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5 - Der fragende Blick des Kommissars
ОглавлениеEdgar Braun, diensthabender Kommissar, hatte zusehends schlechte Laune. Ausgerechnet an seinem freien Samstag musste es eine Leiche in einem Pommesberg geben. Als wenn das nicht auch noch Zeit bis zum Montag gehabt hätte. Immerhin, verwest wäre sie, zwischen all den Kartoffeldingern, sicherlich nicht.
Adda hatte sich, zusammen mit Elfriede, hinter einem Wagen mit Kartoffelschalen versteckt.
»Wir müssen hier raus. Was meinst du, was los ist, wenn man uns hier entdeckt.« Elfriede zog ihre Mutter am Arm.
»Wenn du nicht sofort aufhörst, mich am Arm zu ziehen, dann kannst du gleich dort oben, neben dem Arm Platz nehmen!« Adda Fried war sauer. Noch weiter so, und der Kommissar würde auf sie aufmerksam werden.
»Was redest du denn für ’n Zeug? Das hört sich ja beinahe an, als würdest du mir drohen«, echauffierte Elfriede sich.
»Seit wann bist du denn so empfindlich?« Addas Augen blitzten hinter den Brillengläsern. »Und jetzt sei endlich still, ich versteh sonst kein Wort!«
»Verstehen? Was willst du denn verstehen? Reicht’s dir nicht, dass zwischen den Pommes ein Arm liegt!«
»‘ne Leiche, Elfriede, eine Leiche.«
»Das ist doch noch gar nicht erwiesen.«
Kommissar Braun lauschte. »Ruhig!« Sein Blick schweifte umher. »Da ist irgendwer. Ich hör‘s genau.«
»Bestimmt der Mörder, Herr Kommissar«, flüsterte Polizist Egon Degen.
Edgar Braun kratzte sich am Kinn, während er sich nachdenklich auf die Unterlippe biss. »Glauben Sie das tatsächlich, Degen, dass wir den Mörder schon haben?« Dann wäre der Samstag ja doch noch gerettet!
»Nu‘, haben tun wir ihn noch nich‘, nicht wahr. Erst müssen wir ihn ja mal suchen gehen. Aber«, er lauschte, »wenn‘se mich fragen, dann muss der irgendwo dort drüben sein.«
»Na, auf was warten Sie dann noch? Los, hin und festnehmen!«
»Ich?« Egon Degen hatte mit seinen fünfundzwanzig Jahren bisher noch niemanden festnehmen müssen.
»Ja wer denn sonst? Ich vielleicht? Nee, mein Lieber, das ist Ihre Sache. Ich bin später dafür da, der Presse Rede und Antwort zu stehen.« Er sah jetzt schon die Schlagzeilen, in welchen er, auf Grund einer schnellen Verhaftung, lobend erwähnt wurde. Brauns Laune besserte sich bei dieser Vorstellung schlagartig.
»Raus da, aber ’n bisschen plötzlich!«, hörte er Degen rufen. Als er sich umdrehte, sah er, wie der junge Polizist seine Dienstwaffe auf zwei Frauen zuhielt.
»In was hast du uns da nur reingeritten?« Elfriede hob zitternd die Hände übern Kopf, genauso wie sie’s aus den Krimis kannte, und stolperte aus ihrem Versteck.
»Ich, uns in was reingeritten? Wer wollte denn heute unbedingt die Pommesfabrik aufsuchen!«
»Jetzt mach aber mal ‘nen Punkt!« Elfriede ließ die Hände sinken.
»Hände hoch!«, schrie Degen, dem die beiden Frauen nicht geheuer waren. Irgendwo mussten die doch die Tatwaffe haben. Was, wenn er gleich eine übergebraten bekäme? Immerhin, die waren zu zweit und er alleine, gegen den Rest der Welt. Zumindest kam er sich zu Letzterem so vor.
Elfriedes Hände schnellten nach oben. »Ja, klar. Sicher doch«, stammelte sie.
Adda schüttelte entrüstet den Kopf. »Und du willst die Tochter von der Mannheimer Miss Marple sein. Schäm dich, Elfriede. Du tust ja geradeso, als hätten wir die Leiche ermordet.«
»Chef, Kommissar Braun, ich hab ein Geständnis. Die Ältere von den beiden hat gestanden«, rief Degen in Brauns Richtung.
»Geständnisse kommen immer gut. Wirkt sich strafmildernd aus.« Kommissar Braun war sichtlich zufrieden. So schnell hatte er schon lange keinen Mordfall mehr aufgeklärt. Wen interessierte es dabei, dass Degen es war, der die Täter gestellt hatte. Das war immerhin seine Pflicht, dafür wurde er bezahlt.
Edgar Braun ging auf die Frauen zu. Besah sie skeptisch von oben bis unten. »Wie Mörderinnen, seht ihr ja nicht gerade aus. Aber die unschuldig Wirkenden, die haben’s oft faustdick hinter den Ohren. Kennt man, is’ ja nichts Neues.« Er ging um Adda herum. Vor Elfriede blieb er stehen. »Neues Parfüm?«
Elfriede nickte.
»Name!«
»Elfriede Wild.«
»Nich’ von dir, Mädchen, vom Parfüm. Meine Frau hat bald Geburtstag. Dann hätte ich wenigstens ein Geschenk für sie. Bräuchte ich mir nicht weiter den Kopf zu zerbrechen.« Er wusste, dieser Duft, er entsprach genau der Nase seiner Frau. »Oder ich schenk ’s ihr einfach so.«
»Lucky Old Lady«, antwortete Elfriede eingeschüchtert.
