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7 / Nacht auf Freitag, 23. März 2007
Оглавление»Willst du nicht langsam ins Bett?« Mariannes Gesichtszüge zerflossen schläfrig, ein fächerförmiger Abdruck ihres Kopfkissens zeichnete sich auf ihrer Wange ab. In einem knielangen, löchrigen T-Shirt, ihrem bevorzugten Nachthemd, lehnte sie am Türrahmen; von ihrer widerspenstigen hellbraunen Löwenmähne hatte sie das Haargummi entfernt, sodass ihre Haare in alle Richtungen abstanden. »Es ist nach zwei!« Sie kratzte sich an der Schulter und gähnte.
Ihr Mann versetzte dem Bürostuhl eine Vierteldrehung, bis er ihr direkt gegenübersaß. »Ich mache die Katalogtexte für Schwerin noch fertig«, sagte er. »Dann kann ich mich ab morgen auf die Jagd nach diesem Jakob konzentrieren.«
Sie ignorierte seinen beschäftigten Gesichtsausdruck und schlurfte zu dem Sessel in der Ecke. »Ich hatte einen Albtraum«, sagte sie und ließ sich hineinfallen. »Kannst du mir nicht meine Decke holen?« Dan gehorchte, ohne zu protestieren. »Wovon hast du geträumt?«, erkundigte er sich, als er ihr einen Augenblick später die Bettdecke reichte.
»Von einer Obduktion. Ich habe eine große Geschwulst im Körper einer älteren Frau untersucht, als ich plötzlich bemerkte, dass es sich um Lauras Leiche handelte.«
»Pfui Teufel.«
»Genau.« Sie gähnte erneut. »Und ausgerechnet ich, die ich Obduktionen hasse.«
»Tja, das war nun nicht gerade das, was ich …«
»Nein, nein.« Sie verscheuchte das Thema mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Dan, ich glaube, ich habe eine Idee.«
»Ja?« Dan schielte auf sein Notebook. Es würde noch mindestens eine Stunde dauern, bevor er ins Bett kam. Aber wenn Marianne zu einem nächtlichen Powwow erschien, gab es kaum Hoffnung zu entkommen, das wusste er. Er konnte sich ebenso gut gleich ergeben. »Ein neuer Einrichtungsspleen?«
»Ach, hör auf!« Ärgerlich pustete sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Was meinst du mit Spleen? Du solltest froh sein, dass sich wenigstens einer hier im Haus ein bisschen dafür interessiert.«
»Entschuldige. Was wolltest du sagen?«
Sie blickte ihn noch einen Moment beleidigt an, dann taute sie auf. »Es war eine Idee im Fall Ursula. Du glaubst, dieser Jakob hat es mehr als nur einmal getan, oder?«
»Ja.«
»Du meinst also, er ist ein Heiratsschwindler?«
»Also verheiratet waren sie noch nicht.«
»Nein, aber trotzdem.« Marianne schnitt eine Grimasse. »Du weißt genau, was ich meine.«
»Ja, sicher. Die ganze Nummer war so ausgefuchst, dass er es einfach schon mal gemacht haben muss. Zum Beispiel gibt es keine Firma, die Future Colours heißt. Trotzdem hatte er ein Auto mit diesem Logo, Warenproben mit Etiketten, eine Mailadresse mit futurecolours.dk als Domain … Solche Dinge brauchen Zeit, und er muss von vornherein gewusst haben, auf wen er es abgesehen hatte. Das ganze Set-up war wie maßgeschneidert für Ursula.«
»Es wirkt ziemlich professionell.«
»Genau. Und es gibt eine Menge Dinge, von denen ich noch nichts weiß. Wie konnte dieser Jakob beispielsweise wissen, dass Ursula über ein Millionenvermögen verfügte? Hat er in einer Bank gearbeitet? Oder ist er ein Hacker? Sie schwört, nie irgendjemand anderem als ihrer Tochter von dem Lottogewinn erzählt zu haben.«
»Na ja, könnte die Tochter nicht …«
