Читать книгу Adda Fried - Angelika Nickel - Страница 11

7 - Kühl gelagert

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Adda trank ihren Kaffee in schnellen Zügen. Mit einem Blick auf den Kommissar, einem weiteren auf ihre Armbanduhr, stellte sie fest: »Für heute brauchen wir uns nichts mehr weiter vorzunehmen, Elfriede. Bis Edgar und ich erst noch im Leichenschauhaus waren …«

Elfriede riss ihre Augen weit auf. »Wo willst du hin? Ins Leichenschauhaus?« Verständnislos schüttelte sie kaum merklich, den Kopf. Das durfte doch alles gar nicht wahr sein. Ahnte Adda nicht, welches Risiko sie damit einging? Als wenn sie ohnehin nicht schon froh sein konnte, dass dieser Kommissar ihr regelrecht aus der Hand fraß, anstelle sich bei seiner Dienststelle nach Kommissarin Adda Fried zu erkundigen. »Meinst du nicht, dass es jetzt so langsam reicht, Adda!«

Braun blickte von seiner Tasse auf. »Aber, aber, junge Frau. Auch das gehört nun einmal zu unserem Beruf. Sicher, die Gerichtsmediziner tun ihre Arbeit, dennoch entbindet uns das nicht davon, uns auch noch in der Gerichtsmedizin, die Leichen nochmals näher anzusehen.«

»Leichen …« Elfriede schluckte. »Soll das heißen, dass dort unter dem Pommesberg mehr als nur eine Leiche liegt?«

»Aber ich bitte Sie, das war doch nur allgemein gesprochen.« Er wandte sich an Adda. »Für das, dass deine Tochter deine Assistentin ist, stellt sie aber recht eigenartige Fragen. Man könnte gerade meinen, dass sie Neuland betritt.«

Adda maß Elfriede mit einem strafenden Blick, während sie nach Edgar Brauns Hand suchte. »Nicht doch, Edgar. Sicher ist das auch für sie kein Neuland. Nur, du musst verstehen, es ist Samstag, da hat sie«, Adda korrigierte sich, »haben wir normalerweise frei. Und Elfriede geht in dieser Hinsicht sogar so weit, dass sie in dieser Zeit ganz vergisst, was sie ansonsten immer tut.« Sie flunkerte das Blaue vom Himmel, ohne auch nur den Schatten von Röte ins Gesicht zu bekommen; und innerlich amüsierte sie sich über diesen Kommissar, der doch tatsächlich, zu ihrem Glück, naiv genug war, ihr jedes Wort zu glauben. Nur mit ihrer Tochter war das so eine Sache. Die hielt nichts vom Flunkern, und das stand ihr zu allem Elend auch noch ins Gesicht geschrieben. Also musste sie noch mehr an Phantastischem aus sich heraus holen, damit auch ja nichts schief ging, und Braun ihr auch weiterhin aus der Hand fraß. Wie ein alter Gaul, dachte sie, und lächelte Braun zuckersüß an, und vergaß dabei auch nicht, ihren unschuldig wirkenden Augenaufschlag.

Edgar Braun musterte Elfriede mit ungläubigem Blick. »Ich kann ja verstehen, dass man am Wochenende seine Ruhe will, geht mir ja nichts anders. Aber, dass ich deswegen gleich so weit ginge und vergessen würde, dass ich Kommissar bin«, er räusperte sich, »also nein, so weit gehe noch nicht einmal ich. Von daher, Frau Wild …«

»Sie können Elfriede zu mir sagen, Herr Kommissar«, bot Elfriede dem Kommissar an, nicht ohne den Hintergedanken, dass es am Ende gut sein würde, hätten sie und ihre Mutter ein gutes Verhältnis zu dem Kommissar. Möglicherweise würde sich das im Ernstfall strafmildernd auswirken, wenn sie erst einmal aufgeflogen waren. Und sie würden auffliegen, dessen war sie sich hundertprozentig sicher. Über die damit verbundenen Folgen, wollte sie gar nicht richtig nachdenken. Und dennoch, dass es über kurz oder lang zu einer Anzeige wegen Amtsanmaßung kommen würde, davon ließ sie sich nicht abbringen. Richtig genommen beneidete sie ihre Mutter sogar ein wenig, dass sie dies alles so gelassen sah, und somit drauflos log, dass sich die Balken bogen. Frau Kommissarin; wie konnte sie nur!

»Gut, Elfriede. Wie gesagt, also ein klein wenig mehr von der Alltagseuphorie miteingebracht, kann auf Dauer nicht schaden. Von daher, als Assistentin Ihrer Mutter …«

»Wie bitte? Assistentin meiner …« Elfriede blies die Backen auf. »Wie kommen Sie denn darauf?«

»Das haben Sie doch selbst gesagt.« Brauns Kopf zeigte Richtung Fabrikhalle. »Dort unten war ’s. Ich hab’s genau gehört, als Sie diesem Bach gesagt haben, dass Sie …«

»Ach so, ja, natürlich.« Dass der Kommissar ihre Worte gehört hatte, damit hatte sie nicht gerechnet.

