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Bindung macht stark

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Die bekannte Bindungsforscherin Dr. Karin Grossmann hat in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass Dreijährige, die eine sichere Bindung zu ihren Bezugspersonen aufgebaut hatten, sich im Wetteiferspiel deutlich mehr anstrengten als weniger sicher gebundene Kinder. Sie waren zudem kommunikationsbereiter und sozial stärker integriert. Der Grund: Ihre Eltern zeigen ihnen im Alltag klare Grenzen, was beim Kind die Sicherheit erzeugt: »Ich weiß, in welchem Rahmen ich mich bewegen kann.«

Während Psychologen früher meist herauszufinden suchten, warum Menschen Angst haben oder warum sie unter Panikattacken leiden, interessieren sie sich heute eher für die Schutzfaktoren der Seele. Sie wollen wissen, warum manche Menschen mehr Widerstandskraft und Selbstbewusstsein haben und daher Krisen besser bewältigen als andere. Warum kommt der eine Zweijährige besser mit dem Kampf um den Sandeimer zurecht als ein anderer, der in der Zukunft den Spielplatz vielleicht sogar meiden will? Wo liegen die Wurzeln der starken Persönlichkeit und emotionalen Kraft?

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Phasen der Bindungsentwicklung

0 bis 3 Monate

Das Baby sendet seine Signale an alle Personen, reagiert auf alle und lässt sich von jedem beruhigen. Frühestens nach vier Wochen beginnt es, zwischen vertrauten und unbekannten Menschen zu unterscheiden.

3 bis 6 Monate

Während der »Drei-Monats-Angst« unterscheidet das Baby bekannte von unbekannten Menschen, dabei schenkt es seinen Bezugspersonen mehr Aufmerksamkeit und will in ihrer Nähe sein. Noch lehnt es Unbekannte aber nicht bewusst ab.

6 bis 12 Monate

Nun sind reifere Formen der Kommunikation möglich. Das Bindungsverhaltenssystem (zum Beispiel nachkrabbeln) wird auf wenige Personen ausgerichtet. Trennungsangst tritt auf, wenn die Bindungsperson den Raum verlässt. Um den 8. Monat beginnt das Kind zu fremdeln (»Acht-Monats-Angst«). Jetzt entsteht die eigentliche Bindung.

2. bis 3. Lebensjahr

Mit der zunehmenden Sprachkompetenz kann das Kleinkind das Verhalten seiner Bezugspersonen verbal beeinflussen. Es vermag immer besser zu entscheiden, wann es Nähe braucht und wann nicht. Und es weiß, dass seine Mutter auch dann für es da ist, wenn sie gerade nicht anwesend ist. Das Kind beruhigt sich zum Beispiel, wenn es ein Foto seiner Mutter sieht. Allerdings funktioniert das Ganze auch andersherum: So löst der Gedanke an die gerade nicht anwesende Mutter bisweilen Traurigkeit aus.

Bindungsverhaltensweisen, wie Weinen oder Sich-Klammern an die Eltern, werden im Laufe der Zeit immer seltener. Die Kleinen werden zunehmend sicherer und wollen mehr Eigenständigkeit erreichen. Wissenschaftler nennen diese Phase die zielkorrigierte Partnerschaft. Die Bindungspersonen sind nicht austauschbar; Bindung ist ein lang anhaltendes emotionales Band.

Selbstbewusste Kinder

Psychische Widerstandskraft bezeichnen Forscher als Resilienz. Ihre Basis sind:

 die Fähigkeit der Selbstregulation (etwa mit seinen Emotionen umgehen zu können)

 ein starkes Selbstwertgefühl

 ein gutes Selbstvertrauen (»Das kann ich gut.«)

 Kontaktfähigkeit, soziale Kompetenz und Konfliktfähigkeit

 Problemlösungsfähigkeiten (zum Beispiel die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen)

 Autonomie (Ich-Entwicklung)

 Stressregulation

 Neugierde

 Offenheit

Früher dachte man, Resilienz sei angeboren. Doch heute weiß man, dass ihre Wurzeln in der frühen Kindheit liegen: in einer sicheren Bindung, die stark macht und mit deren Hilfe negative Erlebnisse wettgemacht werden können. Wenn ein Baby schon früh Geborgenheit und Liebe erfährt, seine Leistungen anerkannt und seine Fähigkeiten der Entwicklung angemessen gefördert werden und wenn es soziale Kontakte zu Altersgenossen knüpfen darf, entwickelt es eine lebenslange Widerstandskraft.

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Sicher gebunden – Unterstützung für Eltern

Der Weg zur sicheren Bindung kann mit Stolpersteinen gepflastert sein. Mancher Start ist mühsam, zum Beispiel wenn das Kind krank ist, Schwierigkeiten mit der Selbstregulation hat oder die Mutter an einer Wochenbettdepression leidet. Suchen Sie in so einem Fall Hilfe bei einer Beratungsstelle oder einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Damit Kinder sicher gebunden werden, haben Wissenschaftler verschiedene Programme entwickelt. Mit deren Hilfe lernen werdende und frischgebackene Eltern, sich im Umgang mit ihrem Baby sicher zu fühlen und feinfühlig auf seine Signale zu reagieren – die Voraussetzung für eine sichere Bindung. Drei von diesen Programmen sind:

• Das Baby verstehen: Der »Präventivkurs« wurde von der Universität Heidelberg entwickelt. Hebammen erklären den werdenden Eltern schon vor der Geburt, wie sie eine stabile Beziehung zum Baby aufbauen. Videoaufzeichnungen helfen, Babys Signale zu verstehen.

• SAFE® – Sichere Ausbildung für Eltern: Ein Trainingsprogramm zur Förderung der Bindung zwischen Eltern und Kind, das von Dr. Karl-Heinz Brisch in München ins Leben gerufen wurde. SAFE ® beginnt bereits in der Schwangerschaft; die ausgebildeten Kursleiterinnen begleiten die Eltern in kleinen Gruppen dann durch das erste Lebensjahr ihres Kindes. Wenn später Fragen und Probleme auftauchen, können sich die Eltern an das Team wenden (auch telefonisch).

• PEKiP®: Das Prager-Eltern-Kind-Programm wurde Anfang der 1970er-Jahre von dem Professorenehepaar Dr. Christa und Dr. Hans Ruppelt gegründet (mehr dazu erfahren Sie auf >). Seit fast 40 Jahren begleiten zertifizierte PEKiP®-Gruppenleiter und -leiterinnen Eltern im wichtigen und sensiblen ersten Lebensjahr ihres Kindes. In kleinen Gruppen lernen sie Woche für Woche, ihr Baby genau zu beobachten und angemessen auf seine Signale zu reagieren.

Die ersten 3 Jahre meines Kindes

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