»Anemone?« Dan grinste. »Du hättest sie sehen sollen. Sie ist die Selbstbeweihräucherung und Mäßigung in Person. Sie hat überhaupt nicht genügend soziale Intelligenz, um mit anderen Menschen zu tratschen.« Er schob seiner Frau eine Schachtel Halspastillen zu. »Nein, das mit dem Vermögen hat Jakob irgendwo anders aufgeschnappt. Da bin ich mir sicher.«
»Danke. Wer ist er überhaupt?«, fragte Marianne und nahm sich ein Lakritz. »Du sagst, Ursula hätte versucht, ihn im Netz aufzuspüren?«
»Nur über Google und solche Seiten. Man müsste sich schon ans Einwohnermeldeamt wenden, um sicherzugehen, aber im Moment sieht es nicht so aus, als gäbe es jemanden mit diesem Namen.«
»Hat sie jemals seinen Pass gesehen?«
»Mehrfach. Pass, Führerschein, alle Papiere waren auf Jakob Heurlin ausgestellt und sahen total echt aus, dennoch müssen sie gefälscht gewesen sein.« Dan zog einen Kollegblock heran und machte sich eine Notiz. »Ich muss bei den Reiseveranstaltern und der Bank überprüfen, ob sie vielleicht eine Fotokopie des Passes haben.«
»Was ist mit dem Wagen?«
»Was meinst du?«
»War das Auto unter seinem Namen registriert?«
»Ich kann sie gern fragen, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie das überprüft hat.«
»Na ja, der Wagen muss doch zu finden sein, du kannst das überprüfen. Wie sind sie zum Flughafen gekommen, als sie ihn das letzte Mal gesehen hat?«
»Sie fuhren in ihrem Wagen.«
»Dann muss sein Wagen doch noch immer in …«
»Du hast recht. Ich überprüfe es.« Eine weitere Notiz. Er hob die Augenbraue. »Willst du den Fall nicht übernehmen, Marianne? Klingt, als hättest du die Sache im Griff.« Er lächelte, aber seine Augen blieben ernst.
»Ach, lass mich doch, Dan, ich will mich ja nicht aufspielen. Ich finde es bloß spannend.« Ihre dunklen Rehaugen glitzerten. »Ist das nicht in Ordnung?«
Er schickte ihr einen Kuss durch die Luft, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich habe übrigens auch diesen Anwalt überprüft, mit dem Jakob verschwunden ist. Einar Greiff-Johansen.«
»Und?«
»Ihn gibt es natürlich auch nicht. Nur Jakob hatte mit ihm zu tun, und wenn Papiere zu unterschreiben waren, kam Greiff-Johansen immer zu ihnen, nie umgekehrt.«
»Ursula hat also nie seine Kanzlei gesehen? Sehr praktisch.« Marianne hielt eine Faust vor den Mund und gähnte. »Entschuldigung. All diese Bankunterlagen, davon muss es doch Kopien geben?«
»Gibt es auch. Greiff-Johansen steht als Anwalt für sämtliche Transaktionen darin. Das Problem ist nur, dass die Anwaltskammer noch nie von ihm gehört hat.«
»Müsste die Bank so etwas nicht überprüfen, wenn es um so viel Geld geht?«
»Ja, und das hätten sie sicherlich auch getan, wenn sie etwas mehr Zeit gehabt hätten. Denk dran, der gesamte finanzielle Teil dieses Schwindels dauerte nur vier, fünf Tage, und zwei davon waren ein Wochenende …«
»Oh.«
Dan starrte wieder auf seinen Block. »Ich habe Ursula gefragt, ob sie ein paar gute Fotos von Jakob hat. Hat sie nicht.«
»Sie unterrichtet Fotografie!«
»Meine Worte. Aber Jakob Heurlin hasste offenbar Kameras, und sie erklärte mir irgendetwas von künstlerischem Ausdruck und Inhalt vor Form. Ziemlich langweilig, aber lange Rede, kurzer Sinn: Sie hat nur ein einziges Bild von ihm. Es zeigt seinen Rücken und wurde aufgenommen, während er schlief. Sehr künstlerisch, schwarz-weiß. Ich hab’s hier irgendwo.«
