Читать книгу Wall Street Blues - Annette Meyers - Страница 12
ОглавлениеErzählen Sie von sich«, sagte Silvestri barsch.
Wetzon schrak aus ihren Gedanken auf und fröstelte. Er war wieder da, wo er vorher gesessen hatte, ihr gegenüber, das Notizbuch gezückt. Sie fragte sich, wie lange er sie schon beobachtet hatte.
»Was genau möchten Sie wissen?« fragte sie verwirrt. Sie war sehr müde.
»Wer sind Sie?« Er hatte ein nettes Lächeln und schöne weiße Zähne. Er raucht nicht, dachte sie. Wie angenehm, daß er nicht raucht.
»Ich bin Leslie Wetzon, ich bin fünfunddreißig Jahre alt, ich bin auf einer Farm im Süden Jerseys aufgewachsen und nach New York gekommen, um Tänzerin zu werden.« Sie blickte wieder in türkise Augen.
»Und jetzt?«
»Ich mache Unternehmensberatung.«
Er konnte anscheinend nichts damit anfangen. »Was bedeutet das?«
»Ich bin Headhunter.« Sie griff in ihre Handtasche und reichte ihm ihre Karte.
»Headhunter«, sagte er, betrachtete eingehend die Karte und steckte sie in sein Notizbuch.
»Headhunter. Ich arbeite in der Finanzgemeinde, zusammen mit einer Partnerin. Wir sprechen Börsenmakler und Führungskräfte an und überreden sie, sich nach besseren Posten bei anderen Firmen umzusehen. Sie könnten mich als Kupplerin bezeichnen …«
»Und wer bezahlt Sie? Der Makler?« Die Augen wurden wieder nichtssagend.
»Nein, die Firmen, die sie einstellen, unsere Auftraggeber, wenn wir sie vorstellen.«
»Ziemlich weit entfernt vom Tanzen. Sind Sie gut darin?«
»Tanz oder Kopfjagd?« fragte sie und spürte dabei einen kleinen Stoß, so etwas wie Anziehung, einen winzigen aufregenden Schwindel, den sie seit langem nicht mehr gespürt hatte. Wie komisch. Er war so ein unwahrscheinlicher Kandidat. Kandidat. Gott, sogar für sich selbst verwendete sie die Sprache des Geschäfts.
»Beides«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. Ein Blitz Türkis.
»Ja … zu beidem.« Sie fühlte sich wie ausgepumpt.
»Sie haben mir erzählt, daß Sie Barry Stark nur dreimal getroffen haben«, sagte Silvestri und notierte etwas.
»Ja … heute mitgezählt. Das erste Mal war auch hier im Four Seasons.«
»Führen Sie Ihre Besprechungen normalerweise an solchen Orten?«
»Er hat Prestige. Reichtum. Macht. Makler fühlen sich davon angesprochen. Jemand, der sich vielleicht nicht gern in einem Büro trifft, wird ins Four Seasons kommen, und das persönliche Kennenlernen ist sehr wichtig.« Sie brach ab. Sie hatte auf der Zunge gehabt, daß ihr der Makler nach einer persönlichen Begegnung ›gehörte‹, aber es klang nicht richtig, und es war nicht unbedingt wahr. »Eine persönliche Begegnung«, fuhr sie fort, »festigt die Beziehung. Ich hatte mit Barry schon Monate vorher über Telefon Kontakt gehalten.«
»Wie sind Sie überhaupt an ihn geraten?«
Wetzon spitzte die Lippen und schloß nachdenklich die Augen. Wie war sie ursprünglich auf ihn gestoßen? Ach, ja. »Georgie Travers gab mir seinen Namen. Sein Freund Georgie, der mit ihm bei Merrill arbeitete.«
»Georgie Travers? T-R-A-V-E-R-S?« Silvestri notierte es.
»Aber Georgie ist nicht mehr bei Merrill. Ihm gehört das Caravanserie. Wissen Sie, die Disko mit dem angeschlossenen Fitneß-Club.«
Silvestri nickte. »Was für ein Mensch ist Georgie Travers?«
»Ich kenne ihn überhaupt nicht. Nur ein paar Gespräche am Telefon. Er hatte einen verheerenden Ruf – unerlaubter Handel, krumme Dinge, ruinierte Leute mit Optionen … es gab auch Gerüchte über Drogen. Ich glaube, Merrill feuerte ihn schließlich, oder er nahm seinen Hut, bevor Anklage erhoben werden konnte. Ich erinnere mich nicht genau, und ich bin Georgie nie begegnet. Aber ich glaube, er und Barry waren eng befreundet.«
»Sie sind nie im Caravanserie gewesen?« fragte Silvestri zweifelnd, während er in sein Notizbuch schrieb.
»Nein.« Wetzon fühlte sich in die Defensive gedrängt und wußte nicht, warum. »Sie etwa?«
Der große Detective mit den Tränensäcken kam wieder. »Entschuldigung …«
»Metzger?« Silvestri stand auf, verließ aber nicht den Tisch. Sie sprachen leise. Die Geräusche drangen wieder durch jenen langen Tunnel zu ihr. Sehr weit weg, immer weiter.