Читать книгу Der Geschmack Frankreichs - Anna Konyev - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Essen in Frankreich ist wie eine Schweizer Uhr: Frühstück, Mittag- und Abendessen findet zu einer exakten Uhrzeit statt. Man isst nicht „irgendwie“, sondern hat die Angewohnheit, sich stets an einen Tisch zu setzten, wohl bereits mit der Muttermilch aufgenommen. „Häppchenweises Naschen“ ist in Frankreich nicht erwünscht. Wenn ein Kind vor dem Essen hungrig ist, erhält es als Antwort auf die Frage nach einem Snack nur das Versprechen eines leckeren und gesunden Mittag- oder Abendessens.
Alle warten mit asketischer Begeisterung auf die geschätzten Stunden und sogar Restaurants schließen in der Zeit zwischen Mittag- und Abendessen, da die Besucherzahl deutlich geringer ist. Abweichungen von den üblichen Essenszeiten sind nur an Feiertagen, beim Besuch eines Restaurants oder bei höherer Gewalt zulässig.
Die Franzosen haben ein Sprichwort, das genau ihre Einstellung zur Ernährung widerspiegelt: „Un bon repas doit commencer par la faim“, was wörtlich übersetzt „Ein gutes Abendessen beginnt mit Hunger“ bedeutet. In Frankreich ist es nicht üblich, sich „übersatt“ zu essen.
Man steht mit dem ersten Sättigungsgefühl vom Tisch auf, ohne auf den Zustand des „vollen Magens“ zu warten. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik l‘Insee benötigt ein durchschnittlicher Franzose zwei Stunden 22 Minuten pro Tag für die Mahlzeiten. Das sind 13 Minuten mehr als 1986. Am längsten sitzen dabei ältere Männer am Tisch.
Zu den Traditionen der französischen Küche gehört die Einbindung von Zutaten, die ein langanhaltendes Sättigungsgefühl vermitteln. Dies sind zum Beispiel Nudeln aus Vollkornmehl, Hülsenfrüchte und Linsen, Fisch und mageres Fleisch, grünes Blattgemüse sowie pflanzliche Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Zellulose. Diese helfen dabei, das Hungergefühl erst spät eintreten zu lassen, die Fettbildung zu verzögern und werden von französischen Köchen leidenschaftlich geliebt. Dank diesen Zutaten hält man bis zum Abendessen ohne Zwischenmahlzeiten durch [1].
Übrigens gibt es in Frankreich keine „Kämpfe“ um fettarme Produkte und „leichte“ Margarinen. Hier werden tierische Fette und Olivenöl hochgeschätzt: Zum Beispiel wird Butter für Croissants mit einem Fettgehalt von 82 Prozent oder mehr verwendet.
Französisches Frühstück ist ein echter Schub der Energie und Glückshormone. Dies sind sanfte, leichte Croissants mit Konfitüre und Butter, eine Tasse aromatischen Kaffees, heiße knusprige Brioche und frisch gepresster Orangensaft! Das Frühstück wird normalerweise bis um 10:00 Uhr serviert. Diejenigen, die später aufwachten, bekommen keine Croissants mehr – Cafés, Brasseries und Restaurants schließen ihre Küche bis zum Abendessen.
Zum Mittagessen bevorzugt man in Frankreich als Vorspeise einen Gemüsesalat und als Hauptgang das Fleisch- oder Fischgericht des Tages oder eine Suppe mit Meeresfrüchten, Gemüse und Pilzen und, natürlich, Dessert.
Entenbrust und Cassoulet in Toulouse beliebt sind, sind es in Bordeaux Fisch und Meeresfrüchte wie Austern, verschiedene Schnecken und Muscheln. Im Allgemeinen ist die Region Aquitaine der Traum eines jeden Küchenchefs. Dort gibt ist eine große Auswahl an Pilzen wie zum Beispiel Steinpilze, Crèpes, die im September und Oktober sehr oft vorkommen, weiße und schwarze Trüffel, deren Hauptsaison im Winter ist. Die Fülle an Wild und Meeresfrüchten aus dem Atlantik stellt einen vollkommen zufrieden. Natürlich ist Bordeaux die Wiege des französischen Weins. Hier ergänzt Wein harmonisch alle Gerichte, auch Desserts. Jeder Anwohner weiß, welcher Wein zu einer bestimmten Art von Käse, Fisch oder Fleisch geeignet ist. In Frankreich gelten zwei Gläser Wein – ein Glas sind 100 Milliliter – für eine Frau und drei für einen Mann als tägliche Norm.