Dan blätterte einen Stapel durch und zog ein Foto heraus. Er reichte es Marianne. »Hier, schau selbst, besser geht’s nicht. Achte auf die Tätowierung an der Schulter, vielleicht hilft sie bei der Identifikation, wenn ich das Schwein irgendwann erwische.«
»Hm. Dann ist meine Idee vielleicht doch nicht so gut.«
»Was hast du dir vorgestellt?«
»Ich habe mir gedacht, man könnte Jakob auf diesen Partnervermittlungs-Homepages suchen«, sagte sie. »Aber dazu brauchen wir ein vernünftiges Foto.«
»Wer sagt denn, dass der Mann ein Dating-Profil hat? Ursula hat ihn doch ganz anders kennengelernt.«
»Also hör mal, ich habe ja keine Ahnung, ob dieser Jakob ein solches Profil hat oder nicht. Aber wenn du mit deiner Theorie recht hast, dass er diese Nummer mehr als einmal abgezogen hat, dann gibt es höchstwahrscheinlich einige enttäuschte hinterlassene Damen in seinem Kielwasser. Die meisten von ihnen sind Singles; jedenfalls spricht alles dafür, denn rein statistisch ist die Chance, einen nur einigermaßen passenden Liebhaber zu finden, nicht sonderlich groß für eine Frau, die die Wechseljahre hinter sich hat.«
Dan zuckte die Achseln. »Nee, vielleicht, aber …«
»Auf der anderen Seite«, fuhr Marianne unbeirrt fort, »stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Obwohl sie sich einmal die Finger verbrannt haben, ist es nicht sicher, dass sie es alle aufgegeben haben, einen Mann zu finden, oder?« Sie fischte noch eine Halspastille aus der Schachtel. »Wenn du wüsstest, wie viele alleinstehende Frauen ich kenne, deren Daten im Netz stehen. In unserem Alter. Und älter.« Plötzlich lächelte sie. »Und nicht einmal alle sind wirklich Single oder Frauen!«
»Ich kenne überhaupt niemanden, der …«
»Da irrst du dich aber gewaltig, mein Lieber. Du kennst eine Menge Leute, die sich im Netz verabreden. Beinahe ebenso viele wie ich. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass Frauen sich das erzählen und Männer nicht. Oder besser, wenn Männer so etwas erzählen, dann vertrauen sie sich typischerweise einer Freundin oder Schwester an. Nicht einem anderen Mann.«
Dan sah sie an und wusste plötzlich, von wem sie sprach. »Hat Flemming …?«
»Da musst du ihn schon selbst fragen.« Marianne schüttelte sich und zog die Füße unter die Decke.
Na gut. Flemming und Marianne führten also noch immer ihre langen Gespräche – ohne Dan. Er musste aufstehen, um sich die Eifersuchtswelle nicht anmerken zu lassen, die seinen Brustkasten schmerzen ließ. »Ich muss mal pinkeln«, sagte er und verschwand, bevor sie etwas sagen konnte. Dans Jugendfreund, Flemming Torp, war mit Marianne zusammen gewesen, bevor sie und Dan sich vor bald fünfundzwanzig Jahren so stürmisch verliebt hatten, dass es in Wahrheit niemals um eine reelle Wahl gegangen war. Das Unglaubliche an dieser Geschichte war, Dans und Flemmings Freundschaft hatte nicht nur diese heftige Probe überstanden, sondern ihr Leben lang gehalten: in der Zeit, als Flemming auf die Polizeischule ging und Dan sich seine ersten Sporen in der Werbung verdiente; in den vielen Jahren, in denen Flemming mit Karin verheiratet gewesen war; in Urlauben, wo die beiden Familien mit ihren kleinen Kindern ganz Nordeuropa bereist hatten; in der Zeit von Flemmings und Karins Scheidung vor einem Jahr. Zu Karin hatten sie den Kontakt verloren, als sie zu ihrem neuen Mann in Hvidovre zog, aber Flemming war noch immer ein fester Bestandteil ihres Lebens, ein loyaler und hilfsbereiter Freund.
