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8 / Freitag, 23. März 2007
ОглавлениеAls Laura ihre diskrete Fotosammlung am nächsten Tag gegen fünfzehn Uhr beendete, hatte Dan gut zehn einigermaßen brauchbare Porträts von Jakob Heurlin. Er kannte inzwischen das güldene Haar des jungen Mannes, seine aufrechte Haltung und hellroten Ohren. Aber nicht ein einziges Foto zeigte sein Gesicht deutlich. Er war ganz einfach zu schnell gewesen für die Heerscharen von eifrigen Handy-Fotografen, hatte es immer geschafft, den Kopf rasch genug zur Seite zu drehen, nach unten zu blicken oder eine Hand vors Gesicht zu halten. Und Jakobs Vorliebe für große Sonnenbrillen ließ die Erfolgsrate nicht gerade in die Höhe schnellen.
Laura hatte auch eine Videoaufzeichnung geschickt. Sie stammte vom Faschingsfest der Schule vor ein paar Monaten. Alle waren verkleidet, und vielleicht hatte der kamerascheue Jakob es deshalb zugelassen, mehrere Minuten lang gefilmt zu werden, ohne dass er sich abwandte oder hinter anderen versteckte. Ganz offensichtlich war das Mädchen hinter der Kamera einigermaßen fasziniert von dem jungen Mann. Die ganze Zeit stand er im Zentrum des Bildfelds, lachend und redend. Er hatte sich als Nordseefischer verkleidet, das blonde Haar versteckt unter einem gelben Südwester, den Körper vermummt mit Strickpullover und schwarzen Wattstiefeln, eine Stummelpfeife im Mundwinkel. Das Gesicht war teilweise verborgen unter einem imponierenden grauen Vollbart, die Wangen hatte er sich knallrot gepudert. Wäre dieser wettergegerbte Greis nicht in Gesellschaft von Ursula Olesen gewesen, hätte Dan ihn nicht erkannt. Ursula trug ein Piratenkostüm, eine Augenklappe und an der Seite einen klobigen, mit Pailletten besetzten Pappsäbel. Sie hatte keinen Versuch unternommen, ihr hennafarbenes Haar zu verbergen, sondern sich lediglich ein Bandana um die Stirn gebunden. Sie war leicht zu erkennen, und da sie und Jakob permanenten physischen Kontakt hatten, war ein Irrtum ausgeschlossen. Die ganze Zeit hielt einer den anderen am Arm, steckte die Hand in die Gesäßtasche des anderen, bürstete unsichtbare Fusseln von den Schultern. Sie flüsterten sich ins Ohr, knabberten gegenseitig an ihren Faschingskreppeln und flochten die Finger der Hände ineinander, die nicht gerade einen Keramikbecher mit Tee hielten. Dan wusste natürlich, dass dieser kleine Filmschnipsel für die Suche überhaupt nicht zu verwenden war, dennoch sah er ihn sich drei Mal an, fasziniert von der Intimität, die dieses ungleiche Paar in seinen grotesken Verkleidungen ausstrahlte. Er fing an zu verstehen, warum Jakobs Verschwinden ein so großer Schock für seine Verlobte gewesen war.
Schließlich wählte Dan ein einigermaßen scharfes Bild im Halbprofil aus, dazu eine stark beschnittene Kopie von Ursulas Schwarz-Weiß-Foto, auf dem die indische Tätowierung deutlich zu erkennen war. Er stellte die beiden Fotos in einen dunkelgrünen Kasten und versah sie mit einem kurzen Text: KENNEN SIE DIESEN MANN? Er ist ca. 29 Jahre alt, 194 cm groß und hat graugrüne Augen. Die abgebildete Tätowierung befindet sich auf seiner rechten Schulter. Der Mann wurde zuletzt am 19. März im Flughafen Kastrup, Terminal 2 gesehen. Alle Informationen sind willkommen bei dan@sommerdahl.dk. Volle Diskretion garantiert! Das Layout der Anzeige wäre natürlich überzeugender gewesen, wenn Dan ein Artdirector zur Seite gestanden hätte, aber es ging auch so. Er hatte absichtlich nichts von einer Belohnung geschrieben. Er wollte keinesfalls das Risiko irrelevanter Anrufe eingehen.