»Was geht das dich an!« Braun glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Seit wann erdreistete sich eine Tatverdächtige, seine Frau als Lucky Old Lady zu bezeichnen. Das war unerhört. Einfach unmöglich war das! »Ob meine Frau glücklich ist, das geht dich gar nichts an. Und ‘ne Old Lady, das ist sie schon mal gar nicht!«
»Wie bitte?«, stammelte Elfriede. Als sie begriff, sagte sie rasch: »Lucky Old Lady ist der Name meines Parfüms. Den wollten Sie doch wissen.«
»Ach so. Klar. Habe auch nichts anderes verstanden. Degen, dass Sie aber auch immer falsch kombinieren«, fuhr er den Polizisten an.
»Ich, Chef, aber was habe ich denn …?«
»Still jetzt. Kein Ton mehr!« Braun wandte sich Adda zu. »Ihr Name?«
»Ich hab kein Parfüm an mir.« Adda schnupperte an sich. Mit viel Wohlwollen konnte man eventuell noch leichten Frittengeruch wahrnehmen, aber das war’s auch schon.
»Habe ich etwa nach Parfüm gefragt? Ich will wissen, wie Sie heißen, und warum Sie das Opfer getötet haben!«
Adda hob die Hand. »Jetzt hören Sie mir einmal gut zu, junger Mann …«
»Edgar Braun. Kommissar Edgar Braun. Und ich ermittle hier, nicht Sie. Folglich, wenn hier jemand zuzuhören hat, dann sind Sie das, und nicht ich!«
»Das ist mir ganz egal. Sie übersehen wohl ganz, wen Sie hier vor sich haben!«
Braun lachte. »Zwei ältere Mädchen.«
»Nix da, von wegen älteren Mädchen. Ich bin mal gerade neunundsechzig, und meine Kleene hier, die hat bald ihren Fünfzigsten. Von wegen ältere Mädels!« Sie funkelte ihn böse an. »Außerdem, spricht man in dieser Art mit einer Kollegin?«
»Adda!« Amtsanmaßung, auch das noch! Elfriede überlegte bereits, wie viel Monate oder Geldstrafe das einbrachte.
»Adda Fried«, stellte sich Adda vor. »Meine Tochter, Elfriede Wild, kennen Sie ja bereits.«
»Und weiter?« Braun zog eine Packung mit Zahnstochern aus der Tasche und schob sich einen zwischen die Zähne.
»Was heißt hier und weiter? Ich sagte doch bereits, dass ich so etwas wie eine Kollegin bin. Habe, wenn man’s genau betrachtet, eigentlich täglich mit Totem zu tun.«
Braun wurde hellhörig. Er konnte ja nicht ahnen, dass Adda Fried in diesem Moment mehr an Wiener Würstchen, Hamburger und all solche fleischigen Darbietungen dachte, als sie dies sagte.
Braun schwenkte um: »Nun, wenn wir Kollegen sind«, er zog die Packung Zahnstocher aus der Tasche, »auch eins?«, bot er Adda an.
»Nein danke. Gummibärchen sind mir lieber. Mag den Gottschalk nämlich, der macht immer Werbung für diese Dinger.«
»Gummibärchen hab ich nicht. Leider.«
»Geht auch ohne. Ich besitze ja auch keinen Gottschalk.« Adda sah zu dem Arm, der immer noch zwischen den Pommes frites hervorragte. »Schon eine Ahnung, um wen es sich bei der Leiche handelt?«
Braun schüttelte den Kopf. »Nee, muss erst noch die Spurensicherung ran. Bisher weiß ich noch nicht einmal, ob Männlein oder Weiblein.«
»Weiblein«, stellte Adda fest. »Sieht man doch an den lackierten Fingernägeln.«
»Adda, wirst du wohl!«
Adda drehte sich zu Elfriede. »Bin doch gerade dabei. Und jetzt stör mich nicht weiter. Wie du siehst, ich unterhalte mich doch gerade so gut mit dem Kommissar.« Adda grinste den Kommissar an. »Ich bin die Adda. Darf doch Du zu dir sagen, Herr Kommissar?«
Edgar Braun sah die Frau verwundert an. War schon eine ulkige Nudel. Nein, die war ganz sicher nicht die Mörderin. Aber was war mit der Tochter? Vielleicht war alles auch nur inszeniert und diente als pures Ablenkungsmanöver. Plan B, sozusagen. Er biss sich wieder auf die Unterlippe. Gut, würde er eben einfach auf ihr Spiel eingehen und sehen, wohin es führte. »Klar, Adda, kannst du Du zu mir sagen. Ich bin der Edgar.«
»Na, dann auf gute Zusammenarbeit, Edgar.«
»Adda! Mutter!«, schnaubte Elfriede, und japste nach Luft.
»Bist du jetzt endlich still! Edgar und ich, wir müssen uns zu allererst auf den Stand der Dinge bringen.«
Während Braun und Elfriede sie verwundert ansahen, zog Adda ihre Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosen bis unter die Knie, danach stieg sie kurz entschlossen übers Geländer und stapfte zwischen den Pommes zu dem hochstehenden Arm. »Igitt ist das kalt und klitschig«, schimpfte sie, und musste aufpassen, dass sie nicht ausrutschte und womöglich ebenfalls unter den Pommes unterging.