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6 - Zucker im Kaffee

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»Wirf mir mal einer Handschuhe zu!«, rief Adda und drehte sich vorsichtig zu Kommissar Braun um.

»Handschuhe? Wozu?« Edgar Braun spuckte das Streichholz aus.

»Wegen der Spuren. Will keine verwischen«, antwortete Adda, verwundert, dass Edgar das auch noch fragen musste. War er hier der Kommissar oder sie? Nun ja, sie durfte mit Edgar auch nicht zu streng sein. Immerhin, sie war ja die Miss Marple von Mannheim und nicht er.

»Degen, wird’s bald. Handschuhe!«

»Wie bitte, Kommissar Braun?« Degen sah den Kommissar verdutzt an.

»Haben Sie’s nicht gehört? Kommissarin Adda braucht Handschuhe. Los jetzt, ein bisschen dalli!«

Während Egon Degen sich auf die Suche nach Handschuhen machte, winkte Adda ihrer Tochter zu.

»Haste’s gehört, Elfriede? Edgar hat’s sofort erkannt, dass ich eine Kollegin bin. Kommissarin Adda hat er mich genannt.«

»Mutter, bitte!« Elfriede wurde ganz heiß, bei der Vorstellung, was passieren würde, käme Kommissar Braun erst einmal dahinter, dass ihre Mutter alles andere, nur keine Kriminalbeamtin war.

Adda Fried sah ihre Tochter spitzbübisch an, während sie weiter in dem Pommesberg herumstapfte. »Was hast du denn jetzt schon wieder, Elfriede? Edgar hat doch alles verstanden.« Sie blickte zu Kommissar Braun.

»Klar, Adda. Hab alles verstanden!«, rief er zurück, während er Degen die Handschuhe abnahm.

»Bring sie mir doch bitte, Edgar!« Adda winkte Edgar zu.

»Ich?« Kommissar Braun besah den Pommesberg. Igitt, da sollte er durchwaten? Es widerte ihn schon jetzt, bei der Vorstellung, die klitschigen Dinger unter den Füßen zu spüren.

»Jetzt stell dich doch nicht so an, Edgar. Bin doch auch reingestapft. So schlimm ist es gar nicht. Kalt und klitschig, aber mehr auch nicht. Musst nur aufpassen, dass du nicht auf den Hosenboden fällst.«

Widerstrebend nahm Edgar Braun die Handschuhe, legte sie sich zwischen die Zähne, und krempelte die Hosen hoch. Als er gerade über das Geländer steigen wollte, hörte er Adda rufen: »Aber, Herr Kommissar, wirst du gefälligst die Schuhe ausziehen!« Entrüstet sah sie ihn an. »Man latscht doch nicht mit Schuhen durch Lebensmittel! Selbst die Traubentreter stampfen barfuß in den Trauben.«

»Aber, Adda, diese Dinger isst doch keiner mehr.« Er blickte zu Degen. »Oder vielleicht doch, Degen? Glauben Sie, dass die nochmals durchs Wasser kullern und womöglich doch noch verkauft werden?« Alleine die Vorstellung daran, ekelte ihn.

»Aber ich bitte Sie, wo kämen wir hin, täten wir dies! Sicher vernichten wir in so einem Fall die Lebensmittel auf der Stelle. Eine Entsorgungsfirma ist mittlerweile bereits mit der Beseitigung der Pommes frites beauftragt worden.« Diplom-Ingenieur Prometheus Bach, stellvertretender Betriebsstättenleiter, unterdessen von dem Geschehen unterrichtet worden, sah den Kommissar vorwurfsvoll an. »Wir könnten schließen, würden wir in einem Fall, wie diesem, die Pommes frites noch verkaufen wollen.«

»Dann is‘ ja gut.« Kommissar Edgar Braun wirkte erleichtert.

»Edgar, mach hinne! Ich frier mir hier sonst noch die Füße ab!« Adda fuchtelte aufgeregt mit den Händen in der Luft.

Kommissar Braun stieg eiligst, natürlich barfuß, über das Geländer und mühte sich ab, zu Adda hin zu gelangen.

Hastig riss sie ihm die Handschuhe aus der Hand. »Wurde aber auch Zeit!«, brummte sie, während sie sich bereits umdrehte und hin zu dem hochstehenden Arm stapfte. Mit einem Blick über ihre Schulter, rief sie: »Edgar, was ist nur los mit dir? Wo bleibst du denn? Oder glaubst du, dass ich deine ganze Arbeit alleine mache?«

»Ich komm ja schon.« Kommissar Braun war anzusehen, wie unwohl er sich in dem Pommesberg fühlte.