Bereits eine Stunde später stand die Anzeige auf den Homepages der beiden größten dänischen Kontaktbörsen. Die Preise waren ziemlich gepfeffert, aber als er den Anzeigenverkäuferinnen den Hintergrund erklärte, hatte die eine ihm einen anständigen Rabatt gewährt und die andere die Anzeige sogar gratis eingestellt. Sie schien sehr betroffen von der Geschichte und hatte Dan mehrfach viel Glück bei der Jagd gewünscht, bevor sie endlich auflegte.
Hinterher rief er Kriminalkommissar Flemming Torp an. »Störe ich?«
»Nein, überhaupt nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Wir kommen in dieser verdammten Mordsache nicht weiter, ich habe das Gefühl, auf der Stelle zu treten.«
»Mikael Kjeldsen?«
»Ja, wer sonst? Wir wälzen uns hier in der Stadt ja nicht gerade in Mordfällen. Jedenfalls nicht seit der Geschichte mit Lilliana.«
»Mir tut besonders die Mutter leid.«
»Das kann man wohl sagen. Er war ihr einziges Kind. Aber, nun ja, sie hat ja ihren Gott.«
»Ist sie religiös?«
»Und wie. Sie scheint vierundzwanzig Stunden am Tag zu beten.«
»Hat ihr Sohn das auch gemacht?«
»Bestimmt. Sie ist Mitglied irgendeiner Sekte, und der Sohn war das gezwungenermaßen auch.«
»Er hat studiert, oder?«
»Ja. Informatik an der Universität von Kopenhagen. Zusätzlich hatte er einen Job bei einem Finanzberater hier am Ort. Als IT-Fachmann.«
»Vollzeit?«
»Nein, Teilzeit. Sie haben ihn wegen seines kleinen Handicaps fast gratis bekommen.«
»Äh, ich verstehe nicht ganz?«
»Ach so, ja, das wurde nicht veröffentlicht. Mikael Kjeldsen fehlte die Hälfte seiner linken Hand, ihm standen nur der Daumen und der Zeigefinger zur Verfügung.«
»Das hat aber doch nichts mit seiner Arbeitskraft zu tun? Ich meine, diese IT-Leute benutzen selten sämtliche Finger, wenn sie tippen.«
»Keine Ahnung. Sein Arbeitgeber bekam jedenfalls einen Teil des Gehalts erstattet, und jetzt ziehen sie lange Gesichter, weil sie für einen neuen Mann den Marktpreis bezahlen müssen.«
»Hatte Mikael eine Freundin?«
»Nee. Und offensichtlich auch keine richtigen Freunde. Er hat bei seiner Mutter gewohnt und scheinbar nicht viel anderes getan, als zu studieren, zur Arbeit zu gehen und mit seinem Computer zu spielen.«
»War er ein Hacker?«
Kurze Pause. »Wieso fragst du?«
»Nur so. Diese Vollnerds, deren soziales Leben sich komplett im Netz abspielt, hacken doch auch gern ein bisschen, klauen ein paar Programme, laden Spielfilme runter, so ’n Zeug halt. Natürlich illegal, aber selten aus einem anderen Grund als aus Spaß. Irgendwie gehört das zu diesen Jugendlichen.«
»Wir haben diese Möglichkeit tatsächlich in Erwägung gezogen, seine beiden Computer sind noch immer zur Untersuchung bei den Experten in Kopenhagen. Bisher deutet allerdings nichts darauf hin, dass er ein Hacker gewesen ist.«
»Also, wenn du mich fragst«, begann Dan.
»Ja?« Flemmings Bürostuhl knarrte.
