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Die Spaltungsprobleme der Konsumgesellschaft

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Das zentrale Problem der Konsumgesellschaft ist die Spaltung. Damit ist eine menschliche Neigung gemeint, die Nachteile und Widerwärtigkeiten einer Situation von ihren Vorzügen und Annehmlichkeiten zu trennen. In dem Spottmärchen Hans im Glück wird von einem jungen Mann erzählt, der einen Klumpen Gold, der den Nachteil hat, schwer zu sein, gegen ein Pferd tauscht, das den Nachteil hat, ihn abzuwerfen, worauf er das Pferd gegen ein weniger wertvolles Tier tauscht, das andere Nachteile aufweist, bis er schließlich wie erlöst nach Hause springt, weil er gar nichts mehr hat, das ihm lästig fallen könnte.

Solche Spaltungsvorgänge betreffen auch die Institutionen. So erlebt man in der Supervision oft Teams, die sich bitter beklagen, dass es so wenig Hierarchie und Struktur gebe, keiner kümmere sich um Absprachen und setze Verbindlichkeiten durch, es sei das reinste Chaos.

Wenn dann allerdings die Diskussion vertieft und genaue Pläne für Abhilfe entwickelt werden, lässt der Elan spürbar nach, weil jetzt plötzlich deutlich ist, dass die verbindliche Struktur und die Sanktionen, wenn Absprachen nicht eingehalten werden, einen auch selber treffen können, während in der bisherigen, von Spaltungsprozessen diktierten Rede die Unannehmlichkeiten der Disziplinmängel von Kollegen, nicht aber die Annehmlichkeiten gelegentlicher eigener Disziplinlosigkeiten berücksichtigt worden waren.

Die Konsumgesellschaft stimuliert solche Entwicklungen, weil es in ihr zum sozialen Leitbild wird, ohne Reue zu genießen und alle Produkte damit werben, dass sie keinerlei Nachteile oder Folgekosten haben. Reparaturanfälligkeit, Energieverschwendung, Preisverfall plagen uns in der Realität oft genug; in den virtuellen Welten der Werbung werden wir sie nicht finden.

Die Spaltungsvorgänge führen zu einem Schwanken zwischen hierarchischer Strukturierung und flächiger Auflösung von solchen Strukturen. So wird ein Ausbildungsinstitut für Therapeuten gezielt als Antithese zu einem verschulten Betrieb entworfen. Selbstverantwortung gilt viel, jeder Teilnehmer bestimmt selbst, wie er sich sein Wissen aneignet. Schließlich sind das alles reife, selbstverantwortliche Personen, die nicht gegängelt werden dürfen.

Nach einem Jahrzehnt klagen viele der inzwischen ausgebildeten Therapeuten über die Unverbindlichkeit und geringe Stringenz ihrer Ausbildung, in der niemand gefördert werde und sich alle überfordert fühlen. Sie gründen ein konkurrierendes Institut, das mit geschlossenen Gruppen arbeitet, in denen alle Teilnehmer nach genauen Regeln anwesend sein müssen. Mehr als zehn Prozent Fehlzeiten sind nicht erlaubt, dann muss das Jahr wiederholt werden.

Nach einigen Jahren machen sich hier kritische Stimmen bemerkbar: Dieser Betrieb sei grässlich verschult, entmündige die Teilnehmer, es sei nicht einzusehen, weshalb erwachsene Menschen, die bereits ein Studium hinter sich haben, wie Schulkinder behandelt würden.

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