»Dauert das noch lange, Herr Kommissar? Unsere Produktion muss weitergehen. Von daher, es wäre gut, wenn Sie sich beeilen und die Leiche entfernen würden. Dann könnten unsere Leute damit anfangen, die Pommes frites zu entsorgen.« Prometheus Bach blickte auf die Uhr. Was das Geld kostete, dieser Zeitverlust!

»Nur nich’ hudeln, Herr …«, rief Adda, und bückte sich nach dem Arm. Wieder warf sie einen hastigen Blick über ihre Schulter. »Edgar, halt mich mal fest, damit ich an dem Arm ziehen kann.«

»An dem Arm willst du ziehen? Aber wieso denn das, Kommissarin Adda?« Braun blickte sie überrascht an.

»Hör nur gut zu, Elfriede!«, rief sie wieder einmal ihrer Tochter zu, bevor sie sich an Edgar Braun wandte. »Na, ich will sehen, ob das nur ein Arm, oder eine komplette Leiche ist.«

»Du glaubst doch nicht etwa, dass wir in diesem Pommes-Wirrwarr, zu allem Elend, auch noch nach Leichenteilen suchen müssen?« Kommissar Braun schaute Adda entsetzt an.

»Bloß nicht!«, stöhnte Diplom Ingenieur Bach.

Elfriede trat neben Bach. »Nur keine Aufregung. Schlimmer, als es ohnehin schon ist, kann es kaum noch werden.«

Bach sah Elfriede überrascht an. »Wer sind Sie denn? Auch ‘ne Kommissarin? Reichen die beiden nicht?«

Elfriede antwortete, ohne nachzudenken: »Nein, eine Kommissarin bin ich nicht. Ich bin, nun, wie soll ich sagen«, sie druckste herum, »ich bin eher eine Art Kollegin, Assistentin, von«, sie zwang sich zu husten, krächzte zwischen nochmaligem, gekünsteltem Hustenanfall, kaum verständlich, »von der«, den Ton noch weiter gesenkt, »der Kommissarin.«

»Wieso eigentlich zwei Kommissare? Bei nur einem Armfund, hätte ein Kommissar doch auch gereicht«, brummte Bach, sichtlich gereizt, und mit den Nerven am Ende.

»Nur keine Bange, Herr Ingenieur, wir waren rein zufällig hier. Sind sozusagen in Ihre Leiche hinein spaziert. Bin heute nämlich eigentlich gar nicht im Dienst«, rief Adda dem Mann zu, während sie am Arm der Leiche zog und zog, und Kommissar Braun darauf achtete, dass Adda nicht stürzte.

Urplötzlich gab der Pommesberg nach und unter Addas Händen kam eine Frau, Anfang dreißig, zum Vorschein.

Als Bach sie sah, rief er entsetzt aus: »Aber … Das ist doch unsere Putzfrau!«

Braun ließ Adda los, drehte sich um die eigene Achse, und wandte sich Bach zu. »Ihre Putzfrau? Können Sie mir dann bitte einmal erklären, wie die hierher kommt? Sollte die arme Frau womöglich die Pommes schrubben?«

»Aber, Edgar, dazu gibt es hier doch all die Wasserbäder. Da braucht es niemanden, der die Pommes wäscht.« Wieder einmal sah Adda den Kommissar vorwurfsvoll und zugleich verwundert an.

»Wohl noch nie was von schwarzem Humor gehört«, knurrte Braun, der immer noch auf Bachs Antwort wartete.

»Ich kann an der ganzen Situation gar nichts Witziges finden.« Bachs Gesicht färbte sich hochrot. »Auch kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, was Frau Magin hier gewollt hatte.«

»Magin, ist das der Name der Toten?«, kam Adda Braun zuvor. Sie gab dem Kommissar einen Hieb auf den Arm. »Aufschreiben, Edgar. Is‘ wichtig.«

»Bin ja schon dabei,« beeilte er sich, eine Antwort zu geben, und kam sich dabei schon fast wie Columbo vor; dennoch zog er sein Notizbuch aus der Tasche und notierte sich den Namen der Toten. »Magin, und, wie weiter?«

Columbo, überlegte er, nachdem er den Notizblock wieder weggesteckt hatte, dazu fehlt mir nur noch der zerknitterte Trenchcoat und ‘ne Zigarre in der Hand.