»Ich meine nur … ein Computernerd ohne soziales Leben, den jemand ermordet, indem er ihm einen alten Bildschirm über den Kopf zieht, das muss doch was mit IT zu tun haben!«
»Hast du denn die Zeitungen nicht gelesen? Mikael wurde nicht durch den Bildschirm getötet.«
»Was meinst du?«
»Wir haben uns ziemlich gewundert, als wir die Leiche fanden. Nicht viele können einen elf Kilo schweren, unhandlichen Computerbildschirm anheben und dann einen ausgesprochen präzisen Wurf ausführen, ohne dass es dabei zu irgendwelchen Geräuschen kommt. Und in diesem Fall hätte das Opfer etwas gehört und sich umgedreht, das ist ein Reflex. Aber nichts deutet darauf hin, dass Mikael seinen Mörder gehört hatte. Der Rücken zeigte in Richtung Schuppentür, und sein Gesicht schaute nach vorn, als er getroffen wurde.«
»Hm?«
»Die Erklärung erhielten wir durch den Obduktionsbericht. Mikael war bereits tot, als irgendjemand – höchstwahrscheinlich der Mörder – den Computerbildschirm auf seinen Kopf fallen ließ.« Flemming machte eine Kunstpause. »Mikael wurde durch mindestens zwölf, höchstens achtzehn heftige Schläge mit einem Spaten getötet.«
»Mit der flachen oder der scharfen Seite?«
»Die ersten drei, vier Schläge wurden mit der scharfen Seite ausgeführt. Keinerlei Zweifel, dass jeder einzelne Schlag bereits kräftig genug war, um ihn zu töten. Sein Schädel wurde schlichtweg gespalten. Trotzdem schlug der Mörder weiter auf den Kopf des Toten ein. Die Schläge trafen den Hinterkopf und die linke Seite des Schädels, als hätte ein Rechtshänder in einem schrägen Winkel mit einer Axt zugeschlagen. Diesmal allerdings mit der flachen Seite des Spatens.«
»Ist ja widerlich.«
»Ja, nicht?«
»Da muss doch überall Blut gewesen sein? Der Mörder muss in Blut gewatet … Gab es nicht eine Unmenge Fußabdrücke?«
»Einige, ja. Von dunkelgrünen Gummistiefeln Größe 44.«
»Verflucht, woher willst du die Farbe wissen?«
»Das war nicht schwer herauszukriegen. Sie standen nämlich noch immer dort – fein säuberlich vor der Gartenpforte. Tatsächlich waren es Mikaels eigene Stiefel. Die standen immer im Schuppen.«
»Dann hat der Mörder vor und nach der Tat die Schuhe gewechselt? Mann, eiskalt!«
»Wenn du damit sagen willst, dass es sich um einen geplanten Mord handelt, tja, da hast du sicher recht. Alles war sorgfältig geplant und hinterher wurde ebenso sorgfältig aufgeräumt. Aber die eigentliche Tat, die kann man wahrlich nicht kaltblütig nennen. Der Mensch, der Mikaels Kopf kurz und klein gehackt hat, wurde von starken Gefühlen getrieben, einer gewaltigen Wut.«
»Na ja, klar.«
»Wir hatten gehofft, an den Stiefeln Spuren zu finden, es gab jedoch keinerlei Hautpartikel, Haare oder sonst etwas. Wir haben lediglich ein paar grüne Flusen gefunden – und wie sich herausstellte, stammten sie von Mikaels Wollsocken, die zusammengerollt in seiner Kommode lagen.«
»Und was heißt das? Hat der Mörder sie getragen und sie dann wieder zurückgelegt?«
»Nein, das wäre wirklich etwas zu verwickelt.« Flemming trank irgendetwas. »Diese Flusen müssen vom letzten Mal stammen, als Mikael die Stiefel trug. Die Theorie der Techniker ist, dass der Täter die Gummistiefel mit ein paar dünnen Plastiktüten ausgestopft hat, um Spuren zu vermeiden. Und er oder sie trug die ganze Zeit über Gummihandschuhe. Es gibt nicht den Hauch eines Fingerabdrucks, weder auf den Stiefeln noch auf dem Computerbildschirm.«
»Woher stammt der Bildschirm?«
»Ein alter von Mikael. Er sollte auf den Sperrmüll und ist dann offenbar im Schuppen vergessen worden.«
»Alles lag also parat. Die Stiefel, der Bildschirm, der Spaten, klingt, als wäre es jemand gewesen, der Haus und Garten gut kannte.«
»Ja, und genau das ist ja so merkwürdig. Annemarie Kjeldsen und ihr Sohn kannten nicht sonderlich viele Menschen. Sie trafen sich nur mit Mitgliedern ihrer Gemeinde.«
»Dann muss es wohl einer von denen gewesen sein.«
»Sie haben alle ein Alibi.«
