Читать книгу Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue - Anne-Laure Daux-Combaudon - Страница 42

1 Einleitung

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Im vorliegenden Beitrag wird die Instanziierung1 eines Schemas x ≆ y für Konstruktionstypen (≆ Sätze) veranschlagt, die sich aus Elementen mit Subjekt- und Prädikativstatus bzw. aus zwei Referenzausdrücken ± Kopula herstellen lassen (vgl. auch Behr 2016; Behr / Quintin 1996), und die entsprechend verschieden realisiert – hier mit Fokussetzung auf den deutschen und englischen Sprachgebrauch – auftreten. Das mathematische Symbol ≆ drückt eine ungefähre, aber nicht genaue Gleichheit aus, so dass die Relation, die zwischen x und y hergestellt wird, eine ungefähr, aber nicht genau gleiche ist. Zwischen Subjekt x und Prädikation y wird eine Relation angesetzt, die auf der Grundlage von Implikationsrelationen operiert; die Kopula fungiert hierbei als Funktion mit der Anweisung Stelle eine ungefähre, aber nicht genaue Gleichheit zwischen x und y her oder Suche nach einem Element im Frame x, das mit einem Element im Frame y kompatibel ist. Häufige Kopulaverben im Deutschen sind sein, bleiben und werden sowie heißen, gelten, aussehen, scheinen, erscheinen, wirken, im Englischen be, remain, become, turn, get, seem, look, sound, feel, appear. Dabei ist zwischen Kopulaverben zu unterscheiden, die einem Subjekt eine Kategorie (oder Eigenschaft, die das Subjekt in einer oder mehreren Kategorien verortet) zu- oder absprechen. Das sind Individuenprädikate, bspw. Die Schildkröte ist weise, wobei diese Aussage formalisiert werden kann als W(s) oder als ∃x (S(x) ∧ W(s)) oder als ∀x [S(x) → W(s)], und solchen, die dem Subjekt einen Prozessausschnitt zu- oder absprechen. Das sind Stadienprädikate, bspw. Der Elefant ist fröhlich, wobei diese Aussage formalisiert werden kann als F (S (e)). Die Formalisierungsmöglichkeiten hängen natürlich auch mit der Verwendung eines definiten oder indefiniten Artikels + SEIN zusammen, woraus sich unterschiedliche Lesarten ergeben können, die entweder eine dauernde Eigenschaft, einen temporär begrenzten Prozess oder Generizität ausdrücken. Anders formuliert bedeutet das, eine Unterscheidung von Kopulaverben, die zwischen x und y eine statische, und solchen, die zwischen x und y eine dynamische Relation herstellen, vorzunehmen. Der Fokus wird in diesem Beitrag auf die Kopulaverben SEIN und BE gesetzt, die sowohl als Individuen- als auch Stadienprädikat in Erscheinung treten.

Grundsätzlich ist zunächst davon auszugehen, dass x und y völlig unabhängig voneinander auf einer metakognitiven Ebene im Gedankenformat existieren. So zeigt Peirce mit seinem Beispiel Socratem sapientum esse eine nicht assertierte Proposition an (vgl. hierzu Leiss [2009]2012, 115f.), die prädikatenlogisch betrachtet als W(s) formalisiert werden kann. Diese Formalisierungsmöglichkeit ist von Peirce schon angedacht, da die Endung -um im Sinne einer Synaloiphe wegfallen kann, so dass ein verschmolzenes Prädikat(iv) sichtbar wird, nämlich sapientesse (weisesein).2 Da Socratem im Akkusativ in Erscheinung tritt, sapientesse hingegen eine infinite Form darstellt, wird ersichtlich, dass Subjekte als grundsätzlich affizierbar zu denken sind (und zwar vom Beobachterstandpunkt des Denkers aus [ich denke, dass …]), Prädikat(iv)e hingegen als grundsätzlich infinit.

