaben oder eingetragene Freibeträge haben sie nicht. Im Jahresverlauf zieht ihnen der Arbeitgeber zusammen rund 8 751 Euro Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag ab und überweist das Geld an das Finanzamt. Wie die folgende vereinfachte Rechnung zeigt, bringt ihnen die freiwillige Abgabe einer Steuererklärung rund 423 Euro Steuererstattung, die allein von den Ausgaben für den Arbeitsweg verursacht wurde.
Bruttojahreslohn (3 000 plus 2 500 mal 12) | 66 000 |
minus Fahrtkosten zur Arbeit (220 Tage mal 25 km mal 0,30 Euro mal 2 Personen, Seite 87) | – 3 300 |
Einkünfte | 62 700 |
minus Rentenversicherungsbeiträge (66 000 mal 18,6 %, davon 90 % Höchstbetrag im Jahr 2020 minus 6 138 Euro Arbeitgeberanteil, Seite 68 und 249) | – 4 911 |
minus Krankenversicherungsbeiträge (66 000 mal 7,75 % minus 4 % für Krankengeld, Seite 70) | – 4 911 |
minus abzugsfähige Pflegeversicherungsbeiträge (66 000 mal 1,775 %, Seite 70) | – 1 172 |
minus Sonderausgabenpauschale (36 mal 2) | – 72 |
zu versteuerndes Einkommen | 51 634 |
Einkommensteuer plus Solidaritätszuschlag laut Einkommensteuertabelle (gerundet) | 8 328 |
im Jahresverlauf bei Kombination IV/IV bereits abgeführt | 8 751 |
Steuererstattung (8 995 minus 8 569, Angaben in Euro) | 423 |