Dan knabberte an seiner Unterlippe, während er nachdachte. »Du hast den Mörder er oder sie genannt. Wohl eher, um politisch korrekt zu sein, oder? Eine Frau könnte doch wohl kaum solch einen Mord verüben?«
»Es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass eine einigermaßen zurechnungsfähige Frau ausgerechnet diese Methode wählen würde, um jemanden umzubringen, nein. Andererseits können wir es auch nicht ausschließen. Mikael war auf der Stelle so tot wie ein Hering, und der Mörder hat gerade mal so viel Kraft gebraucht, als hätte er oder sie Holz gehackt.«
»Und niemand hat etwas gehört?«
»Es muss einen ziemlichen Schlag getan haben, als der Bildschirm am Ende auf ihn geworfen wurde. Aber nach der Rekonstruktion haben wir festgestellt, dass es nicht einmal so laut war, um jemanden im Nachbarhaus zu wecken. Der Schuppen steht zehn Meter von den Häusern entfernt, und sämtliche Geräusche werden von dem Efeu und dem dichten Gebüsch rund um den Schuppen erheblich gedämpft.«
»Wann ist er gestorben?«
»Zwischen Mitternacht und zwei, sagt der Rechtsmediziner.«
Dan dachte einen Augenblick nach. »Ich frage mich schon die ganze Zeit, was Mikael wohl im Schuppen gesucht hat. Es gehört doch schon etwas dazu, einen jungen Mann an einem ganz gewöhnlichen Werktag gegen Mitternacht in einen Schuppen im Garten zu locken.«
»Ihn lockte etwas ziemlich Spezielles. Auf dem obersten Regalbrett des Schuppens stand ein batteriebetriebener Wecker, der mit einer Lampe gekoppelt ist. Wenn Alarm ausgelöst wird, blinkt die Lampe mit einem sehr kräftigen blauen Licht, so ähnlich wie das Blaulicht an unseren Polizeifahrzeugen. Außerdem wird ein fürchterliches Sirenengeheul ausgelöst. Das würde sogar einen verkaterten Teenager wecken!«
»Stand das Ding schon immer im Schuppen?«
»Nein. Mikaels Mutter ist sich ganz sicher, den Wecker noch nie gesehen zu haben.«
»Mikael wurde also von dem Sirenengeheul und dem Blaulicht aus dem Haus gelockt? Nicht sonderlich diskret.«
»Die Sirene war abgestellt. Nur das Blinklicht wurde aktiviert. Wir haben den Wecker gründlich untersucht. Tatsächlich stand er nicht länger als höchstens einen Tag in dem Schuppen. Kein Staubkorn daran. Ich glaube, der Täter oder die Täterin hat das Blinklicht gegen zwölf eingeschaltet, die Schuppentür offen stehen lassen und im Gebüsch neben dem Schuppen gewartet. Mikael saß im Wohnzimmer und sah fern. Er bemerkte das Licht, wunderte sich und ging in den Garten. Als er die Lampe entdeckte, ging er zur Rückwand des Schuppens und hob die Arme hoch zum Regal. Der Täter trat durch die Tür und schlug den Spaten mit voller Kraft auf Mikaels Hinterkopf. Mikael fiel, und der Täter schlug immer weiter, bis er vollkommen sicher sein konnte, dass Mikael tot war. Dann nahm er oder sie den Bildschirm – und bang!«
»Hat noch jemand dieses Blinklicht gesehen?«
»Nein. Der Schuppen steht zwischen ein paar sehr dichten Nadelbäumen. Wir haben es aus den verschiedensten Winkeln probiert, Licht aus dem Schuppen konnte nur im Haus Nr. 14 gesehen werden.«
»Ich verstehe immer noch nicht, wie all das völlig unbeobachtet vonstattengehen konnte. Das ist doch ein dicht besiedeltes Viertel?«
»Es gibt einen ungewöhnlich aufmerksamen Mann im Nachbarhaus, ein Nierenpatient, der uns anrief, bevor die Leiche überhaupt gefunden wurde. Er wollte Mikaels Kollegin wegen unerlaubten Eindringens anzeigen. Wenn irgendjemand etwas gesehen hätte, dann er. Das Problem ist nur, dass der Mann jeden zweiten Tag zur Dialyse ins Krankenhaus muss. Wenn der Mörder das gewusst hat …«
»Wusste der Täter auch, dass Mikaels Mutter verreist war?«
Flemming seufzte. »Zweifellos. Viele wussten es. Annemarie Kjeldsen war auf einem Treffen dieser Sekte, in der sie Mitglied ist. Das Haus des Herrn. Es war eine Art Bibelcamp, soweit ich es verstanden habe, eine Großveranstaltung mit Studienkreisen unter Beteiligung von hochrangigen Mitgliedern aus der ganzen Welt. Sie fand in einem Versammlungshaus in der Nähe von Maribo statt und wurde schon Wochen vorher beworben.«