Wie Geist / Rothstein (2007: 6) ausführen, wird für SEIN seit Frege und Russell ein Funktionsfeld für Prozesse der Prädikation, Subsumption und Gleichsetzung veranschlagt. Eine homonyme Kopulae SEIN (Stage-Level und Individual Level predicates) wird für das Englische u.a. von Kratzer (1995) angesetzt (vgl. dazu auch Abraham 2015; Krifka et al. 1995) und existiert overt durch zwei unterschiedliche Formen von SEIN ausgedrückt auch für das Spanische. So eröffnet das Stadienprädikat estar (=BE, SEIN) einen Raum für ein Argument, sodass eine zeitlich-räumliche Lokalisierung möglich wird, um Erfahrungsrepräsentationen des episodischen Gedächtnisses auszudrücken (Leiss 2017: 41). Mit Stadienprädikaten oder Stage Level predicates (Leiss 2017: 49) werden synthetische Sätze hergestellt (bspw. Der Schimmel ist 27 Jahre alt). Individuenprädikate oder Individual Level predicates (span. ser) kodieren hingegen Eigenschaften von Individuen (Leiss 2017: 49f.) und drücken damit Wissensrepräsentationen aus, die das semantische Gedächtnis strukturieren (Leiss 2017: 44f.). Wissensrepräsentationen des semantischen Gedächtnisses sind durch analytische Sätze definiert (bspw. Der Schimmel ist weiß). Die beiden verschiedenen Kopulaqualitäten, die auch für SEIN angesetzt werden können (vgl. dazu und auch zur historischen Entwicklung Leiss 2017), zeigen also „eine Differenzierung des humanspezifischen Langzeitgedächtnisses in semantisches Gedächtnis vs. episodisches Gedächtnis“ (Leiss 2017: 43f.). Das semantische Gedächtnis stellt einen Wissensspeicher dar, wobei Wissen generisch ohne Referenz organisiert ist und die Einheiten analytisch aufgebaut sind (Leiss 2017: 45). Das episodische Gedächtnis dient hingegen als Erfahrungsspeicher, wobei Erfahrungen mit Referenz organisiert, also in Raum und Zeit verankert sind, Erfahrungen sind verhandelbar, Wissen hingegen (erst einmal) nicht (Leiss 2017: 45). Generizität kann als ein „Zwischenbereich zwischen Wissenssätzen (analytischen Sätzen) und Erfahrungssätzen (synthetischen Sätzen)“ definiert werden (Leiss 2017: 45).

Nach Higgins (1979, ausgeführt nach Geist / Rothstein 2007: 7) lassen sich vier Typen von Sätzen mit SEIN als Kopula unterscheiden, wobei Typ 2 und 3 unter einen Typ subsumierbar sind: 1. (referential) predicational, 2. (referential) equative, 3. (referential) identificational, 4. (superscriptional) specificational. Sortiert werden die Kopulaqualitäten nach Art der instanziierten Nominalphrasen. Die folgenden Beispiele sind zitiert nach Geist / Rothstein (2007: 7):

„Im präzidierenden Satz (Typ I ‚predicational‘) wird über John die Eigenschaft Lehrer sein präzidiert.“ Präzidierende Sätze sind dem episodischen Gedächtnis zuzurechnen.

„Im Identitätssatz (Typ II ‚equative‘) wird die Identität zweier durch the Morning Star und the Evening Star repräsentierter Referenten behauptet.“ Identitätssätze sind dem semantischen Gedächtnis zuzurechnen.

„Im identifizierenden Satz (Typ III ‚identificational‘) wird durch die NP the Mayor of Cambridge der Referent des Subjekts that woman identifiziert.“ Identifizierende Sätze sind dem episodischen Gedächtnis zuzurechnen.

Typ IV: „The reason for the accident was broken brakes“ (Bsp. nach Mikkelsen 2005 zit. n. Geist / Rothstein 2007: 8) soll aufgrund der prädikativen NP nicht-referentiell sein. Im Deutschen brauchte man ein finites Verb im Plural, also Die Ursache des Unfalls waren defekte Bremsen.

Möglich wäre aber der folgende Satz: Die Ursache des Unfalls (ist): defekte Bremsen. Referiert wird hierbei nicht in die reale Welt, sondern in die mentale Welt, also metakognitiv. Diese metakognitive Referenz ist dem semantischen Gedächtnis zuzurechnen: Wenn ein Auto defekte Bremsen hat, besteht die Möglichkeit eines Unfalls.

Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue

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