Читать книгу Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue - Anne-Laure Daux-Combaudon - Страница 36

Einleitung

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Das Ideal eines Satzes im Allgemeinen wurde lange Zeit darin gesehen, dass er aus zwei Gliedern besteht – Subjekt und Prädikat – und dazu dient, einen möglichst zutreffenden Gedanken auszudrücken. Diese Bestimmung seiner Form wie auch seiner Funktion findet sich bei Aristoteles in der Schrift Peri hermeneias. In diesem frühen sprach- und zeichentheoretischen Entwurf geht es um die gegenseitige Zuordnung der Dinge sowie der Gedanken und der Laute eines Sprechenden im Behauptungssatz:

Die Gedanken in der Seele eines Sprechenden sind – als Abbilder der Dinge – weder wahr noch falsch, und die Laute, die ihnen zeichenhaft entsprechen, sind es in Gestalt isolierter Nomen oder Verben ebenfalls nicht. Erst wenn die Gedanken in der Seele miteinander verbunden werden, und entsprechend die Nomen und Verben in der Rede, kann Wahrheit oder Falschheit zugesprochen werden (Peri hermeneias, 1. Kap., 16a).

Seine Funktion kann der Behauptungssatz nur erfüllen, wenn er mindestens zweigliedrig ist und so die Verbindung der Gedanken anzeigen kann – zutreffend oder unzutreffend. Diese Grundauffassung der Zweigliedrigkeit wurde bis ins 19. Jahrhundert unhinterfragt übernommen. Kurze Formen sind demgegenüber durch das Fehlen eines der beiden Glieder ausgezeichnet, entweder des Subjekts oder des Prädikats.

Ob und inwiefern auch diese Formen die Funktion des Gedankenausdrucks erfüllen können, war Gegenstand einer Ende des 19. Jh. einsetzenden Debatte über die Eingliedrigkeit von Sätzen, die sich weit ins 20. Jh. hineinzog. In ihrem Verlauf etablierte sich allmählich die Auffassung, dass eingliedrige Sätze nicht unvollständig oder defizitär sind, sondern gleichrangig gegenüber zweigliedrigen Sätzen zu behandeln sind. Die Untersuchungen von Behr / Quintin (1996) über verblose Sätze, von Schwabe et al. (2003) zu ‚Omitted Structures‘ sowie von Redder et al. (2012) über unpersönliche Konstruktionen bilden rezente Beispiele für diesen Perspektivenwechsel.

Im Folgenden soll die Debatte um die Eingliedrigkeit von Sätzen in wissenschaftshistorischer Absicht nachgezeichnet werden, da hier schon wesentliche und sehr moderne Argumente für kurze Formen, verbunden mit Überlegungen zur Funktion von Sätzen, vorgebracht wurden. Grundsätzlich – soviel sei schon gesagt – geht es in dieser und den nachfolgenden Debatten um die Frage, ob ein aus der Logik übernommenes Muster der Satzbildung verbindlich ist, was für die Zweigliedrigkeit spricht, oder ein sprachnahes Kriterium gilt, was die Eingliedrigkeit von Sätzen durchaus zulässt. Näheres dazu im folgenden Abschnitt.

In einem zweiten Zugriff sollen darüber hinaus einige Auffassungen zu unpersönlichen Konstruktionen in der neueren Semantik- und Pragmatikdiskussion dargestellt und diskutiert werden, woran sich einige grundsätzliche Überlegungen zur Kontextbezogenheit von Satzäußerungen anschließen.

Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue

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