»Wenn es sich um eine so große Show handelte, wieso war Mikael dann nicht dabei?«
»Er hatte das ganze Wochenende dort verbracht, ist aber am Montag früh nach Hause gefahren, um zur Arbeit zu gehen, hat seine Mutter erklärt.«
»Ah ja.«
Flemming räusperte sich. »Lass uns das Thema wechseln. Ich bekomme sofort wieder schlechte Laune, wenn ich mich damit beschäftige. Wie geht’s dir denn?«
»Och, ich habe im Augenblick tatsächlich einiges zu tun.«
»Ja?«
»Na ja, du weißt schon …«
Es entstand eine Pause. Dann lachte Flemming. »Dan, verdammt? Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Wenn du dir die Zeit nimmst, mich mitten in der Arbeitszeit anzurufen, obwohl du angeblich im Augenblick einiges zu tun hast, dann weiß ich doch genau, dass ich dir einen Gefallen tun soll. Raus damit!«
»Uff. Was bin ich froh, dass ich nicht von Verbrechen leben muss, wenn du in der Nähe bist.« Er blickte auf seinen Block. Die Seite war übersät mit geometrischem Gekritzel, den Spuren der langen Gespräche mit den Anzeigenverkäuferinnen der Partnerportale. Ganz oben standen zwei Buchstaben und fünf Ziffern, das Nummernschild von Jakob Heurlins Lieferwagen. Er fasste einen raschen Entschluss. »Hast du Zeit, heute Abend zum Essen zu uns zu kommen?«
»Ist es so umfassend?«
»Na ja. Das Problem ist, dass ich ein ziemlich ernstes Schweigegelübde breche, wenn ich dir etwas erzähle, aber ich denke eigentlich …«
»Also brauchst du sowohl meine Hilfe als auch meine berühmte Diskre…?« Flemming unterbrach sich abrupt. »Sag mal, du bist doch nicht wieder dabei, Detektiv zu spielen, Dan?«
»Ach, das wäre zu viel gesagt. Ich habe nur jemandem versprochen, nach einem Mann zu suchen, der einen Bekannten um einen Haufen Geld betrogen hat.«
»Meinst du nicht, das wäre etwas für die Profis?«
»Der Betreffende möchte unter keinen Umständen die Polizei einschalten.«
»Bekommst du Geld dafür, oder ist es nur ein Freundschaftsdienst?«
»Sowohl als auch.«
»Hm.« Noch eine Pause. »Na, da muss ich mich nicht einmischen. Hauptsache, du passt auf.« Als Dan nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Ich komme um sechs. Soll ich eine Flasche Wein mitbringen?«
»Etwas anderes wäre mir lieber …«
»Und was?«
»Könntest du ein Nummernschild für mich überprüfen, als so eine Art Gastgeschenk?«
Flemming lachte. »Das geht entschieden zu weit! Ich kann dir den Namen des Halters nicht nennen, wenn du den wissen willst.«
»Aber du könntest doch überprüfen, ob ein bestimmtes Fahrzeug als gestohlen gemeldet ist, oder?«
»Das geht. Du bekommst ein Ja oder ein Nein. Wie ist die Nummer?«
Dan las sie ihm vor und gab ihm eine Beschreibung von Jakobs grauem Lieferwagen.
»Was hast du gesagt, wie heißt der Halter des Wagens?«
»Das habe ich noch gar nicht gesagt. Aber der angebliche Halter nennt sich Jakob Heurlin.«
»Buchstabier mir den Namen … H-E-U-R-L-I-N … Heurlin? Merkwürdiger Name. Ich kann ja mal nachsehen, ob ich ihn im Strafregister finde.«
»Könntest du das tun?«
»Kannst du dich selbst im Nacken kratzen?«
»Okay. Aber hast du auch Zeit dafür?«
»Ich freue mich über Abwechslung und über jede Pause im Balleslev-Fall. Eine Sache noch: Glaubst du, du könntest mir ein paar Fingerabdrücke beschaffen?«
Dan überlegte. »Mein Klient ist der Einzige, der es möglicherweise könnte. Würde er dadurch nicht misstrauisch? Ich habe schließlich versprochen, die Polizei rauszuhalten. Verstehst du, was ich meine?«
»Hm. Kannst du nicht sagen, du hättest ein privates Labor gefunden, das mit dem internationalen Register für Fingerabdrücke zusammenarbeitet? Erklär doch einfach, dass es in England oder so liegt, mach es ein bisschen geheimnisvoll. Dann ist dein Klient so beeindruckt, dass er keine weiteren Fragen mehr stellt.«
»Ich werde tun, was ich kann.«
»Bis heute Abend.«