Das Problem bestand darin, dass Dan in den letzten Jahren die zwanghafte Idee entwickelt hatte, seine Frau und sein bester Freund könnten eine Affäre haben. Kindisch, aber so war es. Eigentlich müsste Flemming eifersüchtig sein, denn schließlich hatte er damals Marianne verloren. Er hatte sich mit der Nächstbesten begnügen müssen und keine sonderlich glückliche Ehe geführt. Offensichtlich fühlte er sich in seinem hässlichen Reihenhaus einsam und vergrub sich in seine Arbeit als Kommissar bei der Polizei von Christianssund. Flemming hatte allen Grund, seinen charismatischen Freund zu beneiden. Aber nicht er war eifersüchtig. Sondern Dan. Und Dan musste all seine Kraft aufbieten, um dieses Gefühl zu unterdrücken. Er wusste genau, wie pathetisch das war. In seinen rationaleren Momenten – neunzig Prozent seiner Zeit – war ihm schon klar, dass es zwischen Flemming und Marianne nicht zu einer einzigen unpassenden Berührung gekommen war, seit sie ihren netten, realen Liebsten damals in den Achtzigern gegen sein attraktives Arschloch von Freund getauscht hatte.
Denn ein Arschloch war Dan damals gewesen. Eine Sache war seine Arbeitswut und Kontrollsucht, die dazu führte, dass er oft für längere Zeit nicht nach Hause kam. Eine andere sein Verbrauch an Kokain und Tequila. Beides gehörte damals in gewisser Weise zur Werbebranche wie das Rauchen von Zigarren und überdimensionierte Schulterpolster im Kopenhagener Nachtleben. Noch schlimmer war, dass Dan seine Frau in diesen Jahren systematisch mit einer topgestylten Werbetussi nach der anderen betrog. Es war erbärmlich. Tatsächlich trieb er es so schlimm, dass er schließlich bereit war, mit der ganzen Familie in seine Heimatstadt Christianssund zu ziehen, um sein unwürdiges Verhalten zu beenden. Hier waren die Verlockungen nicht so groß, und allein die Größe der Stadt ließ ihn zweimal überlegen, ob er sich auf eine neue Mediengrafikpraktikantin stürzen sollte oder nicht.
Die Strategie hatte funktioniert. Dan war nur noch selten schwach geworden, das letzte Mal lag schon viele Jahre zurück. Allerdings hatte er parallel zur Einstellung seines Drogenkonsums und zur Neuordnung seines Sexuallebens diese Zwangsvorstellung entwickelt, die mit den Jahren immer größer und quälender geworden war. Manchmal wachte er nachts schwitzend vor Panik auf. Als hätte sein schwarzes Gewissen sich diese maßgeschneiderte Strafe ausgedacht und gäbe sich alle Mühe, sie mit den Jahren auszubauen und zu verfeinern. Als Dan vor einem halben Jahr mit einer heftigen Depression aus der Bahn geworfen wurde, war eine Erklärung sein anstrengender Job als Kreativdirektor einer Werbeagentur gewesen, denn als leitender Angestellter war er im Grunde ungeeignet. Dieses Problem war gelöst. Er hatte in der Agentur gekündigt und sich selbstständig gemacht. Er hatte keinerlei Verantwortung mehr für Untergebene.
