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Die erste Begegnung mit einer Institution

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Die erste Begegnung, in der eine wechselseitige „Einstellung“ der Beteiligten aufeinander noch nicht möglich war, lässt oft Erscheinungen auftauchen, die sich später nicht mehr wiederholen und deren Informationsgehalt verloren geht, wenn sie nicht beachtet werden. Es sind Details, die auf den ersten Blick belanglos wirken; man ist versucht, sie als Zufall oder Ungeschick abzutun, während sie in Wahrheit das Unbewusste symbolisieren und eine Zugangsmöglichkeiten erschließen.

Es gibt literarische Themen, die diese Magie der Initialszene spiegeln, die Geschichte von Parzival etwa, der wegen einer einfachen Frage, die er angesichts seiner ersten Begegnung mit den Gralsrittern nicht stellt, viele Jahre umherirren muss, ehe er eine zweite Möglichkeit findet. Ein anderes Bild ist die Schatzkiste, die nur zu einer ganz bestimmten Zeit sichtbar wird und wieder in den Tiefen der Erde versinkt, wenn dem Schatzsucher das Zauberwort nicht einfällt.

Während in der ersten Begegnung zweier Personen beide Beteiligten potenziell gleich mächtig sind und die Einheiten der Interaktion zunächst klar abgegrenzt werden können, ist die erste Begegnung mit einer Organisation nicht überschaubar. Hinter der Person, mit der ich bei meiner ersten Begegnung mit einer Organisation spreche, liegt die Wirklichkeit dieser Organisation im Dunkeln. Mein Gesprächspartner verdeckt sie, manchmal absichtlich, öfter aber ohne sein Wissen.

Wer für eine soziale Gruppe spricht, ist in seinen Konturen nicht geschlossen. Er zeigt eine kooperative Seite, aber was sich dahinter verbirgt und welche Geheimnisse der Institution noch nicht formuliert sind, enthüllt sich oft erst nach geraumer Zeit.

Wenn zwei Menschen miteinander sprechen, kann immer einer belogen werden. Aber immer muss auch einer der Beteiligten selbst lügen. In einer Organisation hingegen geschieht es oft, dass ein Neuankömmling getäuscht wird, nicht weil ihn jemand anlügt, sondern weil sich die Mitglieder der Organisation, die sich an ihn wenden, selbst täuschen und sich selbst etwas einreden, das sich später als Illusion erweist. Hier ist es viel schwieriger, rechtzeitig kritische Fragen zu stellen, denn man hat mit Menschen zu tun, die selbst getäuscht sind. Da sie aber ihrer Einrichtung oder ihrem Unternehmen verpflichtet sind, wollen sie oft später nicht mehr wahrhaben, dass sie ihre eigene Organisation nicht richtig eingeschätzt haben und dann die Verantwortung für die Täuschung dem Neuankömmling delegieren. Ein Beispiel: Ein Psychologe wird von der Pflegedienstleiterin einer Klinik konsultiert, um im Haus das Betriebsklima und die Zusammenarbeit mit den Ärzten zu verbessern. Tatsächlich ist Abhilfe angezeigt, denn in dieser Einrichtung steht einer von vier Operationssälen leer, weil es an qualifizierten Pflegenden fehlt. Für die Pflegedienstleiterin steht ein Zusammenhang zum schlechten Arbeitsklima in der Einrichtung fest, und sie will etwas dagegen tun.

Der Berater nimmt den Auftrag an und entwickelt nach einigen Gesprächen mit der Pflegedienstleitung in den nächsten Wochen ein Konzept, das vorsieht, Pflegende und Ärzte auf gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen anzuleiten, den bisher höchst unbefriedigenden Stil der Kommunikation zu verbessern. Die Pflegedienstleitung nimmt das Konzept entgegen. Jetzt müsse noch auf einer gemeinsamen Sitzung mit dem zuständigen Mann im Ministerium geklärt werden, ob die Maßnahme anlaufen könne.

Diese Sitzung erweist sich als große Enttäuschung. Der Berater wird von dem Ministerialbeamten unterrichtet, dass der ärztliche Direktor der Klinik keine gemeinsamen Veranstaltungen mit dem Pflegepersonal wünscht. Auf seine verblüffte Frage an die Pflegedirektorin, weshalb sie ihn von dieser Situation nicht schon früher unterrichtet habe, entgegnet diese, sie habe gehofft, der Berater könne ein Konzept zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Krankenschwestern und Ärzten entwerfen, von dem die Ärzte und vor allem der Direktor nichts erfahren müssten. Sie sei sehr enttäuscht gewesen, dass in seinem Entwurf gemeinsame Veranstaltungen gefordert würden, und habe bereits gefürchtet, dass sich diese nicht durchführen ließen.

Der Berater stellte der Pflegedienstleiterin seine vielstündige Arbeit für das Fortbildungskonzept in Rechnung. Sie erklärte ihm daraufhin telefonisch, sie könne leider den Betrag nicht überweisen, denn es sei keine Maßnahme durchgeführt worden. Für einen Voranschlag könnte in der Klinik ein Berater ebenso wenig bezahlt werden wie ein Fabrikant von Operationstischen.

Die Balinttätigkeit mit Teamberatern und Supervisoren hat ebenso wie die eigene Arbeit in verschiedenen Institutionen immer wieder gezeigt, wie häufig die Delegation des (un)heimlichen Problems der Institution an den „Fremden“ ist, der sozusagen zu Besuch kommt. Es liegt nahe, dass er in einer christlich geprägten Gesellschaft als Erlöser begrüßt und später als Aufrührer oder Gotteslästerer gekreuzigt wird.

Im Bauch des Wals

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