Das Abendessen ist in Frankreich heilig, weil es nicht nur eine Mahlzeit ist, sondern auch eine Gelegenheit zum Plaudern. Ob im Café oder im Restaurant, die Franzosen essen ab 19-20 Uhr bis 23:00 Uhr zu Abend. Selbst mitten in der Woche sind viele große Cafés um 1 Uhr morgens voller Kunden. Das Abendessen besteht aus einem Hauptgericht und einem Dessert. Ein Käseplateau (Käsebrett) und Wein werden ebenfalls serviert.
In Restaurants wie beispielsweise einem der besten Restaurants in Bordeaux, Le Pressoir d‘Argent – Gordon Ramsay, beginnt das Abendessen mit einem Amuse-Bouche. Es folgt eine Vorspeise – leichtes Tatar mit Kaviar oder pochiertem Ei mit Speck, Pilzen und Kräutern, ein Salat mit Riesengarnelen oder Foie gras in Feigensauce – ein Hauptgericht, wie zum Beispiel Kalbfleisch mit Artischocken, Risotto mit weißem Trüffel, Flunder mit Blumenkohl und Nüssen, Steinbutt mit Kräutern, Reh mit Foie gras und Schokolade oder Hummer in seinem eigenen Saft mit Pilzen, der durch eine köstliche Sauce ergänzt wird, und am Ende ein köstliches Dessert: Eis in Vanille-Rum-Sauce, Sorbet mit Ananastatar, Karamell, heißes Soufflé mit Williams Birne oder Schokoladenkrokant mit Nüssen. Es folgt ein Plateau mit verschiedenen Käsesorten, Kaffee – meist entkoffeiniert –, seltener Tee mit Kräutern und kleine Schokoladenbonbons. Ebenso werden den Kunden mehrere, schön verpackte Madeleines gereicht, die diese morgens genießen können.
Jeder Franzose mit Selbstachtung kauft Obst, Gemüse und andere Produkte wie Würstchen, Fisch und andere Meeresfrüchte, Pasteten und Käse auf den Märkten. Dort kann man das frischeste Produkt vom Hersteller zu einem sehr günstigen Preis kaufen. Hier frühstücken auch die meisten Franzose sonntags gegen 11:00 Uhr – sie lieben den „grasse matinée“ – „später Morgen“. Der Markt bietet eine Auswahl an Austern, Muscheln, Garnelen, verschiedenen Paellas mit Gemüse und Meeresfrüchten, frisch gepressten Säften und Wein.
Die Meinung, dass eine Person isst, um zu leben, hat in Frankreich keine Bedeutung. Hier isst man zum Vergnügen, genießt jeden Bissen und jeden Schluck. Und die Franzosen machen es genau richtig! Zu schlucken, ohne vorher das köstliche Tatar aus Dorado, die Bouillabaisse, das Gratin oder das Coq au Vin zu kauen – eine wahre Schande! Man muss in Frankreich langsam essen, in Begleitung eines guten Weins aus der Region.
1991 ertönte im amerikanischen Fernsehen der Satz „Wollen Sie schlank sein wie die Franzosen? – Trinken Sie Wein!“ In den darauffolgenden Wochen stieg der Umsatz dieses Getränks in den USA um fast 50 Prozent. Die Tradition in Amerika, täglich Wein zu trinken, ist nicht tief verankert, aber die Franzosen sind darüber nicht traurig. Sie begleiten immer noch fast jede Mahlzeit mit ihrem Lieblingsgetränk – und dieses wurde nicht im erstbesten Supermarché gekauft.
Wein in der Heimat Napoleons wird nicht grundlos konsumiert: Nicht das Gericht begleitet den Alkohol, sondern der Wein hilft, den Geschmack des Gerichts zu enthüllen und hervorzuheben. Sie trinken es langsam und schmecken sorgfältig jede Note von Geschmack und Aroma. Anstatt im nächsten Supermarché zwischen dem einfachen Cheddar und seiner fettarmen Version zu wählen, gehen die Franzosen für Käse in eine Fromagerie, für Brot in eine Boulangerie und für Gebäck in die Pâtisserie. So wird auch Wein in speziellen Läden gekauft [2].