»Da muss ich in der Personalakte nachsehen. Auswendig weiß ich das nicht«, sagte Bach und machte sich auf den Weg, hin zur Personalabteilung, in der heute allerdings niemand tätig war. Nur die Fabrik zur Führung war geöffnet. Der Verwaltungsbereich jedoch, war samstags niemals personell besetzt; und das stank ihm derzeit allgewaltig. Nicht genug, dass sie einen Leichenfund hatten, jetzt musste er sich auch noch durch Löffelweins Personalablage wühlen. Und er wusste, die Löffelwein hatte ein Ablagesystem, mit welchem nur sie zurechtkam. Er schüttelte den Kopf. Nein, so konnte das nicht mehr weitergehen. Ab nächster Woche würde er das ändern. Eine schriftliche Anweisung, die Ablagetechniken betreffend, würde er schreiben, und sie der Löffelwein unter die Nase halten. Und wehe, sie hielt sich nicht daran. Dann konnte sie sich gleich einen neuen Job suchen. Dass sie bereits viele Jahre die Firma unterstützte, und dabei auch nie Fehlzeiten hatte, das interessierte ihn dabei nicht die Bohne. Wozu auch. Er hatte das Sagen, und damit basta! Finito! That’s it!

»Das ist aber ’n Hammer. Der kennt noch nicht einmal die Namen von seinen Leuten. Anders als bei uns, wie, Edgar? Wir beiden wissen wenigstens, wie wir mit Vornamen heißen.«

»Hast Recht, Adda. Und jetzt lass uns endlich wieder aus dem Pommesberg raus gehen. Hier können wir ohnehin nichts mehr tun. Jetzt müssen andere ran.«

»Lässt du dir das einfach aus der Hand nehmen?«, wunderte sich Adda. »Das ist doch unser, äh, dein Fall!«

»Nee, nee, kannst beruhigt sein, niemand nimmt mir was aus der Hand. Nur, die hier«, er deutete auf die Leiche, »gehört jetzt erst einmal der Gerichtsmedizin und danach nehmen die Dinge ihren Lauf.«

»Gerichtsmedizin? Du, Edgar, da müssen wir hin. Auf der Stelle!« Adda stieg über das Geländer, während ihr Elfriede ihren Arm zur Hilfe entgegen streckte.

Ihr hinterher, kam Edgar. Der Kommissar hatte krebsrote Füße. »Komme mir vor, als wäre alles an mir eingefroren.«

»Oh, oh, das wollen wir für deine Frau aber nicht hoffen, mein Bester«, scherzte Adda, und zog sich dadurch, wieder einmal einen von Elfriedes tadelnden Blicken zu.

»Herr Bach, wo sind Sie? Gibt es in diesem Gebäude irgendwo einen Kaffee zum innerlichen Aufwärmen?«, rief Braun, der vor Kälte schlotterte.

»In der ersten Etage gibt es eine Cafeteria, dort können Sie sich Kaffee holen«, beantwortete die junge Frau, die die Gruppenführung innegehabt hatte, die Frage des Kommissars. »Dort ist heute zwar niemand, aber der Kaffeeautomat funktioniert auch so. Sie brauchen nur Kleingeld.«

»Dann nichts wie los und hinauf zur Cafeteria. Ich muss mich jetzt erst einmal von innen heraus aufwärmen. Vorher geht gar nichts mehr.« Er wandte sich an Adda: »Bevor wir beide« er deutete von ihr auf sich selbst, »uns in die nächste Kältekammer aufmachen, muss ich erst einmal einen heißen Kaffee haben. Du auch, Adda?«

»Ja, aber mit Zucker im Kaffee.«

Elfriede sah die beiden sprachlos an. Kaffee! Wie konnte ihre Mutter nur in solch einem Augenblick an Kaffee denken?

»Komm mit, Elfriede. Hast’s ja gehört, danach müssen wir drei auch noch in die Gerichtsmedizin.«

»Mutter!«, empörte sich Elfriede aufs Neue.

»Ja, ja, ich weiß. Deine schon einige Jahrzehnte.« Adda folgte Kommissar Edgar Braun in die Cafeteria, so dass Elfriede nichts anderes übrig blieb, als es ihnen gleichzutun, und mit ihnen mit zu gehen.

Adda Fried

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