Eine andere und eher versteckte Ursache des Zusammenbruchs war sein Schamgefühl wegen der jahrelangen Untreue gewesen, kombiniert mit der Zwangsvorstellung, Marianne wolle ihn wegen Flemming verlassen. Ein rationalerer Mensch hätte diesen Teil des Problems natürlich mit seinem Ehepartner besprochen – oder zumindest mit seinem Therapeuten –, Dan dagegen hatte ein für alle Mal beschlossen, Marianne solle in diesen, den verräterischsten Teil seiner Persönlichkeit niemals Einblick erhalten. Also schlug er sich im Stillen mit seinen Gespenstern herum und entzog sich, wenn jemand ihm zu nahe kam. Wie jetzt, als er das Büro so abrupt verlassen hatte. Er wusch sich ausgiebig die Hände, bis er spürte, dass seine Atmung sich normalisiert hatte, holte zwei kalte Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und ging zurück in sein kleines Arbeitszimmer, wo Marianne noch immer das Foto von Jakobs nacktem Rücken betrachtete.
»Weißt du, was man machen könnte?«, sagte sie, als hätte sie die Unterbrechung überhaupt nicht bemerkt.
Dan zog seinen Bürostuhl an den Sessel und steckte die Füße unter ihre Decke. »Nein, meine Liebe. Erzähl!« Er reichte ihr die beschlagene Bierflasche, sie nahm sie mit abwesender Miene entgegen. »Skål.«
Sie tranken. Marianne stellte die Flasche auf den Boden und trocknete ihre Hand an der Bettdecke ab. »Diese ganze Affäre mit Jakob und Ursula? Sie hat sich doch vom Anfang bis zum Ende auf dem Internat abgespielt, oder?«
»Ja?« Dan genoss die Wärme ihres Oberschenkels an seinen Füßen.
»Du nimmst aber auch Platz weg, Mann!« Sie rutschte ungeduldig auf dem Sessel herum. »Also gut, die meiste Zeit waren sie natürlich allein, doch in einem Internat ist es unmöglich, sich vollständig zu isolieren, egal wie verliebt man ist.« Dan nickte. »Die beiden mussten sich unter die anderen mischen, wenn sie aßen, wenn gefeiert oder unten am Feuerplatz gegrillt wurde.«
»Woher willst du wissen, dass Jakob überall teilgenommen hat?«
»Wie sollte Laura sonst zu ihrer Meinung über ihn kommen? Die Jugendlichen haben ihn gesehen, er war Teil ihres Alltags, in größeren oder kleineren Portionen.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Was hat jeder Teenager ständig bei sich?«
Er musste nicht lange nachdenken. »Ein Handy.«
»Genau. Eher vergessen sie ihr Geld, die Monatskarte oder ihre Jacke als ihr Telefon. Das ist ihre Sicherheitsleine, ihr ständiger Draht zu allen, mit denen sie in Kontakt bleiben wollen. Und oft genug sind dabei auch MP3-Player und der Internet-Zugang wichtige zusätzliche Werkzeuge. Außerdem benutzen sie es als Tagebuch.«
»Sie machen sich damit Notizen? Benutzen das Diktafon? Oh«, sagte Dan, als er endlich kapierte. »Die Kamera.« Natürlich. Die meisten Mobiltelefone hatten inzwischen ziemlich gute Kameras, und sie wurden benutzt. Junge Menschen schickten sich unablässig Schnappschüsse und kleine Videofilme, es gab so gut wie keine Situation, die zu banal war, um nicht verewigt und vielleicht sogar auf dem Computer abgespeichert zu werden. Dan zog die Füße zurück und rollte auf seinem Bürostuhl zurück an den Schreibtisch. »Du hast vollkommen recht.« Er öffnete sein Mailprogramm und fing an zu schreiben. »Nicht einmal eine kamerascheue Person wie Jakob würde dem unbändigen Drang von neunzig Internatsschülerinnen und -schülern entgehen können, alles um sich herum zu dokumentieren«, sagte er und klapperte weiter.
»Schreibst du Laura?«
»Hmm …«
»Bittest du sie, die anderen zu fragen?«
Dan las die wenigen Zeilen noch einmal und drückte dann auf den ›Senden‹-Button. »Zunächst habe ich sie gebeten, ihr eigenes Handy und die ihrer engsten Freundinnen zu checken. Wenn sich dabei keine brauchbaren Fotos finden, müssen wir den Radius erweitern.«