»Jetzt macht hier doch keine Wortspielerei um Dinge, die letztendlich gar nicht so wichtig sind. Wichtig ist, dass wir erst einmal herausfinden, weshalb diese Magin zu Tode gekommen ist.«

»Wenn wir Glück haben, war’s nur ein Unfall«, überlegte Braun.

»Daswär’aber doof.« Adda sah den Kommissar ungläubig an. »Wo ich mir doch so sehr ‘ne Leiche gewünscht habe.«

Braun zog die Braue hoch. »Wie bitte? Wie habe ich denn das zu verstehen, Adda? Bist du etwa gar nicht bei der Mordkommission?«

Adda reagierte blitzschnell. »Doch, natürlich, lieber Edgar. Es ist nur so, wenn mein, unser«, sie zeigte von Elfriede auf den Kommissar und am Ende auf sich selbst, »Samstag schon kaputt sein muss, dann doch nicht wegen eines stinkgewöhnlichen Unfalls.« Sie setzte ein charmantes Lächeln auf, und tätschelte Edgar Brauns Hand. »Nicht wahr, Edgar, da gibst du mir doch Recht?« Sie stand auf, um dem Gespräch ein Ende zu machen, bevor es noch unangenehmere Ausmaße annahm. »Und jetzt lass uns gehen und sehen, ob unsere Leiche schon kühl gelagert ist.«

»Kühl gelagert?« Braun schüttelte den Kopf. »Weißt du, bei dir muss ich mich schon wundern, wie du mitunter daher redest. Derart fachuntypisch. Fast, als wenn du branchenfremd wärst.«

»Nee, Edgar, ganz im Gegenteil. Im Zuge meiner beruflichen Laufbahn habe ich immer wieder feststellen müssen, dass es für viele Dinge ganz unterschiedliche Begriffe gibt, und auf Grund dessen nicht immer jeder gleich weiß, um was es geht. Und von daher habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, mich so einfach als möglich auszudrücken, damit auch gleich jeder weiß, was ich meine, wovon ich rede.« Adda Fried kreuzte die Finger hinterm Rücken und dachte in diesem Moment, da sie nicht lügen wollte, und Edgar wollte sie gleich gar nicht anlügen, zumindest nicht in diesem Augenblick, an Frikadellen, zu denen auch mancher Buletten sagte, und Adda aus Erfahrung wusste, mit Hackfleischbrätlingen, wussten die Meisten, was gemeint war.

Kommissar Braun musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. Er nickte. Mit dem Finger zeigte er auf sie, während er zu Elfriede hinüber schielte. »Ihre Muter, die hat’s aber faustdick hinter den Ohren. Wie? Aber Recht hat sie schon, das muss ihr der Neid lassen. Ich scheitere auch oft, wenn ich den Bericht des Gerichtsmediziners und all die lateinischen Begriffe, die eigentlich nur Ärzte kennen, lese. Dieses Fachchinesisch«, er schüttelte den Kopf, »nee, richtig genommen ist das auch nicht mein Ding.« Er schlug Adda auf die Schulter und lachte. »Dann lass uns mal nachsehen gehen, Kommissarin Adda, wohin sie unsere Leiche gebracht, und ob sie sie, um es mit deinen Worten zu sagen, auch kühl gelagert haben.« Edgar Braun trank noch den letzten Schluck seines Kaffees, er wollte nichts verkommen lassen. Danach gingen sie zurück zu dem Pommesberg, der unterdessen nur noch teilweise vorhanden war. Braun blickte fragend zu Degen. »Was ist denn hier passiert?«

»Die Gerichtsmedizin hat die Leiche abgeholt. Spuren sind alle gesichert. Von daher hat nichts mehr dagegen gesprochen, dass die Jungs von der Entsorgertruppe ihre Arbeit tun.«

»Und wer hat das genehmigt?« Braun zog einen Zahnstocher aus der Packung, und wieder ab damit zwischen die Zähne.

»Ich habe das genehmigt, nachdem mir Ihr Polizist hier gesagt hat, dass soweit alles an Spuren genommen ist, und Sie nicht weiter an den Tatort, sprich, den Pommesberg, müssten«, antwortete Bach.

»Degen hat das erlaubt …« Braun spuckte den Zahnstocher aus. Er nickte. »Nun ja, wenn Degen es genehmigt hat … Dann fahren Sie fort.« Zu Egon Degen gewandt, sagte er: »Darüber, Degen, sprechen wir noch.«

»Aber, Edgar, ich bitte dich! Der Junge hat doch alles richtig gemacht«, versuchte Adda, dem Polizisten zu Hilfe zu kommen.

»Mutter, Adda, bitte lass das sein. Misch dich nicht auch noch in die Personalpolitik des Kommissars ein!«

Braun nickte. »Gar nicht so dumm, die Frau Tochter. Ich mag es tatsächlich nicht sonderlich, wenn mir Kommissare von anderen Dienststellen sagen wollen, wo’s lang geht. Und meinen Jungs schon mal gar nicht. Das besorge immer noch ich.«

»Aber sicher doch, Edgar, ich wollte auch auf gar keinen Fall deine Autorität untergraben oder gar infrage stellen, auf gar keinen Fall.« Adda Fried hakte sich beschwichtigend bei Kommissar Braun unter und zog ihn langsam aus der kalten Halle der Pommesfabrik hinaus.

Adda Fried

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